Mein erster Blick auf den Pazifik – mit Tränen in den Augen …
17. + 18. Oktober 2024
Ich habe schlecht geschlafen. Das Bett was super angenehm. Es war ruhig und angenehm kühl im Haus. Aber der Rücken läßt mich nicht ruhen.
So entscheide ich mich, eine Pause einzulegen und mit Bus und Bahn nach San José, kurz vor San Francisco, zu fahren. Es geht also nach Norden, denn ich möchte noch einmal über die Golden Gate Bridge, bevor ich direkt am Pazifik entlang wieder in den Süden nach Mexiko fahre für meinen Visa Run.
Nach einem leckeren, kräftigenden Frühstück bedanke ich mich nochmals bei Abel und Kim für die Gastfreundschaft, Unterstützung und Rücksichtnahme auf meine Gesundheit. Dann fährt mich Abel hinunter nach Tehachapi zur Bushaltestelle.
Da ich das erste Mal den Bus nutze, zeigt mir der Busfahrer wohlwollend, wie ich das Fahrrad in den Fahrradträger, der vorne angebracht ist, einstelle und sichere. Das Gepäck ist schnell im Fahrgastraum auf einer speziellen Fläche verstaut.
Ich sitze im klimatisierten Bus. Draußen brennt die Sonne und vertreibt schnell die morgendliche Kühle. Zum ersten Mal zieht die Landschaft an mir vorüber wie in einem Film. Als ich in Bakersfield aussteige, ist die Außentemperatur schon wieder etliche Grade emporgeklettert.
Die Fahrt hatte 2 Dollar gekostet für 35 Meilen. Es fällt mir schwer, das Fahrrad aus dem Fahrradträger am Bus herauszuheben. Dann verzurre ich mein Gepäck und schiebe das Rad zum Amtrak-Bahnhof. Das Ticket bis San José kostet 42 Dollar inklusive Rad.
Nach 2 Stunden Wartezeit fährt der Zug ein. Mein Fahrrad wird samt Gepäck in den Gepäckwagen geschoben und ich nehme nur das Notwendigste und Wichtigste an mich. Von der Last befreit, begebe ich mich auf den Sitzplatz.
Der Zug ist nur mäßig gefüllt. Und die nächsten Stunden döse ich vor mich hin, immer wieder bemüht, eine Körperhaltung zu finden, die den Schmerz im Rücken lindert.
Um 16.45 Uhr erreiche ich Stockton, California. Dort steige ich in einen Bus um und erreiche um 18.50 Uhr San José.
Es ist bereits dunkel und ich habe noch kein Quartier. So fahre ich in dieser Stadt in die Nacht hinein. San José hat gut 1 Millionen Einwohner. Alle Versuche, vorab eine Unterkunft zu finden, waren fehlgeschlagen und ich überlege, die Nacht vielleicht bei McDonald’s zu verbringen. Die haben bis 2.00 Uhr geöffnet und schließen, um morgens um 4.15 Uhr wieder zu öffnen.
Als ich dort eintreffe, steht ein Sicherheitsbeamter im Eingang, den ich anspreche. Er bedeutet mir, dass ich mich lediglich dreißig Minuten zum Einnehmen meiner Mahlzeit im Restaurant aufhalten darf. Also wird das nichts.
Während meines Aufenthalts bei McDonald’s flattert plötzlich über die Warmshowers App eine Nachricht von Vikki und Mark herein: „If you still need somewhere to go, you are welcome here.“ Erleichtert atme ich auf.
Zwar muss ich noch 7 Meilen durch diese große Stadt fahren. Aber gegen 21.15 Uhr erreiche ich das angegebene Ziel. Vikki und Mark erwarten mich bereits.
Es fällt mir schwer, vom Fahrrad zu steigen und die wenigen Meter ins Haus zu laufen. Und Vikki erkennt sofort, dass es mir nicht gut geht. Sie arbeitet im Pflegedienst in der Stanford-Klinik. Und so bieten mir Beide die Möglichkeit, den folgenden Tag bei ihnen im Haus zu verbringen und mich zu erholen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie viel Erleichterung das in mir auslöst.
Nach einem Duschbad und einem gemeinsamen Abendessen, kann ich mich zurückziehen. Ich nehme noch ein paar Schmerztabletten. Dann ist der Tag für mich zu Ende. Da ich die vergangenen Nächte wenig geschlafen habe, hat sich bei mir ein ordentliches Schlafdefizit angesammelt. Und zum ersten Mal seit Tagen kann ich ein- und durchschlafen, ohne bei jeder Drehung wach zu werden.
Den folgenden Tag verbringe ich in San José. Ich verlasse das Haus tagsüber nicht, sondern ruhe immer wieder und mobilisiere mich zwischendurch vorsichtig. Im Laufe des Tages verbessert sich meine Situation deutlich. Und am Abend laden mich Vikki und Mark zum Bummel und Dinner auf einem Flohmarkt ein.
Meine Körperhaltung ist nicht mehr so schief und langsam entspannt sich die Muskulatur im Rücken. Auch das Gehen fällt mir jetzt wieder leichter. Ich werde schauen, wie es sich morgen früh anfühlt.
Wie immer, so sind auch heute die Gespräche miteinander das Salz in der Suppe. Es macht mir immer wieder Spaß, mich an den Konversationen zu beteiligen. Und jedes Mal wird auch ein wenig über die lokale Politik gesprochen. Dabei steht die bevorstehende Wahl am 5. November im Vordergrund.
Und auch hier stelle ich fest, dass ich in einem sehr liberalen Haus untergekommen bin. Wir teilen die Hoffnung, das Kamala Harris ins Weiße Haus einziehen wird.
Es ist immer wieder interessant festzustellen, dass es im Grunde keinen Unterschied macht, wer mich einlädt. Die Gastfreundschaft ist in allen Fällen stark. Lediglich die politischen Ansichten differieren. Und das sagt mir, dass die Menschen grundsätzlich gute Absichten hegen, wenn es um das direkte, familiäre Miteinander geht.
Mir ist es bis heute nie passiert, dass mich jemand wegen meiner politischen Haltung kritisiert oder gar des Hauses verwiesen hat. Die Gespräche waren immer von gegenseitigem Zuhören und Respekt geprägt.
Vielleicht hat das damit zu tun, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und zumindest in der Warmshowers App, die ja eine große Radfahrergemeinde repräsentiert, überwiegend liberal denkende Menschen antreffe.
Vielleicht liegt es auch an mir selbst und der Art und Weise, wie ich all den Menschen hier begegne. Auf alle Fälle komme ich sehr gut durch dieses großartige Land mit seiner bunten Vielfalt an Nationalitäten …
Ich weiß, dass ihr mich begleitet. Ihr freut euch mit mir und leidet mit mir. Bis vor 5 Monaten habe ich Freude und Leid im Stillen erlebt. Es jetzt öffentlich zu tun, ist eine Herausforderung und gelingt mir nur im Vertrauen. Eure liebevolle Begleitung bedeutet mir viel.
Eine mir sehr nahestehende Person hat gesagt:
Zeit wird vergehen und Du nimmst alles mit: die Ups und die Downs. Und all das formt am Ende Deine Geschichte.
Lieber Jo! Ganz herzliche Grüße aus dem regnerischen Ossiland! Ich freu mich über Deine spannende Reiseberichte und staune über das, was Du alles erlebst und wieviel nette Menschen Du schon auf Deiner Reise kennen gelernt hast. Ich bete, dass Dein Rücken stark wird und der Schmerz verschwindet! Damit Du ohne Schwierigkeiten Deine Reise fortsetzten kannst. Aber manchmal ist so eine Zwangspause notwendig, wenn auch schmerzhaft….. Du fährst nicht alleine, eine ganze Menge fahren mit:))
Alles Liebe, ich umarme dich! Weiterhin Gottes Segen und gute Fahrt!
Deine alte „Mitbewohnerin“ Jutta
Liebe Jutta,
Heute erreiche ich Goleta. Das liegt 8 Meilen östlich von Santa Barbara. Hier habe ich die Möglichkeit, für ein paar Tage zu rasten und den Rücken zu kurieren. Habe ich gleichfalls die Möglichkeit, meine Reiseberichte fortzuführen. Ich bin einige Tage in Verzug und bitte um Nachsicht. Meine Gesundheit war mir in den vergangenen Tagen wichtiger. Hier bei Santa Barbara habe ich zusätzlich die Möglichkeit, meine Reiseberichte fortzusetzen und Euch alle mit den fehlenden Nachrichten zu versorgen…
Danke für Dein Gebet! Und ganz liebe Grüße an Freunde und Bekannte um dich herum, die mich kennen.
Jo
Boah, war ich froh zu lesen, dass du nach deiner Zug- und Busreise doch noch eine Bleibe gefunden hast. Du bist ja echt tapfer, aber eigentlich vermiest einem so ein Hexenschuß doch alles. Ich hoffe sehr, dass er bald Geschichte ist und nicht wieder mit aufs Fahrrad steigt. Und ja, großartig- der Pazifik ist erreicht!! Irgendwie geht das ganz schön fix bei dir mit dem Wechsel der Landschaften. Grade hatte ich mich noch in die Mojave Wüste verliebt und schon geht es weiter…
Ich freu mich, dass du uns dabei sein lässt!
Liebste Grüße von Petra
Guten Morgen Petra,
Ja, da war einige Anspannung in mir in San José. Und große Erleichterung, als ich meine Gastgeber endlich erreicht hatte. Sie haben mich dann ganz fürsorglich aufgenommen.
In den vergangenen Tagen hatte ich mehrere Gastgeber, die mich von Herzen kompetent und auch liebevoll unterstützt haben. Ein jeder ein Geschenk für mich.
Meine Schreibarbeit hatte in den vergangenen Tagen geruht. Das muss ich jetzt nachholen. Auch darauf freue ich mich.
Liebe Grüße an Deine Familie
JO
Wow!
Du bist quasi „drüben“ ! Unglaublich!
Hoffentlich geht’s deinem Rücken bald besser und du kannst schmerzfrei weiter radeln.
Ich bin von meiner Trekking-Tour zurück.
6 Kilo leichter aber mit Zentnern an Bildern und Erinnerungen. Auch ich stand öfter mit Tränen in den Augen inmitten der unglaublichen Natur.
Ganz liebe Grüße und Umarmung
Hallo Anke,
Ja! Ich bin „drüber“. Und es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, hier zu sein. Auch wenn der Rücken mich erheblich eingeschränkt hat. Auch wenn sich hier viel verändert hat, wird mir die Stadt in Erinnerung bleiben. Ganz besonders wegen der Menschen, die ich hier getroffen habe.
Heute breche ich auf nach Half Moon Bay. Und ich freu mich riesig darauf.
Schön, dass auch Du wieder sicher daheim angekommen bist.
Ganz liebe Grüße an Joachim und eine herzliche Umarmung für Dich.
Jo
Hallo Joachim, es ist gut zu lesen, dass es dir langsam wieder besser geht. Wahnsinn, dass du bereits am Pazifik bist! Viele Grüße, Daniel
Guten Morgen Daniel,
dem Rücken geht es langsam besser. Ich muss mich halt bewegen. Mein Physiotherapeut hat mir Übungen mit auf den Weg gegeben. Die wende ich an. Von den Tabletten bin ich weg. Und Voltaren Salbe und auch Arnica Creme sind noch im Einsatz.
Ich werde heute aufbrechen Richtung Half Moon Bay. Ich freu mich darauf. Parallel dazu nehme ich das Schreiben wieder auf. Ich hatte es in San Francisco ruhen lassen …
Liebe Grüße an Ute und Jacob.
Jo
P.s. Ganz herzliche Grüße an alle Kollegen