Früh bin ich auf. So früh, dass ich die nahe dem Zelt grasenden White Tail Hirschkühe in aller Ruhe beobachten kann. Ein friedvoller Anblick an diesem Morgen. Es ist noch angenehm kühl. Während ich packe, bereitet mir der Nachbar ein leckeres Frühstück. Dazu einen im Perkolator gebrühten Kaffee, der die Lebensgeister in Schwung bringt.
Dann fahre ich los. Den ersten Teil meiner heutigen Etappe geht es auf derselben Straße zurück nach Cortez, auf der ich gekommen bin.
Da es zu Beginn der Etappe bergab geht, habe ich gut Zeit, den Ausblick in die Landschaft zu genießen.
Kaum raus aus den Bergen geht es an kleinen amerikanischen Firmen vorbei. Jedes, dieser Unternehmen versucht auf seine eigene kreative Art, auf sich aufmerksam zu machen. Ob übergroßes Rind …
… oder 6-spännige Postkutsche. Alles scheint erlaubt.
Einen Teil meiner heutigen Strecke folge ich dem Trail of the Ancients auf Asphalt. Entlang dieser Strecke liegen unter anderem der Mesa Verde Nationalpark und Four Corners National Monument, das ich in der nächsten Stunde erreichen werde.
Nicht nur kommerzielle Werbung, sondern auch politische Botschaften und Gesinnungen werden über den Gartenzaun hinweg verkündet.
Irgendwann überschreite ich die Grenze nach Neu Mexico. Fast hätte ich es nicht bemerkt.
Und wenige Meilen weiter erreiche ich schließlich das Four Corners New Mexico. An diesem Ort stoßen die vier Bundesstaaten Utah, Colorado, Arizona und New Mexico zusammen. Der Schnittpunkt liegt inmitten einer staubigen, quadratischen Fläche.
Er ist von diversen Verkaufsständen gesäumt, an denen Mitglieder der First Nations ihre Kunsthandwerke, überwiegend Schmuck, aber auch Pfeilspitzen aus Feuerstein, Steinäxte sowie traditionelle Kleidung feilbieten.
Große Teile der Four Corners-Region gehören zu halbautonomen Indianernationen, von denen die Navajo Nation die größte ist, gefolgt von Stammesreservaten und -nationen der Hopi , Ute und Zuni.
Noch eine Verbeugung, ein sehr nettes Gespräch mit einem Motorradfahrer am Rande der Anlage … dann schwinge ich mich wieder aufs Rad und fahre weiter.
Eigentlich möchte ich heute noch Bluff erreichen. Aber langsam werde ich müde. Und so schaffe ich es bis zum Einbruch der Dunkelheit nur bis zu dem kleinen Ort Montezuma Creek, der am San Juan River liegt.
Im Dunkel baue ich mein Zelt auf einer kleinen, sandigen, vegetationslosen Fläche auf, die mir gut genug scheint. Morgen früh werde ich sehen, wo genau im Ort ich bin.
Lange kann ich nicht einschlafen. Immer wieder wecken mich Motorengeräusche vorbeifahrender Autos. Und deren Scheinwerfer erhellen ständig das Innere meines Zeltes. Mein Lagerplatz ist ein Kompromiss.
Zwar wird die Nacht unruhig. Dafür fühle ich mich sicher. Im Dunklen weiterzufahren habe ich mich nicht getraut. Irgendwann bin ich dann doch eingeschlafen und habe von der Unruhe außerhalb meines Zeltes nichts mehr mitbekommen.
Heute ist ein Jubiläumstag – 4 Monate und 10.000 km. Doch darüber berichte ich in dem Blogbeitrag „Meilensteine“.
Plötzlich aufkommender Wind weckt mich. Schnell sind alle Abspannleinen verzurrt und ich lege mich wieder schlafen. Bei Tagesanbruch bin ich hoch. Noch bevor ich auf Erkundungstour gehe, eile ich zur Registration. Ich bin zu früh. Die Tür ist noch verschlossen.
So wende ich mich an den kleinen Kaffeeausschank. Dort ist man mir behilflich, notiert, dass ich mich gemeldet habe und auch noch eine weitere Nacht auf dem Platz verbringen möchte. Dann starte ich in den Tag.
Den Blick wenige Meter vor mir auf den Asphalt gericht, arbeite ich mich langsam den Berg hinauf. Blumen bringen Abwechslung in mein Blickfeld, ohne dass ich aufschauen muss. Um den Blick in die Ferne zu genießen, muss ich anhalten. So erarbeite ich mich langsam auf das Plateau hinauf.
Am Wegesrand fruchtet der Große Bocksbart, die silbernen Lupinen blühen. Hier und da leuchten Scharlachtrompeten auf rotbraunem Grund, Disteln versuchen, sich gegen das massenhafte Auftreten der gelbleuchtenden Zackenblumen zu behaupten. Und immer mehr Yukka-Palmen säumen den Wegesrand. Alles Kurzweil, um den anstrengenden Weg nach oben attraktiv zu gestalten.
In den Verschnaufpausen schweift mein Blick in die Ferne. Ich lasse The Knife Edge hinter mir und steige weiter auf.
Weiter reicht der Blick an Vorgipfeln vorbei ins Land.
Die Fernblicke belohnen die Asterei hinauf aufs Plateau.
Schließlich erreiche ich das Plateau, das nach Süden absinkt. Es geht mehrere Meilen durch verbrannten Wald. Um 2006 wütete hier das Feuer und vernichtete einen großen Teil des Baumbestandes der Mesa. Obwohl das 18 Jahre her ist, hat sich die Natur immer noch nicht von dem Feuer erholt.
Lediglich die gelbleuchtenden Zackenblumen und die Yukka-Palmen geben den Anschein einer heilen Natur. Es wird lange dauern, bis ein neuer Wald herangewachsen ist. Ich werde das zu meinen Lebzeiten nicht mehr erleben. Dafür sind die Wachstumsraten in dieser Höhe und diesem Klima einfach zu gering.
Und plötzlich bin ich an meinem heutigen Ziel im Mesa Verde Nationalpark angekommen. Es ist der einzige Nationalpark, der nicht der Natur gewidmet ist, sondern den Menschen, die in dieser Natur lebten. Es ist eine Word Heritage Site. Ein Ort zum Staunen.
Hier haben Menschen vor Jahrhunderten ihre Bleibe im Schutz der Felswände errichtet, in ihren Häusern gelebt. Und aus unerklärlichen Gründen wurden diese Behausungen schon vor Jahrhunderten wieder aufgegeben.
Was trieb sie an, in diesen unwirtlichen Felsnischen unteren Klippen und Felsbögen zu siedeln? Und vor allem: Warum sind sie so plötzlich verschwunden? Viele offene Fragen und viel Forschungsspielraum für die Wissenschaft. Und so bleibt auch für mich viel Raum für Spekulationen.
Cliff Palace ist die größte Wohnanlage. Daneben gibt es weitere in diesem langen Canyon.
Auch so, aus der Ferne, war es für mich ein ergreifender Moment, diese Wohnhäuser gesehen und haben.
Neben den Wohnhäusern gibt es etliche Rundbauten, von denen angenommen wird, dass sie zeremoniellen Zwecken dienten.
Im Vorfeld hatte ich versucht, ein Ticket für den Besuch des Cliff Palace zu bekommen. Da kaum Internetverbindungen bestehen, ist mir dieses nicht gelungen.
Und vielleicht ist es gut so. Fühle ich mich doch in solchen Menschenmassen nicht mehr wohl …
Hier ein paar weitere Wohnstätten und ein Blick in den gewaltigen Canyon, der vor 800 Jahren geschätzt 40.000 Menschen eine Heimat, Brot und Arbeit bot. Mehr Menschen, als heute in dieser gesamten Region leben.
Es gibt nur eine Straße, die durch diesen Park führt. Am Ende gibt es eine Schleife über sechs Meilen, die man zusätzlich abradeln kann, und die an verschiedenen Aussichtspunkten vorbeiführt, von denen man eine gute Sicht auf die Felswohnungen hat. Und dann geht es auf demselben Weg zurück.
Das gut geschützte Balkony House.
Ein kleiner Rundweg führt zu einem Aussichtspunkt, von dem man eine gute Sicht auf das Balcony House hat. Dieses ist vom Klippenrand oberhalb, an dem die aspaltierte Schleife vorbeiführt, nicht zu sehen.
Der naturbelassene Weg gibt einen guten Eindruck auf die üppige Vegetation, wobei die Bäume im Schnitt keine 8 Meter Wuchshöhe erreichen. Tribut an den Standort in über 800 Metern Höhe.
Und diese kleinen Echsen flitzen an diesem Tag zu Hunderten über meinen Weg.
Der kleine, lohnende Rundweg zum Aussichtspunkt auf das Balkony House…
Die Rückfahrt offenbart noch einmal, durch welch schöne Landschaft ich heute geradelt bin. In der Bergabfahrt kann ich meinen Blick schweifen lassen und habe die Gelegenheit, nachzuholen, was ich in der mühsamen Berauffahrt versäumt habe.
Um 16.45 bin ich zurück auf dem Zeltplatz. Mein erster Gang führt mich direkt zur Registration. Und dort wartet eine kleine Überraschung auf mich: Ich bekomme den Aufenthalt geschenkt. Strahlend bedanke ich mich und hinterlasse meine kleine Visitenkarte mit dem Hinweis auf meinen Blog. Dann begebe ich mich zu meinem Zelt, um auszuruhen.
Für heute ist es auch genug. Ein wunderschöner Tag. Tolle Eindrücke. Begegnungen mit Menschen, die bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen haben, Menschen, die mir Geschenke bereitet haben … So erfüllt sich ein weiterer Tag meiner Traumreise.
„DieAttraktion von Mesa Verde bilden die rund 600 Felsbehausungen, von denen allerdings nur rund ein Dutzend größere Siedlungen bildeten …
Der Cliff Palace ist eine der größten Siedlungen im Mesa Verde Gebiet. In einem weit überhängenden Abri wurden diese Felsenhäuser … seit ungefähr 1190 n. Chr. aus Sandsteinblöcken gebaut, die mit Mörtel aus Erde, Wasser und Asche verbunden wurden. Hölzerne Balken dienten zur Konstruktion von Decken und Türdurchgängen. … Der Cliff-Palace umfasst rund 150 Räume und 23 Kivas. Die Anzahl der Bewohner dürfte nicht über 100 gelegen haben. …
Eine bemerkenswerte Konstruktion ist ein rechteckiger Turm mit vier Stockwerken, der beinahe bis zum Dach des Abri reicht; er wurde teilweise rekonstruiert. Andere turmartige Bauten sind rund und von geringerer Höhe. …
Ursprünglich besiedelten die Anasazi die Oberfläche der Mesa. Ihre Siedlungsgeschichte in der Region begann mit einfachen Grubenhäusern und entwickelte sich zu Pueblos, bevor sie die umfangreichen Cliff Palaces in den Felsüberhängen bauten.“
(Auszug aus Wikipedia)
Der Begriff „Anasazi“ ist heute übrigens umstritten, weil er als abwertend empfunden wird. Der Name stammt aus der Navajo-Sprache und bedeutet „alter Feind“. Die Pueblovölker von New Mexico möchten ihre Vorfahren verständlicherweise nicht auf so respektlose Weise bezeichnet wissen, daher ist die angemessene Bezeichnung „Ancestral Pueblo“.
Die Nacht verlief äußerst ruhig und ich habe gut geschlafen. Bewacht von diesem Trainingsgerät, auf dem Kinder eine Einführung in das Bull-Riding erhalten. Um 8.30 Uhr bin ich schon auf der Straße.
Nach wenigen Meilen erreiche ich Dove Creek. Dove Creek ist die selbsternannte PINTOBOHNEN-Hauptstadt der Welt. Auch als Wachtelbohnen bekannt, sind sie eine Unterart der Gartenbohne. Sie kommen getrocknet in den Handel. Ihren deutschen Namen verdanken die Wachtelbohnen ihrem rot-braun gesprenkelten Aussehen, das an Wachteleier erinnert.
Und so wundert es mich nicht, das an Häusern, Geschäften und Silos Werbeschilder mit der Aufschrift „Bean Producers“ prangen. Ansonsten ist hier augenscheinlich nicht viel los.
In der Ferne warnen immer wieder Erdmännchen vor meiner Ankunft. Und es gelingt mir kaum, diese Tiere vorteilhaft vor die Linse zu bekommen. Entlang der Route ist das Erdreich massiv durchlöchert. Die kleinen Tiere müssen hier über Meilen ein unterirdisches Tunnelsystem mit Hunderten von Eingängen und Fluchtwegen errichtet haben..
Adopt a Highway ist eine sehr populäre Werbekampagne von US-Bundesstaaten, Territorien und Provinzen Kanadas, um Freiwillige zu ermutigen, einen Abschnitt einer Autobahn müllfrei zu halten.
Als Gegenleistung für die regelmäßige Müllbeseitigung dürfen diejenigen, die sich daran beteiligen, ihren Namen auf einem Schild in dem von ihnen instandgehaltenen Abschnitt der Autobahn anbringen. Offensichtlich wird das mit Erfolg betrieben. Die adoptieren Abschnitte sehen häufig viel, viel sauberer aus.
Obwohl die Böden in dieser Region ertragreich sind, hätte sich die lokale Landwirtschaft ohne die Vorteile einer Bewässerung nicht entwickeln können. Die Siedler erkannten schon früh, wie wichtig es war, Wasser aus dem Dolores River in ein Netzwerk aus Gräben zu leiten, die das Montezuma Valley kreuz und quer durchziehen.
Die Viehzüchter der UTE First Nation People nutzten für ihr Vieh Wasser aus saisonalen Bächen und dem Mancos River, bevor ein zentrales Wasserversorgungssystem auf das Reservat ausgedehnt wurde.
Die oben abgebildete McElmo Creek Rinne Nr. 6 ist das letzte verbliebene Exemplar von über 100 hölzernen Rinnen, die zur Ableitung von Wasser aus dem Dolores River verwendet wurden, um Ackerland zu bewässern und das größere Montezuma-Tal mit Brauchwasser zu versorgen.
Heute führen Bewässerungskanäle durch die trockene Landschaft, um die weit verstreuten Farmen mit dem nötigen Brauchwasser zu versorgen. Ich habe nur an zwei Stellen solche Kanäle gesehen. Und irgendwie wirken diese silbrigen Adern wie Fremdkörper in der Wüste. Ihre Ufer weisen keinerlei Vegetation auf. Das macht den Kontrast zwischen Wasser und Wüste noch größer.
Nach Stunden erreiche ich schließlich die Mesa Verde. Rechter Hand erheben sich aus der leicht ansteigenden Ebene mehrere auffällige Gipfel. Links der Point Look Out, in der Mitte der Lone Cone und rechts The Knife Edge. Sie sind die Vorboten eines sich weit nach Süden erstreckenen Hochplateaus.
Und kaum bin ich nach Süden abgebogen, beginnt die Rackerei. Es geht kontinuierlich bergauf. Nicht einfach ein kurzes Stück sondern über ca. sieben Meilen. Etwa 2.000 Fuß müssen überwunden werden. Und so krieche ich im ersten Gang mit einer Geschwindigkeit von ca. 6 km/h den Berg hinauf.
Die Dame am Parkeingang versucht mir Mut zu machen. Bis zum Campingplatz werden es etwa 1.000 Fuß sein, die ich an Höhe zu überwinden habe. Von dort weitere 1.000 Fuß bis zu einer Höhe von knapp 8.572 Fuß. Das eigentliche Ziel, der Cliff Palace, liegt etwa auf der gleichen Höhe wie der Parkeingang (ca. 6.200 Fuß). Und so bin ich froh, dass ich für heute nur den Morfield Campground (ca. 7.200 Fuß) erreichen muss.
Dabei führt der Weg hinten herum am Point Lookout vorbei.
Und so steige ich immer weiter voran. Blickte ich zuerst zum Point Lookout empor, blicke ich noch vor Erreichen des Campingplatzes auf ihn hinab.
Auf dem Campingplatz ist die Registration geschlossen. So fahre ich einfach auf das Gelände, suche den Platz für Zelte und lasse mich dort nieder. Noch am Abend bekomme ich Kontakt zu einem Nachbarn. Er spricht einen amerikanischen Akzent, den ich kaum verstehe.
Trotzdem findet an diesem Abend eine Kommunikation statt, die ich genieße. Außerdem läd er mich noch zu einem reichen Abendessen ein. Es gibt einen leckeren Tunfisch-Eiersalat auf Toastbrot, den er selbst bereitet hat. Anschließend noch einen schmackhaften Apfel und jede Menge Gespräche über Gott und die Welt.
Vom Strampeln erschöpft gehe ich früh zu Bett. Weiß ich doch dass morgen ein anstrenger Tag vor mir liegt. Gute Nacht!