7. August 2024
Ich bin bereits um 6:30 Uhr hoch. Ab 7:15 Uhr soll es geschäftig zugehen. Und so folge ich der Bitte und packe alle meine Sachen bis auf mein Zelt, dass in der Morgensonne trocknet. Entgegen der Ankündigung herrscht erst eine Stunde später plötzlicher Hochbetrieb.
Mehrere Pickups kommen auf das Gelände und fahren an mir vorbei zum oberen Ende der Wiese. Dort stehen aufgereiht ein halbes Dutzend Trailer. Beladen mit Seekayaks. Keine 5 Minuten später herrscht wieder Stille und die meisten Trailer sind bereits unterwegs zu ihren Einsatzorten.
Im Eingangsbereich sammelt sich eine größere Menschenmenge. Sie besteigen – wohl nach einigen Anweisungen – den Bus, der sie zu den Booten bringt. Es sind geführte Touren, 3 Stunden oder 6 Stunden. Die beste Zeit für die Besichtigung der Pictured Rocks ist die Zeit zwischen 16:00 und 20:00 Uhr. Dann beleuchten bei gutem Wetter die Sonnenstrahlen die Felsen entlang der Küste.
Zuerst fahre ich zum Hafen, wo die großen Touristenboote liegen. Auf dem Anleger hat sich bereits eine große Menschenmenge versammelt. Sie alle wollen hinüber zu den Felsen. Es ist laut und unruhig. Die Fahrt kostet 52 US-Dollar. Ermäßigungen gibt es keine.
Bei weniger Menschen hätte ich vielleicht zugesagt. So aber bereitet es mir großes Unbehagen, in dieses Gedränge einzutauchen. Also setze ich mich wieder aus Rad und fahre zur Verkaufsförderung von Paddling Michigan. Deren Angebot ist für meinen Geschmack extrem teuer. Für 3 Stunden müsste ich 125 und für 6 Stunden 169 US-Dollar bezahlen. Das ist für mich nicht mehr im Bereich meiner finanziellen Möglichkeiten.
Angesichts dieser hohen Preise fällt mir der Verzicht auf dieses kleine Naturwunder nicht schwer. Und bereits wenige Minuten später radle ich erleichtert und unbeschwert weiter, dem Westen entgegen. Da werden noch so viele Wunder am Wegwarand auf mich warten, die nicht ganz so teuer sind.
Schnell bin ich aus der kleinen Touristenhochburg raus.
Und schnell hat mich die Straße wieder. Nach einigen Kilometern radle ich durch Christmas. Kein Scherz, der Ort heißt einfach so. Und wie es sich gehört hat dieser Ort seinen eigenen großen Weihnachtsmann und ich frage mich, ob hier jeden Tag Bescherung ist. Ganz lösen will ich das Rätsel nicht. Wer will, kann ja selbst vorbeischauen. Christmas liegt nach 10 Minuten bereits hinter mir.
Weiter geht die Fahrt entlang einem schmalen Dühnenstreifen zwischen Straße und Meer. Ein willkommener Ort für Menschen, die an diesem heißen Tag Erfrischung, Geselligkeit, Einsamkeit oder Erholung am Meer suchen.
Schließlich erreiche ich Marquette, wo am östlichen Ortseingang gleich neben dem Radweg ein rekonstruierter Fayette Furnace Holzkohleofen (Kiln) am Originalstandort wieder aufgebaut wurde.
Einst gab es viele dieser Öfen auf der Michigan Upper Penisula. Diese Öfen sind untrennbar mit der Geschichte der Eisenerzverarbeitung verbunden. Die Kohleverbrennung (oder -produktion) war eine Industrie für sich und diente als Ergänzung zur Eisenschmelzindustrie. Es gab große Unternehmen mit Dutzenden von Öfen.
Die Holzkohleöfen befanden sich oft neben großen Autobahnen (eigentlich neben Eisenbahnen, die oft an Autobahnen angrenzten). Touristen bemerkten sie und nannten sie Paul Bunyans Bienenstöcke aufgrund ihrer Form und Funktion. „Alte Kilne sind Relikte der Holzkohleindustrie“ und sind heute eine Touristenattraktion der Upper Peninsula.
Nur wenige Kilometer weiter taucht plötzlich ein gigantisches Bauwerk auf, dessen Sinn und Zweck sich mir zuerst nicht erschließt. Erst eine Recherche im Internet bringt Klarkeit. Bei dem Bauwerk handelt es sich um das Lower Harbor Ore Dock. Eine Verladestation für das Eisenerz, das hier in Pellets angeliefert wird.
Dabei fährt der Zug ober auf das Oberdeck. Der Inhalt des Waggons wird zwischen den Gleisen hindurch nach unten entleert. Anschließend wird es über kleine Rutschen in die jeweiligen Taschen geleitet, welche das Erz über das an der Kaimauer neben dem Dock liegenden Schiff bringen. Dann öffnet sich die jeweilige Erztasche und 20 Tonnen fallen in den Schiffsbauch.
Der gesamte Ladevorgang dauert in etwa 4 Stunden. Dann ist das Schiff beladen und kann ablegen. Das abgebildete Dock ist heute nicht mehr im Betrieb. Mit derselben Technik werden auch heute noch die Erzpellets verladen. Ein bemerkenswertes, unübersehbares Industriedenkmal.
Weiter geht meine Reise auf dem Iron Ore Heritage Trail, einem gut ausgebautem, breiten, asphaltierten Rad- und Wanderweg, der mich innerhalb einer Stunde nach Ishpeming bringt.
Auch diese Stadt ist vom Bergbau geprägt und bewahrt ihre glorreiche Zeit im örtlichen Cliffs Shaft Minenmuseum auf. Gut zu erkennen an den drei Fördertürmen auf dem heute als Museum genutzten Gelände.
Zwei der drei vorhandenen Fördertürme. Da das Museum um diese Zeit geschlossen hat, fahre ich auf dem Trail weiter. Nach wenigen Kilometern quert eine Eisenbahnbrücke den Radweg. Ein Dach unterhalb der Brücke, aber über dem Radweg macht mich stutzig. Der Radweg selbst ist übersät mit kleinen Erzpellets, die aus den über die Brücke fahrenden Güterwagen herausfallen.
Zur Herstellung der Pellets wird Erz abgebaut und zerkleinert. Eisen wird mithilfe von Chemikalien oder Magneten abgetrennt, mit einem Bindemittel (wie z. B. Maisstärke) vermischt und zu kleinen, etwa 2,5 cm großen Kugeln gerollt. Die Kugeln durchlaufen einen superheißen Ofen (über 1.000 °C) und kommen als Takonitpellets heraus. Diese Pellets, die hauptsächlich aus Eisen bestehen, werden auf Erzschiffe verladen. Das heißt, die meisten Pellets werden auf Schiffe verladen, denn einige fallen auf dem Transport zum Hafen vom Waggon. So wird der Fahrradweg unter der Brücke im wahrsten Sinne des Wortes zum Rollfeld.
Langsam wird es dämmrig. Es wird Zeit, nach einem Platz Ausschau zu halten. Und wenige Kilometer westlich Ishpemings am Iron-Ore-Heritage-Trail finde ich eine Beobachtungsplattform für Die Tierbeobachtung. Hier endet mein ereignisreicher Tag. Hier finde ich Ruhe und Erholung. Und so bleibe ich glücklich und zufrieden für diese Nacht an diesem Ort.