Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Rimouski durch den National Park Bic nach Saint Simon sur Mer

Ein neuer Tag bricht an. Zum Frühstück begebe ich mich zu Denis und Valerie ins Haus. Ich bekomme ein reichhaltiges, leckeres Frühstück serviert. Anschließend wird gepackt. Die zurückliegende Nacht war wunderbar. Und obwohl ich nur wenige Meter von der Straße mein Zelt aufgeschlagen habe, war es sehr ruhig.

Ich verstaue alle Sachen auf dem Fahrrad. Ein letztes Abschiedsfoto. Und dann geht es 1,5 km zurück. Jean Pierre hatte mich auf ein U-Boot aufmerksam gemacht, das mir am gestrigen Abend gar nicht aufgefallen war.

Dort treffe ich Caleb, der eine mehrwöchige Wanderung unternimmt. Dabei nutzt er keinen Rucksack sondern hat sein Hab und Gut in einem Carrier verstaut. Eine interessante Variante zu Wandern.

Er schildert mir von seinen Schwierigkeiten, am Abend einen Platz zu finden, wo er kostenlos sein Zelt aufschlagen kann. Ja, dieser Gedanke wird mich ebenfalls ein ganzes Jahr beschäftigen. Die Warmshower App ist gut. Aber wenn Wartungsarbeiten tagsüber ausgeführt werden und somit weder meine rausgehenden Anfragen noch deren Beantwortungen nicht weitergeleitet werden, macht die App keinen Sinn.

Hinzu kommt auch, dass der Internetempfang in dieser Gegend durchaus zu wünschen übrig lässt.

Das Boot wurde von den Franzosen gekauft, hat wohl viele Schwierigkeiten bereitet, und wurde letztlich aus dem militärischen Dienst verabschiedet. Heute dient es als kleine Touristenattraktion gleich neben dem Pointe-au-Père Lighthouse.

Auf dem Weg zum Nationalpark Bic sehe ich einige Windsurfer ihren prallgespannten Segeln hinterherlaufen. Was für sie ein großer Spaß, bedeutet für mich heute mühsame Arbeit. Ich komme nur mit durchschnittlich 14 km/h voran. Der Westwind bläst mir kalt ins Gesicht. Ich ziehe eine Jacke über, damit ich nicht auskühle. So wird es weitergehen, den ganzen Tag.

Der Nationalpark Bic ist einer der kleinsten Parks Québecs und er hat eine Menge Natur zu bieten. Faune wie Flora spiegeln den unermesslichen Reichtum dieser Landschaft.

Die gut ausgebauten Fahradwege führen mich zu den wesentlichen Zielen auf der Halbinsel.

In einer mächtigen Scheune ist ein gut ausgestattetes Informationszentrum untergebracht. Und bestens ausgebildete Ranger geben auf Anfrage gerne umfangreich Auskunft über die Tier- und Pflanzenwelt.

Zwischen den Inseln werden bei Ebbe weite Wattflächen sichtbar. Hier lässt sich, ähnlich wie in unserem Wattenmeer, eine reichhaltige Tierwelt beobachten.

Wuchtige Felswände werden an vielen Stellen im Ufersaum sichtbar. Wenige Meter darüber erhebt der Wald seine windgebeutelten, zerzausten Kronen. Der Kontrast zur See beeindruckt mich immer wieder.

Bei Ebbe wird im Litoral die üppige Pflanzenwelt sichtbar, die sich bei Flut unter dem Wasserspiegel befindet

Zwischen den Felsen, die mitunter weit ins Watt reichen, finde ich ein windstilles Plätzchen. Zeit für eine kleine Rast.

In einigen Buchten laden schottrige Strände zum Spaziergang und Muschelsammeln ein und bieten immer wieder wunderschöne Ausblicke auf die vorgelagerten, trockengefallenen Inseln.

Kleine Hügel verraten bei Ebbe, wo sich Wattwürmer tief ins Watt eingegraben haben.

Der Gipfel wird stets von einem endlos scheinenden Band an Sediment-Ausscheidungen gekrönt. Die Tiere selbst bleiben für mein Auge verborgen.

Zwischen den Felsen entdecke ich das Küsten-Blauglöckchen …

… und an vielen Stellen erheben Glockenblumen auf zarten Stengeln ihr blauviolettes Haupt und konkurrieren mit dem kräftigen Blau des Himmels.

An den Grashängen stehen üppige Bestände an Hagebuttensträuchern.

In ihrer Vielzahl und Ausdehnung in der Fläche erinnern sie mich an Kindertage. Heute sind diese Sträucher nur noch selten in unseren Gärten zu finden. Zumindest ist das mein Eindruck.

Und während die Vergetation mit üppigem Grün prahlt, zeigt sich das Meer von seiner glänzenden Seite.

Es wird Zeit, Abschied zu nehmen. Die Idee, im Nationalpark zu campen, lasse ich fallen. Der offizielle Campingplatz für mich kostet 12 Kanadische Dollar. Und ich werde außerhalb des Campingplatzes wohl ein vergleichbar schönes Plätzchen finden.

Über den Westausgang verlasse ich gegen 19.00 Uhr den Park und radle die liebliche Küste entlang. Linkerhand begleiten mich unzählige Wohnhäuser, Ferienhäuser und Chalets, während rechts langsam das Watt im Meer versinkt.

Zurück bleibt ein kleines Juwel. Eine hügelige Landschaft. An seinem höchsten Punkt über 330 Meter hoch. Dazwischen kleine Buchten, aufgefüllt mit Wattschlick und Lebensraum einer vielfältigen Tierwelt. Vorgelagert liegen mehrere idyllische, waldbestandene Inseln, die auf mich eine ganz besondere Faszination ausüben. Eine Landschaft zum Träumen.

Die Sonne hat fast den Horizont erreicht, als ich meinen heutigen Lagerplatz finde. Einen kleinen, öffentlichen Park. Hier baue ich mein Zelt im Schutz mächtiger, rundgeschliffener Felsbrocken auf. Ich komme mit Christian ins Gespräch, der in dieser Landschaft zuhause ist. Und da er isst, Geselle ich mich mit Brot und Milch zu ihm.

Christian bietet spontan geräucherten Lachs und weitere Fischhäppchen an, die wohl mit Maple-Sirup glasiert sind. So was Leckeres. Und während Christian seinen Wein trinkt, leere ich meine Milchkühe.

Noch während wir beiden zusammensitzen und dem Sonnenuntergang zuschauen, kommt eine ältere Dame an den Picknicktisch und fängt eine Unterhaltung auf französisch an. Christian ist so freundlich und übersetzt. So erfahre ich, dass es einige Nachbarn nicht gerne sehen, dass an diesem Ort gecampt wird. Und für den Fall, daß die Polizei kommen und mich auffordern sollte, zu gehen, bietet sie mir an, zum blauen Haus mit der Nr. 306 zu kommen. Und einen Kaffee wird es morgens sicherlich auch geben. Was für eine spontane Geste.

Wir verabschieden uns voneinander und wenige Minuten später falle ich bereits in einen tiefen Schlaf. Danke für diesen wundervollen Tag.

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