Ich habe gut geschlafen. Die Klimaanlage in dem Trailer hat dazu beigetragen. Um 8.15 Uhr kommt Herr Heinle und bringt meine Milchtüte, die in seinem Haus im Kühlschrank verwahrt wurde. Nach einem kurzen Gespräch verabschiede ich mich in den Tag. Es war für uns beide eine neue, angenehme Erfahrung.
Den ganzen Tag radle ich an Förderanlagen vorbei, die das ‚Schwarze Gold‘ in dieser Region fördern. An Pumpen, wie ich sie aus meinen Kindertagen in Norddeutschlsnd kenne.
Und auch an neuen Pumpen, die als schlanke Türme in den Himmel ragen.
Besonders Eindrucksvoll sind die Schlote, aus denen das schlechte, nicht weiter verwertbare Erdgasas laut zischend und fauchend entweicht und verbrennt.
Die kleine Bar ‚The Porch‘ in Ray
Da ich ohne Frühstück losgefahren bin, meldet sich nach einigen Kilometern der Hunger. In Ray finde ich eine kleine Bar, die geöffnet hat: The Porch. Ich bestelle einen Becher Kaffee und ein Croissant mit Rührei und Bacon und später noch einen weiteren Becher Kaffee.
Die Dame hinter dem Tresen zeigt sich sehr interessiert. Mit leuchtenden Augen und strahlendem Gesicht hört sie meiner Erzählung zu und vermerkt wiederholt, dass sie das nicht schaffen könnte. Ich sehe das anders. Sie ist gesund, groß, jung, und kann gut zupacken. Warum sollte sie das nicht auch können. Es mag andere Gründe geben. Aber mit ein wenig Training könnte sie auch auf die Reise gehen.
Ihr Lachen, Ihre Offenheit und Herzlichkeit sind wohltuend, außerordentlich angenehm und ansteckend. Als ich bezahlen will, lehnt sie ab. Es ist ihr Geschenk an mich und sie bereitet mir damit eine große Freude.
Getreidefelder in Montana
Draußen sind es 32°C. Und so suche ich nach weiteren zwanzig Meilen erneut Zuflucht, diesmal in einer Conoco Tankstelle. Noch vor dem Gebäude spricht mich strahlend ein junger Mann an. Er will wissen, woher ich komme und wohin ich fahre – heute und darüber hinaus. Und bereits vor meinen ersten Worten äußert er den Wunsch, mich zum Essen einzuladen.
Gesagt, getan und so sitze ich im kühlen Speisesaal des dazugehörenden Subways und verzehre, was ich mir gewünscht habe. Wir führen ein unterhaltsames Gespräch. Und der junge Mann erzählt mir, dass er maximal 35 Meilen als Trainingstour fährt.
Nebenbei stellt er mich noch seiner Mutter vor, die das Unternehmen führt. Und am Ende des Gesprächs bietet er mir seine Hilfe an, falls ich sie benötige, kramt einige Meter Draht aus derTasche und schenkt sie mir. Er hat mit diesem Draht schon sehr gute Erfahrungen gemacht und empfiehlt ihn mir weiter. Wie nett ist das …
Leider kann ich mich von dem jungen Mann nicht mehr verabschieden. Als Mitarbeiter hat er sich um andere Aufgaben zu kümmern und bleibt verschwunden.
Draußen ist es heiß. Trotzdem entscheide ich mich zur Weiterfahrt und schaffe in den nächsten 3 Stunden noch weitere 39 Meilen bis nach Bainville, Montana. Gegen Sonnenuntergang passiere ich Bainville. Ein Hinweisschild weist auf das Storehouse Ministry Center hin. Darunter eine Telefonnummer.
Ich rufe an und erhalte die Erlaubnis, hinter dem Gebäude zu übernachten. Im Sonnenuntergang ist mein Zelt schnell aufgestellt. Der warme Wind lässt auch nach 23 Uhr nicht nach. Und so werde ich mich durch diese trockene Nacht schwitzen. Euch allen eine gute Nacht.
Meinen herzlichen Dank an euch, die ihr mich begleitet, euch mit mir freut und manchmal mit mir leidet. Und die ihr mich mit Kaffee beschenkt. Schön, Euch im Gepäck zu haben.
Die Nacht ist unruhig verlaufen. Ich hatte gestern Abend wohl den falschem Platz ausgesucht. Und im Laufe der Nacht stellte sich heraus, warum: Das Picknickareal liegt genau zwischen zwei stark befahrenen Gleisen. Und besonders in der Nacht fahren hier die Güterzüge.
So rumpelten, polterten und lärmten hunderte Meter lange Kolonnen von Güterwagen, gezogen von munter bimmelnden und immer wieder das ohrenbetäubende Horn verwendenden, dröhnenden Lokomotiven durch mein Zelt.
Um sechs Uhr morgens ist meine Nacht zu Ende. Neben meinem Zelt herrscht reges Treiben. Mark ist bereits da und baut sein Freilichtwohnzimmer wieder auf. Er ist gut ausgestattet mit seinem Fernseher, seinem Radio, seinem Kaffeekocher und allem, was er so für den Tag braucht. Der überdachte Pavillon ist tagsüber sein Zuhause, während er die Nacht in einem alten Truck verbringt.
Als ich aus meinem Zelt krieche, ruft er mir fröhlich zu, dass der Kaffee bereits fertig ist. Kaffeecreamer und Zucker inklusive. So setze ich mich ein paar Minuten gemeinsam mit ihm hin, teile Obst und Gemüse mit ihm und er erzählt aus seinem Leben. Er erzählt von seiner Freiheit. Von seiner Zeit im Gefängnis. Und wie er zum Glauben gekommen ist.
Er sieht heute seine Aufgabe darin, andere Menschen zu beschenken. Sich selbst bezeichnet er als Outlaw. Er braucht kein festes zu Hause, hat keine Verwandten und ist mit seinem Leben, so wie es ist, sehr zufrieden.
Dann wird es Zeit, alle Sachen zu packen und sich aufs Fahrrad zu schwingen. Mark hatte sich bereits gestern angeboten, mich zu Val’s Cyclery zu bringen. Und so leitet er munter voran und führt mich um die kleinen Hügel herum, auf ebenem Weg zum Fahrradladen.
Sofort kommt ein Mitarbeiter, schaut sich den Schaden an, bittet um meine Telefonnummer und gibt mir als Empfehlung die Adresse eines kleinen Cafés, in dem ich frühstücken kann. Ich hoffe inständig, dass er den Schaden an meiner Gangschaltung beheben kann.
Heute ist Montag und das empfohlene Café hat geschlossen. Eine zufällig anwesende Mitarbeiterin schickt mich 50 Meter weiter über die Straße.
Ich lande im Parker Center Coffee Shop. Er ist einem Altenheim angegliedert. Und nachdem ich ein Formular ausgefüllt habe, erhalte ich ein reichhaltiges, leckeres Frühstück für vier Dollar. Der Kaffee wird gratis nachgeschenkt.
Da ich neu bin, zeigen Mitarbeiter wie auch Altenheimbewohner ihr reges Interesse. Und so berichte ich von meiner Reise. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Ich hätte noch lange bleiben können, doch nach knapp einer Stunde erhalte ich einen Telefonanruf vom Fahrradladen, dass das Fahrrad repariert sei.
Und so eile ich zurück. Anstatt dass, wie ich vermutete, die Alfine Gangschaltung kaputt war, welche 600 – 700 Euro kostet, war in dem Schlammloch, in das ich gestern geraten bin, Schmutz ins Innere der Schaltung eingedrungen. Der Mechaniker musste sie zerlegen und reinigen. Das war’s. Mehr nicht.
Dieser Fahrradladen hat sogar den Mantel, den ich so lange vergebens gesucht hatte. Mein Mantel am Hinterrad hat fast kein Profil mehr. Die ganze Reparatur inklusive neuem Mantel kostet mich am Ende 83 Dollar.
Erleichtert über die schnelle und preiswerte Reparatur und erfreut, dass ich nun wieder die kleinen Gänge und vor allem den Leerlauf nutzen kann, packe ich das Fahrrad und bin schon 10 Minuten später wieder unterwegs.
Bevor ich die Stadt verlasse, mache ich noch einen kleinen Abstecher zur hiesigen skandinavischen Stabkirche. Es gibt in dieser Stadt eine kleine, skandinavische Community, die den kleinen Park mit Kirche und angrenzenden Gebäuden pflegt.
Dann verlasse ich die Stadt und es geht hinaus aufs Land.
Die Landschaft ist lieblich kleinhügelig. Von Wetlands keine Spur. Inmitten der landwirtschaftlich genutzten Flächen entdecke ich immer wieder kleine Inseln, in denen die Ölpumpen das ‚Schwarze Gold‘ ans Tageslicht befördern.
Ich befinde mich hier in einem zentralen Gebiet der Erdölförderung der USA. Hier wird das Öl in der klassischen Art und Weiße gefördert. Teilweise mit Pumpen. Und wo die Pumpen fehlen, sprudelt es auch arthesisch aus der Erde.
Das Öl wird direkt in große Tanks, die wie Getreidesilos aussehen, gepumpt und per Truck in die Raffinerien zur Weiterverarbeitung befördert. Viele der Förderstellen verraten sich in der Landschaft durch brennende, fauchende und laut zischende Gasfackeln.
Gelegentlich sieht man auf den Feldern große Rinderherden und vereinzelt kleine Pferdetrupps.
In den Senken entlang der Straße haben sich wieder kleine Teiche gebildet, die für die Wassertiere ein El Dorado darstellen.
Da fällt der Wasserturm im Weizenfeld fast futuristisch aus
Mittlerweile ist es Abend geworden. Ich mache mich wieder auf die Suche nach einem Quartier und lande bei einer Familie Heinle. Im Sonnenuntergang genieße ich als erstes eine Dose Bier. Und anschließend eine leckere Fischspeise.
Ich hatte bereits mein Zelt aufgebaut, da kommt der Sohn der Familie vorbei und bietet mir an, in seinem Trailer zu übernachten. Gerne nehme ich das Angebot an, packe das Zelt wieder ein und ziehe in den voll klimatisierten Wohnwagen.
Hier im Kingsize Bett versuche ich noch ein paar Zeilen meines Blogs zu bearbeiten. Leider gelingt mir das nicht, da ich einfach zu müde bin und mir das Handy wiederholt aus der Hand rutscht. So lasse ich es gut sein und beende den Tag mit einem Dank an alle, die dazu beigetragen haben, dass es mir so gut geht.
Ich bin heute Morgen erschrocken um 8.40 Uhr aufgewacht. Ich hatte meinem Gastgeber Thomas und seiner Ehefrau Linda am Abend zuvor gesagt, dass ich um 8 Uhr da sein werde. Wenige Minuten später stehe ich an ihrer Tür und klopfe an. Sie erwarten mich bereits und bieten mir sofort ein Frühstück an. Es gibt 3 Eier wie gewünscht und jede Menge Wecken. Und es gibt einige Scheiben Toastbrot mit Huckleberries aus Montana.
In der Folgenden Stunde haben wir noch ein sehr anregendes Gespräch. Thomas ist Hobbyfunker mit Funkkontakten in alle Teile der Welt und zeigt mir einige der Kontakte, die ihm postalisch geantwortet haben. Er hat davon Hunderte in einem großen Karton aufbewahrt und ich bin beeindruckt von der großen Anzahl an Kontakten.
Als ich erzähle, dass ich in früheren Jahren Paläontologie studiert habe, leuchten seine Augen. Er eilt aus dem Zimmer und kommt mit einigen faszinierenden Versteinerungen zurück. Aufgeschlagene Konkretionen, deren Inhalt wunderschöne Farnblätter sind. Er und seine Frau Linda haben diese Objekte in der Landschaft hier North Dakota selber gefunden.
Dann zeigt er mir noch zwei archäologische Funde: Eine Pfeilspitze aus dunkelrotem Feuerstein, sowie einen Granitstein mit einer umlaufenden Brille. Dieser Stein wurde von den Natives wie ein Hammer verwendet.
Tom und Linda zeigen sich mehr als großzügig. Tom stellt selber Beef Jerky her. Ich teste ein Stück und bin begeistert. Daraufhin schenkt mir Tom eine ganze Tüte voll von dieser Delikatesse. Und Linda überrascht mich mit 40 US-Dollar, die sie mir gemeinsam schenken, damit ich mir ein oder zwei ordentliche Frühstücke leisten kann, wenn ich wieder auf der Straße bin.
Und zuguterletzt haben sie auch noch die Adresse des Fahrradladens In Minot herausgesucht. Soviel Gastfreundschaft. Soviel Herzlichkeit. Soviel Warmherzigkeit. An einem einzigen Morgen. All das beeindruckt mich einmal mehr.
Eine kleine Überraschung liegt gleich zu Anfang auf meinem Weg: Ich erreiche den geografischen Mittelpunkt Nordamerikas in Rugby. Ein kleines errichtetes Denkmal weist auf diese Besonderheit hin.
Anschließend packe ich meine Sachen und mache mich auf den Weg. Etwa fünfundsechzig Meilen muss ich mit der beschädigten Gangschaltung zurücklegen. Vorsichtig trete ich in die Pedalen und erhöhe langsam die Geschwindigkeit. Im fünften, sechsten und siebten Gang, (die kleinen Gänge kann ich nicht nutzen), komme ich in diesem flachen Gelände sehr gut voran.
Und wenige Meter weiter steht der Northern Lights Tower. Er ist einem der eindrucksvollsten Naturphänomene in der Prärie, der Aurora Borealis, gewidmet.
Ansonsten hatte es sich an diesem Tag auch schon mit den Highlights. Mehrere Stunden durchquere ich auf der Route 2 von Ost nach West die Prärie. Farmland breitet sich vor meinen Augen aus. Der Weizen ist bereits geerntet. Das Gras gemäht. In den letzten zwanzig Jahren sind Sojabohnen hinzugekommen. Und gelegentlich radle ich auch noch an Sonnenblumenfeldern vorbei. Das ist auch schon alles.
Um 17:00 Uhr erreiche ich Minot. In einer städtischen Parkanlage spreche ich einen Pickup Fahrer an und frage ihn, ob ich mein Zelt in dem Park aufschlagen kann. Es entsteht ein nettes Gespräch und im weiteren Verlauf dieses Gespräches erfahre ich, dass sich in dem Picknick Areal noch eine weitere Person namens Mark aufhält.
Er weist mich darauf hin, dass dieser Mark zwar eine „gestrandete Seele“ sei, dass er aber gleichzeitig auch ein herzensguter Mensch ist. Und als ich ihn auf einen Fahrradladen im Ort anspreche, empfiehlt er mir denselben, den mir bereits Thomas und seine Frau Linda empfohlen haben. Dabei stellt sich heraus, dass er den Inhaber dieses Ladens persönlich kennt.
Am Ende überreicht er mir noch seine Visitenkarte, vermerkt seine persönliche Telefonnummer auf der Rückseite und sagt mir, dass er einen der Polizisten, die diesen Park gelegentlich kontrollieren, persönlich kennt. Und wenn ich Probleme habe, soll ich ihn kontaktieren.
MIt all diesen guten Gaben ausgestattet, schlage ich mein Zelt auf. Im Laufe der nächsten Stunden habe ich längere Gespräche mit Mark. Mark hatte sich sehr häuslich unter der überdachten Picknickfläche eingerichtet. Fertiger Kaffee, Zucker und Kaffeecreamer stehen bereit. Ich darf mich bedienen.
Mark hat ein Radio dabei, einen Fernseher, der nicht richtig funktioniert. Mark kennt sich an diesem Ort bestens aus. Er weiß, wo die Steckdosen sind, wo es fließendes Wasser gibt und wo sich die Toiletten befinden. Vorsichtshalber fragt er mich, ob ich Drogen nehme, was ich verneine. Mark freut sich darüber sehr.
Dann erzählt er aus seinem Leben, das eben nicht gerade verlaufen ist. Er glaubt an Gott und sieht seine Aufgabe darin, andere Menschen glücklich zu machen. Er möchte sie beschenken. Und so beschenkt er auch mich und legt mir einen von den Natives gefertigten Steinschaber vor, den er mir schenkt. Ihm ist es ein Herzensanliegen, das ich das Geschenk annehme. Außerdem möchte er mich morgen früh zum Fahrradladen führen. So bin ich dankbar, dass mich der Pickup Fahrer Mark vorgestellt hat und dieser den Abend mit mir teilt.
Einziger Wermuthstopfen ist das Bahngleis, welches in circa 30 Metern an meinem Lagerplatz vorbeiführt. Vor einer Stunde fuhren laut hupend zwei Lokomotiven, die über 140 Waggons hinter sicher herzogen, an mir vorbei. Mal sehen, was die Nacht bringt.
Weil ich heute schon früh auf bin, kann ich bereits um 7.45 Uhr auf der Straße sein und nach Devils Lake fahren. Dort gönne ich mir in einem McDonald Bagel und Kaffee und lade meine Powerbank. Dabei telefoniere ich mit Biggi, wir suchen nach einer Möglichkeit, die Veröffentlichung meines Blogs etwas zu vereinfachen.
Nach einem gefüllten Tag etliche Stunden mit meinen Fingern auf der Handytastatur herumzutippen, noch dazu, wenn das Hochladen eines Bildes Minuten dauert und die Verbindung immer wieder abbricht … das ist auf die Dauer keine Lösung. Wie können wir es also leichter gestalten?
Jetzt werde ich den Text einsprechen und Biggi lädt die Bilder hoch in den Blog. Mal schauen, wie wir damit zurechtkommen. Sonst suchen wir eine andere Lösung.
Um 11.45 Uhr ist der ganze Rückstand abgearbeitet und ich kann wieder auf die Piste. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Außerdem bin ich durchgefroren wegen des Airconditions und will endlich raus, mich bewegen. Ich brauche noch Lebensmittel und stehe bei Walmart 40 Minuten an der Kasse, weil von 17 Kassen eine einzige geöffnet hat. Ich bin ungeduldig, in Schlangen stehen macht mich unruhig. Und so bin ich froh, als ich endlich auf dem Rad sitze und Devils Lake verlasse.
Ich fahre gen Westen und will heute die kleine Stadt Rugby erreichen. Da entdecke ich plötzlich eine Schlange, die sich auf dem warmen Asphalt rekelt. Ich bin ganz überrascht, doch leider macht sie sich blitzschnell auf und davon, noch bevor ich genau sagen kann, um welche Spezies es sich handelt.
Der Wasserknöterich blüht
Die Kathedralen des mittleren Westens …
… entpuppen sich letztlich als riesige Silos zum Speichern der produzierten landwirtschaftlichen Produkte.
Auf den meisten Feldern ist das Getreide bereits abgeerntet, sodass nur noch die gelben Stoppeln zurückbleiben. Nur auf wenigen Feldern ist überreifes Korn, welches darauf wartet, geschnitten zu werden. Wahrscheinlich hat der Regen dies verhindert.
Zuwegung zu einer Farm – mit Bahnübergang
Was hier in solcher Fülle wächst, muss ja irgendwie auch in die großen Standorte der Lebensmittelindustrie transportiert werden. Darum verläuft parallel zur Straße im Verborgenen die Bahnlinie, die das Getreide, die Bohnen und andere Gemüse, die die Farmer anbauen, in die großen Zentren zur Weiterverarbeitung bringen. Manche der Silos, in denen diese Produkte vorgelagert werden, ähneln großen Kathedralen mit einzelnen Kirchturmspitzen. Nur beim Näherkommen löst sich diese Silhouette auf in einzelne Gebäudeteile, die zum Teil gewaltige Ausmaße haben.
Ich höre immer wieder das Horn des Zuges und wundere mich erneut über seine Länge: 4 vorgelagerte Loks und um die 200 Waggons, ich habe so etwas in meinem Leben noch nicht gesehen. Über den Feldern sammeln sich die Schwalben für ihre Reise in den Süden.
Alte Schule am Wegesrand – Camping unerwünscht
Unbekannte Pflanze
Der Abend kommt näher, bald wird die Sonne den Horizont berühren und ich mache mich auf die Suche nach einem Quartier. 4-mal fahre ich auf einen Hof. 4-mal treffe ich entweder niemanden an oder werde vom Bauern abgelehnt. Mal freundlich, mal weniger. Ich akzeptiere es und verlasse den jeweiligen Hof.
Bei einem Farmer treffe ich einen angeketteten Schäferhund vor dem Haus, der dermaßen verängstigt ist, dass er sich auf dem Bauche kriechend vor mir aus dem Staube macht. Ich bin sehr erschüttert. Als ich gerade fahren will, kommt mir der Eigentümer entgegen und behandelt mich abweisend. Ich bin einfach froh, dass ich nicht bleiben muss. Hier hätte ich mich nicht wohl gefühlt.
Als ich den nächsten Hof auch verlassen will, lande ich unversehens in einem Schlammloch, dass von außen nicht erkennbar war, die Oberfläche war getrocknet. Um herauszukommen, musste ich im 1. Gang tüchtig in die Pedale treten. Es knirscht. Es kracht. Ich weiß nicht, was genau passiert ist, auf jeden Fall ist meine Alfine Gangschaltung im 1. und 2. Gang beschädigt.
Die Kurbeln vorne drehen jetzt andauernd mit, ich kann nicht mehr im Leerlauf fahren. Und ich kann diesen Schaden nicht selber beheben. Der nächste Fahrradladen ist weit entfernt. Das ist ärgerlich und vor allem teuer, die Alfine Schaltung kostet um die 600 – 700 Euro. Ich hoffe, dass ich mit dem Rad noch nach Minot kommen kann, welches ca. 100 Meilen entfernt liegt. Dort soll es einen Radladen geben.
Ich biege in eine Sackgasse ein und klopfe an ein Haus. Ein älterer Herr macht mir auf und stellt sich als Tom vor. Nach kurzer Vorstellung meinerseits freut er sich und bietet mir sein Grundstück zum Zelten an. Seine Frau Linda kommt hinzu, auch sie ganz freundlich. Und dann erfahre ich, dass er sehr erschöpft ist. Er hat Krebs. Er hat nicht mehr die Kraft, heute Abend noch zu kommunizieren, aber würde sich freuen, wenn ich morgen früh noch ein wenig ins Haus komme zum Plaudern.
Nachdem mein Zelt auf- und meine Fahrradtaschen abgebaut und im Zelt verstaut sind, klopfe ich bei Tom und Linda an die Tür. Ich darf auf der Terrasse sitzen, bekomme ein Stück Kuchen und einen Pfirsich herausgereicht, sowie ein Verlängerungskabel, damit ich mein Handy laden kann. Dann kommt Linda selbst noch hinaus auf die Terrasse, um sich mit mir zu unterhalten. Sie lauscht ganz aufmerksam und interessiert und lädt mich dann für den nächsten Morgen zum Frühstück ein.
Mein Wegbegleiter und Ratgeber in schwierigen Situationen: Ferki, der Leichtmatrose
Und Stille senkt sich übers Land
Froh und dankbar ziehe ich mich in mein Zelt zurück und lasse den Tag Revue passieren.
Danke, dass ihr mich wieder begleitet. Und dass auch ihr mir immer wieder einen Kaffee ausgebt. Ich hoffe, ich kann euch Freude bereiten mit den Erzählungen von meiner kleinen Reise. Ihr seid dabei!
Heute Morgen bin ich um 6 Uhr aufgestanden. Um 7 Uhr gab es Frühstück, das mir Phil bereitet hatte. Er brachte mir in die Veranda erstmal einen großen Becher unglaublich leckeren Kaffee. Ich weiß nicht, wie er den Kaffee zubereitet hat, aber die Crema war extrem aromatisch. Das weckte ein bisschen die Lebensgeister. Ich bin dann wenige Minuten später zu ihm in die Küche gegangen, nachdem ich mich im Bad frisch gemacht und angezogen hatte.
Gefragt, was ich zum Frühstück haben möchte, einigten wir uns auf 3 Eier, die er in der Bratpfanne zubereitete und Toastbrote. Als Reiseproviant gab es Laugenbrötchen, die ich mit Peanut Butter bestrich, weil das am Gehaltvollsten ist. Und ich habe mir eine Handvoll Backpflaumen nehmen können. Phil erzählte mir, auf seinen Touren ernähre er sich immer von Backpflaumen, Cranberrys und Rosinen als wundervolle Energiespender.
Wir haben uns heute Morgen noch ein wenig über das Kajak fahren unterhalten. Phil ist leidenschaftlicher Kajakfahrer und in seinem Eigentum befinden sich, wie gestern schon erwähnt, wohl ein Dutzend Kajaks.
Da sind hochmoderne faltbare Kajaks genauso wie Klassiker. Er hat sie zum Teil selber gebaut aus Sperrholz oder sogar aus Eichenholz, bespannt mit einer Tierhaut und sie zusätzlich mit einem wasserdichten Lack abgedichtet. Das Ganze sieht wunderschön und sehr professionell aus. Als Vorlage nimmt er Inuit Kajaks, so wie die Inuit sie bauen.
Er weiß zu jedem Kajak zu berichten, was das Besondere an dem Kajak ist und aus welcher Region es stammt. Er hat ein Kajak, welches von den Inuit auf der Westseite Grönlands verwendet wird. Er hat einen speziellen Typ Kajak, welches auf der Ostseite Grönlands von den Inuit verwendet wird.
Er hat aber auch Wildwasser-Kajaks aus dem Wettbewerbsbereich, wie sie bei den Olympischen Spielen eingesetzt werden. Und dann gibt noch ganz normale Kajaks, die wir eben auch benutzen könnten. Diese speziellen, selbstgebauten Kajaks zu sehen ist für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Ich sehe eine ganz ausgeprägte handwerkliche Kunstfertigkeit und auch ganz viel Wissen, was dort hineinfließt.
Nachdem ich mein Fahrrad gepackt hatte, haben Phil und ich uns um 7.45 Uhr voneinander verabschiedet. Vicky habe ich am Morgen nicht mehr gesehen. Sie hatte uns am Abend das Essen bereitet, wir hatten auch gemeinsam gegessen und während ich mich mit Phil unterhielt, hatte sie alleine an einem Puzzle gearbeitet.
Das finde ich ganz witzig: Vicky kauft ein Puzzle bei Freunden für symbolische 2 Dollar und puzzelt in aller Ruhe. Wenn sie fertig ist, vermerkt sie es im Deckel des Puzzles und das Puzzle geht weiter auf die Reise. So erfüllen diese Puzzle auf Dauer ihren Zweck und erfreuen viel mehr als nur einen einzigen Menschen.
Ich fuhr also von Crookston los. Das Wetter war bescheiden und grau verhangen und wusste nicht, ob es regnen sollte oder nicht. Es hat dann nicht geregnet. Etwa ein oder anderthalb Stunden war es diesig, nieselig und danach splitterte es nur noch ein wenig. Ab 13 Uhr lockerte sich dann die Bewölkung auf und blieb so über den ganzen Nachmittag. Erst gegen 18 Uhr kam von Norden eine dunkle Regenwand herein, die einen kurzen Gewitterguss versprach.
Ich bin heute gen Westen gefahren, der Wind kam aus nördlicher Richtung, so dass ich den ganzen Tag Seitenwind hatte. Er mäanderte über die weiten Felder und über die Äcker und erwischte mich leicht von vorn. Trotzdem habe ich heute einen guten Schnitt gemacht von 30 Kilometern pro Stunde.
Die Landschaft erstreckte sich relativ gleichmäßig, weite Felder unterbrochen von leichtem Gebüsch und kleinen Baumgruppen … An wenigen Stellen gab es sogar mal ein Relief in der Landschaft mit kleinen Tälerchen.
Doch im Großen und Ganzen ist es eine weite, ganz leicht gewellte Landschaft, durch die ich heute geradelt bin. Sie hat sich über den ganzen Tag kaum geändert. Die Vegetation zum einen landwirtschaftliche Nutzflächen, insbesondere Getreideanbau. Ich habe keine Milchwirtschaft gesehen. Und dann gab es wieder riesengroße Wetlandflächen voller Schilfbestände aber ohne große Baumgruppen.
Flattened animals
Eine Besonderheit zu der Straßensituation möchte ich doch noch erwähnen. Ich habe auf der bisherigen Reise in den USA und in Kanada schon viele Wildtiere am Straßenrand gesehen. Es handelt sich immer um „flattend animals“. Das, was Straßenverkehr plattggemacht hat und was an der Straße so liegen bleibt, bekommt man als Radwanderer präsentiert.
Nicht wenige Eichhörnchen, rotfarbene oder auch fast schwarzfarbene. Da sind Murmeltiere dabei und Stinktiere. Einen Fuchs habe ich überfahren gesehen und auch Waschbären. Jede Menge Vögel, von denen ich noch nicht mal weiß, um welche Arten es sich dabei handelt.
Aber heute habe ich etwas gesehen, was ich mir nicht erklären kann. Zwischen Grand Fork und meinem heutigen Zielpunkt Devils Lake habe ich so viele Frösche einer bestimmten Art, die ich nicht kenne, gesehen. Es waren Tausende, die hier verendet sind. Ein Teil ist sicherlich angefahren oder überfahren worden. Doch auch so lagen jede Menge Frösche rum, bäuchlings, auf dem Rücken liegend oder wie auch immer, auf jeden Fall vollkommen intakt und trotzdem leblos.
Und das hat mich dann doch traurig gemacht und mir den Unterschied deutlich gezeigt zwischen einem Autofahrer, der die schöne Landschaft und auch die Tierwelt genießen kann, weil sie heil ist. Er sieht ja gar nicht, was sein Fahrzeug anrichtet und was er am Wegesrand zurücklässt. Und auf der anderen Seite bin ich als Radfahrer unterwegs und erlebe hautnah den ganzen Friedhof der Wildtiere.
Ab in die Koje
Um 19.15 Uhr habe ich dann angefangen nach einem Platz für die Übernachtung zu suchen. Zuerst habe ich ein Rastplatz Areal gesehen. Doch sie hatten es genau zwischen die Fahrbahnen gelegt, die in die jeweilige Richtung fahren, sodass ich das Gefühl hatte, wenn ich mich da irgendwo mit dem Zelt hinsetze, fährt in der Nacht permanent der Autoverkehr durch mein Zelt. Das wollte ich mir nicht antun.
So bin ich ein Stückchen weitergefahren und nach rechts in einen kleinen Weg abgebogen, an dessen Ende ich eine große Scheune sah. Umgeben von einer gemähten Wiese. Hier habe ich mein Zelt aufgeschlagen und mein Fahrrad angekettet an ein schweres Eisenstück. Ich denke, so ist es sicher. Hier werde ich jetzt die Nacht verbringen und von hier aus werde ich morgen wieder starten.
Es ist jetzt genau zwanzig Uhr. Ich liege im Zelt. Ich habe schon ein wenig gegessen und bin erschöpft. Im Laufe dieses Tages bin ich 107 Meilen mit dem Fahrrad gefahren. Mein Hintern tut ordentlich weh vom Druck des Sattels auf die Gesäßknochen. Aber ich bin zufrieden. Ich freue mich über diesen Tag, so wie er gelaufen ist.
Monsterzüge
Und während ich im Zelt liege und dieses schreibe, rauscht im Hintergrund eine Eisenbahn vorbei. Ich hatte am späten Nachmittag die Gelegenheit, einen dieser Monsterzüge zu sehen. Es sind vier Lokomotiven vorgespannt und die Wagons, die angehängt sind in ihrer Länge, so lange Züge habe ich in Deutschland seit Ewigkeiten nicht gesehen, wenn überhaupt jemals. Und anders als in Deutschland, wo an jeder Straße, wo der Zug quert, eine Schranke angebracht ist, vermisst man diese Schranken hier in den USA. Das Horn der Eisenbahn ist über einen längeren Zeitraum zu hören, welches warnt, wenn die Eisenbahnen sich den Bahnübergängen nähern.
Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, dass es ein so wunderschöner Tag wurde. Vicky und ihrem Mann Phil möchte ich ganz besonders auch dafür danken, dass sie mich gestern Abend vor dem Abendessen in ihr Gebet eingeschlossen haben. Für sie war das alles eine Selbstverständlichkeit, im christlichen Sinne zu handeln heißt für sie eben auch, anderen Menschen Hilfe anzubieten, wenn Sie Hilfe brauchen und ganz ohne zu zögern für den anderen da zu sein.
Euch danke ich, dass ihr mich begleitet und bin überwältigt und dankbar über eure Großzügigkeit, mir den ein oder anderen Kaffee zu spendieren.
Heute Morgen bin ich früh aufgestanden. Um 8 Uhr gab es bereits Frühstück bei Mary und Greg. Die Beiden sind um die 70 Jahre alt. Ich hatte ein sehr schönes Kingsize Bett mit 1,50 m hohen Bettpfosten an jeder Ecke, über die man gut einen Betthimmel hätte spannen können. Es hatte die ganze Nacht geregnet und draußen sah es schauerlich aus.
Wir haben uns in der Küche getroffen und ich bekam 2 Spiegeleier und 4 Scheiben Toast mit Marmelade, die Mary für mich liebevoll bereitet hatte. Als Reiseproviant gab es 2 Salatgurken aus eigenem Garten. Unglaublich freundliche Menschen, hilfsbereit und in jeder Hinsicht darauf bedacht, dass es ihrem Gast gut geht.
Um 9 Uhr war ich bereits mit dem Fahrrad unterwegs auf der Route No 2, auf der ich den ganzen Tag geblieben bin. Die Fahrt verlief im Regen und ging nicht so zügig voran. Zuerst hatte ich leichten Rückenwind , der dann zum Seitenwind wurde und ab Nachmittag von vorne wehte. Ich kann dem Wind nicht ausweichen, es gibt wenig schützender Bewuchs. So bin ich in wiederkehrenden Schauern und im Nieselregen Richtung Westen gefahren.
In Erskine kommt dieser Wasserturm mit Ziegelsteingebäude in mein Blickfeld.
In McIntosh finde ich diesen Kinderspielplatz eigezwängt zwischen Panzer, Löwenstatue und Wasserturm.
Welche Freude das farbenfrohe Graffiti bringt an diesem düsteren Tag.
Um 4 Uhr am Nachmittag habe ich den Ort Crookston erreicht. Ich hatte bereits am Abend zuvor mit Phil Kontakt aufgenommen, der mich zu sich einlud. In Crookston fragte ich einen Autofahrer, wie ich denn am besten zum lokalen Flughafen komme. Worauf der Autofahrer kurzentschlossen mein dick bepacktes Fahrrad in seinen Van gehoben und mich die 4 Meilen zum kleinen Flugplatz gefahren und dort direkt vor dem Flughafengebäude abgesetzt hat.
Ich ging zunächst einmal in das Gebäude, denn ich war restlos durchnässt, um Phil von dort aus anzurufen. Ein Flughafenbeamter kam auf mich zu und fragt mich, was ich wolle. Ich sagte, ich wolle zu Phil. „Ach zu Phil, der wohnt da drüben.“ Es stellte sich heraus, dass Phil am Flughafen gut bekannt war. Phil erzählte mir später, dass es freundschaftliche Beziehungen gibt zum Personal des Flughafens. Wenn sie Schneeverwehungen haben rufen sie ihn an oder auch in anderen Situationen hilft man sich gegenseitig.
Phil ist ein noch recht junger Mann, ich schätze ihn auf 40 Jahre. Verheiratet, 2 Kinder. Phil ist begeisterter Kajakfahrer und begeisterter Mountainbiker. Was ich bei ihm gesehen habe an Kajaks sprengt alles, was ich bisher je an Kajaks gesehen habe. Da gibt es mit Häuten bespannte Kajaks, aus Sperrholz gebaute Kajaks, Kunststoffkajaks, teilweise wunderschön bemalt und künstlerisch gestaltet. Mit ihnen bewegt er sich auf den Seen und umliegenden Flüssen.
Ich bin in der verglasten, großen Veranda untergebracht. Hier habe ich meine Ruhe. Sie haben mir eine dicke Matratze und bezogene Kissen und Bettdecke gegeben und so mein Lager bereitet. Ich habe Wifi, so dass ich Bilder hochladen kann.
Um 19 Uhr haben wir gemeinsam zu Abend gegessen und uns mehrere Stunden unterhalten. Phil erzählte von seinen Erlebnissen, von den Menschen denen er begegnet. Unter anderem von einer jungen Frau, einer Engländerin, die mit dem Kajak, dem Ruderboot und dem Fahrrad eine Weltreise gemacht hat. Sie hat ein Buch verfasst über ihre Reise. Mit ihr ist Phil befreundet. Phil hat mir einige private Fotos gezeigt und ich war tief beeindruckt, welch freundschaftliche Bande er knüpft zu Menschen aus aller Welt.
Phils Frau hat ein phantastisches Abendessen bereitet, bestehend aus Nudeln und Hähnchenfleisch in einer Kruste gebacken. Als Nachspeise gab es eine leckere Melone. Außerdem hatte sie selbstgebackenes Brot auf dem Tisch, von dem ich ganz begeistert war. Es war sehr fluffig, ganz anders, als wir zuhause unser Brot bereiten (wir backen sehr rustikal mit Sauerteig). Das eine Brot war mit Pfirsichen belegt. Es sind ganz neue geschmackliche Erfahrungen und das macht es für mich auch zu etwas ganz Besonderem.
Besonders ist auch für mich, dass Phil mit mir eine Führung durch sein Haus gemacht hat, mir seine Kajaks gezeigt hat und die dazugehörenden Paddel. Auch diese waren sehr kunstvoll gefertigt, zum Teil waren sie hochtechnisch, zum Teil federleicht. Die meisten dieser Paddel habe ich noch nie gesehen.
Dann hat Phil sich noch die Zeit genommen, mir etwas über seine Familiengeschichte zu erzählen, die in zwei dicken Bänden, jeweils die väterliche und die mütterliche Seite, ihm zu Händen liegen. Als ältester Sohn in seiner Familie ist er derjenige, der diese Bücher in seinem Eigentum verwahrt. Wir haben über Familienforschung geredet und ich fand es sehr interessant, wie sie die letzten hundert Jahre aufbereitet haben, wie sie sie aufbewahren und wie bemüht er ist, diese Dinge zu erhalten. Um sie irgendwann, wenn es an der Zeit ist, weiterzugeben, damit sie weiter gepflegt werden.
Ich konnte meine Wäsche waschen und duschen und es gibt sogar einen Schuhtrockner, in dem gerade meine Schuhe trocknen.
Heute Nacht bin ich sicher. Für morgen habe ich noch kein Quartier. Ich gehe davon aus, dass es wieder den ganzen Tag regnen wird. Es wäre schön, wenn ich irgendwo eine Scheune finde, die mir bei dem Wetter Zuflucht bietet. Das bedeutet, dass ich entlang des Weges einen Farmer finden muss und an seine Tür klopfe und ich hoffe, dass er mir wohlgesonnen ist und ein kleines, trockenes Plätzen für mich zur Verfügung hat.
Meine Gastgeberin Emily und ihr Ehemann haben mich herzlichst aufgenommen. Die Nacht war ruhig und ich konnte mich gut erholen. Ein guter Kaffee weckt die Lebensgeister. Spiegeleier und Toast sorgen für eine gute Grundlage für den Tag.
Während des Frühstücks erzählt mir Emily’s Ehemann aus seinem Leben und von seinen Träumen. Die Beiden sind, bevor die Kinder kamen, mit dem Segelboot von Australien über Papua Neuguinea bis nach Japan gesegelt. Diese einjährige Tour hat sie geprägt. Und ihre mittelfristige Planung läuft auf einen langen Segeltörn in ein bis zwei Jahren mit den 3 Kindern hinaus. Sie sind dabei, die Grundlagen dafür zu schaffen.
Auch sie haben Träume. Und was für welche. Und ich zweifle nicht daran, dass diese Familie sich ihre Träume erfüllen wird. Und trotz der vielen Arbeit, die noch vor ihnen liegt, wollen sie weiterhin Gästen für eine Nacht eine Bleibe anbieten. Ich bin von ihrer Lebenseinstellung begeistert. Gegen 9:00 Uhr verlasse ich das Haus. So herzlich, wie ich am Abend zuvor begrüßt worden bin, so herzlich ist auch die Verabschiedung.
Emily begleitet mich zum Postamt, wo ich Erkundigungen einholen will für eine Nachsendung. Doch sie konnten mir nicht helfen. Dann fuhr ich zum Fahrradladen, der keinen passenden Reifen für mich hatte. Und so war ich schon um Viertel vor 10 auf der Piste und konnte meine 97 Meilen – 156 km – abradeln.
Am Oberlauf des Mississippi.
In Grand Rapids vermutete ich naheliegender Weise Stromschnellen. Der Strom ist übrigens der Mississippi, der durch diese Stadt fließt. Doch diese Stromschnellen sind heute nicht mehr vorhanden. Sie sind in einem nahegelegenen Staudamm hinter der Staumauer in dem entstandenen See verschwunden, so dass nur noch der Name auf sie hinweist.
Wenn man in die Stadt hineinkommt, wird es insgesamt etwas hügeliger. Auch das ist etwas Menschengemachtes. Denn diese Hügel bestehen aus dem Auswurf der ganzen Minen, die hier in der Gegend existiert haben. Es wird jetzt noch Eisenerz abgebaut, doch ob das auch in Grand Rapid der Fall ist, bin ich mir nicht ganz sicher. Auf jeden Fall hat das das Landschaftsbild sehr verändert.
Die Mountainbiker in dieser Stadt freuen sich, denn sie haben tolles Terrain, wo sie mit ihren Rädern durch die Gegend fahren können. Es wirkt wie kleinhügelige Landschaft, doch am Ende sind es nur wiederbegrünte Gesteinshalden.
Um etwa 17 Uhr war ich dann bei meinen Gastgebern und musste lediglich die letzten 15 Minuten im Regen fahren. Ansonsten war es ein sonniger Morgen, der in einen zunehmend wolkigen Tag überging, bis sich die Wolkendecke schloss und am frühen Abend der Regen begann. Die Landschaft ist flach. Ich fahre den ganzen Tag auf der Route No 2. Die hat eine so breite Schulter, dass man sogar eine 4-spurige Straße aus der 2-spurigen Straße machen könnte. Das vermittelt euch einen Eindruck, wie bequem die Piste für mich zu befahren ist.
Die Landschaft überwiegend Marschland. Ein Teil Wetlands. Eine Mischung aus Marschland und Moor. Wenig Wald. Die Wälder, die ich sehe, sind nicht mehr ursprünglich, sondern Anpflanzungen. Der Staat Minnesota, durch den ich gerade radel, hatte für die Papier- und Eisenindustrie Wälder abgeholzt. Mittlerweile ist man hier aufgewacht und es wird etwa das Vierfache von dem angepflanzt, was der Natur an Holz entnommen wird.
Heute geht es vorbei an mehreren Indianer-Reservaten. Die Namen auf den Ortsschildern sprechen dazu ihre eigene Sprache.
Die Schreibweise und das Lesen der Texte der First Nations bereitet mir jedesmal Schwierigkeiten, da ich den Sinn der Worte nicht verstehe. Weder Betonung noch Silben kann ich in ein Sprachmuster einfügen. Die Sprache bleibt mir ein Rätsel.
Bei meinen Gastgebern Mary und Greg wurde ich ganz herzlich aufgenommen. Beide sind Rentner. Ich wurde überaus großzügig bewirtet. Es gab Hähnchenkeulen, ich habe 3 Stück gefuttert. Ein Viertel Backblech Kartoffeln sind in meinem Bauch verschwunden. Als Dessert gab es einen ganz leckeren Schokoladenkuchen, in dem auch Zucchini verarbeitet war. Das interessante war, dass er sehr saftig war und sehr schokoladig schmeckte, aber gar nicht nach Zucchini.
Sie waren mir zwei Stunden wunderbare Gesprächspartner und haben viel Interesse gezeigt an dem, was ich von meiner Reise zu berichten habe: Über den ersten Teil der Reise, nämlich die Vorgeschichte mit meiner Frau Biggi (eine ganz eigene „Reise“) und den zweiten Teil der Reise, als Biggi mich aufforderte, eine Bucket List zu schreiben und mich fragte: Welche Träume hast Du noch im Leben und welcher davon ist Dein größter? Das war der Auftakt – ein Jahr später ging es los.
Morgen habe ich 60 Meilen vor mir, doch es wird den ganzen Tag regnen. Ich werde morgen früh zusammen mit meinen Gastgebern das Quartier verlassen, da diese wegfahren. Dann heißt es ab auf die Piste.
Ich habe meine Gastgeber Shaun und Sara früh am Morgen verlassen um in der Stadt einen Ersatzreifen zu kaufen für die 1.500 km lange Strecke nach Montana, da ich unterwegs nur durch kleine Orte komme. Diese Geschichte war nicht von Erfolg gekrönt.
Der erste Laden hatte zwar auf, aber nicht den gewünschten Reifen in meiner Größe. Er schickte mich zum Zweiten, der geschlossen hatte. Ich fand einen Dritten, der aber leider erst ab 12 Uhr geöffnet hatte. So lange konnte ich nicht warten. Ich habe mich daher unverrichteter Dinge auf den Weg gemacht.
Die ersten Kilometer aus Duluth raus muss ich über eine Felsstufe auf ein Plateau fahren. Es ist eine einzige Anstrengung dort hinauf, doch als ich endlich oben bin, es sind ca. 40 – 50 Höhenmeter, geht es mehr oder weniger flach weiter den ganzen Tag.
Ein Quiltverkauf am Wegesrand mit ganz farbenprächtigen Quilts.
Ich habe etwa 70 Meilen vor mir – ca. 113 km – und radle mit kleinen Pausen und mit Seitenwind durch. Wir haben 32 Grad und Sonne. Durch meinen Wunsch, möglichst Kilometer zu machen, schieße ich den ganzen Tag nur ein oder zwei Bilder. Denn ich weiß, der Wind kommt bald von vorn und ich will schneller sein.
Das ist der Mississippi.
Am Abend habe ich mein Ziel Grand Rapids erreicht, wo meine neuen Gastgeber mich ganz liebevoll aufgenommen. Sie nehmen mich mit zu den Eltern des Mannes zu einem vorzüglichen gemeinsamen Abendessen. Seine Mutter Linda, eine reizende Frau, der Vater ein wunderbarer, offener junger Herr meines Alters mit schlohweißem Haar und sehr vital.
Die gemeinsam verbrachte Zeit war sehr anregend. Sie fragten mich nach meinen Zielen, nach meinem Woher und Wohin und ich konnte völlig eintauchen in diese Familie. Sie haben mir das gegeben, was ich auf meinen Radreisen immer suche: Geborgenheit, Offenheit, Freundlichkeit … alles das, was man braucht um sich wohlzufühlen an einem fremden Ort.
Sie wohnen in einem wundervollen Haus direkt am See mit herrlichem Pinienbestand rund um das Haus. Es war früher der Playground des Sohnes, der dort aufgewachsen ist und ist nach wie vor wunderschön. Im Winter muss es gottvoll sein. Sie haben eine phantastische Wintersaison mit einer Eisdicke auf dem See von einem halben Meter. Das ist schon beachtlich. Selbst wenn ich 20 Winter in Oldenburg zusammenzähle, kommen wir nicht annährend auf die Hälfte dieser Dicke.
Doch von all dem waren es die Menschen, die mich am meisten berührten. Nach eineinhalb Stunden mussten wir wieder aufbrechen, weil meine Gastgeber ihre 3 Kinder dabei hatten. Nach 15 Minuten waren wir auch schon wieder zuhause. Mein Bett war bereitet in ihrem zweiten Wohnzimmer. Direkt neben meinem Bett: mein Fahrrad. Hier hatte ich einen sicheren Raum, einen trockenen Platz und eine herrlich ruhige Nacht.
So habe ich mit vollem Bauch den Tag in Frieden, Geborgenheit und Sicherheit beschließen können. Es war ein wundervoller Tag. Morgen geht es weiter.
Margret hatte mich am Abend zuvor sehr gut auf die Route vorbereitet. Sie hatte für mich einen Plan ausgearbeitet und alles auf einem Stück Papier niedergeschrieben, das sie mir gab. Am nächsten Morgen habe ich also alles zusammengepackt und war schon auf der Strecke, als ich bereits im ersten Teilstück bemerkte, dass ich den Notizzettel von Margret habe liegen lassen.
Erst habe ich überlegt, umzukehren. Doch sie hatte mir so gut erklärt, wo die Hauptstationen sind, die ich erreichen muss und wo ich nach links oder rechts abbiegen muss. Das habe ich mir im Kopf aufbewahrt gehabt.
Und so bin ich an diesem Tag in den Regen hineingeradelt. Es regnete so stark, dass es keinen Sinn machte, dass Handy offen am Lenker montiert zu haben, da es bei Nässe fälschliche Angaben macht, beziehungsweise sich ganz ausschaltet. Also habe ich das Gerät in meine kleine Lenkertasche gepackt und habe mich den ganzen Tag zwar nicht blind, aber doch ohne Navigation, über die Piste bewegt.
Die Route führte mich nach Conover und weiter zum Star Lake und von nach da ging es dann schräg rüber nach Boulder Junction. Über Presque Isle bin ich zurück zur Route 2 geradelt bis nach Marenisco. Dort entdeckte ich einen kleinen Verkaufsstand, wo ich an die Tür geklopft habe.
So lernte ich Britney und McKabe Memmel kennen, auf deren Land ich in meinem Zelt übernachten kann. Ihre Gastfreundschaft ist für mich überwältigend. Schnell wird eine Pizza bereitet und eisgekühlte Getränke bereitgestellt.
Zwischen den Erwachsenen spielen die Kinder. Britney kümmert sich um Kinder und Farm. Ihr Ehemann McKabe betreibt zusätzlich eine Autoreparatur-Werkstatt. Und so bewundere ich, mit wie viel Hoffnung, Ausdauer und Freude sie an ihren Träumen hart arbeiten.
Der nächste Tag beginnt, wie der vorige geendet hat. Mit andauerndem Regen. Britney hat mich zum Frühstück um 8 Uhr eingeladen und so klopfe ich an die verschlossene Tür. Sie öffnet, schaut mich verschlafen an und wir stellen gemeinsam fest, dass mein Smartphone hier an der Zeitgrenze die falsche Zeit anzeigt. Das ist mir so peinlich, ich habe sie um 7 aus dem Bett geholt.
Während ich im Smartphone die korrekte Zeitfunktion aktiviere, ist Britney verschwunden, um mein Frühstück zu bereiten. Eier, Toastbrot und leckeren Kaffee. In einem Augenblick nachlassenden Regens, packe ich meine Sachen Als ich starte, setzt erneut der Regen ein.
Ich bin ein wenig frustriert wegen des schlechten Wetters, aber das gehört nun einmal dazu und so lasse ich mich letztendlich von diesem Unbill nicht aus der Ruhe bringen.
Der erste Ort, den ich erreiche an diesem Morgen ist Bessemer. Sie haben eine riesengroße Skulptur aufgestellt. Sie weist darauf hin, das es sich beim Big Powderhorn um einen Ski-Ressort handelt. Im Winter muss hier also ziemlich viel leben sein. Nicht so einsam wie an diesem regnerischen Tag.
Es hat etwas aufgehört zu regnen, aber es ist immer noch stark grau verhangen. Ich weiß nicht, wie es wird, doch ich selber fahre weiter und so ändert sich ganz, ganz langsam auch das Wetter.
Einige Zeit später erreiche ich den Ort Ashland. Eingangs ein großes Haus mit einer Blockhauskonstruktion und einer großen Leuchtreklame vor der Haustür, die darauf hinweist, dass sich gerade das Bad River Indien Casino passiere. Ich bewege mich hier teilweise durch Indianerreservate. Die First Nations verdienen mit dem Casino ihr Geld. Ich habe schon schönere, glanzvollere Kasinos gesehen.
Was beeindruckend ist, ist dass es sich bei diesem größeren Komplex komplett um ein Blockhaus handelt in der traditionellen Bauweise des 19. Jahrhunderts, aus massiven Balken gebaut. Von außen ist es dunkelrot angestrichen. Das alles ist ziemlich verwittert und wirkt dadurch heruntergekommen.
Unter einem Kasino hätte ich mir etwas anderes vorgestellt. Aber ich bin nicht drin gewesen und kann deswegen nicht sagen, wie es innen ausschaut. Häufig ist es ja so bei alten Häusern, dass sie innen durchaus gut renoviert und restauriert sind und in Glanz und Gloria erstrahlen.
Weiter geht es auf der Straße an Ashland vorbei. Ich komme an der an der Küstenlinie vorbei, Ashland liegt an einem großen See. An diesem Sandstrand befindet sich eine kleine Konstruktion, eine kleine überdachte Stelle mit einem Brunnen, bei dem es sich um einen arthesischen Brunnen handelt.
Ich bin noch nicht ganz aus Ashland raus, da bemerke ich, dass es Zeit ist, mir einen Platz für die Nacht zu suchen. Also frage ich bei einem Farmer nach, ob ich mein Zelt bei ihm auf dem Grund aufschlagen kann, doch er verneint. Es macht ihm keine guten Gefühle, wenn ein Fremder auf seinem Grundstück verweilt, vor allen Dingen in der Nähe und Reichweite seines Hauses.
Ich akzeptiere es, fahre zurück auf die Straße, und fahre auf seinen Rat hin etwa tausend Meter weiter. Dort blicke ich auf die andere Straßenseite und sehe im Hintergrund ein Picknick-Areal, von dem ich nicht weiß, ob es privat betrieben wird, weil davor an der Straße eine kleine Bar ist. Es sieht so aus, als ob diese die Anlage betreibt.
Ich gehe also in die Bar hinein, warte bis der Barkeeper mich anspricht, ein Hühne von einem Mann mit einem ganz freundlichen Gesicht. Es ist die Pagac’s Bar. Sie ist erstaunlich gut besucht. In der spärlichen Beleuchtung entdecke ich einen ganzen Haufen von Gästen an der Theke und den Tischen hinter mir.
Nachdem ich ihm vorgetragen habe, was ich möchte, willigte er selbstverständlich ein und freut sich, dass ich ihn gefragt habe. Und ich freue mich, dass ich einen Platz habe, an dem ich Abendessen und mein Zelt aufschlagen kann.
Es ist bereits sehr spät, der Himmel leuchtet in der untergehenden Sonne noch einmal auf und mittlerweile hat sich an einer großen Werbereklame das Licht eingeschaltet und beleuchtet ein wenig meinen Campingplatz.
Ich bin früh wach, die Sonne erscheint am Horizont. Ich warte die ab, bis mein Zelt getrocknet ist und kann ein trockenes Zelt einpacken. Dann begebe ich mich rüber zu der Bar und klopfe an die Tür. Die Bar ist bereits geöffnet und ich treffe auf den Barkeeper von gestern Abend. Er stellt mich seiner Mutter vor, die die Bar immer noch managed. Er selbt ist wohl der Barkeeper.
Ich danke ihm für die Möglichkeit, hinter der Bar übernachtet zu haben. Er freut sich und gibt mir noch einen Kugelschreiber und zwei klitzekleine LED-Taschenlampen mit auf dem Weg, die ich dankend annehme.
Dann verabschiede ich mich auch schon und bin wieder auf der Straße. Ich werde heute wenig fotografieren, weil ich schnell vorankommen will. Ich möchte endlich Duluth erreichen.
Von Ashland nach Duluth
Ich habe jetzt den letzten Streckenabschnitt nach Duluth vor mir. Vorbei geht es an typischen amerikanischen Kleinstädten, die sich alle nicht großartig voneinander unterscheiden.
Am Wegesrand entdecke ich einen Verkaufsstand mit jeder Menge geschnitzten Tieren aus der Natur in Überlebensgröße. Als ich mich dieser Anlage nähere und mich umschaue und die Kamera zücke, um Fotos zu machen, kommt auch schon einer der Handwerker zu mir und spricht mich an. Er heißt Justin Howland.
Wir unterhalten uns eine Weile und er erzählt mir, dass der dunkle Bär, von dem ich ein Foto gemacht habe, der Originalgröße entspricht. Er erzählt, dass er seit über 25 Jahren diese Tiere entstehen lässt. Und dass der Bär in drei Tagen Arbeit von ihm hergestellt worden ist und ihm einen Verkaufserlös von zweieinhalb Tausend Dollar bringen soll.
Ich bin beeindruckt davon, wie er das alles mit diesen groben Maschinen hinbekommt und wie naturgetreu die Tiere dargestellt sind.
Ich passiere Marquette. Dort fällt mir eine gewaltige Konstruktion auf, das Iron Ore Dock, eine Verladestation für die Pellets, die in den Erzfabriken hier hergestellt werden und aus denen dann später alle möglichen Dinge aus Eisen hergestellt werden.
Diese Konstruktion ist mehrere hundert Meter lang, an die dreißig Meter hoch und auch zwanzig Meter breit. Bei diesen Verladestationen handelt es sich im Grunde genommen um eine Bahnstrecke, auf der die Eisenbahn bis an das Ende durchfährt. Dann können die Waggons einer nach dem anderen oder auch zeitgleich geöffnet werden und der Inhalt der Waggons fällt durch die Gleise in die darunterliegenden Schütten, die über schiefe Ebenen das Erz seitwärts auswerfen können.
Dort werden die Schotten geöffnet und das Erz kann dann der Schwerkraft folgend in das Schiff, das seitwärts an das Dock angelegt hat, runterfallen. Dabei muss lediglich darauf geachtet werden, dass es zu einer gleichmäßigen Beladung des Schiffes kommt, damit das Schiff nicht in eine gefährliche Schieflage gerät.
Natürlich bin ich beeindruckt über diese Konstruktion und wie gut das alles durchdacht ist. Die Beladung eines ganzen Schiffes mit 40 – 50.000 Bruttoregistertonnen ist in 3 – 4 Stunden abgeschlossen. Dann kann das Schiff schon wieder ablegen mit dieser Last und zu den großen eisenverarbeitenden Fabriken in St. Sault Marie rüberfahren.
Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass ich über diese Konstruktion bereits einmal berichtet habe. Diese Verwechslung entstand zum einen dadurch, dass es den Ortsnamen Iron River zweimal gibt. Zum anderen dadurch, dass ich mit dem Schreiben des Blogs in Rückstand war. Freut Euch an den Bildern. Ich werde diesen Fauxpas nicht auflösen, ihr möget mir verzeihen.
Auf dem Osaugie Trail, der am Ufer des Lake Superior entlang führt, passiere ich Superior. Jetzt geht es noch über die Richard I. Bong Memorial Bridge hinein nach Duluth.
Von der Brücke hat man einen wunderbaren Blick auf den Saint Louis River und die Grassy Point Swing Bridge, eine Eisenbahnbrücke, die beide Seiten des gewaltigen Flusses miteinander verbindet. Eine Stunde später habe ich mein Ziel erreicht. Sara und Shaun erwarten mich schon zum Dinner.
Ihre ganze Familie ist eingeladen und so lerne ich neben Sara und ihrem Mann Shaun auch noch die Kinder kennen. Da ist zum einen Connor, das ist wohl der älteste Sohn. Dann ist da noch Mercedes, sie ist die jüngste Tochter. Und es gibt noch eine weitere Tochter, ich glaube, sie heißt Margit, die mit einem Daniel zusammen ist. Alle sind da und es entsteht eine lebhafte Unterhaltung bei dem gemeinsamen Dinner draußen im Garten.
Natürlich sind sie interessiert daran, woher ich komme, wo ich langgeradelt bin und sie wollen wissen, wie es zu meiner Reise gekommen ist. Und natürlich, wie es weitergehen soll. So wird es zu keinem Zeitpunkt langweilig.
Sara und Shaun sind ganz liebenswerte Gastgeber. Sie haben mir in ihrem Haus unten im Souterrain einen Raum angeboten, wo es ganz still ist und wo ich die Nacht verbringen kann. Und sie sind auch so freundlich gewesen und haben mir einen weiteren Tag gewehrt, an dem ich bei ihnen im Haus bleiben kann. Ich möchte an meinem Blog weiterschreiben. Das ist von unterwegs aus immer etwas schwierig.
Shaun hatte mir noch für den nächsten Abend angeboten, mit Ihnen eine gemeinsame Kanutour zu unternehmen, auf der wir unter anderem dann auch Forellen angeln können. Schweren Herzens habe ich diesen Vorschlag abgelehnt, weil ich mir vorgenommen hatte, am Tag darauf an meinem Blog zu arbeiten und ihn upzudaten.
So ist dieser Teil der Reise von mir anders verplant gewesen, als Shaun es mir vorgeschlagen hat. Einerseits bedauerlich aber andererseit bin ich froh, dass ich die Zeit nutzen kann, um den Blog voranzutreiben. Meine Gastgeber sind während zeitweise nicht zu Hause und ich hatte wirklich in absoluter Ruhe Zeit.
Auch hier, wie so oft, die außerordentlich großzügige Gastfreundschaft, die ich genieße. Die mich jeden Tag aufs Neue begeistert. Auch wenn es mich ein wenig ratlos zurücklässt, weil ich nicht weiß, was ich dieser Gastfreundschaft gegensetzen kann.
Und dann denke ich: Jochen, Du musst dem gar nichts entgegensetzen. Es ist ihre Freundlichkeit und Großzügigkeit, die sie Dir zeigen und Du darfst sie annehmen. Und ich nehme sie an und ich bin glücklich, dass ich immer wieder, jeden Tag, diese Erlebnisse habe.
Und so danke ich jedem Gastgeber. Und heute danke ich Shaun und Sara dafür, dass sie mich aufgenommen, dass sie mir zwei Tage ein Quartier angeboten, dass sie mir Lebensmittel zur Verfügung gestellt und das Leben mit mir geteilt haben. Schöner kann es eigentlich auf eine Reise gar nicht laufen.
Es hat gestern Abend angefangen zu regnen. Und auch der heutige Morgen ist grau vergangen und nass. Ein Blick auf die Wetterkarte verrät mir, dass es heute noch nicht so schlimm sein soll wie morgen. Also packe ich alles zusammen und sause los.
Bereits nach wenigen Kilometern verlasse ich den Iron-Ore-Heritage-Trail und begebe mich auf die vorgegebene Schotterpiste.
Nach nicht allzu langer Zeit wird aus der Schotterpiste ein grasbewachsener, einspuriger, selten benutzter Weg, …
…, der am Ende im Farndickicht verschwindet.
Schließlich ist kein Weg mehr zu sehen. Und ich fahre durch hüfthohes Farn. Folge wohl mehr des Spur des Wildes als der menschengemachten Spur durch den Wald. Die Satelliten Navigation versagt unter dem Blätterwald. Und wegen der Anstrengung versagen langsam meine Kräfte.
Ich lege eine Pause ein und hole den guten, alten Kompass aus der Lenkertasche, um mich zu orientieren. Wenigstens der funktioniert. Irgendwo westlich von mir verläuft eine Straße in nordsüdlicher Richtung. Auf die will ich stoßen. Also runter vom Rad und schieben. Die grobe Richtung habe ich und kann sie auch halten.
Ein kleiner Bach zwingt mich zu einem kurzen Stopp. Erneut überprüfe ich die Richtung. GOS funktioniert noch immer nicht. Der Kompass gibt weiter die Richtung vor. Ich durchquere den Bach, was ein klein wenig Mühe bereitet, da sein Grund steinig und glitschig ist. Die nassen Füssen in meinen Schuhen ignoriere ich.
Und irgendwie verläuft vom anderen Ufer weg ein Pfad. Wildtierspuren im morastigen Untergrund verweisen auf regen Wildwechsel an dieser Stelle. Einige hundert Meter nachdem ich diesem Pfad gefolgt bin, öffnet sich die Spur ein wenig und ein kaum mehr benutzter Trail wird sichtbar.
Dieser führt auf schmaler Spur durch Wetlands, Wälder und über kleine Lichtungen. Schließlich weitet sich das Gelände. Aus dem Pfad wird ein schmaler Weg. Dann ein Fahrweg und zuletzt eine Schotterpiste, die Floodwood Road. An einer Abzweigung weisen Schilder, die in verschiedene Richtungen zeigen auf Bewohner hin, die irgendwo in dieser Abgeschiedenheit ein Haus oder wenigstens eine bescheidene Hütte haben.
Nach zweieinhalb Stunden habe ich diesen Streckenabschnitt bewältigt und erreiche den Highway 95 wenige Kilometer nördlich des Silver Lake Ressorts. Ich schätze, dass ich in dieser Zeit maximal 12 Meilen geschafft habe. Alles zusammen brauche ich fast vier Stunden für die ersten 25 Meilen dieses Tages.
Am Silver Lake Resort lege ich eine kurze Mittagspause ein. Ich frage die Dame hinter dem Tresen nach dem weiteren Verlauf der Strecke Richtung Iron River: Schotterpiste ist nicht zu empfehlen, wenn ich Iron River noch heute erreichen will. So entscheide ich mich für den Highway 95 bis Sagola. Dort werde ich dann nach Westen auf den Highway 69 abbiegen und bis Iron River durchradeln.
Auf dem United Spanish War Veterans Memorial Highway geht es ab Sagola Richtung Westen.
Am Ortseingang von Iron River grüßt die auffällige Senventh Day Adventist Church. Die Feinheiten der verschiedensten Splittergruppen christlicher Religion werde ich wohl nie ganz begreifen. Es müssen jedenfalls ein paar Dutzend sein. Und für jede ist Platz in diesem riesigen Land.
Es sind die letzten Kilometer. Die Sonne senkt sich bereits zum Horizont herab. Die vor mir liegende Straße weist keine Kurven auf. Dafür eine beachtliche Amplitude in ihrem Höhenprofil.
Und dann stehe ich plötzlich vor dem Haus meiner heutigen Gastgeberin Margaret. Sie erwartet mich bereits. Das Fahrrad kommt gleich in die Garage. Mein Quartier liegt darüber. Margaret lebt im Haus nebenan. Alles ist vorbereitet.
Und Margaret erklärt mir die Besonderheiten dieses Quartiers. Kein fließend Wasser. Eine Trockentoilette und eine kleine Dusche im Garten. Mit fließend heißem und kaltem Wasser.
Als wir die Tür zum Hinterausgang öffnen, steht in ca 20 Metern Entfernung eine Weißwedel-Hirschkuh vor uns. Sie macht keine Anstalten, sich fortzubewegen. Erst als wir auf die Dusche zulaufen, setzt sich die Hirschkuh gemächlich in Bewegung und verschwindet im Dickicht. Margaret erläutert mir noch die Funktionsweise Dusche. Dann lässt sie mich allein. Geht hinüber zu ihrem Haus und bereitet das Abendessen …
… während ich ein erfrischendes, reinigendes Duschbad nehme. Anschließend gehe ich hinüber zu ihrem Haus. Ein paar Minuten sitze ich auf der kleinen Veranda vor ihrem Eingang. Und während ich noch sitze und erst einmal Verschnaufpause halte, tanzt ein Kolibri vor meinen Augen um einen Nektarspender, den Margaret aufgehängt hat. Ich beobachte den kleinen Kerl gut eine Minute, bevor er schließlich davonfliegt.
Mein kleiner Waschtisch im Schlafzimmer.
Trinkwasser in der Küche.
Liebevoll hat Margaret alles vorbereitet. Und während wir gemeinsam speisen, erzähle ich meine Geschichte und Margaret hört aufmerksam und interessiert zu. Das Essen ist vorzüglich. Alles stammt aus dem eigenen Garten. Und Margaret ist zu recht stolz darauf…
Und hier ein paar Zahlen:
78 Tage auf meiner Reise
68 Blogbeiträge geschrieben
über 6.000 km geradelt
36 mal mein Zelt aufgeschlagen
42 mal bei liebenswerten Gastgebern übernachtet in Haus, Hostel, Hütte, Veranda, Boot, Wolkenkratzer, Eisenbahnwagon, Pferdestall, Trailer …
X Platten
X mal nass geworden
X leckere Kaffees getrunken
Danke euch, die ihr mich begleitet, mit mir fiebert, dass ich einen Schlafplatz finde, die ihr mich mit einem Kaffee beschenkt … ihr helft mir, weiterzupetten.