Heute gibt es direkt zwei Meilensteine zu feiern. Zum Einen bin ich heute seit genau 4 Monaten unterwegs. Am 28. Mai habe ich mich auf den Weg gemacht.
Ein Drittel meiner Zeit ist um. Was habe ich bisher schon alles erlebt. Wie viele besondere Begegnungen hatte ich. Wie viele Tränen der Freude. Wie viele eindrucksvolle Bilder und Momente. Und: wie viele Platten.
Zum Anderen habe ich die 10.000 km Marke erreicht. Beziehungsweise 9.999 km, denn mehr kann mein Tacho nicht. Es beginnt wieder bei 0 zu zählen.
Was für ein langer Weg: Von New York aus nordöstlich bis hinauf nach Kanada. Dann quer durch Kanada und wieder hinein in die USA. Im Westen hinunter bis Utah und Colorado. Sobald sich Zeit findet, werde ich euch eine Karte meiner bisherigen Stationen erstellen.
Zur Feier des heutigen Tages Bilder meines Weges. Genießt sie einfach mit mir.
Alles das habe ich in mir verinnerlicht. Juwelen in meiner Schatzkiste. Sie werden mich für immer begleiten.
Und dies ist erst 1 Drittel meiner „Traumzeit“. Das bedeutet, 2 Drittel liegen noch vor mir. Weitere Schätze. Und ihr seid Teil meiner Reise! Und darüber freue ich mich besonders. Auf geht’s!
Um 7.00 Uhr ist meine Nacht zuende. Ich freue mich auf den heutigen Tag. Endlich kann ich weiterfahren. Im Haus ist es still. Ein Blick aus dem Fenster offenbart, dass meine Gastgeberin nicht im Haus ist. Ich hatte mich so darauf gefreut, sie noch einmal sprechen und in den Arm nehmen zu können.
Da sie weiß, dass ich heute weiterfahre, gehe ich davon aus, dass sie noch heimkommt. So lasse ich mir viel Zeit mit dem Packen. Kurz vor 9.00 Uhr, ich bin fast fertig, kommt ihre Freundin Chris vorbei und teilt mir mit, dass Teri Ann nicht mehr kommen wird. Sie hatte in der vergangenen Nacht einen Verkehrsunfall und liegt wohl im Krankenhaus.
Im ersten Augenblick bin ich komplett ratlos. Ich frage Chris, ob ich noch bleiben soll und sie bestätigt mir, dass es in Ordnung ist, wenn ich fahre. So verabschiede ich mich nachdenklich von Chris.
Mein Abschiedsbrief an Teri Ann liegt auf dem Tisch. Die vielen Blattpflanzen in den teils riesigen Blumentöpfen sind gewässert. Das frische Gemüse hab ich in den Kühlschrank gelegt und zur Sicherheit den Stecker der Klimaanlage abgezogen.
Trotzdem bin ich hin- und hergerissen. Das Ganze wühlt mich ziemlich auf. Wie soll ich mit dieser Situation umgehen? Ein kurzes Telefonat mit meiner Liebsten hilft mir, mich zu erden.
Teri Ann hat so viele wunderbare Freunde, und die werden sich jetzt um sie kümmern. Mir wird sie als ein ganz besonderer Mensch für immer in Erinnerung bleiben. Ein leckerer Kaffee, den mir Biggi spendiert hat, weckt meine Lebensgeister.
Und um 10.00 Uhr sitze ich mit beachtlicher Vorfreude auf dem Rad und verlasse Moab in südlicher Richtung. Endlich geht es los!
Die moderaten Steigungen haben es in sich. Nicht steil, aber lang. Und so muss ich immer wieder runterschalten. Mitunter in den ersten Gang. Und da geht es dann im Tempo 6 km/h den Berg hinauf.
Wenige Kilometer weiter passiere ich in Window Arch einen riesigen Sandsteinbogen, der von der Straße aus betrachtet werden kann.
Schon von weitem ist dieser auf den Fels gemalte Schriftzug sichtbar, und ich wundere mich, was das bezwecken soll. Des Rätsels Lösung verbirgt sich hinter dem Fels: Ein kleiner Generalstore, der sich auf diese originelle Art und Weise bemerkbar macht, bietet dort seine Waren an.
Am rechten Bildrand ist sogar ein Wanderer/Kletterer zu sehen, der über die steinerne Brücke laufen will.
Die Zackenblume leuchtet gelb auf hölzernem Stamm in der Nachmittagssonne.
Überhaupt ist die Farbe Gelb die dominierende Blütenfarbe. Lediglich die Myrtenastern bereichern das Farbspektrum mit ihrem Violett …
… und unter die Koniferen hat sich ein hellgrün leuchtender Laubbaum verirrt.
Aber der Herbst streckt schon seine Fühler aus. Während die Zackenblume die Hauptblüte im September hat, verfärbt sich das erste Laub einzelner Büsche bereits in dunkles Gelb bis braun, was dem schütteren Wald eine ganz besondere Lebendigkeit verleiht.
Das die Tage langsam kürzer werden, merke auch ich. Immer früher muss ich mich auf die Suche nach einem passenden Quartier machen. Ich hatte einen Gastgeber in Monticelli angeschrieben und keine Antwort erhalten. Dann habe ich erfolglos an 3 verschiedene Türen geklopft.
Die Sonne ist bereits hinter dem Horizont verschwunden. Jetzt muss es schnell gehen. Ich verlasse die Hauptstraße und biege auf eine Schotterpiste ab, die zu einem Fairground führt.
Dort finde ich ein geeignetes Plätzchen, wo ich mein kleines Zelt aufschlage. Ich gönne mir noch einen letzten Blick auf den glühenden Horizont, bevor ich im Zelt verschwinde. Danke an alle, die heute im Gedanken bei mir waren …
Um 4.30 Uhr steh ich auf. Alles liegt bereit. Teri Ann hat mir ihren kleinen Wanderucksack mit Trinkblase gegeben. Ich hatte den Rucksack gestern Abend bereits gepackt. Die Trinkblase ist gefüllt und ich habe weitere Flaschen Wasser eingepackt, insgesamt ca. 5 Liter.
Im Haus ist es still. Ich schleiche mich leise hinaus. Mit dem Auto geht es auf der Route 191 nach Süden bis Monticello. Dort biege ich auf die Route 211 nach Westen ab und gelange nach weiteren ca 24 Meilen noch vor Tagesanbruch zum Needles Campground.
Die Sonne steigt gerade hinter dem Horizont empor und taucht die Landschaft in ein dunkles Rot unter einem für kurze Zeit gelborange leuchtenden Himmel. In der Ferne grüßt ein Monolith. Ich kann nur ahnen, was ich in der Dunkelheit der letzen Stunde verpasst habe.
Gegen 7.20 Uhr laufe ich los. Ich weiß nicht, was mich erwartet. Um so gespannter bin ich, was kommt.
Während die Ebenen noch im verschlafenen Glanz des hereinbrechenden Tages liegen, fangen die mächtigen Felsformationen bereits die ersten Sonnenstrahlen ein und wirken wie riesige Leuchttürme am Horizont. Ein kurzes, intensives, großartiges Schauspiel.
Die Luft ist kühl am Morgen. Und so genieße ich die ersten Stunden bei 12 – 17°C, Tendenz steigend.
Am Anfang geht es durch sandiges, im Wesentlichen flaches Gelände, das mit einer strauchartigen Vegetation aufwartet. Aber schon bald geht es über Stock und Stein. Große Felsbrocken versperren mir den Weg. Ich folge den Fußspuren durch dieses Labyrinth …
… und trete auf der anderen Seite des Felsriegels in ein weites, großes Tal mit niedrigem Bewuchs und vereinzelten höher aufragenden Büschen. Hell liegt die Fläche vor mir im Morgenlicht. Ein ausgetretener, gut sichtbarer Pfad lässt mich sicher voranschreiten.
Der Weg führt im Abstand an unterschiedlichsten Felssformationen vorbei. Roter Sandstein bedeckt von cremeweißem Sandstein. Was für ein Kontrast an diesem Morgen.
Besonders in den felsigen Abschnitten, wo es keine Trittspuren gibt, wird es heikel. In solchen Bereichen helfen kleine Steinmännchen, in der Spur zu bleiben.
Da ich einige Höhen erklimmen muss, verliere ich kurzfristig die Übersicht um muss mich, auf dem Gipfel angekommen, neu orientieren. Die Suche nach der Weiterführung des Trails gestaltet sich dabei nicht immer leicht.
Dort, wo Steinmännchen den Weg markieren, ist es leicht. Aber es gibt auch Abschnitte, in denen man vergeblich nach Steinmännchen sucht. Hier braucht es schon einige Erfahrung, um auf dem richtigen Weg zu bleiben.
Einige helfen sich mit heruntergeladenen Wanderkarten auf ihrem Smartphone. Ich begebe mich auf die Suche nach dem richtigen Weg. Mitunter dauert es Minuten, bis ich die Fortführung des Weges gefunden habe. Freue mich aber jedesmal über meinen Spürsinn.
Auch wenn das Gebiet, in dem ich heute wandere, nicht wirklich groß ist, es sind nur wenige Quadratkilometer, kann man sich sehr schnell und gründlich verlaufen.
Die umgebenden Felsen und Felsmauern müssen als Landmark herhalten. Und da ich mich in diesem Terrain ständig bewege und meinen Standort verändere, ist mir der jeweilige Sonnenstand das wichtigste Hilfsmittel, um die Himmelsrichtungen, in die ich mich bewege, mit dem jeweiligen Gelände abzugleichen.
Immer wieder bleibe ich stehen, um die faszinierenden Landschaftseindrücke aufzunehmen. Hinter jeder Kurve gibt es etwas Neues zu sehen.
All das führt immer wieder zu Verzögerungen. Und so kommt es, dass ich pro Stunde nur zwischen zweieinhalb und drei Wanderkilometer schaffe. Und das, obwohl ich recht zügig voranschreite.
Die Entfernungen verschwimmen in diesem Gelände. Für manches kurze Wegstück braucht es schlicht und einfach viel Zeit. Ich bin nicht allein und treffe vereinzelt auf Wanderer.
Die meisten sind gut ausgestattet und doch wundere ich mich, dass es auch immer wieder Leute gibt, die mit nichts losziehen. Ein junges Pärchen überholt mich. Und ich kann bei ihnen keine Wasservorräte entdecken.
Eine weitere Schwierigkeit auf dem Weg ist, dass es nur wenige Möglichkeiten gibt, sich vor der sengenden Sonne zu schützen
So geht es weiter: Strecken über felsige Kuppen …
… hunderte Meter an überhängenden Felswänden entlang …
… und um so manchen Felsendom herum.
Mit all diesen Schwierigkeiten bin ich unterwegs. Mein Rucksack ist voll: Wanderkarte, Lunchpaket, fast 6 Liter Wasser, Kompass, Stirnlampe, eine wärmende Schutzjacke, falls ich in die Nacht komme. Alles ist dabei und ich fühle mich wohl und sicher.
Gelegentlich gibt mein Standort die Sicht frei auf Felsstrukturen in größerer Entfernung: Mauern, Türme, Zinnen. Wie auch immer, allesamt Wunderwerke der Natur. Sie lassen mich staunen.
Aber auch die kleinen Besonderheiten haben ihren Reiz. Ob verwitterte Mulden auf den Oberflächen der weichen, ausgedehnten Felsbrocken …
… oder über aufgeblätterte Gesteinsschichten, die mir in diesem Gelände sicheren Halt bieten. All das lässt mich immer wieder staunen.
Ob ein Weg, der durch lebende, biochemisch beeinflusste, verkrustete Strukturen führt …
… Bäume, die auf karger Kruste wachsen …
… Bäume und Sträucher, die im tiefen Sand ausreichend Feuchte finden, um zu überleben:
Ich bin erstaunt über die biologische Vielfalt.
Gelegentlich muss ich mich durch enge Passagen zwängen, bevor ich Neues entdecken kann.
Dann steige ich zwischen den Felsen auf. Teilweise über verblocktes Gelände. Und die Mühe wird belohnt mit fantastischen Aussichten auf unzählige, farblich abgestufte Felsnadeln.
Sie sind die Namensgeber für die großräumige Gliederung dieses Wandergebietes. The Needles ist der südliche Teil des Canyonlands. Und innerhalb dieses Areals wandere ich durch den vielleicht schönsten Teil, den Chesler Park.
Hinter jedem Fels warten weitere Überraschungen auf mich. Und ich bin hungrig. So suche ich mir eine kleine schattige Oase, an der ich kurz raste und etwas esse und trinke.
Nach der kleinen Pause wandere ich weiter. Vorbei an Felstürmen und immer wieder durch kleine Engstellen zwischen den Türmen.
Immer wieder halte ich an, um mir die Gegend genau anzuschauen. Wo komme ich her? Wo will ich hin?
Die Steinmännchen helfen, sind aber nicht überall vorhanden.
Der verkrustete Boden ist unberührt. Hier führt kein Weg lang.
Diese Felsskulpturen habe ich zuvor noch nicht gesehen …
Und obwohl keine Felsspitze der anderen gleicht, ist es schwierig, die Übersicht zu behalten.
Und auch dieser Struktur begegne ich auf meiner Wanderung das erste Mal.
Dieser Weg könnte weiterführen. Gewissheit habe ich erst, wenn ich oben angekommen bin.
Und oben stelle ich dann fest, das ich den falschen Weg genommen habe. Also wieder zurück zur letzten Stelle, die ich eindeutig identifizieren kann.
Immer wieder recken sich Felsnadeln in den blauen Himmel.
So arbeite ich mich durch das Gelände. Steige über winzige Terassen, die das Gestein gebildet hat, an anderer Stelle auf. Solange, bis ich den Weg gefunden habe und weitergehen kann.
Immer wieder versperren löchrige Felsbrocken den Weg.
Und immer wieder steige ich über Felsstufen auf und ab.
Es sind diese ständigen Wechsel, die neben der grandiosen Landschaft für den Reiz auf dieser Wanderung sorgen.
Und so habe ich auch noch Zeit, diese Landschaft in vollen Zügen zu genießen.
Bei alledem habe ich ein gutes Gefühl. Der Rückweg ist mir sicher.
Und doch gibt es einen Punkt, wo ich entscheide, umzukehren, nachdem ich 45 Minuten die Fortführung des Weges gesucht, aber nicht gefunden habe. Mittlerweile ist es 13.00 Uhr. Und erst gegen 17.30 Uhr werde ich am Startpunkt zurück sein.
Noch einmal ziehe ich durch diese Landschaft. Und wieder zeigt sie sich von ihrer schönsten Seite. Hatte ich am Anfang des Tages das etwas kühlere Morgenlicht, so ist es jetzt die Nachmittagssonne, die den leuchtenden Felsen ihr warmes Rot verleiht.
Die letzten Kilometer werde ich immer langsamer. Vom stetigen Auf und Ab tut mir die Beinmuskulatur weh. Die Knie fangen an zu schmerzen. Und so verändert sich langsam mein Gang. Besonders in den steileren Passagen, wo ein wenig Klettern angesagt ist, macht sich etwas Unsicherheit breit. Es ist wohl meinem Alter geschuldet.
So verlangsame ich meinen Gang und wähle in den schwierigen Abschnitten sorgfältig jeden Schritt. Der Leihrucksack drückt mir zusätzlich auf den Steiß. Um 17.30 Uhr bin ich wieder zurück am Parkplatz, nach 20 km Wandern und 5,8 l Wasseraufnahme (welches 1:1 durch meine Poren wieder meinen Körper verließ).
Nach einer kleinen Verschnaufpause setze ich mich hinter das Steuer und trete die Heimfahrt an. In der späten Nachmittagssonne leuchten die hohen Felswände auf. Ein letztes Foto. Dann ist der Akku leer. Und so nehme ich die Eindrücke der Großstrukturen entlang der Route 211 in mich auf, damit ich zumindest davon berichten kann, wenn ich wieder daheim bin.
Eine letzte Bemerkung zur Vegetation. Für mich ist die Pflanzenfülle und Vielfalt in diesen ariden Gebieten erstaunlich. Neben blühenden Myrtenastern habe ich auf meiner Wanderung noch die Knollige Seidenpflanze, die gelbblühende Zackenblume, Yukkas, oder auch den Ephedra Viridis Strauch, der unten holzig ist und oben viele dichte Büschel aufrecht stehender, hellgrüner Zweige hat, die mit der Zeit etwas gelb werden können, identifizieren können.
Ferner die Gambel-Eiche, ein sommergrüner, kleiner Baum oder großer Strauch, der in den Vorgebirgen und niedrigeren Bergen im Westen Nordamerikas weit verbreitet ist. Er wird regional auch Busch-Eiche , Eichenbusch und Weißeiche genannt.
Die Graue Flügelmelde und die Wyoming Indian Paintbrush, die Staatsblume von Wyoming. Und natürlich darf in dieser Landschaft das Sagebrush-Gestrüpp nicht fehlen, ein Salbeibusch.
Und dieses ist nur ein kleiner Ausschnitt. Vor vielen Pflanzen stehe ich mit großen Augen bewundere ihr Dasein und ihre Ausdauer in diesem Habitat ohne zu wissen, was da wächst. Ich bräuchte viel mehr Zeit, um meine Neugierde zu befiedigen und zu verstehen. So aber bleibt nur das große Staunen.
Das dieser Tag gelingen konnte,habe ich auch meiner Gastgeberin Teri Ann zu verdanken. Sie hatte die Idee. Sie hat mich mit allem Notwendigen ausgestattet. Es war ihre Großzügigkeit, die es mir ermöglichte, in diesem Teil des Canyonland National Parks zu fahren, 85 Meilen von meinem augenblicklichen Standort entfernt.
Für die Inspirationen und die fortwährende Unterstützung während meines Zwangsaufenthaltes in Moab möchte ich mich an dieser Stelle herzlichst bedanken. Teri Ann, ich hatte eine wunderbare Zeit mit Dir. Durch dein großartiges Engagement erfüllten sich in den vergangenen Tagen ein paar langgehegte Träume.
25. September 2024
Letzter Ruhetag in Moab
Heute ist mein letzter Tag in Moab. Ich habe tagsüber an meinem Blog gearbeitet, Lebensmittel für die nächsten ein bis zwei Tage eingekauft, überlegt, wohin die Weiterreise mich führen soll und am Abend mein Fahrrad abgeholt.
Nun freue ich mich auf neue Abenteuer … Und für all die Coffees, die ihr mir in den letzten Monaten spendiert habt, möchte ich mich an dieser Stelle auch bei euch allen bedanken. Jedesmal, wenn die Nachricht über eine Kaffeespende mich erreicht, strahle ich vor Freude über das ganze Gesicht. Ihr seid einfach großartig.
Und dass ihr mich auf meiner Reise begleitet, spornt mich an, weiter von meinen Erlebnissen zu berichten.
Mein erster Weg führte mich heute Morgen zum Fahrradladen. Dort teilte man mir mit, dass die neue Felge vermutlich heute Nachmittag oder morgen eintreffen wird. So vereinbaren wir einen Termin für heute um 17.45 Uhr, zu dem ich mein Fahrrad im Bikeshop abgebe.
Für die nächsten Stunden kann ich daher mein Fahrrad bei vorsichtiger Fahrweise benutzen. Und so entschließe ich mich, einen Ausflug an den Colorado River zu machen.
Nördlich von Moab, etwa eine Meile vor dem Eingang zum Arches National Park, zweigt eine Straße nach Potlash im Westen ab und führt nach zwei Meilen direkt an das Ufer des Colorado River. Potlash werde ich nicht ganz erreichen. Aber ein paar Meilen in den Canyon flussabwärts – das wird gehen.
Für ein paar Meilen radle ich gemächlich an diesen senkrecht aufsteigenden 100 bis 200 Meter hohen Felswänden entlang. Trotz der Hitze ein großer Genuss.
Bereits nach kurzer Strecke entlang feinster senkrechter Felswände, passiere ich eine Gruppe Freeclimber. Direkt am Straßenrand haben sie Pavillons zum Schutz gegen die Sonne aufgestellt.
Hier üben unerfahrene Sportsfreunde unter Anleitung das Klettern an leichten Abschnitten der Wände. Weiter oben in den Wänden ist niemand zu sehen. Zu glatt, senkrecht und somit deutlich schwieriger. Dazu in der prallen Sonne kochendheißer Fels.
Und eine Augenweide entlang des Colorado Rivers, der grünlich schimmernd in seinem Flussbett unaufgeregt vorbeiströmt.
Archäologen gehen davon aus, dass die meisten Petroglyphen von Indigenen der südlichen San Rafael Fremont-Kultur angefertigt wurden, die zwischen 600 und 1.300 n. Chr. florierte.
Die Fremont-Kunst umfasst ältere Tierdarstellungen, Reihen von Männern, die sich an den Händen halten und dreieckige Figuren mit Hörnern, Speeren und Schildern.
Entlang dem Straßenrand der Potlash Road entdecke ich etliche Petroglyphen. Sie sind in der gleißenden Sonne nicht leicht zu entdecken. Ein Hinweisschild an der Straße hilft dabei.
Ein Schild führt mich anschließend zum Poison Spider Trailhead. Dort gibt es mehrere Dinosaurier Spuren zu entdecken.
Ich mache mich auf den ca 200 m langen Weg und gelangen so zu einem großen Steinblock, auf dem zwei Trittmarken gut zu erkennen sind. Sie gehörten zum Dinosaurier Grallator, sind ca 190 Millionen Jahre alt und im Navajo Sandstein abgebildet. Daneben gibt es laut Hinweistafel weitere Spuren, die ich nicht entdecken konnte.
Da mich interessiert, wie es hinter den senkrecht aufragenden Felswänden aussieht, nutze ich am Poison Spider Trailhead die Möglichkeit, auf einem Pfad aufzusteigen. Das gibt mir die großartige Möglichkeit, einen Blick in das Colorado Valley zu werfen.
Die Landschaft ist hier oben geprägt von hohen, weichen Hügeln. In den Tälern haben sich kleine, baumbestande Canyons eingeschnitten. An anderen Stellen haben sich schütter baumbestandene, flache Talauen gebildet.
Ich habe nur 2 Stunden Zeit. Aber der erste Blick hinter die Felsmauern hat mich neugierig gemacht. Und so plane ich für den folgenden Tag eine etwas größere Wanderung…
Was mich stört sind die kleinen Geländefahrzeuge, die in größerer Zahl auf ausgewiesenen Wegen lärmend durch diese Landschaft fahren. Kommt man nach Moab, ist man überwältigt von dem großen Angebot der Tourveranstalter an solchen Fahrzeugen.
Damit verbunden wird ein ganz besonderes Abenteuer, ein ganz besonderes Erlebnis versprochen. Mich stört der Lärm und ich kann nur abwarten, bis diese Fahrzeuge hinter der nächsten Hügelkette verschwunden sind.
Auch wenn das Gelände leicht zu Durchwandern erscheint, so hat es doch seine Tücken. Gibt es doch so gut wie keinen Schutz vor der brennnenden Sonne. Und auch die kleinen Canyons haben es in sich. Nur wenige senkrechte Meter genügen für einen langen Umweg. Dazu kommt eine dornige und stachlige Vegetation. Und so ist es unbedingt ratsam, auf den Wegen zu bleiben.
Und in der Stille kann ich mich geistig wie körperlich ganz auf diese wunderbare Natur einlassen.
Diese kleine Wandung hat mich neugierig gemacht. Und so freue ich mich auf die für den folgenden Tag geplante ausgedehnte Tour an einem anderen Ort.
Gegen 15.30 Uhr bin ich von meiner Wanderung zurück am Parkplatz und trete mit dem Fahrrad die Heimfahrt an. Es geht auf derselben Straße zurück. Ruhig fließt der Colorado River in seinem Bett. Das Wasser spiegelt die Südseite des Canyons.
Noch ein letzter Blick auf die hohen, teils überhängenden Felswände. Und dann bin ich auch schon wieder aus dem Tal und auf dem Weg zum Bikeshop. Die Felge ist noch immer nicht eingetroffen. Trotzdem lasse ich mein Fahrrad dort. Hoffentlich trifft das Ersatzteil morgen ein.
Meine liebenswerte Gastgeberin holt mich um kurz nach 6.00 Uhr am Fahrradladen mit dem Auto ab und gemeinsam geht es heim.
Bei meiner Ausfahrt aus dem Canyon entdecke ich noch einen Kletterer, der versucht, sich unter einem überhängenden Felsdach aus einer für ihn schwierigen, misslichen Situationen zu befreien, was ihm nach etwa zehn Minuten unter Einsatz technischer Hilfsmittel und großem Können auch gelingt.
Zuhause angekommen geht es gemeinsam mit Teri Ann an die Planungen für den folgenden Tag. Großzügig stellt sie mir ihr Auto zur Verfügung, trifft Vorbereitungen für ein Lunchpaket, legt mir einen Stapel Wanderkarten hin und gibt diverse Vorschläge.
Ihre wichtigste Empfehlung: Aufbrechen lange vor Sonnenaufgang. Und so wird der Wecker auf 4.30 Uhr Weckzeit eingestellt. Um 22.00 bin ich im Bett. In mir Dankbarkeit und große Vorfreude auf den kommenden Tag.
Teri Ann hatte mich zum Melon Festival eingeladen. Gegen 8.30 Uhr sind wir unterwegs. Während der Fahrt erzählt Teri Ann ein wenig aus vergangenen Zeiten. Sie ist in Moab aufgewachsen und lebt heute noch in diesem Ort.
Sie hat all die Veränderungen der letzten Jahrzehnte mitbekommen. Das Wachsen der Ortschaft hat seine Spuren hinterlassen. Dort, wo einst Wildnis ihr Elternhaus umgab, stehen heute Häuser.
Für die Strecke Moab – Green River brauchte sie früher 60 Minuten. Heute sind es wegen des starken Verkehrs 1 1/2 Stunden. Zu ihrer Enttäuschung gehört, das zwar Geld da ist, um einen guten Radweg 10 Meilen lang vom Norden kommend bis an den Stadtrand zu bauen, wo er endet. Für die Bedürfnisse der Bürger der Kleinstadt ist jedoch kein Geld da. Ich denke, dass sie in diesem Punk sicherlich recht hat.
Sie selbst ist eine ausgesprochen liberale, selbstbewusste Frau, die sich von niemandem in die Suppe spucken lässt. Mitunter wehrt sie sich mit kraftvollen Ausdrücken gegen jegliche Inanspruchnahme ihrer Person. Sie fühlt sich frei. Und möchte jederzeit selbst entscheiden, wohin ihre Reise geht.
Das Haus, in dem sie lebt, hat sie selbst konzipiert, die Ausführung aller Arbeiten daran selbst koordiniert und oftmals selbst Hand angelegt. Die dekorative Gestaltung des Hauses war und ist ihr ein ganz besonderes Anliegen. Vieles im Haus wurde von ihr selbst gefertigt. Und sie hat es so groß gebaut, dass sie jederzeit, wenn sie das Bedürfnis nach Veränderung hat aus dem Erdgeschoss in den 1. Stock umziehen kann.
Während des Corona Shutdowns saß sie in Marokko fest und hat dort ein Jahr lang in einem selbstgebauten Zelt gelebt. Die kommende Nacht wird sie nicht zuhause sein. Am Morgen war ich ihr behilflich, eine Reisematratze, Schlafsack und weitere Utensilien ins Auto zu packen.
Meine Rückfahrt nach Moab mit einem anderen Fahrer hatte sie gut vorbereitet, während sie selbst den Abend in Green River und die Nacht irgendwo draußen in der Natur verbringen will. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Ich aber bewundere sie für ihre gerade, aufrechte Haltung. Und während sie nicht zuhause ist, gibt sie mir großzügig ein Zuhause.
Teri Ann mit einem ihrer vielen, wunderbaren Freunde.
Ein paar Bilder noch zum jährlichen Melon Festival in Green River. Eröffnet wird das Festival mit einem kleinen bunten Umzug auf der Hauptstraße durch den Ort. Voran gehen zwei Fahnenträger.
Ihnen nach dieser Krankenwagen aus dem letzten Jahrhundert, gefolgt von den Feuerwehrfahrzeugen der Stadt, die sich mit ihren Sirenen schon von Weitem ankündigen.
Dieser alte Truck fand beim erwachsenen Publikum seine besondere Zistimmung.
Ein paar Kostüme gibt es auch. Zur Freude der Kinder, die mit reichlich Karamellbonbons vom Straßenrand auf die Fahrbahn gelockt werden.
Und seit Jahrzehnten ist die Riesen-Melonenscheibe (Titelbild) Bestandteil des Umzugs.
Im Ort Moab gibt es wohl zwei Cybertrucks. Man zeigt, was man hat …
… wie diese Rollerschuh-Fans, die ihren Sport lieben.
Auch der örtliche Golfclub beteiligt sich an dem Umzug …
Und der Melon-Man darf natürlich zur Gaudi aller nicht fehlen.
Nach dem Umzug strömen die Besucher zur zentralen Festwiese. Im Schatten der Pershing Rakete aus den 70er-Jahren kann man von Zelt zu Zelt schlendern, wo Waren aus dem lokalen Bereich angeboten werden. Der ganze Platz ist auf drei Seiten von Essbuden umrahmt, vor denen sich lange Schlangen gebildet haben.
An der 4. Seite, die den Platz abschließt, wurde ein grosser Park mit Hüpfburgen und einem künstlichen Teich aufgebaut, in dem Kinder in kleinen Plastikbooten umherschaukeln und sich mit Haushaltsschwämmen, die sie aus dem Wasser fischen, gegenseitig bewerfen können.
Daneben wird Livemusik einer lokalen Rockband angeboten, dessen Publikum durchweg älteren Jahrgangs ist. Die Jugend hat offensichtlich andere Interessen.
Soviel sei jedoch verraten: Neben diesem Stand, an dem Melonenscheiben gratis verteilt werden, gibt es noch zwei weitere Marktstände, an denen ganze Melonen verkauft werden. Und die Gesamtmenge der Melonen, die an diesem Tag über den Verkaufstresen rollen, beträgt 34.000 Pounds. Ich bin sprachlos …
An diesem ganz besonderen Stand werden den Besuchern kostenlos Melonenscheiben angeboten. Es ist ja schließlich das Melonen Festival. Auch ich lange ordentlich zu, werde nicht verraten, wie viele zuckersüße Melonenscheiben ich an diesem Tag gegessen habe …
… und nehme mir eine weitere Melonenscheibe vom Tisch.
Ich habe vergessen, zu erwähnen, dass in dieser Region Melonen und Kürbisse ein Hauptanbauprodukt der Landwirtschaft sind.
Und weil die Melonen so unglaublich lecker schmecken, komme ich nicht umhin, eine weitere für Zuhause einzukaufen.
Guten Appetit!
Teri Ann hatte alles sehr gut organisiert. Mein Fahrer bringt mich sicher zurück nach Moab. Und während ich den Tagesausklang zuhause verbringe, wird Teri Ann da draußen in der Wildnis ihren Träumen folgen. Was für ein Leben …
Moab 22. September 2024
Heute ist Ruhetag. Teri Ann ist nicht zuhause. Und ich suche mir außerhalb des Hauses einen Platz, wo ich in Ruhe die fehlenden Blogbeiträge verfassen kann. Ein Dank an Euch alle, die ihr aufmerksam und mit Interesse meine Reise verfolgt. Danke für eure Kaffees. Eure Kommentare. Eure Begleitung. Ihr macht mir Freude und berührt mich.
Teri Ann hatte mir angeboten, ihr Auto für den Besuch des Nationalparks zu benutzen. Ich freue mich riesig über dieses Angebot und mache mich früh am Morgen auf. Vor dem Eingang zum Park wartet um 7.00 Uhr bereits eine Fahrzeugschlange.
Als ich bei der Kontrolle ankomme und um Einlass bitte, werde ich freundlich abgewiesen. Ich verfüge nicht über die Timed Entry Permit. Und die braucht man zwischen 7.00 und 16.00 Uhr, um in den Park einfahren zu können. Sie muss spätestens 24 Stunden im Voraus online beantragt sein.
Enttäuscht fahre ich mit dem Auto die 8 Meilen zu meinem Quartier zurück. Aber schon auf der Rückfahrt fasse ich den Entschluss, den Tag nicht nutzlos verstreichen zu lassen. Ich stelle das Auto ab und steige aufs Fahrrad. Um 8.45 Uhr bin ich wieder am Parkeingang. Ich darf passieren und bin glücklich.
Vom Parkeingang aus sehe ich erschreckt, dass es relativ steil bergauf geht. Ohne Gepäck gestaltet sich die Bergauffahrt wesentlich leichter. Ich komme im zweiten und dritten Gang gut voran. Und da man das Hinterrad provisorisch gut geflickt hat, ist ein vorsichtiges fahren ohne Gepäck, allerdings ohne Garantie, weiterhin möglich.
Ich vertraue auf mein Gefühl und das Fahrrad lässt mich am heutigen Tag nicht im Stich. Insgesamt lege ich heute 90 Kilometer zurück. Davon 75 Kilometer innerhalb des Nationalparks. Mittlerweile kommt mir meine Kondition sehr zu Gute. Die Impressionen, die ich an diesem Tag im Park sammle, hinterlassen ein tiefen Eindruck in mir.
Hinter jeder Kehre wartet Neues auf mich: Felswände, Türme, Platteaus, Canyons und, wenn man ein wenig sucht, auch die vielgerühmten Felsbögen, von denen es in diesem Park über 2.000 gibt.
Mein Weg führt an wenigen prominenten Felsbögen vorbei. Die Bekanntesten von ihnen tragen Namen. Einziger Wermutstropfen des Tages ist, dass man auf derselben Straße den Park verlassen muss, auf der man hineingekommen ist. Aber die grandiose Landschaft gleicht das allermal aus.
Manche Felsformationen verblüffen durch ihre gewaltigen Balanceakte, bei denen hunderte, wenn nicht gar tausende Tonnen schwere Felsbocken auf schlanken Nadelspitzen stehen.
An anderen Stellen erheben sich Felstürme dicht an dicht in den Himmel und bilden ein Labyrinth, dass man nur mit Erlaubnis betreten darf. Unerfahrenen wird hier die Wanderung mit einem Führer empfohlen.
Ein wenig erinnert mich die Wollsackverwitterung an die Strukturen, die ich aus dem Elbsandsteingebirge kenne. Nur, das hier alles größer ist und der Wechsel vom heißen Tag zur kalten Nacht auch für scharfkantige Sprengungen des Gesteines sorgt.
Leider habe ich nicht die Zeit für eine Wanderung durch diese Märchenlandschaft. Eine gute Vorbereitung und ein mehr als ausreichender Wasservorrat sind Voraussetzungen für eine Wanderung in das Hinterland des Parkes.
Für mich reichen diese Eindrücke. Wenn ich ein weiteres Mal hier herkomme, würde ich gerne meine Frau dabei haben …
Die Vegetation dieser Landschaft ist gleichfalls faszinierend. Gräser, Büsche, knorrige, von der Hitze verdorrte Bäume, geben dieser Landschaft ihren zusätzlichen Reiz.
Viele Felsformationen regen die Phantasie an. Und so kann vor dem eigenen Auge sogar ein Phantasieland entstehen.
Im Devils Garden, einem zentralen Teil des Arches Nationalparks, steht dieser elegante Felsbogen mit einer Spannweite von über 94 Metern. An seiner schmalsten Stelle misst er nur 2 Meter.
Um 17.30 Uhr bin ich zurück von meiner Tour. Ich habe es meiner Gastgeberin versprochen, nachdem sie mich zum gemeinsamen Dinner mit ihren Freunden eingeladen hat.
Wieder wird es etwas später, aber gegen 20 Uhr holt sie mich ab und wir fahren gemeinsam zu ihren Freunden. Es ist eine bunte Gruppe, die sich da zusammengefunden hat. Und wie ich erfahre, existiert diese Gruppe schon seit Jahrzehnten. Über 60 Mitstreiter sind in dieser Zeit verstorben. Aber die, die noch da sind, sind alles andere als langweilig.
Ich erlebe einen hochinteressanten Abend mit tollen Gesprächen und abwechselnden Gesprächspartnern. So, wie sie alle Interesse an meiner Person haben, habe auch ich Interesse an ihnen. Unter den Anwesenden ist eine Heilerin, die mir ihre gläserne Klangschale mit einem Durchmesser von 60 cm mit faszinierendem Klang, vorführt. Oder einem Mann, der seine Kindheit im Zoo verbracht hat und – auch mit wilden – Tieren sehr vertraut ist.
Am meisten beeindruckt mich ein Mann, einige Jahre älter als ich, der neben vielen anderen Gipfeln 5 der Seven Summits bestiegen hat. Seine Bescheidenheit ist faszinierend. Seine Zufriedenheit ebenso. Und ich bewundere seinen Mut, weil er noch immer den Wunsch hat, den Mount Everest zu besteigen. Der Mann geht auf die 80 zu und hat immer noch Träume.
Das gute Essen rundet den Abend perfekt ab. Und so beschließe ich gegen Mitternacht diesen einzigartigen Tag.
Früh am Morgen bin ich wach. Motorenlärm und Scheinwerferlicht haben mich geweckt. Ca. 250 Meter von mir entfernt sind unzählige Baufahrzeuge abgestellt, die sich jetzt alle langsam in Bewegung setzen. Zeit für mich, mein Zelt abzubauen und diesen Ort zu verlassen.
Zuerst geht es nach Green River, wo ich an einer Raststätte frühstücke. Das gib mir Gelegenheit, den weiteren Weg zu planen. Über den alten Highway, der nördlich der Interstate 70 in östliche Richtung verläuft, finde ich einen guten Weg raus aus der Stadt.
Was ich nicht weiß, ist, dass diese Straße schon seit langem ausgedient hat und sich in einem entsprechend schlechten Zustand befindet. Für mich ist die Straße sicher. Für meine Reifen ein Problem. Da meine Sicherheit vorgeht, fahre ich die 12 Meilen bis zur Einmündung in die Interstate.
Kaliforniens Salzkraut
Ein letzter Gruß …
Wüstentrompete
Aprikosenmalve
Wilder Stechapfel
Wilder Buchweizen
Immer dominanter bestimmen rote Felsformationen das Landschaftsbild.
Die Vegetation hat sich an die trockenen, klimatischen Bedingungen angepasst. Einerseits bin ich ganz fasziniert. Andererseits jedoch in Sorge. Gibt es doch einige sehr wehrhafte, stachelige Vertreter unter den Wüstenpflanzen.
Mitunter säumen ganze Wälle von Salbeibüschen den Straßenrand. Darunter immer wieder stachelige Arten. Zweimal steige ich vom Fahrrad und kontrolliere nach „Durchfahren“ der Passagen meine Reifen. Ich atme auf, als ich das Ende des Old Green River Highways erreiche.
Die letzten Meilen fahre ich wieder auf der Interstate bis zur Ausfahrt 182, wo ich auf den Highway 191 abbiege, der mich nach Moab bringen wird.
Immer karger wird die Landschaft, durch die ich fahre. Der warme, mitunter von heißen Wellen durchsetzte Fahrtwind streift sanft über Arme und Beine. Etwa 10 Meilen vor Moab kann ich von der Straße auf einen sicheren Fahrradweg überwechseln, der bis in die kleine Stadt führt.
Diese letzten Meilen geht es mehr und mehr durch die Felsenlandschaft. Und, was besonders schön ist, es geht bergab.
An vielen Stellen zweigen von diesem Radweg Mountainbike-Pfade ab. Die Beschilderung ist hervorragend und auch der Charakter der Wege, ob leicht, mittel oder schwer, wird beschrieben.
Kurz bevor ich Moab erreiche, überquere ich den Colorado River. Der schmale, baumbestandene Ufersaum leuchtet grünsilbrig in der späten Nachmittagssonne.
Zwei Meilen weiter erreiche ich Moab.
Mitten im Ort geht mir plötzlich die Luft aus. Ich schaue mir die ganze Geschichte an und stelle fest, dass ich einen Felgenbruch habe. Über Google finde ich einen Fahrradladen in nächster Nähe. Dort ist man mir behilflich und repariert Rad und Reifen provisorisch. Gleichzeitig gibt mir der Monteur die Adresse eines Fahrradladens, der vermutlich in der Lage sein wird, diesen Schaden zu beheben.
Ganz angetan von mir und meiner Reise ist er sehr wohlwollend und möchte für die Reparatur nichts haben. Ich bedanke mich mit meiner Visitenkarte und fahre ein paar Straßen weiter zum empfohlenen Bikeshop.
Nach Begutachtung des Schadens kommen wir gemeinsam zu dem Ergebnis, dass eine Weiterfahrt mit dieser Felge nicht mehr möglich ist. Er hat keine passende Felge auf Lager. Sie muss bestellt werden, und das wird einige Tage dauern. Für mich bedeutet das Zwangsaufenthalt in Moab.
Jetzt heißt es erst einmal, Kontakt mit meiner Gastgeberin aufzunehmen. Und ich habe ganz großes Glück. Offenbar kennt sie die Männer vom Bikeshop … Sie erklärt sich bereit, mich gegen 18.00 Uhr abzuholen.
Die Kommunikation mit ihr über die Warmshowers-App klappt nicht. Wiederholt fordert mich meine Gastgeberin auf, sie zu kontaktieren. Aber in der App wird mir keine Telefonnummer angezeigt. So geht das eine Zeit hin- und her.
Schließlich schaue ich im E-Mail Programm nach, und dort hat mir Warmshowers eine Nachricht gesandt, aus der ich die Telefonnummer entnehmen kann. Da meine Gastgeberin eigene Verpflichtungen hatte, verzögerte sich ihre Ankunft beim Bikeshop. Aus 18.00 Uhr werden 20.00 Uhr, als sie schließlich eintrifft.
Um 20.20 Uhr erreichen wir mein Quartier. Meine Gastgeberin erklärt sich sofort bereit, mich so lange zu beherbergen, bis mein Fahrrad repariert ist. Dann führt sie mich durch ihr Haus und erklärt mir die Besonderheiten, damit ich mich in den nächsten Tagen in dem Haus gut zurecht finde und wohlfühle. Wieder einmal bin ich sprachlos über diese Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft.
Viel ist an diesem Abend mit mir nicht mehr los. Müde und erschöpft lege ich mich zu Bett und falle nach wenigen Minuten in einen tiefen, erholsamen Schlaf.
Vor mir lockt in der Ferne der blaue Himmel. Das wird ein Wettrennen mit dem Wind und es wird Stunden dauern, bevor ich aus dem Randbereich der Regenfront herausfallen kann. Die nasse Fahrbahn glitzert im Gegenlicht.
Der Morgen ist wolkenverhangen. Hinter mir regnet es, und die Regenfront kommt immer näher.
Bisher war mir die Veränderung der Landschaft nicht so sehr aufgefallen. Jetzt erst bemerke ich, wie kollossal sie sich in den letzten Stunden gewandelt hat.
Auf trockener Straße mit weiten Schultern geht es vorbei an Felstürmen und durch Schluchten.
Nach nach Stunden komme ich endlich aus der Regenfront heraus und atme auf.
Tafelberge tauchen auf und die Vegetation nimmt ab. Die Landschaft verändert sich. Es wird wüstenhaft.
Während letzte Regenwolken vorbeiziehen, fahre ich durch dieses Tal auf die gegenüberliegende Bergkette zu.
Plötzlich öffnet sich die Landschaft, und ich schaue in ein weites, langgestrecktes Tal.
Ich durchfahre die weite Ebene entlang der Bergkette und erreiche schließlich Green River, Utah, das in einer Talmulde fast unsichtbar verborgen liegt.
Die letzten Kilometer waren etwas schwierig, da der Highway direkt in die Interstate einmündet. Per Radweg die Interstate zu umgehen, war keine Option für mich, da er als Mountainbike Trail ausgewiesen war.
In bestimmten Abschnitten ist es in Utah erlaubt, die Autobahn mit dem Fahrrad zu benutzen. Und erstaunlicherweise geht das recht gut, da die Schultern 2 1/2 bis 3 Meter breit sind.
In Green River verlasse ich die Interstate und finde ein paar hundert Meter von der Autobahn entfernt ein ruhiges Plätzchen, wo ich mein Zelt aufschlage. Ich verbrauche meine letzten Essensvorräte, bevor ich euch allen eine gute Nacht wünsche.
Wieder wart ihr dabei. Danke für eure Begleitung, eure Unterstützung, eure Kaffees … das ist eine ganz besondere Art zu reisen, denn ich bin nicht allein.
Es war wieder ein toller Tag mit lebhaften Eindrücken. Und ich bin erstaunt, dass ich trotz aller Widrigkeiten am Ende des Tages 91 Meilen bewältigt habe. Und ganz sicher hat mir der günstig stehende Wind dabei geholfen.