Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Archive - 2024

Von Helena nach Three Forks, Montana

30. August 2024

Ich bin früh wach. Meine Gastgeber sind schon schwer beschäftigt, mir das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Und bevor ich aufbreche, gibt es noch ein ganz leckeres Frühstück, dessen Krönung der Apfelkuchen mit Sahne ist. Schon deswegen hätte sich der Stopp gelohnt.

Dawn und Jerry sind hervorragende Gastgeber. Man spürt ihre Leidenschaft. Und ich bin dankbar, dass mich die Reise an ihrer Tür vorbei geführt hat. Auch hier hilft man mir, den heutigen Tag zu planen. Aber es kommt anders, als ich gedacht habe.

Bereits beim Packen fällt auf, dass der hintere Reifen Luft verliert. Jerry hilf mir mit seiner Pumpe aus. Dann fahre ich los. Bevor ich den Ort verlassen habe, ist der Reifen schon wieder platt. Ärgerlich, aber nicht zu ändern.

Da ich meine dreißig Schlauchflicken bereits aufgebraucht habe, suche ich den nächsten Fahrradladen auf. Neuer Schlauch, neuer Mantel. Es ist ein Mantel ohne Pannenschutz. Der Einzige, den sie haben. Ich werde sehen. Dann fahre ich los.

Schon nach wenigen Metern merke ich, dass die Gangschaltung nicht richtig eingestellt wurde. Ich denke, das Problem lösen zu können. Weit gefehlt. Ich werde mich den ganzen Tag immer wieder damit auseinandersetzen müssen. Und so komme ich nur mühsam voran …

Meine wunderbaren Gastgeber Dawn und Jerry, die nun ein wichtiger Teil meines erfüllten Traumes geworden sind.

Noch in Helena laufen mir diese Weißwedelhirsche über den Weg. Sie scheinen die Scheu vor den Menschen verloren zu haben.

Und dann bin ich auch schon wieder auf der Landstraße, die mich hinaus trägt aufs weite Land. Ein beständiger Begleiter ist die Eisenbahn, deren Gleise fast immer parallel zur Straße verlaufen.

Im Hintergrund weitet sich der Missouri River zu einem See, an dessen Ufer ich in einiger Entfernung entlang radle.

Dann wieder verengt sich der Fluss zu einem schmalen blauen Band, dass sich entlang grüner Ufersäume durch die korngelbe Landschaft schlängelt

Schließlich überquere ich den Madison-River, einen der drei Quellflüsse des Missouri. Die beiden anderen Quellflüsse heißen Jefferson-River und Gallatin-River. Diese drei Flüsse vereinigen sich im Missouri Headwaters State Park sieben Kilometer nordöstlich der Ortschaft Three Forks in Montana und bilden von da an den Fluss Missouri.

Den ganzen Tag geht es durch Farmland zu beiden Seiten der Straße und des Missouri-Rivers. Wasser ist hier im Oberlauf des Missouri ausreichend vorhanden. Die Felder müssen allerdings künstlich bewässert werden.

Die Erntezeit ist im vollen Gange und die meisten Getreidefelder bereits abgeerntet. Und in der späten Nachmittagssonne leuchten die Stoppelfelder golden auf. Für mich jeden Tag erneut ein großartiges Schauspiel.

Die Kornspeicher entlang der Route sind zum Bersten gefüllt. Und unzählige Züge transportieren das Getreide unaufhaltsam in die großen Verarbeitungszenten.

Gegen Abend verändert der Himmel sein Aussehen. Für eine kurze Zeit wird die Landschaft in goldenes Licht getaucht.

Am Horizont tauchen Silhouetten auf, die ich im ersten Augenblick für Pferde halte. Aber der Scheint trügt. Bei genauerem Hinschauen fällt auf, dass sich die Figuren überhaupt nicht bewegen. Offensichtlich handelte es sich um ein Kunstwerk, das wirkungsvoll in die Landschaft inszeniert wurde.

Ich wundere mich schon seit einiger Zeit über die leuchtenden Farben des Himmels. Dann entdecke ich seine Ursache. In der Ferne muss es brennen. Das wird mir wenig später bestätigt, als ich zu einer Farm komme, dort anklopfe und um Erlaubnis bitte, mein Zelt für eine Nacht aufschlagen zu dürfen.

Es ist ein sehr kurzes Gespräch. Das Feuer am Horizont ängstigt die Leute hier nicht. Sie haben schon viel größere Waldbrände gesehen. Man will mir gerne helfen und weist mir einen Platz zu.

Dankbar nehme ich an. Und nach einer halben Stunde bin ich bereits im Zelt verschwunden. Rauchschwaden ziehen über mich hinweg, verdunkeln das Land und hinterlassen den Geruch verbrannter Erde …

Von Cascade nach Helena, Montana

29. August 2024

Um sieben Uhr bin ich wach. Ein erster Blick aus dem Fenster offenbart eine Überraschung: Es hat nicht geregnet. Die starken Winde haben die Regenfont nach Nordosten verlagert. Der Himmel zeigt sein freundliches Blau. Aber es weht immer noch ein kräftiger Wind.

Als ich vor den Wohnwagen trete, begrüßt mich neugierig eine Gruppe Ziegen. Sie wissen nicht, was sie von mir halten sollen. Und mir geht es mit ihnen ebenso.

Ich verabschiede mich von meinem Gastgeber und bin um 7.45 Uhr bereits auf der Straße.

Immer wieder kann ich im Verlauf dieses Tages einen Blick auf den Missouri werfen, der in großen, kraftvollen Bögen an mir vorbeifließt.

Lediglich sein Ufersaum ist baumbestanden. Hinter dem schmalen, grünen Band weitet sich üppiges Farmland aus.

Die Sonne verwandelt den Fluss in ein silbernes Band.

Es geht vorbei an herrlichen Felswänden. Manche würden ein gutes Kletterziel abgeben. Viele dieser Felswände stehen auf privatem Grund und sind daher für den Kletterer unerreichbar.

Der Missouri windet sich südlich des Ortes Cascade durch eine liebliche Canyonlandschaft.

Am Ufer sieht man immer wieder die blaugrüne Palmlilie mit ihren trockenen, reifen Fruchtständen.

Die blaugrüne Palmlilie, auch Great Plains Yucca genannt. Sie ist in den USA in den Prärien des Westens in Ebenen in Höhenlagen zwischen 800 und 2600 Metern verbreitet. Eine Vergesellschaftung mit Kakteenarten habe ich bisher nicht entdecken können.

Über die einzige Brücke weit und breit wechsle ich auf die andere Uferseite.

Ich genieße den Ausblick auf herrliche Felsformationen.

Hier im Oberlauf ist der Missouri nicht ausgebaut und nicht schiffbar. Ein El Dorado für Angler.

Und bei diesem Herrlichen Wetter sieht man etliche Ruderboote auf dem Fluss.

Man muss den Fluss schon kennen, um nicht in die Strömung zu geraten.

Plötzlich überholt mich ein Rennradfahrer, bremst auf meine Geschwindigkeit herunter und kommt mit mir ins Gespräch. Sein Name lautet Terry. Er läd mich zu sich ein, bewirtet mich mit Karotten, zwei frischen, rohen Eiern und Wasser und erzählt aus seinem Leben.

Er hat 1985 an der Ironman Veranstaltung als Sportler teilgenommen. Voller Stolz zeigt er mir einige Bilder von dieser Veranstaltung und seine Medaille. Ich bin beeindruckt. Terry meint, dass das nur Peanuts seien gegen das, was ich mache. Dafür zolle er mir höchste Achtung. Und ich muss ihm widersprechen. Die Leistung, die er 1985 erbracht hat, habe ich in meinem ganzen Leben niemals bringen können.

Terry erzählt von seinem besten Freund, der vor einigen Jahren plötzlich verstorben ist. Er war ein Naturliebhaber. Und er erzählt von seinem Verhältnis und seiner Liebe zur Natur, während sich am Futterplatz ein Kleinspecht tummelt. Er spricht vom Glauben und zitiert den schönen Satz: „Ich glaube an Gott und nenne es Natur.“

Es sind herrliche 45 Minuten, die wie im Fluge vergehen. Leider muss ich das Gespräch beenden. Die Zeit läuft mir davon. Ich habe meinem heutigen Gastgeber bereits zugesagt. Andernfalls hätte ich große Freude gehabt, mit Terry weitere vertiefende Gespräche zu führen.

Ein Weißwedelhirsch auf der Flucht vor mir …

Am Oberlauf des Missouri …

Schließlich erreiche ich Wolf Creek. An der kleinen Tankstelle mache ich halt, trinke etwas und frage nach dem weiteren Weg. Die Interstate ist ab der Auffahrt für sieben Meilen eine Baustelle. Die eigentliche Fahrrad Route entpuppt sich als Gravelroad mit zwei steilen hohen Anstiegen.

Eine Autofahrerin nennt mir die Lösung. Parallel zur Autobahn führt eine Recreational Road entlang. Und wenn ich die benutze, komme ich bestens an der Baustelle vorbei und habe darüber hinaus noch wunderbare Aussichten.

Gesagt, getan. Nach 7 Meilen endet die Recrational Road und führt mich über den Zubringer direkt auf die Autobahn. Es ist eine Besonderheit Montanas, dass man auf einer Interstate fahrradfahren darf.

Und so radle ich auf breiter Schulter meinem heutigen Ziel im Helena entgegen. Ich hatte meinen Gastgebern schon vorab mitgeteilt, wo ich mich gerade befinde. So konnten sie abschätzen, wann ich bei ihnen eintreffen werde.

Das semi-aride Klima hat der Landschaft seinen unübersehbaren Stempel aufgedrückt….

Schließlich erreiche ich meine heutigen Gastgeber. Nach herzlicher Begrüßung durch Dawn und ihren Ehemann Jerry gibt es erst einmal ein leckeres Bier. Und vor dem gemeinsamen Dinner beziehe ich mein Gästezimmer mit herrlicher Aussicht auf die Landschaft und nehme ein Duschbad.

Während Dawn noch das Abendessen vorbereitet, zeigt mir Jerry seine beiden BMW-Motorräder. Sein Lieblingsmotorrad ist die BMW-Dakar. Sie ist auch für das Gelände hier viel besser geeignet als die andere BMW, ein Modell aus der K-Serie. Die eignet sich mehr für die Straße.

Zum Dinner haben Dawn und Jerry noch einen jungen Mann eingeladen. So speisen und unterhalten wir uns zu viert. Das Dinner ist vorzüglich. Bohnen und Kartoffeln stammen aus dem eigenen Garten. Dazu leckeres Hühnchenfleisch. Abgerundet wird das Ganze mit kleinen, süßen Tomaten und frischen, kleinen Salatblättern.

Zum Nachtisch gibt es einen unglaublich leckeren Applepie. Bei alledem vergesse ich nicht, meinen Flüssigkeitsbedarf auszugleichen. Um 21.15 Uhr endet mein Tag. Müde und glücklich begebe ich mich in das Gästezimmer. Meine schmutzige Wäsche hab ich bereits gewaschen. Ich lege sie noch zusammen. Dann ist Schluss. Mein Akku ist leer und ich brauche Ruh …

Die ersten 3 Monate sind überschritten. Die ersten 8.000 km auch. Und ihr seid immer noch an meiner Seite: Ihr freut euch mit mir, spornt mich an und unterstützt mich durch eure Kommentare, liebevollen Gedanken und die vielen Kaffees. Danke. Und jetzt mach ich die Augen zu. Der süße Schlaf ruft.

Von Great Falls nach Cascade, Montana

28. August 2024

Um neun Uhr dreißig verlasse ich meine lieben Gastgeber Michele und Jim. Für zwei Nächte haben sie mir neben einem sicheren Schlafplatz viele weitere Annehmlichkeiten geboten. Doch es hält mich nicht davon ab, meinem Traum zu folgen.

Bereits am morgen weht ein recht starker Wind aus südwestlicher Richtung. Dieser Wind wird mir heute das Leben recht schwer machen. Er wird zunehmen und mir mit durchschnittlich 56 km/h und Windböen bis zu 80 km/h das Leben schwer machen. Der Himmel wird freundlich und wird im Laufe des Tages immer mehr zuziehen.

Der Weg aus der Stadt führt direkt am Missouri entlang. Ein angenehmes Fahren, wenn der Wind nicht wäre.

Erstes Buschwerk kommt mir auf der Straße entgegengeflogen.

Und der weiß getupfte blaue Himmel verändert langgsam sein aussehen.

Immer mehr Wolken ziehen auf …

… und legen große Schatten über das Land, in denen all die wunderbaren Farben, die die Sonne zaubert, untergehen.

Aus nördlicher Richtung drängt eine dunkle Wolkenwand heran. Und ich versuche, dieser bedrohlich wirkenden Wolkenwand in südwestliche Richtung auszuweichen.

Während sich die Wolkenwand langsam nähert, nimmt der Wind beständig zu. Wiederholte Male bringen mich die starken Böen zum Stehen.

Ich krieche förmlich über die Straße. Unter diesen Bedingungen beträgt die Maximalgeschwindigkeit 3 bis 5 Meilen in der Stunde. Um diese Geschwindigkeit zu halten, muss ich all meine Kräfte aufbieten. An eine Pause ist kaum zu denken. Und ich weiß jetzt schon, dass ich mein heutiges Ziel Helena nicht erreichen werde.

Nach 9 Stunden erreiche Ich müde und erschöpft den kleinen Ort Cascade. Dort auf einer Anhöhe sehe ich ein Haus. Müde und ausgelaugt schaffe ich es noch, das Fahrrad den Berghang hochzuschieben. Die hereinbrechenden Schatten der Nacht zwingen mich zur Eile.

Ich klopfe an die Tür und der Hausherr tritt heraus. Nach kurzem Gespräch leitet er mich zu einem Platz hinter einem Horsetrailer. Im Windschatten dieses Anhängers baue ich mein Zelt auf. Um mich herum wütet der Wind.

Ich bin schon am Einschlafen, als mich eine stimme ruft. Es Ist noch einmal der Hausherr, der mir mitteilt, das eine gewaltige Regenfront im Anmarsch ist. Er bietet mir an, in dem wenige Meter entfernt stehenden Wohnwagen zu übernachten. So müde wie ich bin werfe ich dennoch einen Blick auf die Wetter App und was ich sehe, erschreckt mich. So packe ich in aller Windeseile meine Sachen zusammen und trage sie hinüber zum Wohnwagen.

Wenige Minuten später kann ich aufatmen. Hier im Wohnwagen habe ich einen sicheren Platz für diese Nacht gefunden. Hier kann ich bis morgen früh ruhen. Ein ganz großes Dankeschön an die Fürsorge meines Gastgebers, von dem ich leider nicht einmal den Namen weiß.

Ich habe heute nur 35 Meilen geschafft und bin so erschöpft, als wären es 135 Meilen gewesen. Auf dem Wetterradar könnt ihr die nahende Regenfront und die Windgeschwindigkeiten sehen.

Ursache für diese starken Winde ist ein Schneesturm im Glacierpark, der dort bis zu einem Fuß hohen Schnee gebracht hat. Der Sturm wird sich in den nächsten zwei Tagen wieder legen. Aber zumindest morgen werde ich weiterhin seine windigen Auswirkungen aus Südwest zu spüren bekommen. Und das ist auch für den folgenden Tag meine Fahrtrichtung.

Erschöpft. Glücklich. Gute Nacht!

Heute bin ich seit 3 Monaten unterwegs. Es bleiben weitere 9 zu meinem Glück! Für all dies bin ich so dankbar und denke gar nicht daran, mich von ein bisschen Wind oder ein paar Platten aufhalten zu lassen.

Von Loma nach Great Falls, Montana

26. August 2024

Um 7:30 Uhr bin ich auf den Beinen. Draußen sind es 11°C. Das erste Mal spüre ich eine unangenehme Kühle auf meiner Haut. Ich hab keine Zeit, darüber nachzudenken. Das Zelt ist knacktrocken. Uns so sind nach einer halben Stunde alle Dinge verstaut und ich starte vom Lewis & Clark Observation Point

Ich fahre Richtung Loma, das nur wenige Meter nördlich des Zusammenflusses des Teton Rivers in den Marias River liegt. Der Marias River wiederum fließt nur eine Meile weiter in den Missouri. Vom Observation Point habe ich den Panoramablick auf das Einzugsgebiet dieser drei großen Flüsse genossen.

Im Hintergrund sind die Bear’s Paw Mountains im Osten, Square Butte und Round Butte im Südosten, die Highwood Mountains im Süden und die Little Belt Mountains im Südwesten meist als Silhouetten im dunstigen Licht zu sehen. Und jetzt fahre ich hinunter in dieses Flusssystem hinein …

… und erreiche wenige Minuten später den kleinen Ort Loma mit einer aktuellen Einwohnerzahl von neunzig Personen.

Neben der Straße liegt ein kleiner Lebensmittelladen, an dem ich anhalte. Mir ist noch immer nicht warm und ich wünsche mir sehnlichst einen Morgenkaffee. Der Chef des Hauses preist geschäftig seine Küche und ich entscheide mich für einen lecker zubereiteten Burger mit Rührei, Bacon und Käse. Die Dame in der Küche meint es gut mit mir. Und so fallen die Zutaten für den Burger üppig aus.

Als ich bezahlen möchte, streikt meine VISA-Karte. Auch nach dem vierten und fünften Versuch habe ich keinen Erfolg. Bargeld habe ich keines. Da wendet sich ein anderer Kunde im Laden mir zu, fragt woher ich komme, erzählt mir, dass er zwei Jahre in Bamberg gelebt habe, und erwähnt ganz nebenbei, dass er mir das Frühstück spendiert.

In mir macht sich Erleichterung breit. Ich bedanke mich höflich. Er schenkt mir noch ein Lächeln. Dann verlässt er den Dorfladen, steigt in sein Auto und fährt davon.

Der freundliche Manager des Ladens bittet mich um ein Foto und ich möchte es doch bitte im Blog veröffentichen. Diesem Wunsch komme ich nur zu gerne nach.

Dann setze ich meine Reise fort. Ich hatte befürchtet, dass ich die Geländestufe, die mich zuvor ins Tal geführt hatte, auf der anderen Seite des Tales auf steiler Straße überwinden muss. Stattdessen fahre ich einige Meilen am Flussufer des Teton Rivers entlang.

Zwischen der Straße und dem Fluss verläuft noch eine alte, stillgelegte Eisenbahnlinie. Was für eine Möglichkeit, einen Fernradweg daraus zu machen …

Am Zusammenfluss des Teton Rivers in den Marias River

Im Flusstal des Teton Rivers

Kaum sichtbar ist die verkrautete Bahnlinie. Die Schienen liegen noch, aber es fährt schon lange kein Zug mehr. Im Hintergrund der bewaldete Ufersaum des Teton Rivers.

Der Fluss schlängelt sich in großzügigen Schleifen durch das Tal.

Der Talboden wird als landwirtschaftliche Fläche genutzt. Das angrenzende Gelände wird in Teilen als Badlands bezeichnet und ist landwirtschaftlich gesehen für nichts zu gebrauchen.

Dort, wo der Fluss auf die Hügel trifft, haben sich Prallhänge mit steilen Wänden gebildet.

Fast unbemerkt erreiche ich den oberen Rand der Geländestufe und verlasse somit das Flußsystem.

In Big Sandy mache ich an einer Tankstelle halt, um Wasser zu kaufen und um zu sehen, ob die VISA Karte funktioniert. An der Kasse ein Hinweisschild, dass bei Kartenzahlung ein Mindesteinkaufswert von fünf Dollar erreicht werden muss. Das Wasser kostet nur 1,75 Dollar. Und als ich sagen, dass ich nicht mehr brauche, sagt mir Jakob, dass er die Bezahlung übernehmen möchte.

Er möchte sich einen Augenblick mit mir unterhalten. Wir gehen vor die Tür und ich beantworte ihm alle seine Fragen. Es scheint nicht oft zu sein, dass jemand mit einem Fahrrad mit Riemenantrieb vorbeikommt. Er ist ganz fasziniert. Leider muss er das Gespräch schon nach kurzer Zeit beenden, da er zum Arbeiten an der Tankstelle ist. Jakob macht noch ein Foto von mir für seine Erinnerungen. Und dann bin ich auch schon wieder unterwegs.

Am Wegesrand glüht die steife Goldrute unter den silbrig leuchtenden schmalblättrigen Ölweiden.

Und auf vielen Feldern gedeiht weißer Beifuß.

Schließlich erreiche ich Fort Benton. Alexander Culbertson gründete das Fort 1846 als Handelsposten der American Fur Company. Die abgelegene Siedlung florierte in den 1850er Jahren, doch erst im darauffolgenden Jahrzehnt erlebte sie einen wirklichen Aufschwung.

Die Ankunft des Dampfschiffs Chippewa an der Post im Jahr 1859 leitete eine neue Ära des Handels im innersten Hafen der Welt ein. Das Boot transportierte Büffelroben und andere Pelze flussabwärts nach St. Louis. Drei Jahre später war die Ladung viel wertvoller: Gold aus den tosenden Bergbaulagern im Südwesten von Montana.

Auf seinem Höhepunkt im Jahr 1867 legten 39 Dampfschiffe an der Abgabe an und deponierten Vorräte und Passagiere für die Goldfelder. Kneipen, Drehleiern und andere Geschäfte dienten einer kosmopolitischen und durchreisenden Bevölkerung. Auf den Straßen drängten sich Menschen aus ganz Nordamerika, Europa und Asien. Es war wirklich eine weitläufige Stadt.

Im Jahr 1870 war der Boom bereits gescheitert, doch Fort Benton erlebte eine kurze Wiederbelebung, als die Kaufleute der Stadt damit begannen, Vorräte über den berühmten Whoop Up Trail zu den Forts der Royal Canadian Mounted Police nördlich der Grenze zu transportieren. Heute ist Fort Benton aufgrund seiner reichen und farbenfrohen Geschichte am oberen Missouri River ein nationales historisches Wahrzeichen.

Ich folge den auf die Straße gemalten Buffalo-Spuren. Sie bringen mich zu einigen historischen Sehenswürdigkeiten.

Das Lewis and Clark Memorial: Decision at the Maria’s River.

Die Statue Rider of the Purple Sage von George Montgomery.

Und zur einzigen Brücke über den Missouri River weit und breit.

Gegen Mittag verlasse ich Fort Benton und mache mich auf den Weg nach Great Falls, dass ich gegen 17.30 Uhr erreichen werde.

In großzügigen Schleifen windet sich der Missouri River durch das Tal. Am Missouri River Overlook genieße ich die eindrucksvolle Aussicht auf eine dieser Flußschleifen.

Es geht vorbei an trocken gefallenen Wasserstellen …

… an gepflügten Feldern …

… an Stoppelfeldern, die bis zum Horizont reichen.

Manchmal muss ich runter von der Straße, weil wieder ein Fahrzeug mit Überbreite die ganze Straße einnimmt. Die heikelsten Momente sind allerdings jene, in denen LKW’s mit unverminderter Geschwindigkeit in weniger als drei Fuß Abstand an mir vorbeirauschen. Sogwirkung oder auch Gegenwind können so stark sein, das man für einen kurzen Augenblick die Kontrolle über das Fahrrad zu verlieren scheint.

In diesen Augenblicken hilft mir meine langjährige Erfahrung als Fahrradfahrer. Das Motorengeräusch des LKW’s verrät mir, wie nah hinter mir er bereits ist. Diese Sekunden nutze ich, um mit dem Fahrrad weit nach rechts an den Fahrbahnrand zu fahren. In diesen Augenblicken bin ich so konzentriert, das ich alles andere um mich herum vergesse. Selbst visuelle Eindrücke werden dann ausgeblendet. Wenige Sekunden später ist der Spuk vorbei und ich kann in gewohnter Manier weiter fahren.

Zehn Meilen vor Great Falls nehme ich Kontakt zu meinem heutigen Gastgeber auf. Wir vereinbaren einen Treffpunkt, den ich schon in zwei Meilen Entfernung sehen kann: einen hochaufragenen Wassertum an der Straße. Und als ich nach 15 Minuten dort eintreffe, erwartet mich bereits mein Gastgeber, der Jim heißt.

Schnell sind Fahrrad und Packtaschen auf dem Pickup-Truck verstaut. Und keine 10 Minuten später erreichen wir sein Haus. Seine Frau Michelle erscheint und begrüßt mich mit einer herzlichen Umarmung, während Jim meine Ausrüstungsgegenstände in das für mich vorbereitete Gästezimmer bringt.

Ich bin restlos erschöpft, trinke erst einmal drei Glas Wasser und bitte um ein paar Minuten Pause zum Ausruhen. Alles wird gewährt. Sie sorgen sich um mich und geben mir das großartige Gefühl, Teil der Familie zu sein. Jim hatte mir im vorhinein mitgeteilt, dass seine Familie von 18:00 bis 20:00 Uhr Bibelstunde habe. So hatte ich mich beeilt, vor 18 Uhr bei ihm zu sein.

Ich hätte gern an der Bibelstunde teilgenommen, doch da weitere Teilnehmer ausgefallen waren, wurde die Veranstaltung für heute gecancelt – schade … Gemeinsam mit der Tochter Colton und ihrem Ehemann, nehmen wir das Abendessen ein, nachdem Jim zuvor ein Gebet gesprochen und allen und allem Gottes Segen gegeben hat.

Bei einem leckeren Cappuchino folgen anregende Gespräche über meine Reise. Da ich sehr erschöpft bin, mangelt es mir an Konzentration und ich bitte, mich gegen 9 Uhr zurückziehen zu können.

Ich hatte Michelle gefragt, warum sie sich als Gastgeber so unglaublich engagieren. Ihre Antwort ist so verblüffend wie einfach: Sie handeln voll und ganz im christlichen Sinne. Ihr Haus soll Shelter sein. Nicht nur für sie, sondern auch für jene, die eines vorübergehenden Schutzes bedürfen. Ihr Haus ist Gottes Haus.

Und so haben sie im Laufe vieler Jahre unzähligen Schutzsuchenden einen sicheren Schlafplatz geboten, sie beköstigt und geholfen, wann immer es nötig war. Und das Erste, was sie mir anbieten, ist angesichts meiner sichtbaren Erschöpfung eine zweite Nacht in ihrem Haus. Ich bin erleichtert, froh und dankbar, hier zu sein …

Vielen Dank für Eure Begleitung bis hierhin. Und vielen Dank für Eure Kaffees und Zuwendungen für einen – wie heute bei einer Donation vermerkt – „rasenden Rentner“.

Von Havre nach Loma, Montana

25. August 2024

Es war eine Gute Entscheidung, mein Zelt in diesem Park zwischen zwei Baseballfeldern aufzuschlagen. So verlief die Nacht ruhig. Der morgen ist frisch. Es sind 13°C, als ich aufbreche. Etwas außerhalb von Havre liegt auf der rechten Seite hinter einer Mall die Buffalo Jump, eine archäologische Ausgrabungsstätte, die ich bereits 1983 bei meinem ersten Besuch in Havre besichtigt hatte.

Damals stand hier nur ein Zelt auf öder Fläche. Darunter eine Ausgrabungsstätte, die Auskunft über die Jagd vor über tausend Jahren gab. Heute stehen hier mehrere moderne kleine Gebäude, welche die Ausgrabungstellen vor dem Verfall sichern und für die Öffentlichkeit zugänglich machen.

Die Ausgabungsstätten können nur mit einem Guide besichtigt werden. Während der ca. einstündigen Führung erfahre ich viel über die Jagdmethoden und die Verarbeitung der Massen an Fleisch, Knochen und Fellen in der damaligen Zeit. Unsere Besuchergruppe besteht aus zwei Personen: Aaron Wayne und mir, geführt von Tyler, unserem Guide.

Tyler, ein netter, junger Mann, nimmt diese ehrenamtliche Aufgabe mit großem Engagement wahr und erklärt kompetent, was aus dem, was wir sehen, herausgelesen werden kann. Zusätzlich habe ich das Glück, dass Aaron ein ausgesprochen erfahrener Jäger ist, der viel über die Psychologie des Tierverhaltens mitteilen kann. so rundet sich das Bild. Und ich verstehe jetzt, warum die die Völker der Prärie so erfolgreich mit ihren Jagdmethoden waren.

Aus Buschwerk wurden trichterförmig auf die Klippe zulaufende Wallhecken errichtet, welche zusätzlich durch Büffelschädel verstärkt wurden, die vor und auf den Wallhecken befestigt waren. Diese Hecken können von mir ohne Weiteres überwunden werden. In der Psychologie der Tiere stellen sie allerdings ein Hindernis dar, dessen Überwindung Energie kostet. Also wichen die Büffel entlang der Wallhecken aus und stürmten am Ende über den Rand der verhängnisvollen Klippe In die Tiefe.

Teilweise mit gebrochenen Gliedmaßen blieben die Tiere am Fuß der Klippe liegen und wurden so zur leicht erlegbaren Beute der Jäger. Da das untere Ende der Klippe ebenfalls eingezäunt war, konnten die Tiere, die keine Brüche erlitten hatten, nicht fliehen und wurden so ebenfalls zur leichten Beute für die Jäger.

Die Tiere wurden direkt am Fuß der Klippe zerlegt.

Die Nutzung dieser Klippe als Buffalo Jump wurde mit Unterbrechung über mehr als ein 1500 Jahre beibehalten.

Unweit der Klippe wurden die zerlegten Tiere, also deren Fleisch, Knochen und Fell, weiterverarbeitet.

Letztlich wurden die Tiere komplett verarbeitet. Eine kleine Tafel veranschaulicht, was wofür verwendet werden konnte.

Aaron zeigte bei dem Versuch, mit einer Speerschleuder eine Büffelatrappe zu treffen, großes Geschick. Während mein Speer irgendwo in der Gegend landete, flog sein Speer zielgerichtet über den Büffel hinweg und landete in einiger Entfernung hinter der Atrappe im Gras.

Hier eine weitere Auflistung über die Verwertung der Tiere …

Nach einer Stunde ist die Führung vorüber und wir verlassen die Buffalo Jump. Ich führe noch ein nettes Gespräch mit Aaron, an dessen Ende Aaron mir ein großes Kompliment macht, als er sagt: Du lebst meinen Traum. Ich wünsche Aaron und seiner Frau, dass Sie ihren Traum leben können.

Aaron war für mich eine ganz besondere Begegnung. Ich hatte das Gefühl, dass Aaron meine Beweggründe, die mich auf die Straße gebracht haben, nur allzu gut verstand und er gut nachvollziehen kann, warum ich diese Strapazen mit so großer Freude jeden Tag auf mich nehme.

In einer Mall fülle ich noch schnell meinen Lebensmittelvorat auf, bevor ich mich endgültig von Havre in südwestliche Richtung verabschiede.

Wie so oft geleitet mich ein wahrer Stangenwald raus aus der Stadt.

Die Plains sind über weite Strecken flaches Land.

Gelegentlich werden diese weiten Ebenen von uralten erodierten Gebirgszügen überragt. Im Hintergrund die Bear Paw Mountains, zentraler Teil der Rocky Boy Indian Reservation. An diesem Bild wird deutlich, wie die Aufteilung des Landes vonstatten ging.

Die weiten Plains wurden unter den ankommenden Farmern aufgeteilt. Das Land, das für eine landwirtschaftliche Nutzung nicht geeignet war, überließ man der indigenen Bevölkerung. Aus diesem unbrauchbaren Land wurde die Indianerreservation Rocky Boy. Vielleicht war ein Grundgedanke der, dass diese Rocky Boy Indianer eher Jäger denn Sammler waren.

Ich passiere Big Sandy. Auch so ein Ort, der eigentlich keiner ist. Eher von historischer, denn wirtschaftlicher Bedeutung. Es ist einer von vielen verlassenen Orten irgendwo im Nirgendwo …

Über Stunden geht die Fahrt weiter. Die vorbeiziehende Landschaft ändert sich im Grunde genommen nicht. Farmland, so weit das Auge reicht.

Gelegentlich eine kleine Senke ohne Abfluss, in der sich etwas Wasser gesammelt hat.

Und an wenigen Stellen wird die weite Ebene durch eingesunkene Erosionsrinnen unterbrochen, in denen sich einige Bäume entlang des Creeks angesiedelt haben.

Der intensiven Sonne der Mittagszeit folgt der Nachmittag. Das Tageslicht ändert sich. Es wird wärmer, farbiger und leuchtender.

Wolken ziehen auf und bedecken den Himmel. Die seitwärts einfallenden Sonnenstrahlen der tiefstehenden Sonne geben den Stoppelfeldern einen ganz besonderen, warmen Glanz.

Kurz vor Sonnenuntergang leuchtet der Himmel in prächtigen Farben. Am Ende des Tages ist das jedesmal ein ganz besonderes Geschenk für mich und ich bedanke mich mit großer Aufmerksamkeit. Ich unterbreche meine Arbeit und genieße dieses Himmelsspektakel.

Mein heutiger Schlafplatz Ist erreicht: die Lewis & Clark Plattform mit einer wunderschönen Aussicht über das weite Land.

Am Ende bleibt noch das Zelt aufzubauen und alles einzuräumen. Alles ist in zwanzig Minuten erledigt. Dann ziehe ich mich in mein Zelt zurück und lausche dem Wind, der die ganze Nacht an meinem Zelt rütteln wird.