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Von Carpinteria nach Camarillo, California

14. November 2024

Ich stehe bei Tagesanbruch auf. Im Dämmerlicht des heraufziehenden Morgens packe ich. Kurz nach 7.00 Uhr breche ich auf. In den beiden anderen Zelten herrscht Stille. Ohne mich zu verabschieden, schleiche ich mich von dannen.

Hinter dem Dünenwall eilt der schäumende Pazifik immer und immer wieder den flachen Strand hinauf. Sisyphus lässt grüßen. Die ersten Sonnenstrahlen treffen auf den Dünenwall und streichen angenehm über mein Gesicht. Ich bin gespannt, was mir der heutige Tag bringen wird.

Auf gut ausgebautem Fahrradweg geht es zwischen Freeway und Pazifik gen Süden. Auf dem Fahrrad ist es doch recht frisch. Und so trete ich ordentlich in die Pedalen, um mich von innen heraus zu wärmen.

Und während ich auf diese Weise langsam in Fahrt komme, sehe ich unten am Strand bereits die Surfer aktiv in ihrem Element. Sie wissen, wann und wo es die besten Wellen gibt.

Einer dieser Spots ist Rincon Point, auch „Königin der Küste“ genannt. Die Lokalität liegt an der Grenze zwischen den Bezirken Ventura und Santa Barbara im Süden Kaliforniens und gilt als eines der beliebtesten Surfziele Amerikas.

Und so ist es kein Wunder, dass schon am frühen Morgen reger Betrieb herrscht. Und erstaunlicherweise tummeln sich auch etliche Zuschauer oben an der Klippenkante. Alle warten auf „die Welle“.

Rincon Point ist für seine Anmut, Eleganz und hypnotisierenden Wellen bekannt und bietet ein unvergleichliches Surferlebnis. Es ist das winterliche Gegenstück zum Malibu Surfrider Beach.

Das Zusammentreffen besonderer geologischer Bedingungen hat Rincon seinen unverwechselbaren Charakter verliehen.

Die natürliche Landspitze von Rincon wurde durch das Wasser des Rincon Creek auf seinem Weg von den Santa Ynez Mountains zum Meer geschliffen und über Jahrtausende zu einem bemerkenswerten Delta geformt.

Die aus dem Norden heranrollende Dünung umspült die Landpitze und findet ihren Weg in eine Bucht. Da die Strände von Rincon nach Süden ausgerichtet sind, fegen Westwinde seitlich über die Wellen. Eine Bewegung die verhindert, dass sie flach werden, und ihnen hilft, ihre Form zu bewahren.

Der felsige Meeresboden von Rincon trägt zur Entstehung der begehrten zylindrischen Wellen bei, die Surfer seit Generationen verzaubert, und trägt so zur Mystik der „Königin der Küste“ bei.

Nachdem ich mich satt gesehen habe, fahre ich weiter. Der Radweg führt den Highway 1 entlang, an dem die erweitere Standspur zu einer Recreation Area erweitert wurde.

Und so nimmt es nicht wunder, dass ich an manchen Stellen über viele Kilometer an Recreation Vehicles, Wohnwagen und sonstigen mobilen Behausungen vorbei fahre. Das ist zwar für die Camper schön. Ich aber habe das Gefühl, in der zweiten Reihe zu sitzen.

Zum Glück sorgt der Fahrradweg für Sicherheit.

Die Ausgestaltung des Wegenetzes muss ich wirklich loben. Die Markierungen sind zu 90 % klar und deutlich und die Wegführung auf den Straßen und an Kreuzungen ist in der Regel gut.

In Ventura fallen mir wieder die direkt am Ufer gebauten Häuser auf.

Das bleibt für mich ein Rätsel. Das kann doch niemals funktionieren. Aber vielleicht täusche ich mich auch, und die Stürme an dieser Küste sehen anders aus, als an unseren Nordseeinseln und der Deutschen Bucht.

Neben Straße und Radweg gibt es noch die Bahn, die sich den schmalen Streifen entlang der Küste mit diesen teilt. Meistens bleibt die Bahn unsichtbar. Die Gleise fallen nur an wenigen Stellen in der Landschaft auf.

Mancher Surfer wartet unentschlossen am Strand. Es gibt so viele Möglichkeiten. Welche ist die Aussichtsreichste?

Pelikane ziehen in Reih und Glied über die Wellenkämme gen Süden.

Schließlich erreiche ich Ventura. An der Promenade entdecke ich ein Hochbeet, das mittlerweile dank vieler kreativer Menschen in eine Gedenkstätte für Mensch und Tier verwandelt wurde.

Für Tiere gilt die gleiche Formel wie für Menschen: RIP.

Hier findet man einen kleinen Querschnitt durch die amerikanische Comicwelt.

Natürlich darf Tweety nicht fehlen.

Das Gedenken an Obdachlose wird genau so geteilt wie das Andenken an verunglückte Surfer. Gedenksteine für Hunde teilen sich den immer knapper werdenden Platz mit dem Andenken an die geliebte Hauskatze. Hier sind alle kunterbunt vereint.

Es ist eine beeindruckende kleine Gedenkstätte, die über die Jahre gewachsen und heute auf der Promenade ein ganz besonderer, bunter und phantasievoller Blickfang ist.

In Ventura verlasse ich die Küste und fahre landeinwärts. Ich habe einen Gastgeber gefunden. Und nun bin ich auf dem Weg zu ihm.

Hier eine Anzeigetafel, die dem Radfahrer unterstützende Hinweise zur Querung und zum Abbiegen an einer etwas unübersichtlichen Kreuzung gibt. Das Angebot nehme ich gerne an.

Merchandising für Donald Trump. Ich dachte, das würde nach der Wahl aufhören. Aber da habe ich mich getäuscht …

Und auch Weihnachten steht vor der Tür und die ganz großen Bäume werden bereits an exponierten Stellen aufgestellt.

Pepperonies in Hülle und Fülle. Ausdruck einer Landwirtschaft, die 365 Tage im Jahr produziert.

Nach gut einer Stunde Fahrt erreiche ich meinen Gastgeber. Peter ist nur wenige Jahre jünger als ich. Er bewohnt ein recht großes Haus, das U-förmig um den zentralen Swimmingpool herum gebaut ist.

Das Haus verfügt über mehrere Schlafzimmer. Peter muss erst einmal überlegen, in welchem er mich unterbringen möchte. Mein Fahrrad stelle ich in dem großen Wohnzimmer ab.

Über dem Swimmingpool sind 5 Seekajaks aufgehängt, mit denen Peter gelegentlich kleine Touren unternimmt. Im Wohnzimmer, praktisch als Raumteiler, hängen und stehen mehrere voll ausgestattete Fahrräder. Framebags und Flaschenhalter wurden von Peter selbst hergestellt.

Die Nähmaschine steht auf dem Wohnzimmertisch immer bereit. Peter fragt mich, ob ich im Haus oder außerhalb des Hauses heiß duschen möchte. Spontan sage ich draußen. Er zieht die Augenbrauen hoch und teilt mir mit, dass die meisten Gäste das Bad bevorzugen.

Peter ist Nudist. Und so stört es ihn überhaupt nicht, wenn ich nackt über den Flur in den Garten laufe, um zu Duschen. Einmal im Jahr nimmt er an einem Fahrradevent teil, bei dem alle Teilnehmer nackt sind. Und dann erzählt er mir stahlend, dass ein Teil seiner 40 Gäste zur Halloween Party im Adamskostüm erschienen sind.

Schmunzelnd nehme ich mein heißes Duschbad im Garten. Anschließend gibt es ein leckeres Dinner, das Peter bereitet hat. Bis 22.30 Uhr führen wir eine angeregte Unterhaltung. Und wie zu erwarten, sprechen wir über die Tagespolitik in den USA.

Peter selbst hat sehr liberale Ansichten. Aber Kamala Harris war für ihn leider keine Option, so hat er sich für Trump entschieden. Auch wenn ihm das große Bauchschmerzen bereitet.

Die Zeit vergeht wie im Fluge. Und ehe ich mich versehe, ist der Abend zu Ende. Ich danke ihm für das nette, hochinteressante Gespräch. Anschließend ziehe ich mich in mein Schlafzimmer zurück.

Ein paar Minuten gehen mir noch die kontroversen Meinungen meiner Gesprächspartner der vergangenen Wochen durch den Kopf. Aber ich bin zu müde, um da noch irgend etwas zu verarbeiten. Und so gleite ich nach wenigen Minuten hinüber in den wohlverdienten Schlaf.

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