Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Jo

Auf nach Boston

Ich hatte in Providence keinen Gastgeber gefunden. Ob es daran lag, dass ich für zwei Tage Unterkunft angefragt habe, ich weiß es nicht. Also verließ ich Povidence Richtung Boston. Hinter einem Baseballfeld wollte ich übernachten und fragte ein paar Mädchen, wen ich ansprechen kann. Die Antwort war überraschend: Folge einfach dem Pfad in den Wald. Da wirst du einen guten Platz finden.

Die Nacht war dann viel zu kurz. Ich habe vielleicht 4 Stunden geschlafen. Die Isomatte verliert Luft, es ist schwülwarm. Und draußen vor dem Zelt bitten die Mücken im Schwarm um Einlass. Im Unterholz knackt es, tierische Kaugeräusche und ein fortwährendes Trippeln und Trappeln sind zu hören. Ich bin also nicht allein. Irgendwann gegen 6.00 Uhr werde ich geweckt. Blauhäher, Rotkardinal, Indianermeise und Amerikanische Krähe geben abwechselnd ihr Stelldichein. Ein buntes Musizieren – alles neu. Zwar sind immer noch Mücken da. Aber sie lassen mich weitgehend zufrieden.

Früh breche ich auf. Das Wetter ist erstklassig. Der Weg weist moderate Steigungen auf. Abwechselnd fahre ich auf Pfaden, Nebenstraßen, Hauptstraßen und Interstates. Google sucht den vermeintlich besten Weg. Und der stimmt mit der Realität nicht immer überein. Ich fahre mit kleinen Pausen durch und erreiche bereits um 15.30 Uhr Boston. Ich bin erst um 18.00 mit meinem Gastgeber verabredet. Zeit zum Trödeln.

Es ist Sonntag, Superwetter und ganz Boston scheint auf den Beinen. Der schmale Grünstreifen entlang dem Charles River ist voller Menschen, die sich das Gelände mit Weißwangengänsen und Schwänen teilen.

Überall sitzen und liegen Menschen und genießen den Sonnenschein, Picknickkorb oder nutzen die Rasenflächen als Spieleaum. Es herrscht eine fröhliche, ausgelassene Stimmung. Nur bei mir trübt sie langsam ein. Offensichtlich habe ich mir eine Blase geritten. Und die fängt jetzt an, zu schmerzen. Den letzten Kilometer schiebe ich mein Fahrrad. Und bereits um 16.39 habe ich mein Ziel erreicht.

Beacon Hill. Hier wohnen Deborah mit Leonardo und Nymphensittich und nehmen mich warmherzig auf. Sie bewirtet mich fürstlich und gibt mir Tipps für den folgenden Tag. Das Bett ist bereits gemacht und um 20.30 Uhr gehen wir beide zu Bett. Deborah aus Gewohnheit. Ich, wegen Erschöpfung. Zuvor hat Deborah noch angeboten, dass ich die darauf folgende Nacht bleiben kann. Ich sage bei ihr zu und bei einem anderen Gastgeber ab. Sie gibt mir Raum und Zeit, damit meine kleine Wunde wieder heilen kann. Und auch die Logistik wird einfacher. Deborah ist eine fürsorgliche und ausgesprochen freundliche Gastgeberin. Und so entsteht gemeinsam mit ihr der Plan für den folgenden Tag.

Auf nach Providence, RI

Mein Gastgeber Lou und seine Frau hatten mich vorzüglich versorgt. Das erste, was Lou fragte war, ob ich Pizza mag. Dann kamen mehrere Flaschen eisgekühltes Wasser hinzu und zu guter Letzt reichte mir Lou noch ein Lunchpaket für den kommenden Tag. Apfel, Apfelsine, mehre Päckchen Nudelsuppe und weitere zwei Flaschen Vitamingetränk. Am nächsten Morgen kam Lou’s reizende Ehefrau, brachte Frühstückskuchen und einen großen Becher Kaffee. Und jedesmal gab es anregende Gespräche über Camping, über die Familie und über das Reisen. Um 9.30 Uhr geht es los. Bereits nach kurzer Wegstrecke geht es über eine lange Brücke. Vom ersten bis zum letzten Meter mit schwer zu überwindendem Geländer.

Wörtlich nehmen sollte man das Schild nicht … .Überhaupt Verkehrsregeln. Das Auffälligste an den Ampelkreuzungen ist, dass viele die Farben eher als Empfehlung betrachten, denn als einzuhaltende Regeln.

Munter wechselt die Szenerie. Heute geht es durch Farmland…

… an weiten Feldern vorbei, die kilometerlang mit Mauern aus erratischen Blöcken eingefasst sind.

Weiter durch die ersten Pinienwälder, deren herber Duft über dem aufgeheizten Asphalt liegt.

Vorbei an vielen Gräberfeldern der Ahnen. Einige Gräber datieren auf 1644.

Vorbei an den ersten wiedervernässten Flächen …

Und plötzlich radle ich auf dem Washington Secondary Trail. Dem besten Radweg, den ich bisher entlanggefahren bin.

Die letzten 12 Meilen meines heutigen Weges führen über diesen wunderschönen Radweg nach Providence.

Um 18.30 Uhr treffe ich in Providence ein. Seit gestern hatte ich mehr als ein Dutzend Anfragen bei Warmshowers – der App für meine Unterkünfte – rausgeschickt. Bis 18.30 Uhr hatte ich nur 5 Absagen erhalten. Immer mit der gleichen Antwort: Wir sind gerade unterwegs. Der Rest hatte überhaupt nicht geantwortet. Da es mir in der Stadt ausweglos schien, ein Quartier zu finden, entscheide ich mich, den Ort Richtung Boston zu verlassen.

Vorher fange ich noch ein paar Schnappschüsse in der wunderbaren Abendsonne ein…

Da hat jemand sein Studium erfolgreich beendet und gestattet mir dieses Bild.

Ich verlasse Providence keine Stunde später nach meiner Ankunft. Quartiersuche ist angesagt. Hinter einem Baseballfeld, in einem kommunalen kleinen Waldstück, finde ich ein geeignetes Plätzchen für die Nacht.

Von New Heaven nach New London

Was für ein schöner, sonniger Morgen. Grund genug, mich zu beeilen und aufs Rad zu steigen…

Auf komfortablem Weg geht es in Richtung Osten. Das Einzige, was heute stören wird, ist die ständige, steife Brise – immer von vorn.

Nach einigen Kilometern feinsten Asphalts bekomme ich erstmals einen verbuschten Feldweg unter die Räder. Ein angenehmer Wechsel und leider zu kurz.

Schnell nimmt mich die Straße auf. East Heaven glänzt mit seiner Highschool, die prominent das Ende der Straße besetzt.

Auf dem Trolley Trail Nature Walk geht es durch eine herrliche Marschenlandschaft. Diese Marschen liegen eingebettet zwischen weichen, abgerundeten Granithügeln, was der Landschaft ein ganz besonderes Flair verleiht.

In Stony Creek werde ich von Robert, einem Kunstmaler, zum Dinner eingeladen. Es folgt eine sehr angenehme, persönliche Unterhaltung an deren Ende die Feststellung steht, dass da zwei Herzen und eine Seele zusammengekommen sind. Gerne hätte ich die Einladung zu ihm nachhause (in Sichtweite) angenommen. Aber ich hatte Tags zuvor bereits Connie in Niantic zugesagt.

Vor Stony Creek, einem kleinen Küstenort mit einem Hauch viktorianischer Vergangenheit liegen die sich im Privatbesitz befindenden Thimble Islands. Ein paar bebaute, rosa Granitfelsen, die flach aus dem Wasser ragen. Gegen Geld kann ich mich ihnen mit dem Boot nähern. Ich verzichte darauf, auch weil die ganze Szenerie von der erhöhten Küste aus viel pittoresker ausschaut.

Immer wieder wechselt das Landschaftsbild zwischen den flachen, bewaldeten Granitkuppen und den tief ins Land reichenden brackigen Marschen.

Hier liegen über 400 Jahre amerikanischer Besiedlungsgeschichte begraben …

Wenige Kilometer weiter kaufe ich auf dem wöchentlich abgehaltenen Bauernmarkt frisches Brot.

Mit Wasserpflanzen zugewachsenes, seichtes Gewässer.

Die breiten, in den Long Island Sound einmündenden Flüsse sind immer wieder das Nadelöhr, durch das sich aller Verkehr über das Wasser bewegt. Nicht immer habe ich dabei so viel Schutz wie auf dieser Brücke.

Aber sie bieten auch immer wieder interessante Ausblicke über das Land.

Am Ende des Tages erreichte ich kurz vor New London mein Ziel. Ursprünglich wollte ich bei Connie in Niantic übernachten. Aber wenige Minuten vor meiner Ankunft erhielt ich die Nachricht, dass ihr etwas dazwischen gekommen sei. Was nun? Es war ja bereits 19.30 Uhr. Also radelte ich noch zwei Kilometer weiter. An einer großen Baptistenkirche mit einem großen Backyard versuchte ich den Prediger aufzutreiben. Der war nicht da. Dafür war der Nachbar da. Ich erklärte ihm mein Missgeschick und ohne zu zögern lud er mich in seinen Garten ein. Hier konnte ich mein Zelt aufbauen. Währenddessen erfreute seine Frau mich mit einer Pizza und 1,5 Litern Wasser. Später kam noch eine Lunchtüte mit Snacks und zwei Getränken hinzu. Wir führten noch ein kurzes, fachliches Gespräch. Er hat ein VE25 von TNF (Zelt), mit dem er seine Wintertage in New Hampshire verbringt. Schon bald nimmt mich die schnell hereinbrechende Dunkelheit auf. Es war ein wunderschöner Tag. Und sogar Connie hat noch einmal fürsorglich nachgefragt, ob ich ein Quartier gefunden habe. Das hat mich besonders gefreut. Nun liege ich im Zelt. Die Vogelwelt ist verstummt. Dafür erlebe ich ein Froschkonzert erster Güte. Na denn … gute Nacht.

Auf dem Weg nach New Heaven.

Über den schönen Radweg entlang des Pelham Parkways verlasse ich die Bronx Richtung Osten.

Der Tag wird anstrengend. Ein ständiges, leichtes Auf und Ab. Rolling Country … Zwischendurch immer wieder interessante Ausblicke. Die meiste Zeit fahre ich durch Kleinstädte, die sich wie eine Perlenkette die Küste Connecticuts entlangreihen.

Einen wichtigen Teil meiner Reise nehmen die Begegnungen mit den Menschen ein. Sie sind das Salz meiner Tour. Und ich freu mich auf die Gespräche mit ihnen. Kurze wie lange, oberflächliche und intensive, ernste und heitere … es wird spannend.

Die meisten Radwege sind, wie im Bild zu sehen, gekennzeichnet. Die Wege sind nicht immer durchgängig. Manchmal ist die Situation unübersichtlich. Aber im Großen und Ganzen kann man den Zeichen vertrauen. Sie helfen mir sehr auf meinem Weg nach Maine.

Wassersport vom Feinsten …

Wenn ich auch meistens mit der Kamera zu spät bin, den weißen Reiher hab ich noch erwischt. Ein Murmeltier, Grey Squirrels und immer wieder Chipmunks zeigten sich am Wegesrand.

Am Ende des Tages und 66 Meilen weiter finde ich einen kleinen, privaten Strandabschnitt, wo ich die Nacht mit Erlaubnis verbringen kann. Ein schönes Gespräch mit Mitgliedern des Beach Clubs weckte deren Interesse. Ich erzählte von meinem Vorhaben und zur Belohnung gab es dieses herrliche Nachtquartier mit Blick aufs Meer.

New York

Ich musste noch ein paar Dinge besorgen. Also rauf aufs Rad und von der Bronx zum Hudson River und auf einem für New York recht guten Radweg immer am Ufer entlang bis zum Battery Park.

Die Architektur lässt keine Wünsche offen…

Little Island scheint aktuell eine Attraktion zu sein. Die ganze „Insel“ wurde aus einer privaten Hand bezahlt. Der Komplex ist begrünt. Und in der Mitte gibt ein Amphitheater für Veranstaltungen.

Bunte Ess-Buden säumen die Straßen an vielen Stellen der Stadt.

Hinter der schmalen begrünten Uferpromenade ragen die neuen Wolkenkratzer verspiegelt und verglast in den Himmel.

Am Central Park, wo der Center Drive von Süden kommend in einen komfortablen Radweg übergeht, auf dem man den Park von Süd nach Nord komplett durchqueren kann, stehen heute wie vor 40 Jahren immer noch die Pferdekutschen und warten auf Touristen.

Den Obelisken hätte Ägypten gerne zurück. Er steht an exponierter Stelle. Und ich wünsche, dass er da immer bleibt.

Auf dem Rückweg geht es noch am Yankee Stadium vorbei, dem wohl berühmtesten Baseball Stadion der USA.

Im Hintergrund ist der Radweg durch den Central Park zu erkennen.

Hier beginnt mein Traum

Es ist bereits 19.00 Uhr, als ich starte und während ich Richtung Norden fahre, sendet die Sonne ihre letzten Grüße in die kreuzenden Häuserschluchten.

Um 22.00 habe ich meine reizenden Gastgeber in der Bronx erreicht, wo ich bis übermorgen ausruhen und die letzten Vorbereitungen treffen kann.

Bald geht’s los … der Countdown läuft!

Dies ist mein erster Post. Und es werden viele folgen. Noch bin ich Zuhause, verpacke mein Rad in eine Box, packe die letzten Sachen, verbringe die letzten Tage mit meiner Liebsten. Doch bald geht es los. Und ich nehme Dich mit auf meinen Trip. Bist Du bereit?