Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Jo

Von Logan nach Layton, Utah

11. September 2024

Ich bin früh auf. Heute hat Biggi Geburtstag. Und so suche ich einen Platz, wo ich in Ruhe mit ihr telefonieren kann.

Auf mein Rufen im Haus kommt keine Antwort. Unsicher, ob Mitchell oder Kate überhaupt im Hause sind, verlasse ich meine Gastgeber, ohne mich richtig verabschiedet zu haben. Eine kleine, niedergeschriebene Notiz muss heute morgen reichen.

Auf alle Fälle hatte ich ein hervorragendes Quartier, ein ganz leckeres Abendessen, eine die Lebensgeister erfrischende Dusche und spannende Unterhaltung. Also ein Rundum-Sorglos-Paket. Und dafür danke ich meinen Gastgebern von ganzem Herzen.

Für 10.00 Uhr hatte ich mich mit Biggi telefonisch verabredet. Zur Feier des Tages steht ein kleines, besonders leckeres Frühstück vor mir auf dem Tisch. Über eine Stunde tauschen wir unsere Gedanken aus. Ich genieße diese Zeit in vollen Zügen. Und obwohl wir geografisch so weit auseinander sind, habe ich den Eindruck, dass wir uns näher sind denn je.

Mit großer Freude im Herzen mache ich mich gegen 11.30 Uhr auf den Weg. Ich habe verschiedene Gastgeber in Ogden, Utah angeschrieben. Bisher hat keiner geantwortet. So richte ich mich schon darauf ein, am Abend nach einem Quartier suchen zu müssen. Was sich aber nicht bewahrheiten soll, denn später meldet sich doch noch jemand.

Aber erst einmal fahre ich in südliche Richtung raus aus Logan. Und wieder geht es über einen Pass. Ich hatte zuvor im Ort nach dem Zustand der Straße gefragt und man hatte mir bestätigt, dass diese Straße breite Schultern hat, die gern von Radfahrern benutzt werden. Erleichterung macht sich breit und ich trete kräftig in die Pedalen. Die ersten Meilen geht es sogar noch ein wenig bergab. Aber schon bald ändert sich das.

Gleichmäßig geht es für mehrere Meilen bergauf. Ich schalte runter und bewältige den Bergangstieg In den Gängen 1 bis 3. Nach etwa anderthalb Stunden habe ich die Passhöhe erreicht. Das Tal weitet sich wieder und es geht hinab nach Brigham.

So ganz so einfach, wie sich das anhört, ist es jedoch nicht. An diesem Morgen, an diesem Anstieg, macht mir der Wind zu schaffen. Meistens kommt er von vorn. Böig, bockig, mitunter gar zornig zerrt er von allen Seiten an mir. Es ist, als gönne er mir den Pass nicht.

Zweimal ist die Windböe so stark, dass sie mich trotz Bergabfahrt zum Stehen bringt. Andere Male presst sie mich bedrohlich nah an die durchgehende weiße Linie, die mich von der Fahrbahn trennt. Und dann sind da noch Massen an LKW’s unterwegs. Mal erzeugen sie einen Sog, der mich regelrecht mitreißt. Dann wieder hat sich die gesamte, vor dem LKW aufgestaute Luft gegen mich verschworen.

Alles in allem ist es mühsam. Doch in den unteren Schaltgängen meistere ich den Passübergang sehr gut. Vor Tagen hatte mir Bryce erzählt, dass es zwischen Brigham, Utah und Ogden eine Straße gibt, an der entlang lauter Obststände aufgebaut sind.

Diese Straße verläuft parallel zum Highway, den ich bisher benutzt habe. Zwar gibt es in der Tat viele Obststände, an denen Pfirsiche Nektarinen, Birnen, Kürbisse, Gemüse und Kartoffeln angeboten werden. Und die Obstände sind nur wenige Meter von der Fahrbahn entfernt aufgebaut.

Dafür hat diese Straße aber keine Schultern und ich muss auf der Fahrbahn fahren. Auf die Dauer ist das sehr anstrengend. Daher entscheide ich mich, bei nächster Gelegenheit wieder auf den Highway zu wechseln.

Und dann passiert mir das Mißgeschick: ich komme von der Straße ab. Nur wenige Meter. Aber das reicht für einen Platten im Vorderrad. Nachdem ich meinen Frust in den Wind gebölkt habe, mache ich mich an die Reparatur. Jedoch gelingt es mir nicht, das Loch zu finden.

Und während ich noch auf der Suche nach dem Schaden bin, hält ein Fahrzeug neben mir und der Fahrer spricht mich an. Ich schildere ihm mein Mißgeschick, worauf er mir anbietet, mich von der Straße bis nach Ogden, Utah mitzunehmen. So komme ich nach Ogden.

Erst überlegt er, mich bei einem Walmart abzusetzen. Dann entscheidet er sich anders und nimmt mich mit zu sich nach Haus. Er ist KFZ-Mechaniker und hat eine voll ausgestattete Werkstatt. Auf seinem Hof mache ich mich an die Reparatur. Nach dem ersten Flicken kommt der zweite.

Dann der Dritte, Vierte und Fünfte – im Vorderrad. Beim Check des Hinterrades sieht es nicht besser aus. Am Ende sind es insgesamt sieben Flicken. Und während ich fleißig flicke, pult der Mann die Dornen aus dem Mantel.

Anschließend zeigt er mir im Garten, welche Pflanze dafür verantwortlich ist: der Burzeldorn, auch Erdsternchen oder Erdstachelnuss genannt, eine in dieser Gegend weit verbreitete Pflanze.

Über der Reparatur ist es spät geworden. Um 18.00 Uhr fotografiere ich die Sonne über mir. Im Großraum Los Angeles gibt es einen großen Waldbrand, dessen Rauch sich über Ogden legt.

Immer dunkler wurde in den letzten Stunden der Himmel.

Jetzt erst fällt mir auf, dass ich meine eigentlichen Gastgeber Emily und Christian noch gar nicht benachrichtigt habe. Im darauffolgenden Telefongespräch bietet mir Emily an, mich abzuholen. Das ist die einzige Möglichkeit, mein heutiges Ziel Layton, südlich von Ogden, zu erreichen.

Ich willige ein und eine halbe Stunde später holt mich Christian mit seinem Pickup-Truck ab. Meinem Helfer danke ich von ganzem Herzen. Ich hätte mich gerne noch ein bisschen mit ihm unterhalten. Und vielleicht hätte ich ihn um ein Quartier bitten können. Aber ich hatte Emily bereits vor Stunden zugesagt. So ist es ein kurzer Abschied, der einen tiefen, bleibenden Eindruck in mir hinterlässt.

Von Ogden nach Layton sind es noch 20 Meilen. Das hätte ich bei diesen Lichtverhältnissen niemals geschafft. Mit dem Auto ist es ein Katzensprung. Es ist schon nach 20.00 Uhr, als wir bei Emily eintreffen. Emily zeigt mir das Zimmer und erklärt kurz die wichtigsten Dinge. Ich nehme ein Duschbad. Anschließend kümmere ich mich um die Wäsche, die noch gewaschen werden muss.

Gegen 22.00 Uhr ist der Tag zu Ende. Und ich kann sagen: Es war ein toller Tag. Happy Birthday!

Von Dingle, Idaho nach Logan, Utah

10. September 2024

Die Nacht war ruhig, kühl und es wehte ein leichter Wind über den Sportplatz. Das ist gut, ist doch mein Zelt bereits trocken als ich aufwache. So kann ich bereits früh aufbrechen.

Es geht in südliche Richtung, immer am Fuß einer Bergkette entlang Richtung Bear Lake. Während ich noch im Bergschatten fahre, liegt die weite Talebene rechts vor mir bereits im strahlenden Sonnenlicht. In der ferne trompeten Sandhill Kraniche. Und in der näheren Umgebung höre ich manche Vogelstimme, die ich leider nicht zuordnen kann.

Für die nächsten sieben Meilen bis zum See fahre ich auf einer Schotterpiste. Ich ignoriere das schlechte Reifenmaterial auf dem Hinterrad. Irgendwie muss ich doch vorankommen.

Auf der anderen Seite des weiten , ebenen Tales liegt eine Hügelkette, die im Morgenlicht wunderbar leuchtet.

Schließlich erreiche ich den Bear Lake. Bryce hat mir nicht zuviel versprochen, als er begeistert von diesem See sprach. Es ist das blaue Wasser, das ihm seine Magie verleiht. Auf einem natürlichen Damm fahre ich am nördlichen Seeufer entlang in westliche Richtung.

Zur Seeseite hin befindet sich ein mehrere Meilen langer Sandstrand. Mit guter Ausstattung versehen dient der langgezogene Sandstrand des Nordufers als Recreation Area. Heute Morgen ist hier noch keine Menschenseele zu sehen. Aber an sonnigen Wochenenden tummeln sich an diesem Strand Tausende von Menschen.

Zum frühen morgen sind auf den See keine Boote zu sehen. Weiter im Süden am Westufer befindet sich jedoch eine relativ große Marina.

Auf der Nordseite des natürlichen Dammes dehnt sich ein breiter Schilfgürtel aus, der mehrere Meilen nach Norden reicht und der Vogelwelt ein großartiges Refugium bietet.

Am westlichen Ende des Dammes wurde ein kleines Versorgungszentrum errichtet, das den vielen Besuchern die Möglichkeit bietet, sich selbst zu versorgen.

Für die nächsten zehn Meilen geht es in südlicher Richtung am Ufer des Bear Lake entlang nach Garden City.

Hier verlasse ich das Ufer des Bear Lake und mache mich auf den Weg nach Logan. Vor mir liegt der Loganpass. Für circa fünf Meilen geht es stetig aufwärts. Die Steigung beträgt kontinuierliche 8 %.

Auf der Passhöhe mit fantastischer Aussicht auf den Bear Lake mache ich eine kurze Pause auf einem Rastplatz. Ein kurzer Plausch mit anderen Besuchern inbegriffen. Es ist immer wieder faszinierend zu erkennen, wie viele Autofahrer an meinem Treiben teilhaben. Sie sehen, wie ich mich langsam den Berg hocharbeite. Und manch einer zollt mir größten Respekt für die Leistung.

Ich habe für heute in Logan ein Quartier gefunden. Telefonisch melde ich mich vorab und sage, dass ich auf dem Weg bin und am Abend den Ort erreichen werde.

Mitchell, mein Gastgeber, warnt mich, als er erfährt, welche Route ich nehme. Er ist diese Route einmal gefahren und würde das nie mehr wiederholen. Zu viel Verkehr und keine Schultern am Fahrbahnrand. Eine wirkliche Alternative zu dieser Route gibt es jedoch nicht.

Und so mache ich mich auf den Weg, steige Meter um Meter auf und wundere mich über die breite Schulter, auf der ich mit einer Geschwindigkeit von 3-4 Meilen/h komfortabel vorankomme.

Hinter der Passhöhe ändert sich allerdings die Situation. Der Logan River teilt sich den Canyon mit der Straße. Und weil das wenig Platz lässt, hat man über viele Kilometer auf die Straßenschultern verzichtet.

Zum Glück erwische ich einen Tag mit wenig Verkehr. Es sind die LKW’s, die auf diesem Streckenabschnitt Schwierigkeiten bereiten, da sie mit unverminderter Geschwindigkeit an einem vorbeirauschen.

Das Dröhnen der bergauf fahrenden Motoren, das Lärmen der Motorbremsen der LkW’s, die mir entgegenkommen, der Sog, wie auch der Winddruck von vorne: all das fordert meine ganze Konzentration. Und in diesen Augenblicken hilft mir meine jahrzehntelange Erfahrung als Fahrradfahrer. Ruhig und aufmerksam fahre ich die weiße, durchgezogene Linie entlang. Nach vorne immer die Verkehrssituation im Auge, nach hinten immer lauschend, welches Motorengeräusch sich nähert.

So durchfahre ich den Logan Canyon und freue mich, als die Felsen langsam zurücktreten und sich das Tal weitet.

Ich erreiche Logan bei Sonnenuntergang. Das Licht ist so wunderbar, dass ich 3 Meilen weiter fahre, um einen besseren Blick auf die Bergketten zu haben.

Das südliche Tor zum Logan Pass. Unscheinbar liegt es da. Doch seine Schwierigkeiten verbergen sich in den Bergen hinter der nächsten Straßenkehre.

Kurz vor Einbrechen der Dunkelheit erreiche ich meine heutigen Gastgeber Mitchell und Kate. Herzallerliebst, freundlich und sehr aufgeschlossen nehmen sie mich in Empfang. Wenige Minuten später befinden wir uns schon im Supermarkt, wo wir noch einige Lebensmittel einkaufen.

Wieder zuhause bereiten beide das Abendessen. Mein bescheidener Beitrag beschränkt sich auf das Befüllen eines Topfes mit kaltem Wasser, den ich anschließend zum Erwärmen auf den Gasherd stelle. Dann darf ich mich zum Ausruhen hinsetzen.

Beide sind sportlich aktiv. Mitchell ist leidenschaftlicher Biker und Kate liebt das Freeclimbing. So führen wir während des Abendessens eine angenehme und anregende Unterhaltung. Gegen 22.00 Uhr verabschieden sich beide zur Nacht und verlassen das Haus wohl für eine Spaziergang. Müde ziehe ich mich aufs Zimmer zurück, wo ich nach wenigen Minuten erschöpft und dankbar für die freundliche Aufnahme einschlafe.

Von Wayan nach Dingle, Idaho

9. September 2024

Heute geht es durch Idahos Kornkammer. Überall sehe ich reifes Getreide, das noch auf den Halmen steht. Es ist Erntezeit und auf vielen Feldern verrichten Mähdrescher ihr Werk.

Gegen Mittag erreiche ich Soda Springs. Ganz in der Nähe befindet sich ein Phosphatwerk, betrieben von Monsanto / Bayer. Die Abraumhalden dieses Bergbaus haben gewaltige Ausmaße.

Hinweisen möchte ich noch auf den Oregon Trail, der für einige Meilen neben dem Highway verläuft, auf dessen breiter Schulter ich heute unterwegs bin. Der Oregon Trail war eine 3.490 km lange, in Ost-West-Richtung verlaufende, für große Wagenräder genutzte Route. Er war ein Auswandererpfad in den Vereinigten Staaten, der den Missouri River mit Tälern im Oregon-Territorium verband. Es ist erstaunlich, wie gut die Spuren der zehntausende von Wagenrädern heute noch im Gelände erkennbar sind.

Bryce hatte mir einige Sehenswürdigkeiten von Soda Springs genannt, die ich heute Morgen aufsuche. Das sind u.a. zwei Quellen, denen kohlensäurehaltiges, carboniertes und vor allem trinkbares Wasser entspringt. Der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig. Ich fülle mir eine Flasche dieses leckeren, herben Wassers.

Vom Hooper Spring geht es nach Soda Springs in den Ort hinein. Dort gibt es eine weitere Quelle. Was mich aber besonders interessiert, ist nicht diese zweite Quelle, sondern der Geysir, der fast ein bisschen verloren scheint, da gerade Straßenbaumaßnahmen in der Nähe ausgeführt werden.

Nach einem kleinen Umweg erreiche ich den Geysir, der jede Stunde für ein paar Minuten aktiv ist. Eigentlich wäre er viel aktiver, aber Wissenschaftler argumentierten, das die Aktivität dieses Geysirs einen negativen Einfluss auf die Aktivität des Old Faithful im Yellowstone Park habe, der immerhin über 100 Meilen nördlich von Soda Springs liegt.

Das zwang zum Einbau eines Ventils, welches nun einmal in der Stunde für ein paar Minuten geöffnet wird und diesen wunderschönen Geysir sprudeln lässt.

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich um den Geysir herum eine mächtige, leuchtende Sinterterasse gebildet, von der ich sehr beeindruckt bin.

Dann suche ich das Courthouse auf, wo ich Bryce an seinem Arbeitsplatz antreffe. Er begrüßt mich herzlich und nimmt sich Zeit, mir die Kollektion seines Großvaters zu zeigen und über ihre Entstehung zu berichten. Anschließend darf ich mir diese Sammlung in Ruhe anschauen und er erlaubt mir, einige Fotos zu machen.

Über Jahrzehnte hat sein Großvater diese Artefakte gesammelt. Im Sommer war er draußen im Gelände unterwegs. Im strengen, kalten Winter stellte er dann nach eigenen Kriterien die Sammlung in kleinen verglasten Rahmen zusammen.

Am Ende seines Lebens verfügte er, dass diese Sammlung vor Ort verbleibt …

John Carlyle Smith, who put together this beautiful collection throughout his life.

Ein Geschenk für die nächsten Generationen …

Nach über einer Stunde verabschiede ich mich von Bryce, schwinge mich aufs Rad und mache mich auf den Weg zum Bear Lake. Ich folge damit seiner Empfehlung und bin gespannt, was mich erwartet.

Gelegentlich kommt mir Schwerlastverkehr entgegen. Das ist erträglich. Schwieriger ist es, wenn mich solche Fahrzeuge überholen. Besonders, wenn kein Begleitfahrzeug vorauseilt, dass mich mit seinem rückwärtigen Schriftzug „oversized vehicle“ warnt. Denn dann bin ich vorbereitet und kann notfalls die Straße verlassen.

Überall wird geerntet. Getreide und Wiesen bringen einen üppigen Ertag.

Am späten Nachmittag mache ich ein letztes Mal Halt an einem Truckstopp. Ein älterer Herr spricht mich an und kommt schwer ins Staunen, als ich ihm vom Verlauf meiner Reise erzähle. Als ich ihm auf seine Fragen hin mein Alter nenne, ist er komplett sprachlos. Er hat dasselbe Alter …

Es ist spät am Nachmittag. Die Sonne senkt sich bereits herab und eilt dem Horizont entgegen. Ich liebe diese Tageszeit, taucht sie doch die Landschaft in traumhaftes Licht.

Es sind mitunter nur Minuten. Aber diese Minuten setzen dem Tag die leuchtende Krone auf und lassen mich immer wieder Staunen.

Schließlich erreiche ich den kleinen Ort Dingle, nördlich des Bear Lake. Ich entdecke einen Sportplatz und suche einen Verantwortlichen, um mir eine Erlaubnis für die Übernachtung zu holen. In einer kleinen Gruppe von hier lebenden Einwohnern finde ich Ansprechpartner, die mir diese Erlaubnis erteilen.

Als Dankeschön gebe ich ihnen meine Visitenkarte und erzähle ihnen von meinem Projekt: a bike, a tent, a year. Aufmerksam hören sie zu und sind begeistert. Auch ich bin begeistert, habe ich doch einen guten Platz zum Übernachten gefunden.

Dunkel senkt sich über das Land und glücklich und dankbar schließe ich meine Lieder. Das war ein wundervoller Tag.

Von Jackson, Wyoming nach Wayan, Idaho

8. September 2024

Heute morgen lasse ich es ganz langsam angehen. Die Nacht war ruhig. Gegen 7.00 Uhr sind es noch 5° C. Schon eine Stunde später ist die Temperatur um einige Grade gestiegen. Bis auf das Zelt packe ich alle Sachen zusammen. Da ich das Zelt im Schatten eines Apfelbaumes aufgebaut habe, dauert es mit dem Trocknen etwas länger.

Ich habe mit Geneva vereinbart, dass ich gegen 9.00 Uhr zum Frühstücken ins Haus komme. Dort herrscht bereits reger Betrieb. Wie schon in den vergangenen Tagen brauche ich auch heute morgen nicht mitzuhelfen. Ich darf mich ganz als Gast fühlen.

Im Gespräch mit Geneva komme ich noch einmal auf die häufig gebrauchte Redewendung „Help yourself“ zu sprechen und meine Schwierigkeiten, diese Worte richtig zu deuten.

Nicht jeder Gastgeber mag es, wenn man in seiner Küche herumwirtschaftet. Nicht jeder Gastgeber möchte, dass ich als Gast das Bett abziehe. Und wie die Dusche behandelt werden sollte (ich möchte immer alles tip top hinterlassen), darüber gehen die Meinungen auch weit auseinander. Es gibt keine universelle Anwendbarkeit.

Also ist es jedes Mal eine neue Aufgabe herauszufinden, was mir der Gastgeber mit diesen Worten sagen will. Jeder hat sein eigenes System. Mal passt mein Verhalten in dieses System wunderbar hinein. Ein andermal liege ich daneben. Meine Zurückhaltung hilft mir, solche Situationen besser einzuschätzen.

Zum Abschied überreicht mir Geneva noch ein Lunch-Paket. Schnell ist das mittlerweile trockene Zelt eingepackt und verstaut. Noch ein Abschiedsfoto und eine warmherzige Umarmung. Und dann bin ich auch schon wieder auf der Straße.

Dank Genevas genauer Ortsbeschreibung finde ich mich in Jackson super zurecht. Ich komme an den empfohlenen Märkten vorbei, wo ich noch ein wenig einkaufe. Und um zwölf Uhr verlasse ich dann endgültig die Stadt. Auf einem ausgebauten Fahrradweg, der sich neben dem Highway durch die Landschaft windet, komme ich gut voran.

Der Fahrradweg windet sich durch das Tal des Snake-Rivers. Da ich in Fließrichtung des Flusses fahre, geht es die nächsten 40 Kilometer bergab. Ich bin so gut ausgeruht, das ich den Abschied von Jackson in vollen Zügen genießen kann. Ich habe nicht einmal große Lust zum Fotografieren. Ich genieße einfach nur die Landschaft für mich.

Und immer wieder kommen mir Gedanken zu meiner letzten Gastgeberin. Ihre Fürsorge und Gastfreundschaft waren für mich beispiellos. Und der Weg, den ich gehe, die Art und Weise, zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, dass ich als Reisender, als Fremder, als Unbekannter auf meine Gastgeber zugehe und ihnen zeige, wer ich bin und was ich tue. Ich kann nicht erwarten, dass die Gastgeber von sich aus auf mich zukommen wohlwissend, was ich jetzt gerade brauche.

So fliegen die Stunden dahin. Stumm zieht die Landschaft an mir vorbei.

Am späten Nachmittag treiben mich Regenwolken voran. Kommen näher. Aber erreichen mich nicht. Ich komme durch kleine, verlassene Ortschaften, Alpine, Etna, und lande bei Sonnenuntergang in dem kleinsten aller Orte an diesem Tag, in Wayan.

Etwa 200 Meter von der Straße entfernt fahre ich in die Einfahrt einer Farm. Der Hausbesitzer steht auf dem Hof und wir kommen ins Gespräch. Nachdem ich mich vorgestellt habe, schlägt er mir einen Platz vor, wo ich mein Zelt aufschlagen kann. Ich bin so froh, denn die Sonne verschwindet schon hinter dem Horizont und bald wird es Dunkel sein.

Mein Gastgeber heißt Bryce. Wie ich erfahre, ist er in der Verwaltung der Stadt Soda Springs tätig. Ich darf bei ihm die Dusche benutzen, was jedes Mal ein Highlight für mich ist. Bryce stellt mich zuerst seiner Ehefrau Shawney vor, die noch an den Folgen einer Knieoperation laboriert. Den Abend verbringen wir gemeinsam in ihrem Wohnzimmer.

Ich erzähle von meinen Reisen. Aber auch davon, wie viel Hilfe es mir bedeutet, wenn meine Hosts sich mit mir hinsetzen und für die nächsten Tage den weiteren Verlauf meiner Reise mit mir gestalten.

Und in dieser Hinsicht ist Bryce unschlagbar. Er füttert mich fortwährend mit Informationen, macht Vorschläge über die nächsten zwei Tage hinaus und liefert mir eine Fülle neuer Ideen, die bis zum Copper Canyon in Mexiko reichen. Was für eine Bereicherung! Was für ein Geschenk für mich, das Bryce mir da bereitet. Und das Schöne daran ist, dass er all diese Orte selbst bereist hat.

Im Wohnzimmer entdecke ich in einem Bilderrahmen eine kleine Kollektion von Pfeilspitzen aus Obsidian indianischer Herkunft, die mich begeistern. So schöne Objekte hatte ich bisher nie gesehen. Alle Pfeilspitzen in einem tadellosen Zustand und in liebevoller Anordnung wunderbar in Szene gesetzt.

Bryce erzählt mir, dass sein Großvater von Kindertagen an eine Leidenschaft für diese Artefakte entwickelt hat, die bis zu seinem Ableben anhielt. Und dann erzählt er mir, das sich in dem Nachlass seines Großvaters über 6.000 komplette, unbeschädigte Pfeispitzen, Messerklingen, Speerspitzen Bohrer, Ahlen und andere Gerätschaften aus Stein befinden.

Obwohl diese Sammlung dass Interesse der Smithsonian Institution und weiterer namhafter Forschungseinrichtungen erweckte, war es der Wunsch des Großvaters, diese Sammlung lokal zu erhalten. Sie befindet sich heute im Courthouse in Soda Springs und ist öffentlich zugänglich. Somit steht mein Entschluss für den folgenden Tag fest: ich werde das Courthouse in Soda Springs aufsuchen. Mit diesem Geschenk hatte ich nicht gerechnet.

Nun habe ich die ganze Zeit von Bryce berichtet. Aber an den Planungen war auch seine Ehefrau Shawney beteiligt. Und so bedanke ich mich bei Beiden für diese wunderbare Gastfreundschaft und den tollen Abend.

Mein Dank geht aber auch an Euch. Für Euch schreibe ich diesen Blog. Ich freue mich über Eure Begleitung. Wie viele Menschen lesen mittlerweile diesen Blog, von denen ich gar nichts weiß. Lasst mir doch einen Kommentar da. Es ist mein Wunsch, dass Ihr Freude daran habt. Und immer erfreuen mich Eure Kaffees. Vielen Dank! Ich radle derweil weiter.

Ein Ruhetag in Jackson, Wyoming

7. September 2014

Heute ist Ruhetag. Ich hatte Geneva gefragt, ob ich einen Tag bleiben und mich erholen darf. Sie hat sofort eingewilligt. Und so erlebe ich einen Tag wie im Märchen.

Auf meine Frage, ob ich ihr etwas Geld geben soll um ihre Unkosten auszugleichen, antwortet sie, das sei ihr Geschenk: Ihr Cup of Coffee für mich. Es ist ein Riesengeschenk. Frühstück, Mittag- und Abendessen. Zusätzlich bereitet sie mir eine große Freude mit einer Auswahl verschiedener Proteinprodukte.

Es ist wichtig, dass ich meine Batterien wieder auffülle und so verlasse ich nicht das Haus und genieße es, verwöhnt zu werden. Während ich am Blog arbeite, versorgt sie mich mit allem, was das Herz begehrt.

Für meine weitere Tour trennt sie ein paar Kartenseiten aus einem älteren Autoatlas. So habe ich ein paar Straßenkarten, die ich für die weitere Tour sehr gut verwenden kann. All das ist ein großes Geschenk für mich. Den Abend speisen wir gemeinsam.

Dave ist tagsüber Klettern gewesen und leistet uns Gesellschaft. Ich freu mich auch darüber sehr, hatte ich doch bisher wenig Gelegenheit, mit ihm zu kommunizieren. Das bei unseren Gesprächen auch die aktuelle Tagespolitik auf dem Plan stand, brauche ich nicht tiefer zu erörtern. Nur soviel – ich fühlte mich unter Meinesgleichen. Und so war auch dieses Thema eine große Freude für mich.

Den Abend beschließen wir mit einem leckeren Espresso-Dessert, einem Affogato. Ich hatte einen ruhigen, erholsamen Tag, der mir gut tut. Die müden Beine sind Vergangenheit. Die Motivation ungebrochen. Und neuer Tatendrang steigt in mir auf. Ich freu mich auf den morgigen Sonntag …

Von Grant Village, Campground nach Jackson, Wyoming

6. September 2014

Heute morgen sind es nur 1°C. Das Zelt ist noch nass und ich stehe im Waldschatten. Ich bin seit 6.00 Uhr wach.

In den WC Anlagen des Campingplatzes habe ich eine Steckdose entdeckt, wo ich die Möglichkeit habe, mein Smartphone aufzuladen. Da hier reger Verkehr herrscht, mag ich den Ort nicht verlassen. Zu ärgerlich wäre es, wenn mein Smartphone plötzlich verschwunden wäre. Wenigstens ist es warm hier. Von den Geräuschen will ich nicht reden…

Um 7.00 Uhr beginne ich zu packen. An einer kleinen Stelle erreicht die Sonne den Talboden. In diesem Licht stelle ich mein Zelt auf, was den Trocknungsvorgang enorm beschleunigt. Geduscht hatte ich am Abend zuvor in der mehr als 1 km entfernt liegenden Duschanlage.

Um 9.00 Uhr verlasse ich den Campingplatz und halte wenige Meter weiter bei einem Foodstore an. Die Auswahl begeistert mich nicht. Und die Preise entsetzen mich. So verlasse ich unverrichteter Dinge den kleinen Lebensmittelmarkt. Ich bin nicht bereit, von meinem ersparten Geld so viel für so wenig auszugeben.

Und so fällt mir die Entscheidung leicht, den Park zu verlassen. Ich habe noch für zwei weitere Tage gebucht. Diese Buchungen verfallen nun. Das ist immer noch preiswerter, als zwei Tage in Folge im Park zu verbringen und Grundnahrungsmittel zu deutlich überhöhten Preisen zu kaufen.

Die Tage im Park bleiben mir trotz alledem unvergesslich.

Um zehn Uhr radle ich los gen Süden. Und je weiter ich mich vom Park entferne, um so leichter wird mir ums Herz. Ich bin überzeugt, aus einer für mich sehr schwierigen Situation das Beste gemacht zu haben. Und ich bin dankbar, dass mich meine Frau dabei so unterstützt.

So wird mein Abschied aus dem Yellowstone Park zu einem ganz besonderen Erlebnis. Ich bemerke, wie frei ich plötzlich wieder das Radfahren und die Natur genießen kann.

Kilometer um Kilometer geht es voran. Und erst nach einer Weile bemerke ich, dass ich gar nicht gefrühstückt habe. Da kommt es wie ein Geschenk, dass ich bei einem kurzen Fotostopp von einem Autofahrer angesprochen werde.

Er und seine Frau laden mich auf einen Kaffee ein. Sie sind mit dem Wohnmobil unterwegs. Ursprünglich wollten sie eine Fahrradtour machen, aber plötzlich auftretene Knieprobleme vereitelten das Vorhaben. Aus dieser Not heraus haben sie sich kurzfristig entschieden, die Reise stark verkürzt für wenige Wochen mit dem gemieteten Wohnmobil fortzusetzen.

Leider war ich unaufmerksam. Ich hatte ihre Namen vergessen Und bevor ich sie erneut fragen konnte, waren wir alle schon wieder unterwegs, um unsere Träume und Ziele zu verwirklichen.

Vielleicht habe ich Glück und das Ehepaar aus den Niederlanden hinterlässt noch einen Kommentar. Das würde ihnen in meinem Blog Herz und Seele verleihen.

Der Kaffee hat mir gut getan. Ich verspüre keinen Hunger. Stattdessen große Zufriedenheit.

Und so radle ich durch die eindrucksvolle Landschaft.

Zwischen dem Yellowstone Park und meinem nächsten Ziel, dem Grand Teton Nationalpark, liegen nur siebenundzwanzig Meilen. Den größten Teil dieser Strecke fahre ich durch einen verbrannten Wald.

Es ist schon ein paar Jahre her, dass es hier gebrannt hat. Und langsam fängt der Wald an, sich vom Grund auf zu erholen. Die toten Bäume stehen noch. Im Unterholz jedoch zeigt sich üppiges Grün. Trotz alledem wird es Jahrzehnte dauern, bis sich hier ein neuer Wald gebildet hat. Die Vegetationszeiten sind kurz und das jährliche Wachstum spärlich.

An einer kleinen Parkbucht steht winkend ein Ehepaar. Als ich anhalte erkenne ich, dass wir uns bereits bei einer vorherigen Gelegenheit gegenseitig bekannt gemacht haben. Was für eine große Freude.

Rainer und Sylvia laden mich ebenfalls zu einem Kaffee ein. Wie schon zuvor werden aus dem Wohnmobil Klappstühle herausgeholt, aufgebaut und ich darf auf komfortablem Gestühl Platz nehmen.

Während sich Rainer mit mir unterhält, bereitet Silvia einen kleinen Snack und einen leckeren Kaffee zu. So bekomme ich das, was mir gerade fehlt: etwas zum Essen. Und das Wichtigste, wie schon zuvor: wir unterhalten uns. Es geht um die Erfüllung unserer Träume. Schlicht, es dreht sich um das, was wir gerade tun: Reisen und unser Glück finden.

Beide Begegnungen erfüllen mich mit Freude und geben mir einmal mehr das Gefühl, heute Morgen die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Nach knapp einer Stunde lösen wir die Kaffeerunde auf und jeder setzt seine Reise fort.

Mit dem Fahrrad hab ich die Gelegenheit, an Stellen anzuhalten, wo es für den Autofahrer unmöglich ist. Willow Flats im Grand Teton National Park gehört dazu. Zwar gibt es eine offizielle Parkbucht als Aussichtspunkt. Die Sicht von meinem Standort ist jedoch viel schöner und stellt die andere weit in den Schatten.

Man stelle sich die Teton Range und das Tal davor wie zwei Teile eines riesigen Gebirgszuges vor. Die Erdkruste dehnt sich und bricht entlang der 40 Meilen langen Teton-Verwerfung in zwei Blöcke. Brüche erzeugen große Erdbeben entlang der Verwerfung. Der westliche Block klappt nach oben und wird zur Teton Range. Der östliche Block neigt sich nach unten und bildet das Tal.

Während die Berge aufsteigen, schleifen Wind, Wasser und Eis die zerklüftete Skyline ab und erobern Sandstein- und Kalksteinschichten bis auf kleine Felsvorsprünge.

Die Landschaft verändert sich weiter. Geowissenschaftler prognostizieren zukünftige Erdbeben mit einer Stärke von bis zu 7,5.

Die Teton Range besteht aus einigen der ältesten Gesteine ​​der Erde, ist aber eine der jüngsten Gebirgsketten Nordamerikas. Die Dehnung, Rissbildung und Neigung, die die Tetons formen, begann erst vor 9 Millionen Jahren. Im Gegensatz dazu drückten geologische Kräfte die Erdkruste zusammen und schoben die Rockies vor über 70 Millionen Jahren in die Höhe.

Im Vordergrund das flache Tal. Im Hintergrund die Teton Range. Die Bruchzone verläuft entgangen dem Bergfuß von Nord nach Süd …

Während ich von Norden kommend in das flache Valley einfahre, breitet sich seit Stunden hinter dem östlichen Horizont ein Waldbrand aus.

In der späten Abendsonne erreiche ich schließlich Jackson. Einmal mehr genieße ich die warmen Farben der glühenden Landschaft.

Ich komme an einem Kunstwerk vorbei. Es besteht aus vier großen Bögen an den Ecken eines Platzes. Jeder einzelne Bogen besteht aus hunderten von Geweihen.

Geweihbögen sind seit 1960 die Tore zum Jackson Town Square. Die Geweihe stammen von den ca 7.500 Hirschen, die den Winter im National Elk Refuge verbringen. Die Bullen werfen im Frühjahr ihre Geweihe ab. Diese werden von den örtlichen Pfadfindern eingesammelt und jedes Jahr im Mai bei einer öffentlichen Auktion verkauft. Alle vier Bögen wurden vom Jackson Hole Rotary Club gebaut. Also keine Jagdtrophäen …

Aber es wird Zeit, sich nach einem Quartier umzuschauen. Im Ort spreche ich eine ältere Dame an. Die einzige Idee, die sie hat, liegt zwei, drei Meilen außerhalb des Ortes in der Straße Cash Creek. Sie beschreibt den Weg und ich fahre los.

Kurz vor Erreichen des Ortsausganges nehme ich allen Mut zusammen und spreche eine Frau an, die mit ihrem Hund spazieren geht. Dann habe ich ganz großes Glück. Geneva, so lautet ihr Name, läd mich einfach zu sich nachhause ein. Das Haus steht gleich um die Ecke. Und zwei Minuten später kann ich mein Rad an die Hauswand lehnen.

Geneva stellt mich ihrem Ehemann Dave und etwas später ihrem Sohn Bard vor. Dann erlaubt sie mir, mein Zelt in ihrem kleinen Garten aufzuschlagen. Anschließend darf ich ins Haus kommen, kann ein Bad nehmen, meine Schmutzwäsche verschwindet in der Waschmaschine und währenddessen gibt es ein leckeres Abendessen.

Geneva ist selbst mit dem Fahrrad auf Reisen gewesen und weiß, wie schwierig es manchmal ist, ein Quartier zu finden. Und so möchte sie sich auf diese Art und Weise für all die Gastfreundschaft bedanken, die sie anderswo genossen hat. Ich erlebe einen wunderschönen Abend.

Geneva hilft mir anschließend bei der weiteren Planung meiner Tour. Um 22.30 Uhr gehe ich in meinem Zelt schlafen. Mein Glück an diesem Tag kann ich kaum fassen. Voller Dank für diesen wundervollen Tag schließe ich meine Augen und schlafe Augenblicke später ein.

Von Yellowstone, Montana, Eagle Creek Campground zu den Campgrounds Madison und Grant Village im Yellowstone National Park

3. – 5. September 2024

Ich bin einen Tag zu früh. Für Yellowstone habe ich ab dem 4. September für vier Tage im Voraus online gebucht. So führt mich an diesem Morgen mein erster Weg zum Parkeingang. Dort scheint man das Problem zu kennen.

Ich erfahre, dass sie ein paar Zeltlätze für Radwanderer freihalten und bekomme als Empfehlung den Rat, mich zuerst am Campingplatz zu melden, mein Zelt nach offizieller Anmeldung aufzuschlagen und anschließend auf Tour zu gehen.

Mein Aufenthalt auf den Campingplätzen im Park sagt viel über meine Reise aus: über das, was mir gut tut und was nicht. Die Campingplätze sind freundlich formuliert riesig. Das erfordert eine Organisation, die über das übliche Maß hinausgeht.

Madison Campground hat keine Duschen. Grant Village hat Duschen und Waschsalons für die Versorgung der Menschenmassen. Und Madison Campground sowie Grant Village Campground bieten weder Elektrizität noch Internetzugang, was für mich zur Folge hat, dass meine Batterien sich nach und nach leeren, ohne Aussicht darauf, sie wieder auffüllen zu können.

Um die Zeit ohne Stromversorgung gut zu überbrücken, hätte ich 4 – 5 Powerbanks benötigt. So verlasse ich nach 3 Tagen mit fast leeren Akkus den Nationalpark.

Was mich persönlich viel mehr getroffen hat, war die gefühlte Anonymität. Auf keinem der Plätze ergab sich die Möglichkeit der Kommunikation mit den Nachbarn. Abends war ich zu kaputt, um lange aufzubleiben. Und am Morgen waren die meisten Campingplatzbesucher um acht Uhr schon wieder unterwegs zu ihren Traumzielen, oder wenigstens am Einpacken. Nur wenige Minuten insgesamt konnte ich mich in den Toilettenhäuschen unterhalten.

Ich merke immer mehr, dass die Begegnungen mit den Menschen mit zu dem wichtigsten Gut auf meiner Reise gehören. Ohne sie fehlt mir etwas Wesentliches.

Die Lebensmittelversorgung war ein weiteres Problem. Sie beschränkt sich auf das Allernotwendigste. Und das, wie ich finde, zu einem horrenden Preis. So habe ich zum Beispiel für 2 Liter Milch 11 Dollar bezahlt. 500 g Brot kosten 10 Dollar. Eine kleine Packung Bifi 9. Und das sind nur Snacks. Davon kann ich nicht leben.

Da ich als Radwanderer einen erhöhten Kalorien- und Eiweißbedarf habe, war dieser in den kleinen Parkshops zu einem fairen Preis nicht mehr zu decken. Es hätte mich umgerechnet siebzig Dollar pro Tag gekostet. Ich hatte mit meiner Biggi, die mich ermutigte zu bleiben, über Lösungsmöglichkeiten gesprochen. Doch die boten mir keine Alternative sondern bereiteten mir Bauchschmerzen.

So entscheide ich mich am 6. September, den Park zu verlassen. Das wirkt auf mich letztlich wie eine große Befreiung. Mir fällt eine Last vom Herzen. Anders vermag ich es nicht auszudrücken.

All das konnte mir aber nicht die Freude am Entdecken einer großartigen Landschaft nehmen. Die Wälder, die großen Bassins mit den Thermalquellen, die wunderbaren, in allen erdenklichen Farben leuchtenden Sinterterrassen und nicht zuletzt die atemberaubenden Geysire haben einen nachhaltigen, tiefen Eindruck in mir hinterlassen, um den ich so dankbar bin.

Ich habe lange überlegt, wie ich meinen Besuch im Yellowstone National Park am besten in einen Blog-Beitrag packe. Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, die Bilder ohne weitere Erläuterungen oder Quellenangaben online zu stellen. Somit bleibt es für den Betrachter ein kleines Geheimnis, an welchem Ort im weitläufigen Park sich welches geologische Juwel befindet.

Dabei habe ich die Anzahl der Bilder bewusst begrenzt … Ich hoffe, dass meine kleine Auswahl eure Zustimmung findet.

Von Pray nach Yellowstone, Montana, Eagle Creek Campground

2. September 2024

Eine wunderbare Nacht liegt hinter mir. Kein Autolärm. Nur das vielstimmige Heulen der Kojoten auf der anderen Seite des Flusses. Während ich mein Zelt abbaue, segeln mehrere Fischadler mit hoher Geschwindigkeit über den Fluss. Spannend, innezuhalten und ihnen zuzuschauen, wie sie elegant über den Fluss gleiten.

Ganz langsam wandelt sich die Landschaft. Es wird hügeliger, bergiger.

Und der Yellewstone River wilder.

Immer wieder ziehen an mir Schlauchboote und Kajaks vorbei. So harmlos der Fluss auch aussieht, sollte er nicht unterschätzt werden. An vielen Stellen zeigt sich seine ganze Wildheit und Schönheit.

Am Nachmittag, kurz vor Erreichen des Yellowstone Parks, halte ich abrupt an. Fast hätte ich es übersehen: Auf der Linken Seite der Straße steht im Gelände ein großes Rudel Hirsche.

Es ist schon erstaunlich, wie wenig diese Tiere in ihrer Umgebung auffallen, obwohl sie doch so groß sind. Und die scheu vor uns Menschen scheint ihnen unbekannt zu sein. Respektvoll halte ich Abstand, bleibe auf der Straße und nehme ein paar Fotos auf.

Dann radle ich weiter, meinem heutigen Ziel entgegen. Ich habe keinen Gastgeber gefunden, so mache ich mich auf die Suche nach einem neuen Schlafplatz.

Ich folge einem Wegweiser zum Beaver Creek Statepark Campground. Ein paar Kurven, ein steiles Wegstück bergauf, erreiche ich gegen Einbruch der Dämmerung den Campingplatz. Er ist gut besucht und ich begebe mich auf die Suche nach einer eigenen Parzelle. Da alle Plätze belegt sind, muss ich jemanden fragen, ob ich auf seiner Parzelle mein Zelt aufschlagen darf.

Während ich mich noch umschaue, spricht mich Eric an. Er erkennt meine Situation und bietet mir spontan an, auf seiner Parzelle mein Zelt aufzuschlagen. Die Begrüßung fällt sehr herzlich aus. Und gleichzeitig meint Eric, dass ich doch das Geld für den Schlafplatz sparen kann.

Dankbar und glücklich nehme ich an und baue mein Zelt auf. Und als wäre es selbstverständlich, bietet mir Eric auch noch Speis und Trank. Das ist es, was mich immer wieder fasziniert, und was ich so aus Deutschland nicht kenne. Ohne zu prüfen, wer ich bin, woher ich komme, oder was ich mache, erfolgt einfach die Einladung mit allem drumm und dran. Und ich bin jedes mal überwältigt von dieser Gastfreundschaft.

Wir kommen ins Gespräch. Erik arbeitet seit über 24 Jahren in der Milchwirtschaft. Und im folgenden Gespräch stellt Eric fest, dass ich, für die Menge an Muskelarbeit, die mein Körper täglich leisten muss, viel zu wenig Eiweiß zu mir nehme. Das Gespräch ist außerordentlich wertvoll für mich, weil Eric mir wirklich sinnvolle Lösungsvorschläge bereitet, um diesen Mangel zu beheben.

Dank seiner Ortskennis kann ich in der Dämmerung noch einen kleinen Spaziergang auf eine Anhöhe hinter dem Zeltplatz unternehmen, und in der Ferne ein paar weidende Hirschkühe ausmachen.

Zwischen den massenhaft verbreiteten, dreijährigen Wermutbüschen lauern kleine Opuntien mit ihren Stacheln. Gutes Schuhwerk ist angesagt in diesem wilden Terrain. Kurz vor Einbuch der Dunkelheit bin ich zurück von meinem Spaziergang, wünsche Eric noch eine gute Nacht und verschwinde in meinem Zelt.

Und wieder habt ihr mich begleitet und unterstützt: Mit euren Gedanken, eurer Aufmerksamkeit, euren Kaffees und Kommentaren, eurer Freude an meinen Bildern und Texten. All das kommt bei mir gut an. Vielen Dank, dass ihr dabei seid. Bis morgen!

Von Bozesman nach Pray, Montana, Emigrant Fishing Access

1. September 2024

Ich bin früh hoch. Das Packen geht schnell, da ich das meiste über Nacht am Fahrrad gelassen habe und auch kein Zelt abgebaut werden muss. Greg hat bereits das Frühstück vorbereitet, so darf ich mich an den gedeckten Tisch setzen.

Beschenkt mit all den wertvollen Informationen über den Yellowstone Park hinaus, mache ich mich nach dem Frühstück auf den Weg. Über die Bridger Canyon Road verlasse ich Bozeman. Ein kleiner, aber wunderbarer Umweg, den ich jedem Fahrradfahrer, der in diese Gegend kommt, empfehlen kann.

Wie immer empfinde ich die Landschaft hinter der nächsten Kurve als etwas Neues, nie zuvor Gesehenes. Ich bin jedes Mal fasziniert von der Schönheit, die mich umgibt. Den stetigen Wechsel der Naturräume zu erleben, durch die ich radle, ist jeden Tag aufs Neue ein besonderes Erlebnis. Hier bin ich gerade im Lower Bridger Canyon.

Für die Menschen, die hier lebten, wurde einst eine Schule gebaut, die bis 1959 betrieben wurde.

Der Yellowstone River begleitet mich den ganzen Nachmittag. Und während ich mich bergauf bemühe, fließt der Strom behende an mir vorbei bergab.

Später dann fahre ich am Yellowstone River entlang. Während ich mich auf der Straße langsam bergauf bemühe, kommen mir auf dem Fluss immer wieder Schlauchboot- oder Kanufahrer entgegen, die sich gelassen den Fluss hinabtreiben lassen. Die Paddel werden eigentlich nur eingesetzt um das Boot vom Ufer fern zu halten.

Oftmals ist der Fluss in der Weite nur erkennbar an seinem grünen Ufersaum. Hinter dem schmalen, grünen Band liegen bis in die Ferne gold leuchtende, weite Wiesen. Was für ein schöner Kontrast.

Gegen Sonnenuntergang erreiche ich mein heutiges Ziel, den Emigrant Fishing Access in Pray, Montana. Es gibt nicht viel zu überlegen. Auf einer Sandbank direkt am Ufer des Yellowstone Rivers schlage ich mein Zelt auf und genieße glücklich und zufrieden die letzten Strahlen der untergehenden Sonne.

Ein Tag in Great Falls

27. August 2024

Ein paar Tage zurück:

Jim und Michelle hatten mir angeboten, einen Tag auszuruhen. Und ich nehme das sehr gerne an. Eine Zeit nach dem Frühstück will Michelle mit mir im Auto nach Great Falls hineinfahren. Wir kommen nicht weit. Nach circa zwei Meilen bleibt das Auto stehen. Unser Glück ist, dass wir mein Fahrrad dabei haben. So setze ich mich aufs Fahrrad und fahre zum Haus zurück.

Michelle hat mir genau gesagt, wo ich den Autoschlüssel für den Truck im Hof finde. Schnell ist das Fahrrad aufgeladen und eine halbe Stunde später habe ich Michelle wieder erreicht. Sie steigt ins Fahrzeug und gemeinsam fahren wir nach Great Falls zu einem Fahrradhändler. Groß ist die Auswahl an Mänteln nicht. Aber ich finde einen passenden für mein Rad.

Abschließend fahren wir zu einem Supermarkt, wo mir Michelle gute Einkaufstipps gibt und einige Lebensmittel für mich einkauft. Ich habe immer noch Schwierigkeiten, bei der imensen Auswahl das Richtige für mich einzukaufen. Mir hilft das sehr für meine weitere Reise.

Nachdem wir alle Pflichten erledigt haben, nimmt mich Michelle mit auf eine kleinere Rundfahrt durch die Stadt. Der Name Great Falls stammt übgrigens von den Großen Wasserfällen des Missouri River. Das Wasser fällt innerhalb der Stadtgrenzen etwa 150 Meter in einer Serie von Stromschnellen und fünf Wasserfällen.

Zum Abschluss der Stadtrundfahrt besuchen wir noch ein kleines, eindrucksvolles Museum, das mit wunderschönen Exponaten insbesondere das Leben der Natives beleuchtet.

Nach erlebnisreichen Stunden fahren wir wieder heim. Während ich ein wenig am Blog schreibe, bereitet Michelle das Abendessen zu. Nach dem Abendessen nimmt Jim sich viel Zeit, und hilf mir bei der weiteren Planung meiner Reise. Seine Ortskennis ist hervorragend und liefert mir für die nächsten drei Tage wertvolle Hinweise, wie ich auf der weiteren Tour feststellen werde.

Zum Abschluss des Tages führen Jim und ich noch ein intensives, wertvolles Gespräch über Glaubensfragen. Und einmal mehr erkenne ich, wie wichtig der Glaube für die Menschen ist. Jim und Michelle handeln nach christlichen Grundsätzen. Ihre Nächstenliebe und Fürsorge sind beeindruckend und ein wichtiger Bestandteil Ihres Lebens. Mich haben diese Gespräche und Jims und Michelles Handeln im christlichen Sinne ganz besonders berührt. Die Zeit, die sie sich für mich genommen haben, ist ein ganz besonderes Geschenk für mich.