Ich habe heutemorgen erst einmal ein erfrischendes Bad im Teich genommen. Darwin schaute vom Balkon aus zu. Kurze Zeit später treffen wir uns am Zelt. Den Kaffee hat er gleich mitgebracht. Und auf den Kaffee folgt noch eine Einladung zum Frühstück ins Haus. Anschließend verabschieden wir uns herzlich voneinander. Noch ein Abschiedsfoto und dann bin ich schon wieder unterwegs.
In wenigen Minuten lasse ich Holstein hinter mir. Dann wird es wieder ruhiger auf der Straße und ich bin allein. Dabei fühle ich mich wohl. Kein Gefühl der Einsamkeit. Kein Verloren sein. Da ist so viel Freude in mir. So viel Neugierde auf den Weg, der noch vor mir liegt. Und die Tatsache, dass es noch immer 10 Monate sind, treibt mich an, Neues zu entdecken und Menschen kennenzulernen.
Heute ist Sonntag und die Straße am Morgen weitestgehend leer. Auf der Bruce Penisula leben viele traditionell lebende Amish People und gleichzeitig eine große Gruppe mehr liberaler Mennoniten. Aber mir begegnet kein einziger. Kein Buggy ist auf der Straße zu sehen. Und kein Mitglied dieser Gemeinschaften.
Ihre kleinen Gemüsestände, die ich bisher nicht gefunden habe, sind am Sonntag verweist. Sie kommen für mich nicht in Frage, da sie für die Früchte in der Regel Bargeld der Geldkarte vorziehen. Und genau das habe ich nicht bei mir.
So fahre ich unbeschwert durch die ruhige, sonnige Landschaft. Ein Ochse steht in der brütenden Hitze am Wasserloch. Mein Thermometer zeigt 40,7 °C in der Sonne an. Es scheint, als sei ich der Einzige, der sich an diesem Morgen regt.
Ein bunter Wegweiser weckt meine Aufmerksamkeit. Und kurz darauf kündigt mir ein GoCanada unter olympischen Ringen die Olympiade an. Bisher hat sie für mich überhaupt nicht existiert. Und wenn schon Olympiade, dann bin ich mit meiner eigenen Olympiade beschäftigt. Still lächle ich in diesem Augenblick in mich hinein.
Ich erreiche Skinners Bluff in Colpoy’s Lookout Conservation Area. Von diesem Standort aus ist eine interessante Reihe von Bergrücken und Steilhängen zu sehen, die mit der Niagara-Steilstufe in Verbindung stehen.
Oben befindet sich eine massive Steilküste aus Dolomit, eine Erosionsformation, die von einem Schutthang aus herabgefallenen Steinen flankiert wird. Unmittelbar darunter kennzeichnet ein Grat aus Sand und Kies die 11.000 Jahre alte Uferlinie des postglazialen Algonquin-Sees.
Die Straße führt eine kleine sekundäre Steilküste hinab, die aus widerstandsfähigem Dolomit der Manitoulin-Formation und einer Ufersteilküste des postglazialen Nipissing-Sees gebildet wurde, die etwa 5.000 Jahre zurückreicht.
An der Bruce County Road in Wiarton erreiche ich gegen 20 Uhr mein Ziel. Unter einem Apfelbaum neben dem Haus eines Ehepaares schlage ich mein Zelt auf, nachdem ich um Erlaubnis gebeten habe. Ich werde freundlich mit Wasser versorgt. Das Obst liegt auf der Wiese unter dem alten Apfelbaum gleich nebenan. Ich bin froh, dass man mir hilft. Alles geht schnell. Und 15 min später liege ich schon auf meiner Matte und schlafe bald darauf ein.
Sharon und David sind bereits auf, als ich aus meinem Separee komme. Großzügig laden sie mich zum Frühstück ein. Und bevor ich aufbreche, schließen sie mich in ihr Gebet ein.
Da ist so viel Frieden in ihrem Herzen. So viel Gastfreundschaft. Und die Bereitschaft, all das für diesen Augenblick zu teilen. Mich überwältigt das immer wieder. Eine letzte herzliche Umarmung. Dann bin ich wieder auf der Straße.
Straße, das heißt auf asphaltierten Wegen mit und ohne asphaltierten Schultern, auf Schotterstraßen, viele Meter breit und endlos lang, auf schmalen, sandigen Pfaden. Vorbei an Farmland, an Wetlands, durch Wälder und über Felder. Ein ständiger Wechsel der Landschaften. Manchmal zivilisiert in Form und Farbe gepresst. Dann wieder wild und sich selbst überlassen. Fast unberührt. Der ganze Tag ein purer Genuss. Alles ein Höhepunkt.
Glücklich strampelnd ziehe ich über das Land und freue mich, ein Teil dieser Geschichte zu sein. Und selbst die zahlreichen blühenden Wegmalven finden mein Interesse. Da ist so viel Schönheit. Und über allem ein blauer Himmel an diesem sonnigen Tag.
Auf den Getreidefeldern hat die Ernte eingesetzt. Und unaufhörlich ziehen in diesen Tagen die Mähdrescher über die Felder, um die reiche Ernte einzufahren.
Probleme bereitet mir persönlich die Hitze nicht. Es sind 36,1 °C in der Sonne. Die Luft insgesamt feuchtschwül aufgeheizt. Die gestern Abend gekaufte Milch ist bereits sauer und das Brot schimmelt. Da ich keine Kühlmöglichkeiten habe, bleibt mir nur, frische Lebensmittel für den sofortigen Verzehr einzukaufen.
Das Problem dabei ist, dass ich meistens zu große Packungen kaufen muss. Joghurt wird in der Regel in 1 Liter Packungen angeboten oder im 10er Pack. Eier im 12er Pack. Kleinere Gebinde finde ich nicht. Käse im kleineren Block muss ich sofort verzehren. In dieser Hitze schmilzt er in der Plastiktüte und sieht schließlich unansehnlich aus. Ob so ein Käse nach drei Tagen noch schmeckt, habe ich nicht ausprobiert.
Paprika, Broccoli, Staudensellerie, Blumenkohl, Karotten usw. kaufe ich nur einzeln. Die Gebinde sind in der Regel zu groß. Und Gehacktes hab ich bisher nur in Packungen über 450 gr. gefunden.
Manchmal kaufe ich Würstchen ein, die geräuchert und ohne Kühlung haltbar sind, so lange sie eingeschweißt sind. Brot zu finden, das unserem Brot in Deutschland entspricht, ist fast aussichtslos. Trotzdem versuche ich so zu wirtschaften, dass nichts weggeworfen werden muss.
Die Farmen entlang des Weges sehen allesamt gesund aus. Milch- und Weidewirtschaft wechseln mit Getreide und anderen Feldfrüchten. So geht das den ganzen Tag.
Bis der Abend kommt, und ich mich zur Abwechslung auf die Suche nach einem Schlafplatz mache. In Holstein, Ontario verlasse ich die Straße und fahre die lange Auffahrt eines Grundstückes hinauf. Ich klingel an der Haustür. Ein älterer Mann tritt vor die Tür. Nachdem ich mich vorgestellt und erzählt habe, woher ich komme, und dass ich mir gerade meinen Traum erfülle, hält er kurz Rücksprache mit seine Frau.
Ich warte 1 min. Dann kommen beide vor die Tür und heißen mich herzlich willkommen. Selbstverständlich darf ich mein Zelt am hauseigenen Teich aufstellen. Zusätzlich gibt es frisch gepflückte Cucumber und dazu Budweiser Lite. Während ich mein Zelt aufbaue und meine Not mit den stechenden Moskitos habe, schenkt mir Darwin eine Dose Moskito Abwehrspray. Seine Frau bringt mir Handtuch, Waschlappen, Shampoo und Seife. Und ich darf im hauseigenen Teich baden gehen.
Mein Gastgeber heißt Darwin. Er wird nächste Woche 80 Jahre alt und ist sehr vital. Voller Freude erzählt er mir aus seinem Leben. Dann führt er mich durch den Garten und anschließend zeigt er mir, was er zu verkaufen hat. Und das sage ich einmal: Alles, was sich verkaufen lässt. Dabei hat er immer noch große Freude am Verkaufen.
Sie haben die Mutter seiner Frau ins Haus aufgenommen. Und Darvins Frau pflegt sie mit großer Hingabe, auch wenn das viel Kraft kostet. Und dann noch einen Fremden wie mich mit so viel Großzügigkeit zu bedenken. Das ist faszinierend und verdient meine allergrößte Anerkennung.
Ich habe eine spannende Nacht an der Eller Rd. in Thorold, einem Stadtviertel von Milton, Ontario, wo ich mein Zelt aufschlage. In der Nacht ein mehrstündiges Konzert heulender Kojoten, die immer wieder meinen Schlaf unterbrochen haben.
Angst empfinde ich keine. Das Rudel scheint sich in einiger Entfernung aufzuhalten. Vielmehr lausche ich wiederholt dem vielstimmigen auf- und abschwellenden Konzert der Tiere, das die ansonsten ruhige Nacht durchdringt.
Und jetzt, am frühen Morgen, der Vogelgesangsverein. Ich versuche, noch bis 8 Uhr zu ruhen. An Schlaf ist nicht zu denken. Zu abwechslungsreich, zu großartig dieser Morgen mit den vielen Vogelstimmen.
Um 9 Uhr bin ich – nun schon einer Gewohnheit folgend – wieder auf der Straße. Ich folge dem Bruce Trail Richtung St. Catharines, wo ich um kurz nach 10.00 Uhr eintreffe. Ich radle eine kurze Zeit am Weinanbaugebiet vorbei. Mein Weg führt mich runter von der asphaltierten Straße auf den Dofasco Trail, der sich durch Farm- und Wetlands windet.
Nach einigen Stunden auf dem Trail erreiche ich die Ridge Road, welche mir eine schöne Aussicht auf Hamilton bietet.
Weiter geht es auf dem Beach Blvd in Hamilton, den ich mir mit anderen Radfahrern, Skatern und Fußgängern teile. Für mehrere Kilometer habe ich einen Schrittmacher vor mir, der mich in allem verblüfft.
Obwohl ich ihm kaum Folgen kann, hat der Mann noch Zeit, kleine Sprünge, Kreise und keine Kunststücke auf seinen 8 Rädern hinzulegen. Alles mit spielender Leichtigkeit, während ich meine Not habe, dem gebotenen Schauspiel zu folgen. Der Typ begeistert mich …
… bis mir buchstäblich die Luft ausgeht. Eine Glasscherbe, einlanger, tiefer Schnitt durch das Gummi zwingen mich zum Stopp. Reifenwechsel! Ich habe gerade einen neuen Mantel aufgezogen und einen geflickten Schlauch verwendet. Ergebnis: Ich sitze noch nicht einmal auf dem Rad, schon der nächste Platten.
Ab jetzt keine selbstklebenden Flicken mehr. Das ist großer Mist. Es braucht 1.5 h bis ich weiterfahren kann. Jetzt geht es erst einmal aus der Stadt Hamilton raus…
Über den Centennial Trail und den Mount Forrest Trail verlasse ich Burlington. Der Trail folgt für viele Kilometer einer Hochspannungstrasse. Links und rechts frisch gemähtes Gras, das in der Sonne zu Heu reift.
Meine Nase fängt an zu Laufen. Die Augen brennen und die Pollen Stechen. So geht es mit tränenden Augen hinaus aufs Land. Und ich bin glücklich, als ich den Trail verlasse. Mittlerweile ist es Zeit, einen Schlafplatz zu suchen. Die Sonne versinkt bereits hinter den grünen Wellen am Horizont.
An der Campellville Road in Milton klopfe ich an die Tür. Sharon kommt heraus und wir haben ein kurzes Gespräch. Sie nimmt sich Zeit und hört mir zu, obwohl sie Familienbesuch hat, der gerade das Haus verlassen will.
Nachdem sie kurz rübergewechselt hat um Ihre Tocher, Schwiegersohn und Enkelkind liebevoll zu verabschieden, kommt sie zurück. Und während wir uns unterhalten wird ihr Ehemann David bereits aktiv, und fängt ein, den Hänger von innen zu säubern. Erst wollte ich im Garten das Zelt aufschlagen. Doch es ist zeitlich soweit fortgeschritten, dass ich in die Dunkelheit komme. So nehme ich voller Freude das Angebot beider an, im Trailer zu übernachten.
Als ich kam, sah es im Trailer noch nach viel Arbeit aus. Nun aber ist es ein wunderbares Separee. Der Eingang wird mit einer Plane verschlossen. Ich bekomme noch eine Nachttischlampe gereicht und am Kopfende werden zwei Ventilatoren aufgestellt, die die Mücken vertreiben. Und das Sahnehäubchen ist eine dicke, saubere Matratze. Was für ein Komfort.
Sharon und David verlassen kurz das Haus und kommen mit einer Pizza wieder. Wir essen gemeinsam. Ich darf die Dusche benutzen und sie waschen meine Wäsche. Zum Abschluss des Tages plaudern wir noch ein Stündchen. Dann wird es Zeit für mich, schlafen zu gehen.
Dankbar und überaus glücklich, so liebe und hilfsbeireite Menschen zu finden, gehe ich zu Bett. Ein weiterer Schöner Tag findet in großem Frieden in meinem Herzen ein Ende.
John und Michelle in Hamilton waren wundervolle Gastgeber. Der Empfang war herzlich. Von Michelles Kochkünsten bin ich begeistert. Beide haben mir viel Unterstützung für meine weitere Planung gegeben. Auch die drei Hunde, Win, Lucy und Douglas haben sich von ihrer besten Seite gezeigt. So hatte ich einen wunderschönen Abend mit tollen Gesprächen und dem wunderbaren Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Vielen Dank für alles, was ihr für mich getan habt.
Nach einem Frühstück verabschiede ich mich von Beiden. Ihre Routen-Ratschläge sind hervorragend. Und zum ersten Mal auf meiner Tour mache ich die Erfahrung, wie langweilig eine Etappe sein kann. Ich nehme die Route entlang des Südufers des Ontariosees.
Über fast die ganze Strecke radelt man entweder, wie im Bild, an der Lärmschutzwand oder ohne Lärmschutz an der stark befahrenen Interstate entlang. Kaum Strände. Noch weniger Möglichkeiten für irgend ein Freizeitvergnügen. Insgesamt eine trostlosen Strecke.
Einziger Vorteil: Man kommt schnell voran. Und das ist Heute meine Absicht. So hab ich mehr Zeit für die Orte Niagara on the Lake sowie Niagara Falls und den Weg dazwischen, entlang dem Niagara River.
Irgendwo vor Niagara on the Lake entdecke ich ein Schiffswrack. Und da ich bisher von diesem Streckenabschnitt keine Bilder habe, muss dieser rostende Schiffsrumpf dafür herhalten.
Ca. 10 km bevor ich Niagara on the Lake erreiche, ändert sich die Landschaft. Ich durchfahre Kanadas Weinanbaugebiet. Und gleichzeitig werden hier Pfirsiche und Nektarinen angebaut.
Den Verlockungen der reifen, leuchtenden Pfirsiche kann ich nicht widerstehen. Ich nehme, was der Baum abgeworfen hat. Die Pfirsiche sind unbeschädigt und nachdem ich den Staub abgewaschen habe, beiße ich herzhaft hinein. Was für ein Genuß! Das Fleisch ist weich und zuckersüß. Der Geschmack in diesem Augenblick durch nichts zu überbieten. Und wo ein Pfirisch Platz findet, da ist auch Platz für weitere reife Früchte.
Ich bin noch am Verdauen, als ein Mann auf seinem Quad auf mich zusteuert. Er fragt, ob ich Hilfe brauche, was ich verneine. Ich nenne den Grund meines Stopps und in seinem Gesicht sehe ich ein strahlendes Lachen. Dann greift er neben sich und reicht mir eine Plastikschale mit reifen Nektarinen. Ich nehme eine. More ruft er. Ich nehme eine Weitere und erneut fordert er mich auf, mehr zu nehmen.
Am Ende sind es 8 große, reife Nektarinen. Es folgt noch ein kurzes Gespräch. Er ist Saisonarbeiter, arbeitet insgesamt 8 Monate in dieser Region und fährt dann wieder heim nach Mexiko. Weiter geht die Reise hinein nach Niagara on the Lake.
Um keine Zeit zu verlieren, steuere ich in Niagara on the Lake die Touristinformation an. Ich möchte erfahren, wo im Ort alte, im viktorianischen Stil erbaute Häuser zu sehen sind. Die Dame ist sehr freundlich und händigt mir einen Plan mit allen Inns, Restaurants, Bars, und Shops aus. Und empfiehlt obendrein die Hauptstraße zu nutzen, die gleichzeitig die Shoppingmeile ist.
Ich wiederhole mein Anliegen und bekomme ein zweites Mal dieselben Erläuterungen. Möglicherweise versteht sie mich nicht. So verlasse ich die Touristinformation, fahre noch um ein paar Häuserecken, vorbei am alten Leuchtturm und mache mich dann auf den Weg entland des Niagara Rivers nach Niagara Falls.
Mein Weg führt über die Roy Terrasse. Die Nische zwischen ihr und der Eldridge Terrasse, die auf der US-Seite auf gleicher Höhe sichtbar ist, markiert den Pegel des Gletschersees Lake Iroquois (Ontariosee).
Als der Wisconsin-Gletscher vor etwa 12.000 Jahren zurückging, entstanden hier die Niagarafälle, deren Wasser nur 11 Meter (35 Fuß) über die Böschung vom kleinen Eriesee in den Lake Iroquois stürzte.
Eine seltsame Begegnung habe ich mit diesem kleinen Kerl, der sich in meiner Nähe aufhält und keine Scheu zeigt. Er scheint nur an Futter interessiert zu sein. Bemerkenswert, wie sehr sich wilde Tiere an unsere Gegenwart gewöhnt haben.
Blick in die Niagara-Schlucht unterhalb des Whirlpool-Rapids.
Auf komfortablem Radweg geht es entlang des Niagara-Rivers. An einigen Stellen sind Aussichtsterrassen angelegt, so dass man einen etwas besseren Blick auf den Fluss hat. Nachdem ich ein großes Wasserkraftwerk passiert habe, kommt ein erstes wirkliches Highlight in Sicht. Die Whirlpool-Rapids.
Dabei handelt es sich um extrem starke Stromschnellen des Niagara-Rivers, die sich circa fünf Kilometer stromabwärts (nördlich) der Niagara-Falls befinden. An dieser Stelle macht die Niagara-River-Gorge aufgrund der geologischen Gegebenheiten des Untergrundes einen scharfen Knick von ca. 90° und zwingt den Fluss, seine Fließrichtung von Nord-West nach Nord-Ost zu ändern. An dieser Knickstelle entstand ein annähernd kreisförmiges Becken – der Niagara Whirlpool.
Die Wassertiefe in den Rapids beträgt bis zu 10,7 Meter und die Fließgeschwindigkeit bis zu 35,4 km/h. Die Whirlpool Rapids des Niagara gehören zu den wildesten, beeindruckendsten und gefährlichsten Wildwassern der Welt.
Wer möchte, kann auf der kanadischen Seite mit der Seilbahn über den Whirlpool hinweggleiten. Sicherlich ein ganz besonderes Abenteuer, auf das ich jedoch verzichte. Ich erlebe auch so schon viele schöne Abenteuer.
Schließlich erreiche ich Niagara-Falls. Und was ich erlebe, ist Beides: faszinierend und erschreckend.
Der Horseshoe-Wasserfall ist unbeschreiblich schön. Über eine Breite von 670 Metern stürzen die teilweise im Sonnenlicht in schneeweiße Gischt eingehüllten, smaragdgrünen Wassermassen 57 m in die Tiefe. Die Aussichtsterrassen gut angelegt. Die Wegführung dorthin nicht übersichtlich.
Der Rest ist eine Mischumg aus Spielkasino, Vergnügungspark und Touristenfalle. Heute bei strahlendem Sonnenschein treffe ich auf Zehntausende von Menschen, die sich entlang der Aussichtsterrassen drängen.
Hier entstehen täglich wohl Hunderttausende von Erinnerungsfotos. Trotz der Menschenmassen ist die Stimmung entspannt und ausgelassen. Und wem die Wasserfälle nicht genug sind, der geht in die Minigolfanlage, die Geisterbahn oder das Spielcasino. Dieser Ort bietet für jeden etwas.
Ganz Wagemutige besteigen ein Boot, das dich bis an das untere Ende der herabstürzenden Wassermassen fährt. Sicherlich ein ganz besonderes Erlebnis.
Über die gesamte Szenerie spannt sich an diesem späten Nachmittag ein wunderschöner Regenbogen und lässt alles noch traumhafter erscheinen.
Nach zwei Stunden sind meine Reserven aufgebraucht. Diese Menschenmassen sind mir persönlich zu viel. Der Ort selbst, eine Touristenhochburg, ist kein Platz für mich. Und so verlasse ich noch vor Sonnenuntergang Niagara-Falls und fahre hinaus aufs Land.
Auf der Allanbridge überquere ich den Welland-Kanal. Diese Brücke ist eine von mehreren vertikalen Hubbrücken mit ähnlichem Design am Welland-Kanal. Die Brücke kann angehoben werden, um eine Freiraum von 119,7 Fuß (36,5 Meter) zu schaffen.
Der Wellandkanal selbst ist ein Großschifffahrtsweg in Kanada. Er ist 43,4 km lang, 80 m breit und mindestens 8,20 m tief und verbindet den Eriesee bei Port Colborne mit dem Ontariosee in Saint Catharines. Dabei durchquert er die Niagara-Schichtstufe, wofür acht Schleusen nötig sind. Er bildet einen Teil des Sankt-Lorenz-Seewegs und dient zur Umfahrung der Niagarafälle.
Der Kanal ist für Schiffe der Seawaymax-Klasse mit einer maximalen Länge von 225,6 m und einer Höhe von max. 35,5 m ausgelegt. Die Durchfahrt dauert durchschnittlich elf Stunden.
Dann geht es weiter bis nach Thorold, Ontario, wo ich nach Sonnenuntergang endlich einen geeigneten Platz auf einer Wiese unter einem herrlichen, alten Apfelbaum finde.
Toronto hat so viel zu bieten. Aber meine Zeit ist begrenzt. Ich möchte weiterziehen. Und so verabschiede ich mich am 24. Juli 2024 aus der Stadt in Richtung Hamilton.
Ich nehme wieder den Waterfront Trail, der mich bis nach Hamilton bringt. Vom Wasser schallen Anfeuerungsrufe herüber. Ein Achter mit Steuermann zieht geschmeidig vorbei.
Es geht an alten Bädern vorbei. An Leuchttürmen und überfüllten Marinas. An kleinen Tempeln und Teichen. An Parklandschaften, die das Ufer säumen. Eine Stunde, nachdem ich Toronto verlassen habe, erreicht mich eine Nachricht von Richard, dass ein Thunderstorm im Anmarsch ist. Und wenige Minuten später bin ich mittendrin.
Nachdem das Gewitter sich verzogen hat. Nehme ich meine Route wieder auf und erreiche bei bedecktem Himmel und diesiger Sicht Hamilton, wo ich bei meinen heutigen neuen Gastgebern eine sichere Unterkunft finde.
Richard hat mich zu einer mehrstündigen Segeltour vor der Skyline Torontos eingeladen. Am Yachthafen treffen wir noch Marlies, eine Freundin Richards, die im selben Hochhaus in der 36ten Etage wohnt. Zu dritt geht es an Bord eines kleinen Segelbootes, das Richard für den Ausflug gemietet hat.
Unter seiner Regie nehmen wir unsere Plätze ein und helfen, wenn nötig, auf seine Anweisungen.
Das Wetter ist großartig. Der Wind gerade so, dass es sich lohnt, hinauszusegeln. Während der Bootsfahrt führen wir eine angeregte Unterhaltung. Und da beide sehr ortskundig sind, fällt mir die Orientierung zu Wasser nicht schwer.
Am Ausgang des Yachthafens liegen haufenweise Kajaks zum Mieten. Und davon wird rege Gebrauch gemacht.
Der erste Kilometer wird noch mit einem Außenbordmotor zurückgelegt. Doch dann setzt Richard die beiden Segel, bringt das Boot in den Wind. Und schon gleiten wir weich über das Wasser. Die Skyline wird immer kleiner. Über uns schwebt ein Passagierflugzeig herein, um auf dem lokalen Flughafen zu landen.
Und dann fliegen Kormorane in langen Reihen dicht auf das Segelboot zu, teilen sich auf und umfliegen das Hindernis in 15 bis 20 Metern Entfernung. Das wäre vielleicht nicht erwähnenswert. Doch es sind Abertausende, die in schnellem Flug mit heftigen Flügelschlägen vorbeiziehen. Nach einer halben Stunde vererbt der schwarzgefiederte Strom.
Unsere Zeit auf dem Wasser vergeht wie im Flug und schon bald geht es wieder heim. Richard drückt mir das Ruder in die Hand und unter seiner Anweisung halte ich Kurs auf den Yachthafen, während er selbst ständig den Wind in den Segeln kontrolliert.
Es war ein kleiner, feiner Ausflug mit einer interessanten Sicht auf die Skyline. Marlies schwärmte von der Skyline nach Einbruch der Dämmerung und lud mich ein, nochmals einen Blick auf diese Skyline zu werfen.
So verabredeten wir uns und ich hatte für den Rest des Abends einen wunderbaren Stadtführer. Sie kennt die interessanten, fotogenen Ecken, führte mich zu Fuß um manchen Block. Zeigte und erklärte gleichzeitig, was ich sah und lud mich noch zum Abendessen ein, bevor wir die Harlan’s Port Ferry bestiegen. Ohne auszusteigen, setzten wir über, nur um gleich wieder die Rückfahrt anzutreten. Aber es hat sich gelohnt. Die Stadt zeigte sich vielleicht von ihrer schönsten Seite.
Und äls wäre es noch nicht genug, führte mich Marlies noch um ein paar Ecken und präsentierte mir noch ein Graffiti von Bansky. Ich hätte es wohl nicht gefunden. Das Graffiti befindet sich noch heute an seinem ursprünglichen Standort und ist mit einem Holzrahmen eingefasst und mittels einer Plastikscheibe geschützt.
Ich habe Marlies viel zu verdanken. Ohne sie hätte ich manches Kleinod Torontos niemals gesehen.
In der Kürze der Zeit habe ich durch sie und Richard mehr von Toronto gesehen, als ich jemals erwartet hätte. Danke an Beide für diese wunderbaren Tage in einer Stadt, die sich in einem großen, schnellen Wandel befindet.
Mein Gastgeber in Toronto heißt Richard. Ihm verdanke ich drei wunderschöne Tage in Toronto. Drei Tage mit prall gefülltem, buntem Leben. Nachdem ich Bluffers Park am Morgen verlassen hatte, radelte ich ein drittes Mal die Strände entlang, nach Toronto hinein.
Am CN-Tower, einem Wahrzeichen von Toronto, hielt ich an, um mich zu orientieren. Rund um den Turm Massen von Touristen. Einen passenden Fahrradständer für mein Fahrrad konnte ich nicht finden. Und so verzichtete ich auf den Besuch der Aussichtsplattform des CN-Towers. Hier gibt es keinen sicheren Ort für das Fahrrad. Also beschränke ich mich auf eine Sightseeing-Tour.
Und da gibt es reichlich zu sehen. So viel, dass es mir schwerfällt, eine Bilderauswahl zusammen zu stellen. Aber einen Eindruck möchte ich schon vermitteln.
Zu Füßen des CN-Towers kann man ein wunderschönes Eisenbahnmuseum besuchen. Viele der Loks sind frei zugänglich. Eintritt zahlt nur, wer mehr in den Hallen sehen möchte.
Der Blick aus meinem Quartier im 31. Stockwerk auf die Stadt.
Museumsbesuch: Eine der schönsten paläontologischen Sammlungen, die ich je gesehen habe.
Die Stadt befindet sich in einem ständigen Wandel. Noch gibt es das Toronto mit seinen alten Steinfassaden. Jedoch entstehen immer mehr Wolkenkratzer mit verspiegelten, glatten Fassaden. Wolkenkratzer, die mehr durch ihre wagemutige Architektur glänzen, denn durch feine Applikationen an den Fassaden.
Für das Freizeitvergnügen wird einiges geboten. Sehr beliebt scheint das Schachspiel zu sein, das in unterschiedlichen Größen an mehreren Stellen der Stadt unter freiem Himmel genutzt werden kann.
Die alten Fassaden verschwinden immer mehr. Der Wandel verläuft für mich kaum sichtbar. Neben der alten wächst unaufhörlich die neue Stadt. Mein Gastgeber erwähnt, dass er 19 Jahre zuvor noch die Wasserfront sehen konnte. Heute versperren unzählige Wolkenkratzer die einst wunderschöne Sicht.
Die Stadt scheint Hunde sehr zu lieben. Und ein beliebter Aufenthalsort nicht nur für Hundehalter ist dieser Brunnen in einem kleinen Park.
Irgendwie erinnert dieses Gebäude an das Iron-Cast-Building in New York mit gleichfalls dreieckigem Grundriss.
Werbung über einer Bushaltestelle.
Und immer wieder Kunst im öffentlichen Raum …
Couchmonster …
Geht man durch die Stadt, trifft man unweigerlich auf viele wohnungslose, entwurzelte Menschen, die irgendwie versuchen, in dieser glitzernden Stadt zu überleben.
Am Hintereingang zu einer Kirche entdeckte ich diese Lebensmittel-Ausgabestelle. Jede Tüte sichert das Überleben für einen Tag. Die Tüten beinhalten im Durchschnitt ein Getränk, ein oder zwei Müsliriegel, ein paar Süßigkeiten, einen Pappbecher gefüllt mit Kartoffelsalat, Reis- oder Nudelgericht und ein Sandwich, belegt mit Fleisch, Wurst, oder Käse.
Die Haltbarkeiten der Inhalte sind in der Regel überschritten. Die Lebensmittel werden nicht gekühlt. An diesem Tag waren es über 30° C. Die Inhalte entsprechend warm und dem Verderben ausgesetzt. Und wenn man ein wenig geduldig ist, dann sieht man die Menschen, wie sie vorbeikommen, sich eine Tüte nehmen und Augenblicke später schon wieder irgendwo im Bauch der Stadt verschwunden sind.