Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Jo

Von Havre nach Loma, Montana

25. August 2024

Es war eine Gute Entscheidung, mein Zelt in diesem Park zwischen zwei Baseballfeldern aufzuschlagen. So verlief die Nacht ruhig. Der morgen ist frisch. Es sind 13°C, als ich aufbreche. Etwas außerhalb von Havre liegt auf der rechten Seite hinter einer Mall die Buffalo Jump, eine archäologische Ausgrabungsstätte, die ich bereits 1983 bei meinem ersten Besuch in Havre besichtigt hatte.

Damals stand hier nur ein Zelt auf öder Fläche. Darunter eine Ausgrabungsstätte, die Auskunft über die Jagd vor über tausend Jahren gab. Heute stehen hier mehrere moderne kleine Gebäude, welche die Ausgrabungstellen vor dem Verfall sichern und für die Öffentlichkeit zugänglich machen.

Die Ausgabungsstätten können nur mit einem Guide besichtigt werden. Während der ca. einstündigen Führung erfahre ich viel über die Jagdmethoden und die Verarbeitung der Massen an Fleisch, Knochen und Fellen in der damaligen Zeit. Unsere Besuchergruppe besteht aus zwei Personen: Aaron Wayne und mir, geführt von Tyler, unserem Guide.

Tyler, ein netter, junger Mann, nimmt diese ehrenamtliche Aufgabe mit großem Engagement wahr und erklärt kompetent, was aus dem, was wir sehen, herausgelesen werden kann. Zusätzlich habe ich das Glück, dass Aaron ein ausgesprochen erfahrener Jäger ist, der viel über die Psychologie des Tierverhaltens mitteilen kann. so rundet sich das Bild. Und ich verstehe jetzt, warum die die Völker der Prärie so erfolgreich mit ihren Jagdmethoden waren.

Aus Buschwerk wurden trichterförmig auf die Klippe zulaufende Wallhecken errichtet, welche zusätzlich durch Büffelschädel verstärkt wurden, die vor und auf den Wallhecken befestigt waren. Diese Hecken können von mir ohne Weiteres überwunden werden. In der Psychologie der Tiere stellen sie allerdings ein Hindernis dar, dessen Überwindung Energie kostet. Also wichen die Büffel entlang der Wallhecken aus und stürmten am Ende über den Rand der verhängnisvollen Klippe In die Tiefe.

Teilweise mit gebrochenen Gliedmaßen blieben die Tiere am Fuß der Klippe liegen und wurden so zur leicht erlegbaren Beute der Jäger. Da das untere Ende der Klippe ebenfalls eingezäunt war, konnten die Tiere, die keine Brüche erlitten hatten, nicht fliehen und wurden so ebenfalls zur leichten Beute für die Jäger.

Die Tiere wurden direkt am Fuß der Klippe zerlegt.

Die Nutzung dieser Klippe als Buffalo Jump wurde mit Unterbrechung über mehr als ein 1500 Jahre beibehalten.

Unweit der Klippe wurden die zerlegten Tiere, also deren Fleisch, Knochen und Fell, weiterverarbeitet.

Letztlich wurden die Tiere komplett verarbeitet. Eine kleine Tafel veranschaulicht, was wofür verwendet werden konnte.

Aaron zeigte bei dem Versuch, mit einer Speerschleuder eine Büffelatrappe zu treffen, großes Geschick. Während mein Speer irgendwo in der Gegend landete, flog sein Speer zielgerichtet über den Büffel hinweg und landete in einiger Entfernung hinter der Atrappe im Gras.

Hier eine weitere Auflistung über die Verwertung der Tiere …

Nach einer Stunde ist die Führung vorüber und wir verlassen die Buffalo Jump. Ich führe noch ein nettes Gespräch mit Aaron, an dessen Ende Aaron mir ein großes Kompliment macht, als er sagt: Du lebst meinen Traum. Ich wünsche Aaron und seiner Frau, dass Sie ihren Traum leben können.

Aaron war für mich eine ganz besondere Begegnung. Ich hatte das Gefühl, dass Aaron meine Beweggründe, die mich auf die Straße gebracht haben, nur allzu gut verstand und er gut nachvollziehen kann, warum ich diese Strapazen mit so großer Freude jeden Tag auf mich nehme.

In einer Mall fülle ich noch schnell meinen Lebensmittelvorat auf, bevor ich mich endgültig von Havre in südwestliche Richtung verabschiede.

Wie so oft geleitet mich ein wahrer Stangenwald raus aus der Stadt.

Die Plains sind über weite Strecken flaches Land.

Gelegentlich werden diese weiten Ebenen von uralten erodierten Gebirgszügen überragt. Im Hintergrund die Bear Paw Mountains, zentraler Teil der Rocky Boy Indian Reservation. An diesem Bild wird deutlich, wie die Aufteilung des Landes vonstatten ging.

Die weiten Plains wurden unter den ankommenden Farmern aufgeteilt. Das Land, das für eine landwirtschaftliche Nutzung nicht geeignet war, überließ man der indigenen Bevölkerung. Aus diesem unbrauchbaren Land wurde die Indianerreservation Rocky Boy. Vielleicht war ein Grundgedanke der, dass diese Rocky Boy Indianer eher Jäger denn Sammler waren.

Ich passiere Big Sandy. Auch so ein Ort, der eigentlich keiner ist. Eher von historischer, denn wirtschaftlicher Bedeutung. Es ist einer von vielen verlassenen Orten irgendwo im Nirgendwo …

Über Stunden geht die Fahrt weiter. Die vorbeiziehende Landschaft ändert sich im Grunde genommen nicht. Farmland, so weit das Auge reicht.

Gelegentlich eine kleine Senke ohne Abfluss, in der sich etwas Wasser gesammelt hat.

Und an wenigen Stellen wird die weite Ebene durch eingesunkene Erosionsrinnen unterbrochen, in denen sich einige Bäume entlang des Creeks angesiedelt haben.

Der intensiven Sonne der Mittagszeit folgt der Nachmittag. Das Tageslicht ändert sich. Es wird wärmer, farbiger und leuchtender.

Wolken ziehen auf und bedecken den Himmel. Die seitwärts einfallenden Sonnenstrahlen der tiefstehenden Sonne geben den Stoppelfeldern einen ganz besonderen, warmen Glanz.

Kurz vor Sonnenuntergang leuchtet der Himmel in prächtigen Farben. Am Ende des Tages ist das jedesmal ein ganz besonderes Geschenk für mich und ich bedanke mich mit großer Aufmerksamkeit. Ich unterbreche meine Arbeit und genieße dieses Himmelsspektakel.

Mein heutiger Schlafplatz Ist erreicht: die Lewis & Clark Plattform mit einer wunderschönen Aussicht über das weite Land.

Am Ende bleibt noch das Zelt aufzubauen und alles einzuräumen. Alles ist in zwanzig Minuten erledigt. Dann ziehe ich mich in mein Zelt zurück und lausche dem Wind, der die ganze Nacht an meinem Zelt rütteln wird.

Von Malta nach Havre

24. August 2024

In der Nacht hat es ordentlich gestürmt und gekracht. Ich habe diesen Gewittersturm ohne irgendwelche Schäden überstanden. Das Einzige, was am Morgen an diesen Sturm erinnert, ist die nasse Zelthülle. Selbst das Gras ist bereits trocken, als ich um 7.30 Uhr aufstehe. Mit Waschzeug und Handtuch geht es hinüber zu den sanitären Anlagen.

Anschließend unternehme ich einen erneuten Versuch, das Fahrrad zu flicken. Dabei bemerke ich einmal mehr, das eine der beiden Hutmuttern, welche die Hinterradachse halten, kein Gewinde mehr hat. Die Luft im Schlauch scheint diesmal zu halten. Der alte Mantel kommt wieder zum Einsatz. Das große Loch im Mantel hinterlege ich mehrfach mit Gummistücken, die ich aus einem anderen, häufig geflickten und nun unbrauchbar gewordenen Schlauch, herausgeschnitten habe.

Da sich bis jetzt der Polizist nicht mehr gemeldet hat, fahre ich los. Der Wind hat sich gedreht und weht mir ins Gesicht. So komme ich an diesem kühlen Morgen nur langsam mit einer Geschwindigkeit von fünf bis acht Meilen pro Stunde voran. Das stört nicht weiter, da ich wegen der nur einseitig befestigten Achse
ohnehin sehr vorsichtig fahre.

Ich hatte noch überlegt, ob ich die intakte Hutmutter von der linken Seite, wo die Bremse liegt auf die rechte Seite mit dem Antrieb verlagere. Da mir in dieser Situation eine intakte Bremse wichtiger ist als ein sehr gut funktionierender Antrieb, bleibt die Hutmutter, wo sie ist.

Die Sicht an diesem Morgen ist getrübt. Ein leichter Dunstschleier liegt über dem Land. In Kanada scheinen die Waldbrände immer noch zu wüten und der Rauch legt sich wie ein weicher Schleier über das Land. Dadurch wirkt die helle Landschaft noch verzauberter, noch entrückter.

Über mir strahlt der blaue Himmel und in den Tälern und Senken wabern die weißgräulich leuchtenden Rauchschwaden aus Kanada.

Immer wieder kommen mir an diesem Morgen Schwertransporte mit Überbreite entgegen oder überholen mich. Manchmal fahren sie in Kolonnen. Manchmal ohne Begleitfahrzeug. Und fast immer nehmen sie die Schultern der Straße in Anspruch. Wie das ausschaut, wenn sich zwei Over Size Fahrzeuge begegnen, habe ich bisher nicht mitbekommen. Nur so viel ist klar: für mich ist dann kein Platz mehr auf der Straße …

Ich überquere den Milk River, der mit seinen grün leuchtenden Ufern einen lebhaften Kontrast zu goldgelben Prärie bildet. In zahllosen Schleifen windet er sich neben der Route 2 durch das Land und ist verantwortlich für das verstärkte Aufkommen von Moskitos.

In Dodson suche ich eine Tankstelle. Was so aussieht, grüßt mit dem Schild: ‚No Trespassing‘. Also kein Frühstück. Für die 21 Kilometer habe ich knapp drei Stunden gebraucht. Kurz hinter Dodson, MT ist dann endgültig Schluss. Der Reifen und ich sind platt. Mein Gastgeber in Zurich hat sich noch immer nicht gemeldet. Und so gehe ich davon aus, dass er möglicherweise selber im Urlaub ist. Nun heißt es schieben. Und wann immer ein Auto vorbeikommt: Daumen raus!

Die ersten anderthalb Meilen tut sich nichts.

Dann hält ein Fahrzeug an. Sie konnten mich nicht mitnehmen, aber nachdem ich dem Fahrer geschildert hatte, was am Fahrrad kaputt ist, hat er mit einem Draht die ungesicherte Seite der Hinterradachse zusätzlich gesichert. Das sollte für eine vorsichtige Weiterfahrt bis Havre ausreichen. Zusätzlich füllten sie meine Wasservorräte auf, wohlwissend, das es für mehrere Stunden dazu keine Gelegenheit geben wird.

Dann habe ich großes Glück. Arlene hält mit ihrem Pickup-Truck an und steigt mit einem strahlenden Lachen aus dem Wagen. Sie bietet mir an, mich bis Harlem, das in ca 24 Kilometern liegt, mitzunehmen. Erfreut, nehme ich das Angebot an. Da muss ich halt von Harlem, Montana schauen, wie ich nach Havre komme.

Schon wenige Minuten nachdem wir losgefahren sind, wird Arlene aktiv und telefoniert mit ihrem Ehemann. Sie schildert ihm meine Situation und vereinbart mit ihm einen Treffpunkt, an dem ich in seinen Pickup-Truck umsteige. Zum Abschied umarmt sie mich herzlich und wünscht mir eine sichere Reise.

Jetzt geht die Fahrt weiter mit Kenneth, der mich auf meinen Wunsch nach Havre bringt. Unterwegs hatten wir Zeit, uns zu unterhalten. Ich konnte ihm beschreiben, was alles am Fahrrad repariert werden muss. Für Kenneth Grund genug, mich in Havre zu verschiedenen Geschäften zu fahren, in denen ich meine erforderlichen Ersatzteile kaufen kann.

In dieser Zeit erreicht mich von dem Gastgeber in Zurich, den ich angeschrieben hatte, die Nachricht, dass ich willkommen sei. Ach ist das ärgerlich. Hätte ich die Nachricht 2 Stunden früher erhalten, so wäre ich mit Sicherheit zu meiner Gastgeberin Tammy in Zurich gefahren. Kenneth bietet mir an, mich auch nach Zurich zu fahren. Das würde heißen 40 Meilen zurück.

Ich rufe bei Tammy an. Wir sprechen über diese ärgerliche Situation und kommen schließlich überein, dass ich in Havre bleibe, da sie das Haus bereits voller Gäste hat. Außerdem würde das für mich heißen, insgesamt 80 Meilen zu fahren, um da zu sein wo ich bereits bin.

Kenneth schlägt mir 2 öffentliche Parks vor, in denen ich mein Zelt aufschlagen kann. Der erste Park Ist sehr beliebt und voller Menschen und ist daher nicht geeignet. Der 2. Park ist kleiner, aber dort ist es fast menschenleer und sehr ruhig. Hier laden wir meine Sachen ab. In diesem Park werde ich mein Zelt auf schlagen, das Fahrrad reparieren, und die Nacht verbringen.

Bis zuletzt ist mir Kenneth in jeder Hinsicht behilflich. Und selbst für die Weiterfahrt Richtung Yellowstone hat er noch einige gute Anregungen, die ich gut gebrauchen kann. Kenneth und Arlene sind beide noch als Lehrer im Schuldienst tätig und laden immer wieder Austauschschüler aus europäischen Ländern ein. Ich bin ganz beeindruckt von ihrer Großzügigkeit und der Selbstverständlichkeit, mit der sie mir in meiner Situation weitergeholfen haben.

Glücklich diese Menschen getroffen zu haben, hatte ich Arlene bereits meine Visitenkarte überreicht. So können mir Beide in Zukunft In meinem Blog folgen. Und ich freue mich schon jetzt auf ein Wiedersehen.

So endet dieser Tag und erfüllt mich zutiefst mit Dank für all die Hilfen und Geschenke, die man mir heute bereit hat.

Von Hinsdale nach Malta, Montana

23. August 2024

Der Morgen ist kühl und bedeckt. Als ich das Zelt abgebaut habe, entdecke ich unter der Bodenplane ein kleines Nagetier, das sich mit seinen 4 Jungen in der Nacht vor dem Regen unter die vermeintlich sichere Plane geflüchtet hatte. Die Geschichte endet tragisch. Ich muss es mit meinem Körpergewicht erdrückt haben, ohne es zu merken. Und auch alle vier Jungtiere sind bereits tot.

Ohne zu frühstücken fahre ich los. Der starke Ostwind treibt mich mit aller Geschwindigkeit von fast 30 km/h voran. Schnell steigen die Temperaturen und aus den Feldern neben der Straße steigen Schwärme von Mücken auf. Sie attackieren mich fortwährend auf der der Sonne abgewandten Seite.

Trotz Der Geschwindigkeit erreichen sie bequem ihr Ziel. Sie lassen sich einfach vom Wind treiben, haben also dieselbe Reisegeschwindigkeit wie ich und finden in vermeidlicher Windstille mit absoluter Sicherheit ihr Ziel, mein Blut. Und egal wie häufig ich die Moskitos von meiner Haut streiche, sind sie Sekunden später schon wieder da.

Ein Kurzer Halt, bei dem ich den Rest meines Insekten Repellents auf die Haut sprühe, schafft vorübergehend Linderung. Bei nächster Gelegenheit werde ich gleich 2 Dosen Insektenspray kaufen, um für die nächsten Tage gewappnet zu sein. Man hatte mich schon in den vergangenen Tagen davor gewarnt, dass es, je weiter ich nach Westen fahre, umso mehr Mückenplagen gibt. Und das, was ich hier erlebe, scheint erst der Anfang zu sein.

Im kleinen Lebensmittelladen grüßen Jagdtrophäen über den Lebensmittelregalen von der Wand. Ein seltsam anmutender Anblick …

Im kleinen Ort Saco mache ich halt, frühstücke und versorge mich mit frischen Lebensmitteln. Drei ältere Herren gesellen sich zu mir an den Tisch und es kommt zu einem freundlichen Gespräch. Nach einer Stunde brechen wir alle auf. Es geht weiterhin gut voran. Und ich rechne mir aus, dass ich bei der Geschwindigkeit, die ich durch den Rückenwind erfahre, die kleine Stadt Malta Innerhalb von zwei Stunden erreichen kann.

Mittlerweile sind es wieder 29°C und warme Luft, aufgeladen mit Schwärmen von Mücken, umgibt mich. Plötzlich ein lauter Knall, ein Zischen. Und nach wenigen Metern fahre ich auf der Felge.

Ich war noch mit meinen Gedanken In dem kleinen Ort Sako, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.

An dem alten Schulhaus, das als Museum hergerichtet scheint und auch an der kleinen Kirche nebenan nagt der Zahn der Zeit.

Aber die Realität holt mich schnell ein. Ich habe mir ein ordentliches Stück Metall Durch den Mantel in den Schlauch gerammt. Da heißt es flicken.

Der Mantel ist hinüber und ich ziehe einen neuen Mantel auf. Aber egal, wie ich es anstelle, der Reifen bleibt platt. Nach 2 Stunden gebe ich auf, stelle mich an die Straße und versuche ein Auto anzuhalten.

Ein Motorradfahrer hält, kann aber nicht helfen. Dann habe ich Glück. Ich halte den Sheriff an. Er vermittelt mir einen Kollegen, der mich abholen und nach Malta, Montana bringen soll. Außerdem gibt er mir noch drei Flaschen Wasser. Dann fährt er davon. Weit und breit gibt es keine Unterstellmöglichkeit, um sich vor der Sonne zu schützen. Also setze ich den Fahrradhelm wieder auf und warte.

Nach über einer Stunde kommt der Kollege, ein netter, junger Polizist mit einem Pickup-Truck und holt mich ab. Er bringt mich nach Malta. Im dortigen Hartwarenladen fragen wir nach Ersatzreifen. Der Laden hat nur 26 Zoll Mountainbikereifen. Dann gehen wir hinüber zum Ticket Office für Bus und Bahn. Eine Busverbindung gibt es nicht. Einmal am Tag fährt ein Personenzug nach Havre, Montana. Doch der kommt nicht infrage, da er das Fahrrad nicht befördern wird. Das ist erst ab Havre möglich – strange.

Schließlich bringt mit der Polizist zum kleinen Park in der Stadt, läd mich dort ab und verspricht, seinen Kollegen zu informieren. Der soll über Internet versuchen, eine Mitfahrgelegenheit für mich zu finden.

Ich warte bis zum Abend, aber der Kollege kommt nicht. So schlage ich mein Zelt auf. Ich unternehme einen weiteren Versuch, das Fahrrad zu flicken. Auch dieser Versuch schlägt fehl. Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als am nächsten Tag zu versuchen, per Anhalter mit dem Fahrrad nach Havre zu kommen. Jetzt erstmal gute Nacht.

Danke, dass ihr mich begleitet. Eure Kommentare ermutigen mich, wenn es, wie jetzt, schwierig wird. Und eure Kaffees helfen mir und erfreuen mich. 1.000 Dank! Ich pette weiter.

Von Frazer nach Hinsdale, Montana

22 August 2024

Der kühle Morgen tut gut. Und obwohl der Wind von vorne weht, komme ich gut voran. Ich habe Zeit, mir die Landschaft anzuschauen.

Dazwischen liegen kleine Ortschaften und große Indianerreservate. Dieser Begriff hat sich bis heute gehalten. Ich soll nicht mehr von Indianern sprechen, sondern von Natives oder Indigenen oder auch First Nations. Aber diese Menschen leben immer noch in Reservaten. Das macht mich schon nachdenklich.

Parallel zur Straße führt die Eisenbahnlinie entlang. Einmal am Tag fährt ein Personenzug durch – in jede Richtung. Und tagsüber im 30-Minuten-Takt bringen Güterzüge pro Zug bis zu 140 Waggons randvoll gefüllt mit Getreide oder dem schwarzen Gold, Öl, in die Verarbeitungszentren.

Straße und Schiene folgen dem historischen Lewis und Clark Trail. Dieser erinnert an die Expedition im Jahre 1804, als Meriwether Lewis und William Clark aufbrachen, um die Pazifikküste des amerikanischen Kontinents zu erreichen.

Ich folge der Straße gen Westen und genieße einfach diese gewaltige, großartige, grenzenlose Weite in Montana.

Nur gelegentlich findet man in der Landschaft kleine Baumgruppen oder auch vereinzelt stehende Bäume. Aber nie ganze Wälder.

Hier haben sich die Amerikaner die Erde wahrlich untertan gemacht. Wo einst Prärie war, durch die gewaltige Büffelherden zogen, wächst heute Weizen, Hafer oder Roggen. Und ich frage mich, ob es in dieser Landschaft, die ich durchfahre, überhaupt noch ein ursprüngliches Stück Prärie gibt.

Dieses Bild einer unberührten Landschaft ist vergangen. Am Straßenrand, an den Bahngleisen und in der Ferne im Land: überall sieht man die Getreidesilos, die die reichen Ernten aufnehmen.

Und Im Halbstundentakt wird dieses Gold außer Landes gebracht.

Ich erreiche Glasgow, Montana. Darauf hatte ich lange hingefiebert. Doch ich glaube, ich muss etwas ausholen: Mein Sohn Moril und Florian, den ich auch schon seit Kindertagen kenne, haben mir als Reisegeschenk ein Fahrradnavi geschickt.

Doch dank Verzögerungen kam es genau 1 Tag nach meinem Abflug in die USA zuhause in Ostfriesland an. Seitdem versuchte Biggi, es mir nachzusenden. Das erwies sich als kompliziert, da ich nie lange an einem Ort verweile. Und postlagernd funktionierte nicht.

Nun hat sie einfach einen Fahrradladen ausfindig gemacht, der auf meiner Route, aber noch 1.000 Meilen entfert lag. Sie rief Nick, den Inhaber, an und fand seine großzügige Unterstützung. Ihm sandte sie das Päckchen.

Als ich endlich das lang ersehnte Geschenk in Empfang nehmen kann, bin ich glückselig. Ich denke, dass dieses kleine Wunderwerk mir das Leben leichter machen wird.

Ein ganz großes Dankeschön also an Nick Knight vom Cherry Creek Gear Shop in Glasgow dafür, dass er meiner Frau und mir auf völlig unbürokratische Art und Weise geholfen hat. Am Ende hat er noch die Halterung montiert und ein nettes Gespräch war auch noch drin. Nick tut, was er kann, um Long Distance Cyclern – und heute mir – zu helfen. Welch ein Geschenk.

Und mein Herz und mein Dank an euch Zwei, Moril und Florian. Damit habt ihr mir eine riesige Freude bereitet.

Und für die, die es immer noch nicht verstanden haben, wird auch noch eine Landkarte gezeigt.

Warum in Glasgow dieses Flugzeug ausgestellt ist, habe ich nicht recherchiert. Es wird schon seine Gründe haben. Und wer will, darf gerne googeln.

Westlich der Stadt auf einer kleinen Hügelkette am Wegesrand haben einfallsreiche Bürger sehr effektvoll einen kleinen Dinosaurierpark angelegt.

Kleiner Exkurs ins BUFFALO Land.

Die Great Plains im Osten Montanas waren die Heimat riesiger Büffelherden, bevor sie Anfang der 1880er Jahre von euroamerikanischen Jägern beinahe ausgerottet wurden. Die Tiere spielten eine zentrale Rolle im Leben der Natives. In der ‚Hundezeit‘ trieben Jäger Büffel in einen Pferch, wo sie sie töteten. Sie trieben die zotteligen Tiere auch über Klippen, sogenannte Pishkuns.

Mit der Ankunft des Pferdes im 17. Jahrhundert begannen sich die Jagdmethoden zu ändern. Die Büffeljagd wurde zu einem Sport. Für die indigene Bevölkerung war sie jedoch eine Notwendigkeit.

Dabei war die Jagd mit Pfeil und Bogen zu Pferd gefährlich und aufregend. Fettes Büffelfleisch war das Fleisch der Wahl. Frauen konservierten das Fleisch, indem sie Dörrfleisch und Pemmikan zubereiteten. Sie stellten Pemmikan aus getrocknetem und pulverisiertem Fleisch her, vermischt mit Mark, Knochenfett und Öl. Waldbeeren gaben ihm Geschmack; Die Ascorbinsäure in den Früchten wirkte als Konservierungsmittel. Pemmikan, verpackt in Hautbeuteln war praktisch unbegrenzt haltbar.

Vom Nährwert her entsprach ein Pfund Pemmikan zehn Pfund frischem Fleisch. Dieses Grundnahrungsmittel versorgte die Stämme über viele lange Winter hinweg, in denen kein frisches Fleisch verfügbar war.

Natives verwendeten gegerbte Gewänder und Rohleder für Kleidung, Tipis, Bettwäsche, Werkzeuge und Utensilien. Büffel spielten in religiösen Praktiken eine herausragende Rolle und Streitigkeiten über erstklassige Jagdgründe führten häufig zu Konflikten zwischen den Stämmen.

Insgesamt ist die Landschaft flach. Von kleineren Geländestufen und den Erosionsrinnen einmal abgesehen

Ob es zu Zeiten der Büffelherden große Wälder oder wenigstens vereinzelte, kleinere Baumbestände gab, vermag ich nicht zu beantworten. Fast alle Baumgruppen, die ich hier bisher gesehen habe, wurden von Menschen gepflanzt. Lediglich entlang der Flussufer und Creeks scheint es natürliche Waldbestände zu geben. Ansonsten alles Plains …

Weiter geht die Fahrt auf der Route 2, auch als Hi-Line bekannt, gen Westen.

Während sich die Sonne im Westen dem Horizont neigt, wirft sie ihre Strahlen über das Land. Die Schatten werden länger. Die Korn- und Stoppelfelder leuchten im Abendlicht.

Am Horizont steigen die Badlands aus den Dunstschleiern des Tages. Sie bilden heute den südlichen Rand des Urstromtales des Missouri und des Milkriver. Beide Flüsse fließen mir parallel der Straße in unendlich vielen Windungen entgegen.

Mit der untergehenden Sonne erreiche ich Hinsdale, Montana. Ein Traktor kommt mir entgegen und biegt hinter mir von der Straße in die Hofeinfahrt. Sofort mache ich kehrt und folge dem Traktor.

Auf dem Hof spreche ich den Fahrer freundlich an. Und er hat nichts dagegen, dass ich neben dem Hof auf der Wiese übernachte. Noch ein Handschlag und jeder von uns Beiden geht seines Weges, tut, was jetzt noch getan werden muss.

Schnell ist das Zelt aufgebaut, die Sachen im Zelt verstaut und ich auf dem Weg zum kleinen Supermarkt. Ich hatte tagsüber kaum Gelegenheit, preiswert Lebensmittel einzukaufen. Mit einer Tüte des Notwendigsten komme ich zurück. Preiswert war das nicht… Egal, ich bin für heute versorgt.

Von Bainville nach Frazer, Montana

21. August 2024

Heute Nacht stürmte es ganz fürchterlich. Der Wind hatte gedreht und das Zelt bekam die volle Breitseite des Gewittersturmes. „Hoffentlich halten die Heringe im aufweichenden Boden“, dachte ich.

Der Gewittersturm ist vorüber. Der Rest der Nacht verlief ruhig. Das Zelt im Präriewind bereits trocken. In aller Ruhe und Gelassenheit packe ich meine Sachen und bin um 8.45 bereits auf der Straße.

Ich fahre über die Prärie am Nordrand der Badlands entlang. Das Gelände ist insgesamt flach und die Hänge zum Süden hin fallen weich ab. Von Wetlands keine Spur. Schaue ich nach Süden, sehe ich in der Ferne die aus dem Missourital aufsteigende Felsstufe. Sie hat den Charakter einer Felsstufe, den man als Badlands beschreibt.

Ein Hinweisschild weist auf weiße Kreuze entlang der Strecke hin, die an den Stellen aufgestellt werden, an denen ein Mensch in Folge eines Verkehrsunfalls starb.

Es geht heute durch das Fort Peck Indianerreservat. Diese Ortschaften und Häuseransammlungen im Reservat sind recht klein. Meistens gibt es nur eine Tankstelle mit einem kleinen, angegliederten Markt, der das Notwendigste zu relativ hohem Preis bereithält.

Die Natives selbst sind kaum zu sehen. Nur an den Tankstellen trifft man auf sie. Eine indigene Frau spricht mich an. Mit strahlendem Gesicht lauscht sie meiner Erzählung. Und später erlebe ich Gleiches in einem Lebensmitelmarkt.

Ganz anders die Reaktion einer älteren ‚weißen‘ Dame, die mich in Bainville vor den Gefahren beim Durchqueren der Reservation warnt. Drogen, Alkohol und Kriminalität. Bei fast allen kleinen Ortschaften entlang des Weges, den sie mir auf der Karte zeigt, spricht sie Warnungen aus. Erst bei Nashua wird ihre Grundstimmung freundlicher. Nashua sei ein guter Ort, den sie sehr gerne mag. Dann wünscht sie mir eine sichere Weiterreise, steigt in ihr Auto und fährt davon.

Die Landschaft ändert sich kaum.

Gelegentlich eine aufgelassene Getreideverladestation entlang der Bahnstrecke, die parallel der Straße verläuft. Das ist fast alles.

Ein Verkehrskreisel. Aufgehübscht mit riesigen Büffelschädeln aus Plastik.

Ansonsten immer wieder große Werbetafeln, die Hinweise geben auf die wirklichen Sorgen und Nöte der indigenen Bevölkerung im Reservat.

Zum Nachmittag ist ein Gewittersturm angekündigt, der auf sich warten lässt.

Und so radle ich weiter. Vorbei an einem flachen Hügel neben der Straße, auf dessen Plateau mehrere Tipi-Grundgerüste aufgestellt sind und ein paar Fahnen wehen. Kunstobjekt? Kultstätte? Sommertage der Einheimischen? Ich weiß es nicht und finde auch keinen, den ich fragen kann. Am Horizont im Westen verdunkelt sich langsam der Himmel.

Mittlerweile ist es 18:00 Uhr. Der Himmel vor mir wird immer mehr zur Drohkulisse. Und so suche und finde ich einen Ort, wo ich mein Zelt aufschlagen kann. Noch während ich aufbaue, nimmt der Wind böig zu. Und innerhalb weniger Minuten entwickelt sich der Gewittersturm. Ich schaffe es gerade noch, alle Sachen im Zelt zu verstauen. Dann verstärke ich die Standfestigkeit des Zeltes und Schnüre die vorhandenen Zeltleinen an Geländer und Fahrrad fest.

Der Sturm tobt. Der Regen ist heftig.

Aber das Zelt steht sicher und hält dem Tosen Stand.

Auf der Route 2 ziehen weiterhin die schweren LKW’s vorbei.

Und während ich noch im Regensturm stehe, kündigt sich im Westen schon das Ende des Sturmes an.

Auch wenn der Blick nach Osten etwas anderes sagt…

Südlich meines Lagers ziehen Lokomotiven endlos lange Waggonkolonnen stoisch durch die Regenfront.

Es ist ein wunderschönes Schauspiel. Und ich genieße es in vollen Zügen. Nach einer Stunde ist alles vorbei. Nach dem Abendessen lege ich mich erschöpft nieder und muss schon vor 21.00 Uhr eingeschlafen sein.

Von White Earth, North Dakota nach Bainville, Montana

20. August 2024

Ich habe gut geschlafen. Die Klimaanlage in dem Trailer hat dazu beigetragen. Um 8.15 Uhr kommt Herr Heinle und bringt meine Milchtüte, die in seinem Haus im Kühlschrank verwahrt wurde. Nach einem kurzen Gespräch verabschiede ich mich in den Tag. Es war für uns beide eine neue, angenehme Erfahrung.

Den ganzen Tag radle ich an Förderanlagen vorbei, die das ‚Schwarze Gold‘ in dieser Region fördern. An Pumpen, wie ich sie aus meinen Kindertagen in Norddeutschlsnd kenne.

Und auch an neuen Pumpen, die als schlanke Türme in den Himmel ragen.

Besonders Eindrucksvoll sind die Schlote, aus denen das schlechte, nicht weiter verwertbare Erdgasas laut zischend und fauchend entweicht und verbrennt.

Die kleine Bar ‚The Porch‘ in Ray

Da ich ohne Frühstück losgefahren bin, meldet sich nach einigen Kilometern der Hunger. In Ray finde ich eine kleine Bar, die geöffnet hat: The Porch. Ich bestelle einen Becher Kaffee und ein Croissant mit Rührei und Bacon und später noch einen weiteren Becher Kaffee.

Die Dame hinter dem Tresen zeigt sich sehr interessiert. Mit leuchtenden Augen und strahlendem Gesicht hört sie meiner Erzählung zu und vermerkt wiederholt, dass sie das nicht schaffen könnte. Ich sehe das anders. Sie ist gesund, groß, jung, und kann gut zupacken. Warum sollte sie das nicht auch können. Es mag andere Gründe geben. Aber mit ein wenig Training könnte sie auch auf die Reise gehen.

Ihr Lachen, Ihre Offenheit und Herzlichkeit sind wohltuend, außerordentlich angenehm und ansteckend. Als ich bezahlen will, lehnt sie ab. Es ist ihr Geschenk an mich und sie bereitet mir damit eine große Freude.

Getreidefelder in Montana

Draußen sind es 32°C. Und so suche ich nach weiteren zwanzig Meilen erneut Zuflucht, diesmal in einer Conoco Tankstelle. Noch vor dem Gebäude spricht mich strahlend ein junger Mann an. Er will wissen, woher ich komme und wohin ich fahre – heute und darüber hinaus. Und bereits vor meinen ersten Worten äußert er den Wunsch, mich zum Essen einzuladen.

Gesagt, getan und so sitze ich im kühlen Speisesaal des dazugehörenden Subways und verzehre, was ich mir gewünscht habe. Wir führen ein unterhaltsames Gespräch. Und der junge Mann erzählt mir, dass er maximal 35 Meilen als Trainingstour fährt.

Nebenbei stellt er mich noch seiner Mutter vor, die das Unternehmen führt. Und am Ende des Gesprächs bietet er mir seine Hilfe an, falls ich sie benötige, kramt einige Meter Draht aus derTasche und schenkt sie mir. Er hat mit diesem Draht schon sehr gute Erfahrungen gemacht und empfiehlt ihn mir weiter. Wie nett ist das …

Leider kann ich mich von dem jungen Mann nicht mehr verabschieden. Als Mitarbeiter hat er sich um andere Aufgaben zu kümmern und bleibt verschwunden.

Draußen ist es heiß. Trotzdem entscheide ich mich zur Weiterfahrt und schaffe in den nächsten 3 Stunden noch weitere 39 Meilen bis nach Bainville, Montana. Gegen Sonnenuntergang passiere ich Bainville. Ein Hinweisschild weist auf das Storehouse Ministry Center hin. Darunter eine Telefonnummer.

Ich rufe an und erhalte die Erlaubnis, hinter dem Gebäude zu übernachten. Im Sonnenuntergang ist mein Zelt schnell aufgestellt. Der warme Wind lässt auch nach 23 Uhr nicht nach. Und so werde ich mich durch diese trockene Nacht schwitzen. Euch allen eine gute Nacht.

Meinen herzlichen Dank an euch, die ihr mich begleitet, euch mit mir freut und manchmal mit mir leidet. Und die ihr mich mit Kaffee beschenkt. Schön, Euch im Gepäck zu haben.

Von Minot nach White Earth

19. August 2024

Was für ein wunderbarer Tag.

Die Nacht ist unruhig verlaufen. Ich hatte gestern Abend wohl den falschem Platz ausgesucht. Und im Laufe der Nacht stellte sich heraus, warum: Das Picknickareal liegt genau zwischen zwei stark befahrenen Gleisen. Und besonders in der Nacht fahren hier die Güterzüge.

So rumpelten, polterten und lärmten hunderte Meter lange Kolonnen von Güterwagen, gezogen von munter bimmelnden und immer wieder das ohrenbetäubende Horn verwendenden, dröhnenden Lokomotiven durch mein Zelt.

Um sechs Uhr morgens ist meine Nacht zu Ende. Neben meinem Zelt herrscht reges Treiben. Mark ist bereits da und baut sein Freilichtwohnzimmer wieder auf. Er ist gut ausgestattet mit seinem Fernseher, seinem Radio, seinem Kaffeekocher und allem, was er so für den Tag braucht. Der überdachte Pavillon ist tagsüber sein Zuhause, während er die Nacht in einem alten Truck verbringt.

Als ich aus meinem Zelt krieche, ruft er mir fröhlich zu, dass der Kaffee bereits fertig ist. Kaffeecreamer und Zucker inklusive. So setze ich mich ein paar Minuten gemeinsam mit ihm hin, teile Obst und Gemüse mit ihm und er erzählt aus seinem Leben. Er erzählt von seiner Freiheit. Von seiner Zeit im Gefängnis. Und wie er zum Glauben gekommen ist.

Er sieht heute seine Aufgabe darin, andere Menschen zu beschenken. Sich selbst bezeichnet er als Outlaw. Er braucht kein festes zu Hause, hat keine Verwandten und ist mit seinem Leben, so wie es ist, sehr zufrieden.

Dann wird es Zeit, alle Sachen zu packen und sich aufs Fahrrad zu schwingen. Mark hatte sich bereits gestern angeboten, mich zu Val’s Cyclery zu bringen. Und so leitet er munter voran und führt mich um die kleinen Hügel herum, auf ebenem Weg zum Fahrradladen.

Sofort kommt ein Mitarbeiter, schaut sich den Schaden an, bittet um meine Telefonnummer und gibt mir als Empfehlung die Adresse eines kleinen Cafés, in dem ich frühstücken kann. Ich hoffe inständig, dass er den Schaden an meiner Gangschaltung beheben kann.

Heute ist Montag und das empfohlene Café hat geschlossen. Eine zufällig anwesende Mitarbeiterin schickt mich 50 Meter weiter über die Straße.

Ich lande im Parker Center Coffee Shop. Er ist einem Altenheim angegliedert. Und nachdem ich ein Formular ausgefüllt habe, erhalte ich ein reichhaltiges, leckeres Frühstück für vier Dollar. Der Kaffee wird gratis nachgeschenkt.

Da ich neu bin, zeigen Mitarbeiter wie auch Altenheimbewohner ihr reges Interesse. Und so berichte ich von meiner Reise. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Ich hätte noch lange bleiben können, doch nach knapp einer Stunde erhalte ich einen Telefonanruf vom Fahrradladen, dass das Fahrrad repariert sei.

Und so eile ich zurück. Anstatt dass, wie ich vermutete, die Alfine Gangschaltung kaputt war, welche 600 – 700 Euro kostet, war in dem Schlammloch, in das ich gestern geraten bin, Schmutz ins Innere der Schaltung eingedrungen. Der Mechaniker musste sie zerlegen und reinigen. Das war’s. Mehr nicht.

Dieser Fahrradladen hat sogar den Mantel, den ich so lange vergebens gesucht hatte. Mein Mantel am Hinterrad hat fast kein Profil mehr. Die ganze Reparatur inklusive neuem Mantel kostet mich am Ende 83 Dollar.

Erleichtert über die schnelle und preiswerte Reparatur und erfreut, dass ich nun wieder die kleinen Gänge und vor allem den Leerlauf nutzen kann, packe ich das Fahrrad und bin schon 10 Minuten später wieder unterwegs.

Bevor ich die Stadt verlasse, mache ich noch einen kleinen Abstecher zur hiesigen skandinavischen Stabkirche. Es gibt in dieser Stadt eine kleine, skandinavische Community, die den kleinen Park mit Kirche und angrenzenden Gebäuden pflegt.

Dann verlasse ich die Stadt und es geht hinaus aufs Land.

Die Landschaft ist lieblich kleinhügelig. Von Wetlands keine Spur. Inmitten der landwirtschaftlich genutzten Flächen entdecke ich immer wieder kleine Inseln, in denen die Ölpumpen das ‚Schwarze Gold‘ ans Tageslicht befördern.

Ich befinde mich hier in einem zentralen Gebiet der Erdölförderung der USA. Hier wird das Öl in der klassischen Art und Weiße gefördert. Teilweise mit Pumpen. Und wo die Pumpen fehlen, sprudelt es auch arthesisch aus der Erde.

Das Öl wird direkt in große Tanks, die wie Getreidesilos aussehen, gepumpt und per Truck in die Raffinerien zur Weiterverarbeitung befördert. Viele der Förderstellen verraten sich in der Landschaft durch brennende, fauchende und laut zischende Gasfackeln.

Gelegentlich sieht man auf den Feldern große Rinderherden und vereinzelt kleine Pferdetrupps.

In den Senken entlang der Straße haben sich wieder kleine Teiche gebildet, die für die Wassertiere ein El Dorado darstellen.

Da fällt der Wasserturm im Weizenfeld fast futuristisch aus

Mittlerweile ist es Abend geworden. Ich mache mich wieder auf die Suche nach einem Quartier und lande bei einer Familie Heinle. Im Sonnenuntergang genieße ich als erstes eine Dose Bier. Und anschließend eine leckere Fischspeise.

Ich hatte bereits mein Zelt aufgebaut, da kommt der Sohn der Familie vorbei und bietet mir an, in seinem Trailer zu übernachten. Gerne nehme ich das Angebot an, packe das Zelt wieder ein und ziehe in den voll klimatisierten Wohnwagen.

Hier im Kingsize Bett versuche ich noch ein paar Zeilen meines Blogs zu bearbeiten. Leider gelingt mir das nicht, da ich einfach zu müde bin und mir das Handy wiederholt aus der Hand rutscht. So lasse ich es gut sein und beende den Tag mit einem Dank an alle, die dazu beigetragen haben, dass es mir so gut geht.

Von Rugby nach Minot, North Dakota

Ich bin heute Morgen erschrocken um 8.40 Uhr aufgewacht. Ich hatte meinem Gastgeber Thomas und seiner Ehefrau Linda am Abend zuvor gesagt, dass ich um 8 Uhr da sein werde. Wenige Minuten später stehe ich an ihrer Tür und klopfe an. Sie erwarten mich bereits und bieten mir sofort ein Frühstück an. Es gibt 3 Eier wie gewünscht und jede Menge Wecken. Und es gibt einige Scheiben Toastbrot mit Huckleberries aus Montana.

In der Folgenden Stunde haben wir noch ein sehr anregendes Gespräch. Thomas ist Hobbyfunker mit Funkkontakten in alle Teile der Welt und zeigt mir einige der Kontakte, die ihm postalisch geantwortet haben. Er hat davon Hunderte in einem großen Karton aufbewahrt und ich bin beeindruckt von der großen Anzahl an Kontakten.

Als ich erzähle, dass ich in früheren Jahren Paläontologie studiert habe, leuchten seine Augen. Er eilt aus dem Zimmer und kommt mit einigen faszinierenden Versteinerungen zurück. Aufgeschlagene Konkretionen, deren Inhalt wunderschöne Farnblätter sind. Er und seine Frau Linda haben diese Objekte in der Landschaft hier North Dakota selber gefunden.

Dann zeigt er mir noch zwei archäologische Funde: Eine Pfeilspitze aus dunkelrotem Feuerstein, sowie einen Granitstein mit einer umlaufenden Brille. Dieser Stein wurde von den Natives wie ein Hammer verwendet.

Tom und Linda zeigen sich mehr als großzügig. Tom stellt selber Beef Jerky her. Ich teste ein Stück und bin begeistert. Daraufhin schenkt mir Tom eine ganze Tüte voll von dieser Delikatesse. Und Linda überrascht mich mit 40 US-Dollar, die sie mir gemeinsam schenken, damit ich mir ein oder zwei ordentliche Frühstücke leisten kann, wenn ich wieder auf der Straße bin.

Und zuguterletzt haben sie auch noch die Adresse des Fahrradladens In Minot herausgesucht. Soviel Gastfreundschaft. Soviel Herzlichkeit. Soviel Warmherzigkeit. An einem einzigen Morgen. All das beeindruckt mich einmal mehr.

Eine kleine Überraschung liegt gleich zu Anfang auf meinem Weg: Ich erreiche den geografischen Mittelpunkt Nordamerikas in Rugby. Ein kleines errichtetes Denkmal weist auf diese Besonderheit hin.

Anschließend packe ich meine Sachen und mache mich auf den Weg. Etwa fünfundsechzig Meilen muss ich mit der beschädigten Gangschaltung zurücklegen. Vorsichtig trete ich in die Pedalen und erhöhe langsam die Geschwindigkeit. Im fünften, sechsten und siebten Gang, (die kleinen Gänge kann ich nicht nutzen), komme ich in diesem flachen Gelände sehr gut voran.

Und wenige Meter weiter steht der Northern Lights Tower. Er ist einem der eindrucksvollsten Naturphänomene in der Prärie, der Aurora Borealis, gewidmet.

Ansonsten hatte es sich an diesem Tag auch schon mit den Highlights. Mehrere Stunden durchquere ich auf der Route 2 von Ost nach West die Prärie. Farmland breitet sich vor meinen Augen aus. Der Weizen ist bereits geerntet. Das Gras gemäht. In den letzten zwanzig Jahren sind Sojabohnen hinzugekommen. Und gelegentlich radle ich auch noch an Sonnenblumenfeldern vorbei. Das ist auch schon alles.

Um 17:00 Uhr erreiche ich Minot. In einer städtischen Parkanlage spreche ich einen Pickup Fahrer an und frage ihn, ob ich mein Zelt in dem Park aufschlagen kann. Es entsteht ein nettes Gespräch und im weiteren Verlauf dieses Gespräches erfahre ich, dass sich in dem Picknick Areal noch eine weitere Person namens Mark aufhält.

Er weist mich darauf hin, dass dieser Mark zwar eine „gestrandete Seele“ sei, dass er aber gleichzeitig auch ein herzensguter Mensch ist. Und als ich ihn auf einen Fahrradladen im Ort anspreche, empfiehlt er mir denselben, den mir bereits Thomas und seine Frau Linda empfohlen haben. Dabei stellt sich heraus, dass er den Inhaber dieses Ladens persönlich kennt.

Am Ende überreicht er mir noch seine Visitenkarte, vermerkt seine persönliche Telefonnummer auf der Rückseite und sagt mir, dass er einen der Polizisten, die diesen Park gelegentlich kontrollieren, persönlich kennt. Und wenn ich Probleme habe, soll ich ihn kontaktieren.

MIt all diesen guten Gaben ausgestattet, schlage ich mein Zelt auf. Im Laufe der nächsten Stunden habe ich längere Gespräche mit Mark. Mark hatte sich sehr häuslich unter der überdachten Picknickfläche eingerichtet. Fertiger Kaffee, Zucker und Kaffeecreamer stehen bereit. Ich darf mich bedienen.

Mark hat ein Radio dabei, einen Fernseher, der nicht richtig funktioniert. Mark kennt sich an diesem Ort bestens aus. Er weiß, wo die Steckdosen sind, wo es fließendes Wasser gibt und wo sich die Toiletten befinden. Vorsichtshalber fragt er mich, ob ich Drogen nehme, was ich verneine. Mark freut sich darüber sehr.

Dann erzählt er aus seinem Leben, das eben nicht gerade verlaufen ist. Er glaubt an Gott und sieht seine Aufgabe darin, andere Menschen glücklich zu machen. Er möchte sie beschenken. Und so beschenkt er auch mich und legt mir einen von den Natives gefertigten Steinschaber vor, den er mir schenkt. Ihm ist es ein Herzensanliegen, das ich das Geschenk annehme. Außerdem möchte er mich morgen früh zum Fahrradladen führen. So bin ich dankbar, dass mich der Pickup Fahrer Mark vorgestellt hat und dieser den Abend mit mir teilt.

Einziger Wermuthstopfen ist das Bahngleis, welches in circa 30 Metern an meinem Lagerplatz vorbeiführt. Vor einer Stunde fuhren laut hupend zwei Lokomotiven, die über 140 Waggons hinter sicher herzogen, an mir vorbei. Mal sehen, was die Nacht bringt.

Von Devils Lake nach Rugby, North Dakota

17. August 2024

Route 2 am frühen Morgen

Weil ich heute schon früh auf bin, kann ich bereits um 7.45 Uhr auf der Straße sein und nach Devils Lake fahren. Dort gönne ich mir in einem McDonald Bagel und Kaffee und lade meine Powerbank. Dabei telefoniere ich mit Biggi, wir suchen nach einer Möglichkeit, die Veröffentlichung meines Blogs etwas zu vereinfachen.

Nach einem gefüllten Tag etliche Stunden mit meinen Fingern auf der Handytastatur herumzutippen, noch dazu, wenn das Hochladen eines Bildes Minuten dauert und die Verbindung immer wieder abbricht … das ist auf die Dauer keine Lösung. Wie können wir es also leichter gestalten?

Jetzt werde ich den Text einsprechen und Biggi lädt die Bilder hoch in den Blog. Mal schauen, wie wir damit zurechtkommen. Sonst suchen wir eine andere Lösung.

Um 11.45 Uhr ist der ganze Rückstand abgearbeitet und ich kann wieder auf die Piste. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Außerdem bin ich durchgefroren wegen des Airconditions und will endlich raus, mich bewegen. Ich brauche noch Lebensmittel und stehe bei Walmart 40 Minuten an der Kasse, weil von 17 Kassen eine einzige geöffnet hat. Ich bin ungeduldig, in Schlangen stehen macht mich unruhig. Und so bin ich froh, als ich endlich auf dem Rad sitze und Devils Lake verlasse.

Ich fahre gen Westen und will heute die kleine Stadt Rugby erreichen. Da entdecke ich plötzlich eine Schlange, die sich auf dem warmen Asphalt rekelt. Ich bin ganz überrascht, doch leider macht sie sich blitzschnell auf und davon, noch bevor ich genau sagen kann, um welche Spezies es sich handelt.

Der Wasserknöterich blüht

Die Kathedralen des mittleren Westens …

… entpuppen sich letztlich als riesige Silos zum Speichern der produzierten landwirtschaftlichen Produkte.

Auf den meisten Feldern ist das Getreide bereits abgeerntet, sodass nur noch die gelben Stoppeln zurückbleiben. Nur auf wenigen Feldern ist überreifes Korn, welches darauf wartet, geschnitten zu werden. Wahrscheinlich hat der Regen dies verhindert.

Zuwegung zu einer Farm – mit Bahnübergang

Was hier in solcher Fülle wächst, muss ja irgendwie auch in die großen Standorte der Lebensmittelindustrie transportiert werden. Darum verläuft parallel zur Straße im Verborgenen die Bahnlinie, die das Getreide, die Bohnen und andere Gemüse, die die Farmer anbauen, in die großen Zentren zur Weiterverarbeitung bringen. Manche der Silos, in denen diese Produkte vorgelagert werden, ähneln großen Kathedralen mit einzelnen Kirchturmspitzen. Nur beim Näherkommen löst sich diese Silhouette auf in einzelne Gebäudeteile, die zum Teil gewaltige Ausmaße haben.

Ich höre immer wieder das Horn des Zuges und wundere mich erneut über seine Länge: 4 vorgelagerte Loks und um die 200 Waggons, ich habe so etwas in meinem Leben noch nicht gesehen. Über den Feldern sammeln sich die Schwalben für ihre Reise in den Süden.

Alte Schule am Wegesrand – Camping unerwünscht

Unbekannte Pflanze

Der Abend kommt näher, bald wird die Sonne den Horizont berühren und ich mache mich auf die Suche nach einem Quartier. 4-mal fahre ich auf einen Hof. 4-mal treffe ich entweder niemanden an oder werde vom Bauern abgelehnt. Mal freundlich, mal weniger. Ich akzeptiere es und verlasse den jeweiligen Hof.

Bei einem Farmer treffe ich einen angeketteten Schäferhund vor dem Haus, der dermaßen verängstigt ist, dass er sich auf dem Bauche kriechend vor mir aus dem Staube macht. Ich bin sehr erschüttert. Als ich gerade fahren will, kommt mir der Eigentümer entgegen und behandelt mich abweisend. Ich bin einfach froh, dass ich nicht bleiben muss. Hier hätte ich mich nicht wohl gefühlt.

Als ich den nächsten Hof auch verlassen will, lande ich unversehens in einem Schlammloch, dass von außen nicht erkennbar war, die Oberfläche war getrocknet. Um herauszukommen, musste ich im 1. Gang tüchtig in die Pedale treten. Es knirscht. Es kracht. Ich weiß nicht, was genau passiert ist, auf jeden Fall ist meine Alfine Gangschaltung im 1. und 2. Gang beschädigt.

Die Kurbeln vorne drehen jetzt andauernd mit, ich kann nicht mehr im Leerlauf fahren. Und ich kann diesen Schaden nicht selber beheben. Der nächste Fahrradladen ist weit entfernt. Das ist ärgerlich und vor allem teuer, die Alfine Schaltung kostet um die 600 – 700 Euro. Ich hoffe, dass ich mit dem Rad noch nach Minot kommen kann, welches ca. 100 Meilen entfernt liegt. Dort soll es einen Radladen geben.

Ich biege in eine Sackgasse ein und klopfe an ein Haus. Ein älterer Herr macht mir auf und stellt sich als Tom vor. Nach kurzer Vorstellung meinerseits freut er sich und bietet mir sein Grundstück zum Zelten an. Seine Frau Linda kommt hinzu, auch sie ganz freundlich. Und dann erfahre ich, dass er sehr erschöpft ist. Er hat Krebs. Er hat nicht mehr die Kraft, heute Abend noch zu kommunizieren, aber würde sich freuen, wenn ich morgen früh noch ein wenig ins Haus komme zum Plaudern.

Nachdem mein Zelt auf- und meine Fahrradtaschen abgebaut und im Zelt verstaut sind, klopfe ich bei Tom und Linda an die Tür. Ich darf auf der Terrasse sitzen, bekomme ein Stück Kuchen und einen Pfirsich herausgereicht, sowie ein Verlängerungskabel, damit ich mein Handy laden kann. Dann kommt Linda selbst noch hinaus auf die Terrasse, um sich mit mir zu unterhalten. Sie lauscht ganz aufmerksam und interessiert und lädt mich dann für den nächsten Morgen zum Frühstück ein.

Mein Wegbegleiter und Ratgeber in schwierigen Situationen: Ferki, der Leichtmatrose

Und Stille senkt sich übers Land

Froh und dankbar ziehe ich mich in mein Zelt zurück und lasse den Tag Revue passieren.

Danke, dass ihr mich wieder begleitet. Und dass auch ihr mir immer wieder einen Kaffee ausgebt. Ich hoffe, ich kann euch Freude bereiten mit den Erzählungen von meiner kleinen Reise. Ihr seid dabei!

Von Crookston, Minnesota nach Devils Lake, North Dakota

16. August.2024

Heute Morgen bin ich um 6 Uhr aufgestanden. Um 7 Uhr gab es Frühstück, das mir Phil bereitet hatte. Er brachte mir in die Veranda erstmal einen großen Becher unglaublich leckeren Kaffee. Ich weiß nicht, wie er den Kaffee zubereitet hat, aber die Crema war extrem aromatisch. Das weckte ein bisschen die Lebensgeister. Ich bin dann wenige Minuten später zu ihm in die Küche gegangen, nachdem ich mich im Bad frisch gemacht und angezogen hatte.

Gefragt, was ich zum Frühstück haben möchte, einigten wir uns auf 3 Eier, die er in der Bratpfanne zubereitete und Toastbrote. Als Reiseproviant gab es Laugenbrötchen, die ich mit Peanut Butter bestrich, weil das am Gehaltvollsten ist. Und ich habe mir eine Handvoll Backpflaumen nehmen können. Phil erzählte mir, auf seinen Touren ernähre er sich immer von Backpflaumen, Cranberrys und Rosinen als wundervolle Energiespender.

Wir haben uns heute Morgen noch ein wenig über das Kajak fahren unterhalten. Phil ist leidenschaftlicher Kajakfahrer und in seinem Eigentum befinden sich, wie gestern schon erwähnt, wohl ein Dutzend Kajaks.

Da sind hochmoderne faltbare Kajaks genauso wie Klassiker. Er hat sie zum Teil selber gebaut aus Sperrholz oder sogar aus Eichenholz, bespannt mit einer Tierhaut und sie zusätzlich mit einem wasserdichten Lack abgedichtet. Das Ganze sieht wunderschön und sehr professionell aus. Als Vorlage nimmt er Inuit Kajaks, so wie die Inuit sie bauen.

Er weiß zu jedem Kajak zu berichten, was das Besondere an dem Kajak ist und aus welcher Region es stammt. Er hat ein Kajak, welches von den Inuit auf der Westseite Grönlands verwendet wird. Er hat einen speziellen Typ Kajak, welches auf der Ostseite Grönlands von den Inuit verwendet wird.

Er hat aber auch Wildwasser-Kajaks aus dem Wettbewerbsbereich, wie sie bei den Olympischen Spielen eingesetzt werden. Und dann gibt noch ganz normale Kajaks, die wir eben auch benutzen könnten. Diese speziellen, selbstgebauten Kajaks zu sehen ist für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Ich sehe eine ganz ausgeprägte handwerkliche Kunstfertigkeit und auch ganz viel Wissen, was dort hineinfließt.

Nachdem ich mein Fahrrad gepackt hatte, haben Phil und ich uns um 7.45 Uhr voneinander verabschiedet. Vicky habe ich am Morgen nicht mehr gesehen. Sie hatte uns am Abend das Essen bereitet, wir hatten auch gemeinsam gegessen und während ich mich mit Phil unterhielt, hatte sie alleine an einem Puzzle gearbeitet.

Das finde ich ganz witzig:  Vicky kauft ein Puzzle bei Freunden für symbolische 2 Dollar und puzzelt in aller Ruhe. Wenn sie fertig ist, vermerkt sie es im Deckel des Puzzles und das Puzzle geht weiter auf die Reise. So erfüllen diese Puzzle auf Dauer ihren Zweck und erfreuen viel mehr als nur einen einzigen Menschen.

Ich fuhr also von Crookston los. Das Wetter war bescheiden und grau verhangen und wusste nicht, ob es regnen sollte oder nicht. Es hat dann nicht geregnet. Etwa ein oder anderthalb Stunden war es diesig, nieselig und danach splitterte es nur noch ein wenig. Ab 13 Uhr lockerte sich dann die Bewölkung auf und blieb so über den ganzen Nachmittag. Erst gegen 18 Uhr kam von Norden eine dunkle Regenwand herein, die einen kurzen Gewitterguss versprach.

Ich bin heute gen Westen gefahren, der Wind kam aus nördlicher Richtung, so dass ich den ganzen Tag Seitenwind hatte. Er mäanderte über die weiten Felder und über die Äcker und erwischte mich leicht von vorn. Trotzdem habe ich heute einen guten Schnitt gemacht von 30 Kilometern pro Stunde.

Die Landschaft erstreckte sich relativ gleichmäßig, weite Felder unterbrochen von leichtem Gebüsch und kleinen Baumgruppen … An wenigen Stellen gab es sogar mal ein Relief in der Landschaft mit kleinen Tälerchen.

Doch im Großen und Ganzen ist es eine weite, ganz leicht gewellte Landschaft, durch die ich heute geradelt bin. Sie hat sich über den ganzen Tag kaum geändert. Die Vegetation zum einen landwirtschaftliche Nutzflächen, insbesondere Getreideanbau. Ich habe keine Milchwirtschaft gesehen. Und dann gab es wieder riesengroße Wetlandflächen voller Schilfbestände aber ohne große Baumgruppen.

Flattened animals

Eine Besonderheit zu der Straßensituation möchte ich doch noch erwähnen. Ich habe auf der bisherigen Reise in den USA und in Kanada schon viele Wildtiere am Straßenrand gesehen. Es handelt sich immer um „flattend animals“. Das, was Straßenverkehr plattggemacht hat und was an der Straße so liegen bleibt, bekommt man als Radwanderer präsentiert.

Nicht wenige Eichhörnchen, rotfarbene oder auch fast schwarzfarbene. Da sind Murmeltiere dabei und Stinktiere. Einen Fuchs habe ich überfahren gesehen und auch Waschbären. Jede Menge Vögel, von denen ich noch nicht mal weiß, um welche Arten es sich dabei handelt.

Aber heute habe ich etwas gesehen, was ich mir nicht erklären kann. Zwischen Grand Fork und meinem heutigen Zielpunkt Devils Lake habe ich so viele Frösche einer bestimmten Art, die ich nicht kenne, gesehen. Es waren Tausende, die hier verendet sind. Ein Teil ist sicherlich angefahren oder überfahren worden. Doch auch so lagen jede Menge Frösche rum, bäuchlings, auf dem Rücken liegend oder wie auch immer, auf jeden Fall vollkommen intakt und trotzdem leblos.

Und das hat mich dann doch traurig gemacht und mir den Unterschied deutlich gezeigt zwischen einem Autofahrer, der die schöne Landschaft und auch die Tierwelt genießen kann, weil sie heil ist. Er sieht ja gar nicht, was sein Fahrzeug anrichtet und was er am Wegesrand zurücklässt. Und auf der anderen Seite bin ich als Radfahrer unterwegs und erlebe hautnah den ganzen Friedhof der Wildtiere.

Ab in die Koje

Um 19.15 Uhr habe ich dann angefangen nach einem Platz für die Übernachtung zu suchen. Zuerst habe ich ein Rastplatz Areal gesehen. Doch sie hatten es genau zwischen die Fahrbahnen gelegt, die in die jeweilige Richtung fahren, sodass ich das Gefühl hatte, wenn ich mich da irgendwo mit dem Zelt hinsetze, fährt in der Nacht permanent der Autoverkehr durch mein Zelt. Das wollte ich mir nicht antun.

So bin ich ein Stückchen weitergefahren und nach rechts in einen kleinen Weg abgebogen, an dessen Ende ich eine große Scheune sah. Umgeben von einer gemähten Wiese. Hier habe ich mein Zelt aufgeschlagen und mein Fahrrad angekettet an ein schweres Eisenstück. Ich denke, so ist es sicher. Hier werde ich jetzt die Nacht verbringen und von hier aus werde ich morgen wieder starten.

Es ist jetzt genau zwanzig Uhr. Ich liege im Zelt. Ich habe schon ein wenig gegessen und bin erschöpft. Im Laufe dieses Tages bin ich 107 Meilen mit dem Fahrrad gefahren. Mein Hintern tut ordentlich weh vom Druck des Sattels auf die Gesäßknochen. Aber ich bin zufrieden. Ich freue mich über diesen Tag, so wie er gelaufen ist.

Monsterzüge

Und während ich im Zelt liege und dieses schreibe, rauscht im Hintergrund eine Eisenbahn vorbei. Ich hatte am späten Nachmittag die Gelegenheit, einen dieser Monsterzüge zu sehen. Es sind vier Lokomotiven vorgespannt und die Wagons, die angehängt sind in ihrer Länge, so lange Züge habe ich in Deutschland seit Ewigkeiten nicht gesehen, wenn überhaupt jemals. Und anders als in Deutschland, wo an jeder Straße, wo der Zug quert, eine Schranke angebracht ist, vermisst man diese Schranken hier in den USA. Das Horn der Eisenbahn ist über einen längeren Zeitraum zu hören, welches warnt, wenn die Eisenbahnen sich den Bahnübergängen nähern.

Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, dass es ein so wunderschöner Tag wurde. Vicky und ihrem Mann Phil möchte ich ganz besonders auch dafür danken, dass sie mich gestern Abend vor dem Abendessen in ihr Gebet eingeschlossen haben. Für sie war das alles eine Selbstverständlichkeit, im christlichen Sinne zu handeln heißt für sie eben auch, anderen Menschen Hilfe anzubieten, wenn Sie Hilfe brauchen und ganz ohne zu zögern für den anderen da zu sein.

Euch danke ich, dass ihr mich begleitet und bin überwältigt und dankbar über eure Großzügigkeit, mir den ein oder anderen Kaffee zu spendieren.