Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Archive - 2024

Ein Tag in Pacifica

20.10.2024

Die Nacht verlief unruhig, was an meinen Rückenschmerzen lag. Und als ich zu einem ausgiebigen Frühstück zu Laura und Greg ins Haus gehe, schenken sie mir als Erstes einen weiteren Tag in dem Chalet. Dankbar nehme ich an und freue mich auf den Ruhetag.

Dann gibt es ein leckeres Frühstück und obendrein führen wir spannende Gespräche über unterschiedliche Themen. Dabei kommt die aktuelle US-Politik nicht zu kurz.

Ich lasse heute das Fahrrad stehen und werde am Nachmittag lediglich einen Spaziergang am Meer entlang unternehmen. Ich laufe immer noch mit schiefer Haltung durch die Gegend und hab nur den Wunsch, dass die Rückenschmerzen bald aufhören.

Dabei erhalte ich von Beiden großzügige, zielgerichtete Unterstützung. Laura arbeitet als Krankenschwester im Krankenhaus, was mir eine große Hilfe ist.

Von meinem Quartier sind es nur 5 Minuten bis zur Strandpromenade. Bei geöffnetem Fenster kann ich im Chalet das Rauschen des Meeres und das Schlagen der Wellen hören. Bei sonnigem Wetter und frühlingshaften Temperaturen breche ich zu meinem Spaziergang auf.

Schnell erreiche ich die Promenade und mische mich unter die zahlreichen Spaziergänger. Es herrscht eine freundliche, entspannte Atmosphäre. Kinderlachen, quitschende Buggies, Jugendliche, Eltern, Großeltern – alle fröhlich und in ausgelassener Stimmung unterwegs. Ich genieße diese Stunden und lasse mich treiben.

Auf dem weit ins Meer hinausragenden, kommunalen Pier haben sich viele Angler eingerichtet. Aus ihren kleinen, vieljährigen Handwagen zaubern sie alles hervor, was man für einen erfolgreichen Angeltag braucht:

Angelruten, Angelhaken-Sets, alle Utensilien zum Zerlegen des Fangs. Dazu den Grill, Teller und Bestecke, ganze Batterien an Dosengetränken, diverse Beilagen. Und um den Komfort komplett zu machen: Klappstühle und Klapptische.

An Meeresfrüchten mangelt es nicht. Fische und Krabben scheint es reichlich zu geben. Dauernd ist jemand mit dem Zerlegen des Frischfangs beschäftigt.

Mütter und Väter bringen ihren interessierten Kindern bei, wie man die Angel bestückt. Demonstrieren das fachgerechte Zerlegen von Fischen und Krebsen und lehren ihrem Nachwuchs, welcher Fang dem Meer zurückgegeben und welcher verarbeitet werden darf. Und sie belohnen meine Neugier mit einer delikaten Kostprobe.

Mit dem leckeren Geschmack auf der Zunge, dem salzigen Duft des Meeres in der Nase und der weichen Brise im Haar spaziere ich weiter. Verlasse schließlich die Promenade und wandere im lockeren Sand des Strandes am Meer entlang.

Dem Spiel der Wellen zuschauend, ihrem Rauschen lauschend, verliere ich den Kontakt zu den Anderen und fühle mich in diesem Klima sehr geborgen. Einzig der Wunsch, ein Bad zu nehmen, stellt sich zu keinem Zeitpunkt ein.

Während sich hinter den Dünen die Kolkraben füttern lassen …

… warten draußen vor der Küste Surfer auf die richtige Welle.

Und wenn sie dann kommt, springen sie auf und tanzen auf ihren Boards vor dem Wellenberg der Küste entgegen.

Andere Badegäste nehmen es am Strand mit den Wellen auf und versuchen, ihren Widerstand zu brechen. Dabei steht der Gewinner schon regelmäßig fest.

Hinter dem Dünenwall, über den die verlängerte Promenade in Form eines Sandweges verläuft, liegt der kommunale Golfplatz mit einem reichen Bestand an alten Zypressen …

… gepflegten Greens …

… kleinen versumpften Arealen…

… und einem harmonischen Landschaftsbild. Hier scheinen die uralten Baumriesen geschützt zu sein. Außerhalb dieser Golfanlage finde ich diese wunderschönen Bäume nur vereinzelt im Ortschaftsbild.

Während ich mich im Licht der untergehenden Sonne auf den Heimweg mache, ziehen die Angler in einem fort einen Fisch nach dem anderen an Land.

Ich genieße noch die untergehende Sonne mit ihrem Licht- und Farbenspiel, bevor ich mich auf den kurzen Heimweg mache.

Dort warten bereits meine Gastgeber mit dem Abendessen auf mich. Ihre Tochter Ayla lebt in San Francisco und arbeitet in einem Bikeshop. Ich würde sie gerne aufsuchen, da ich Ersatzteile und Frontroller für mein Fahrrad brauche.

Ich erhalte noch einige gute Tipps für die Route, die ich morgen nehmen will. Dann wird es auch schon Zeit, zu Bett zu gehen. Es war ein ruhiger Tag, der meinem Rücken gut getan hat und ich hoffe, dass ich morgen Früh starten kann.

Von San José nach Pacifica, California

Endlich bin ich wieder da. Ich ahne, wie sehr euch meine Schreibpause bewegt hat. Der eine war vielleicht ungeduldig, ein anderer neugierig, ein dritter machte sich Sorgen.

Danke für eure Geduld. Ich brauchte diese Pause, um mich und meine morschen Glieder etwas zur Ruhe kommen zu lassen.

Jetzt bin ich wieder da und berichte euch meine Erlebnisse.

19. Oktober 2024

Mark hatte mich am gestrigen Abend noch mit allen Informationen versorgt, die ich für meine Fahrradtour heute brauche. Es gab mehrere Vorschläge, von denen ich mir die leichteste Strecke ausgesucht habe.

Das schöne an dieser Strecke ist, dass sie mich zu 90 % über Radwege aus dem urbanen Ballungszentrum führt und nur moderate Steigungen aufweist. Erst kurz vor Pacifica muss ich die Mountain Range überwinden.

Nach dem kräftigenden Frühstück folgt ein herzlicher Abschied von Mark und Vikki. Noch ein letztes Foto von uns. Dann bin ich auch schon wieder auf der Straße.

Auf den ausgewiesenen Fahrradwegen komme ich einigermaßen gut voran. Lediglich die vielen Ampeln und Stoppschilder zwingen mich immer wieder zum anhalten. Und wenn ich dann wieder losfahre, meldet sich stöhnend und ächzend mein Rücken.

Das ist auch der Grund, warum ich heute nicht fotografieren mag. Meine ganze Aufmerksamkeit gilt heute der Straße und dem starken Autoverkehr. Und wäre da nicht das gut ausgebaute Radwegenetz, hätte ich wohl einige Stunden mehr gebraucht, mein heutiges Ziel zu erreichen. Nur selten halte ich an, um ein Foto aufzunehmen.

Nach vielen Stunden, fast hätte ich es nicht bemerkt, verlasse ich den Ballungsraum. Langsam und stetig geht es am Ende der Tagesetappe noch einmal bergauf. Ich schalte runter in den ersten Gang.

Nach einer halben Stunde habe ich die Passhöhe erreicht. Gleich hinter dem Pass halte ich an einem Aussichtspunkt an, um zu verschnaufen und die schöne Aussicht zu genießen. Vor mir im Talkessel liegt Pacifica. Dahinter Im gleißenden Sonnenlicht der Pazifik.

Ich bin überwältigt. Tränen rinnen über meine Wangen. Wie sehr habe ich mich auf diesen Augenblick gefreut. Auf den silbrig glänzenden Pazifik. Und sofort werden Erinnerungen an 1983 wach.

Seinerzeit, etwa um dieselbe Jahreszeit, bin ich die Pazifikküste von Lincoln City bis nach San Diego hinuntergeradelt. Und da war das gleiche Licht. Dieselbe Helligkeit. Der glitzernde Pacifik.

Der salzige Duft des Meeres. Das ferne, donnernde Rollen und Grollen des Ozeans. Das Klatschen der Meereswellen auf dem schmalen Sandstrand. Ich verbinde diese herrliche Aussicht mit einer kleinen Rast.

Dann steige ich für heute ein letztes Mal aufs Fahrrad und fahre hinunter ins Tal. Dort, in einem kleinen, hübschen Haus, leben meine heutigen Gastgeber Laura und Greg, die mich bereits erwarten.

Sie haben im Garten ein kleines Chalet nebst einer Outdoor-Dusche für vorbeiziehende Gäste errichtet. Und dieses kleine Paradies darf ich heute und morgen für mich nutzen. Auf circa 15 m² ist alles untergebracht, was ich brauche: Eine kleine Kochnische, eine Sitzgelegenheit, die gleichzeitig zu einem Bett erweitert werden kann.

All das beeindruckt mich einmal mehr. Nachdem ich mein Fahrrad entladen und alle Sachen im Chalet verstaut habe, nehme ich ein Duschbad. Dann gehe ich hinüber ins Haus meiner Gastgeber und folge ihrer Einladung zu einem reichhaltigen Dinner.

Während des Essens unterhalten wir uns angenehm über die uns beschäftigenden Tagesthemen, insbesondere über meine Reise. Und um 21.00 Uhr ziehe ich mich in mein kleines Paradies zurück.

Erschöpft und wohlgenährt gehe ich zu Bett. Froh darüber, dass ich heute Nacht nicht auf einer selbstaufblasenden Isoliermatte schlafen muss. Mein Rücken wird es danken.

Das Leben ist mir dazwischen gekommen…

Ich weiß, dass ihr euch Gedanken macht, wenn ihr nichts von mir hört. Und mein Wunsch ist groß, euch wieder teilnehmen zu lassen. Allein die Umstände haben es erschwert.

Rückenschmerzen und deren Folgen … eine Powerbank, die ihren Geist aufgegeben hat … und das Leben … sind mir dazwischen gekommen.

So schnell wie möglich hole ich das auf. Habt noch ein wenig Geduld mit mir … Oder wie die Amerikaner sagen: Hang in there, Buddy!

Danke, dass ihr auch in dieser Zeit nach mir fragt, mich unterstützt mit euren Kommentaren und den so geschätzten Kaffees. Ich bin immer wieder ganz baff … Danke!