Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Jo

Von Doaktown nach Miramichi, New Brunswick

Die Nacht war ruhig und kühl. Und am Morgen lacht die Sonne mir ins Gesicht. Schnell ist alles verstaut. Ich habe Hunger, aber der Proviant ist verbraucht. Also auf zum nächsten Supermarkt. Nach wenigen Kilometern finde ich einen. Und halte erst einmal die Luft an. Alles scheint nochmals teurer als und den USA. Und so stehe ich unentschlossen vor Obst und Gemüse und versuche, mir eine Preisübersicht zu verschaffen.

Plötzlich kommt ein junger Mann auf mich zu und fragt, ob er helfen kann. Ich frage, welches die preiswerteste Apfelsorte ist, die sie im Supermarkt im Angebot haben. Er gibt mir keine Antwort, lächelt mich an und fragt stattdessen, wo ich herkomme, wohin es geht, usw. Ein kurzes Gespräch, an dessen Ende er sein Portemonaie zückt, mir 100 Kanadische Dollar schenkt und eine gute Reise wünscht. Sprachlos, aber strahlend schaue ich ihm hinterher, wie er zwischen den Regalen des Supermarktes verschwindet. Im Gefühl großer Dankbarkeit tätige ich meinen Einkauf, und frühstücke erst einmal etwas abseits des Supermarktes.

Eine Kundin des Marktes kommt auf mich zu. Ein nettes Gespräch entwickelt sich, in dessen Verlauf sie mir wertvolle Tipps für den weiteren Weg gibt. So komme ich in Blackville runter von der Hauptstraße und es geht den Miramichi River entlang Richtung Miramichi.

Ich bin schon ein Stück gefahren, da werde ich erneut angesprochen. Mary stellt sich vor. Während einer wunderschönen, angenehmen Unterhaltung zeigt sie mir ein paar lokale Spots und erklärt mir, dass der Ort, an dem wir uns gerade befinden, früher Indiantown hieß, irgendwann jedoch umbenannt wurde in Quarryville.

Mary hat eine Überraschung für mich parat: gemeinsam gehen wir in einen großen Supermarkt einkaufen. Mir hilft das ungemein. Hatte ich doch bisher die Preisauszeichnungen an den Waren nicht richtig verstanden.

Bepackt mit Brathähnchen, frischem Gemüse, Brot und Wassermelone betreten wir ein Lokal und breiten unsere Speisen auf der Theke aus. Das ist erlaubt. Nur das selbstgebraute Bier muss bestellt werden. Und dann wird gespeist. Die Kosten werden geteilt, wobei Mary den Löwenanteil übernimmt. Ich bezahle das Gemüse und die beiden sehr leckeren Biere.

Um 16.00 Uhr verabschieden wir uns voneinander. Über die Beaverbrooks Road verlasse ich Miramichi in nördliche Richtung. Eine breite Asphaltstraße, die aussieht, wie ein Flickenteppich in Schwarz- und Grautönen. Fast kein Verkehr. Nach über 13 km fehlt plötzlich der Belag. Breit, mit tiefen Spurrillen zerfurcht geht es viele Kilometer weiter.

Vorbei an Landschaften, die stark an Moore erinnern.

Ein Eldorado für die Tiere. Biberdämme, die ganze Areale unter Wasser setzen. Tierspuren, die auf Elche hinweisen und ein Weg, der abrupt endet. Ich kann es kaum glauben. Google sagt zwar Geradeaus. Aber vor mir liegt nur undurchdringliches Buschwerk. Den einzigen Autofahrer, den ich zufällig treffe, spreche ich an. Ergebnis: Ich muss den Weg bis Miramichi wieder zurückkehren.

Selbst kleine gescheiterte Nebenpfade führen hier draußen ins Nichts. So fahre ich in den Abend hinein, zurück nach Miramichi. Um weiter zu fahren, ist es nun zu spät.

In einem kleinen Park mit bester Aussicht auf den Fluss finde ich meinen Platz für die Nacht.

So könnte meine Tour weitergehen – oder ganz anders


Von Moores Mills nach Doaktown, New Brunswick

Um 6.00 Uhr in der Frühe klopft Robert an die Tür und teilt mir mir, dass Jasper bereits auf dem Weg ist, um mich mitzunehmen. Also raus aus den Federn und rein ins Bad, ankleiden, packen und nichts vergessen … Robert hat mir ein leckeres Frühstück bereitet. So verlockend. Aber Jasper ist bereits da. Fahrrad und Gepäck werden im Kofferraum verstaut. Ich nehme auf dem Beifahrersitz Platz und Robert reicht mir lachend das Tablett mit dem Frühstück herein.

Ein kurzer, aber sehr intensiver Abschied von Robert. Ich habe die Zeit mit ihm zusammen unglaublich genossen. Die Gespräche intensiv. Die Themen abwechslungsreich. Mal ernst, mal heiter. Über Politik, Gesellschaft, Historie. Über sein Leben und über meines. Und so ist Robert zu einem wunderbaren Teil dieser Reise geworden. Und auch Jasper, sein zukünftiger Schwiegersohn, gehört in meine Schatzkiste. Auf der Fahrt nach Fredericton in New Brunswick unterhalten wir uns so hingegeben, dass ich von diesen 50 Meilen nicht sagen kann, welche Landschaften an mir vorbeifahren. Etwa 10 Meilen vor Fredericton erreicht er seine heutige Arbeitsstelle.

Das Rad wird zusammengebaut, alles an seinem Platz verstaut. Ich bekomme noch kurz Gelegenheit, Jaspers Vater kennenzulernen. Und dann bin ich schon wieder unterwegs. Es ist kühl und bewölkt. Aber ich habe großes Glück. Die Regenfront ist bereits vorbeigezogen und so wird es heute trocken bleiben.

Als ich dieses Schild passiere, mache ich einen großen Fehler. Eigentlich muss ich noch ein Stück Richtung Edmundston. Aber ich fahre weiter Richtung Fredericton. Und denke nicht weiter darüber nach. Navigation ist ausgeschaltet. Und Stunden später, ich bin wohl 60 Kilometer nordöstlich von Fredericton, erkenne ich, dass es nicht die geplante Route ist. Ein wenig ärgert es mich schon, hatten Robert und Jasper mir doch geholfen, einen interessanten, reizvollen Weg nach Campbellton zu finden. Dann schüttle ich mir den Frust von der Seele und munter geht es weiter.

Radweg in Fredericton.

Er führt über eine ehemalige Eisenbahntrasse aus der Stadt raus.

Ich bin gespannt, was meinen Weg noch kreuzen wird.

Eine TBM Avenger Airkraft#14. Die wurde in dieser Region wohl 50 Jahre lang in der Forstwirtschaft eingesetzt.

Am Abend fahre ich zum Schlafen an einen Fluss. Dort hatte ich einen der hier üblichen Picknicktische entdeckt. Aber der Ort scheint sehr beliebt zu sein. Nach und nach bekomme ich Besuch. Zuletzt sind wir 7 Leute. Und so entschließe ich mich, noch etwas weiter zu ziehen.

Dann schlage ich mich in die Büsche. Ich bin irgendwo im Nowhere. Kein Empfang, dafür eine Menge Ruhe. Erschöpft wie ich bin, nach über 100 km radeln, will ich nur noch eines: schlafen!

So könnte meine Tour weitergehen – oder ganz anders

Moores Mills – Ruhetag

Heute Morgen bietet mir mein Gastgeber an, dass ich noch einen Tag bleiben kann. Ich nehme gerne an. So habe ich Zeit, mich mit den weiteren Planungen zu beschäftigen und meine Wäsche zu waschen. Robert unternimmt mit mir eine Fahrt nach St. Stephens, wo ich eine Prepaid SIM-Card für Canada kaufe. So bleibe ich für meine Frau Biggi jederzeit erreichbar.

Robert ist ein wunderbarer Gastgeber. Er hilft mir in jeder Hinsicht. Besonders bei der Routenplanung sind seine Vorschläge sehr, sehr wertvoll. Und ich bin froh, dass er seine Erfahrungen mit mir teilt. So habe ich ein sehr gutes Gefühl für die kommenden Tage. Nachmittags ist Familienpflege via Internet angesagt. Und kaum dass ich das Gespräch beendet habe, läd mich Robert zum Abendessen bei einem Glas Bier nach Saint Andrews ein. Seine Tocher kommt mit ihrem Freund Jasper hinzu.

Wir speisen bei Livemusik und führen eine anregende Unterhaltung. Jasper bietet an, mich Samstagmorgen bis Fredericton im Auto mitzunehmen. Dieses Angebot nehme ich gerne an denn es soll den ganzen Tag heftig regnen. Das strengt mich an. Nach dem Abendessen mit einem anschließenden, gemeinsamen Spaziergang durch den kleinen Hafen von Saint Andrews verabschieden wir Jasper und Roberts Tochter.

Eine kleine Überraschung hat Robert noch für mich parat: er fährt mit mir zu einem seiner Lieblingsorte und wir erleben noch einen wunderbaren Sonnenuntergang. Und während die Sonne verglüht, zeigen sich an anderer Stelle die Vorboten eines Gewittersturms.

So bleibt mir am Ende des Tages, allen zu danken, die mich diese Tage begleitet haben. Und ganz besonders möchte ich Robert danken, der mir diesen unvergesslichen Aufenthalt in Moores Mills ermöglicht hat.

Die Würfel sind gefallen – 3 Monate Kanada

Der Start in den Tag gelingt gut. Bei der ersten Gelegenheit halte ich an und gönne mir einen großen Becher Kaffee. Ich bekomme ihn gratis. Da steige ich aufs Rad und die nächsten 41 Meilen drehen sich meine Beine und mein Kopf. Ich bin in Gedanken schon in Kanada. Ohne zu wissen, ob es klappt.

Zwar gibt es Abwechslung entlang des Weges. Ich aber bin gefühlt schon an der kanadischen Grenze. Und so übersehe ich vielleicht die ein oder andere Schönheit. Die frische Brise in der salzhaltigen Luft tut gut und weckt meinen Geist. Nicht nachdenken. Einfach fahren. Du hast gut geplant …

Es geht vorbei an kleinen Häuschen, die man für den Urlaub mieten kann. Richtig klein und keine 20 m von der vielbefahrenen Interstate entfernt.

Und immer wieder öffnet sich der grüne Vorhang und gibt die Sicht frei auf das Meer, welches mit seinen Prielen tief in die Marschen eindringt.

Meterdicke Sedimentschichten hat das Meer in den Marschen abgeladen. Sie stehen im interessanten Kontrast zu den Hügeln, welche die Marschen kleinflächig zergliedern.

St. Croix Historical Site. Im Jahre 1604 ein Ort, an dem sich ein Drama abspielte. Darüber lässt sich sicherlich einiges im Internet finden.

Ich erreiche Calais, ein unscheinbarer kleiner Ort. Hier geht es über die Grenze. Ich reihe mich in die Autoschlange ein, und warte. Nur kurz, denn ein Mitarbeiter der Grenzbehörde winkt mich an der Schlange vorbei und weist mir den Weg in ein Verwaltungsgebäude. Dort, in einer Wartezone, nehme ich Platz. Kaum habe ich mich gesetzt, werde ich freundlich von einer Grenzpolizistin angesprochen. Ich reiche meinen Reisepass und meine Visitenkarte, die Biggi liebevoll gestaltet hat. Kurz darauf bittet mich die Polizistin, das Fahrrad anschauen zu dürfen, fragt nach meinem Beruf, wie lange ich in Kanada bleiben möchte, was ich an Ausrüstung dabei habe und wo ich wohnen werde. Alles sehr freundlich. Alles sehr sympathisch.

Meine Angaben stimmen sie zuversichtlich. Und bereits 5 Minuten später ist die Entscheidung gefallen. Ich bekomme eine Aufenthaltserlaubnis für drei Monate. Ich hätte die Polizistin am liebsten umarmt. Und als sie mich fragt, ob sie meine Visitenkarte behalten kann, habe ich das Gefühl, das da etwas Persönliches mitschwingt. Überglücklich verabschiede ich mich und freue mich, wenn sie auf meiner Webseite vorbei schaut.

Gleich hinter der Grenze bricht meine Internetverbindung ab. Und ich kann weder den einen, noch den anderen Gastgeber erreichen. In der nahegelegenen Bibliothek finde ich Hilfe. Und nachdem ich meinen Gastgeber Robert telefonisch erreicht habe, mache ich mich auf den Weg zu ihm. Ich werde herzlich empfangen. Das Quartier ist großartig. Gleichzeitig stelle ich fest, dass Robert und der andere Gastgeber befreundet sind. Und keine 20 Minuten später sind wir zu dritt. Robert bereitet eine leckere Mahlzeit mit Shrimps. Während Jasper mir die Nutzung von bestimmten Apps erklärt, die für mein Vorhaben sinnvoll sind. Und gemeinsam erarbeiten wir meinen weiteren Weg. Ich freu mich schon auf Morgen.

Jasper zeigt reges Interesse an meinem Fahrrad. Probefahrt inbegriffen. Da Jasper begeistert von Vancouver nach St. Stephen, Brunswick, Canada gefahren ist, sind seine Vorschläge und Tipps sehr wertvoll für mich.

Weil ich mich wegen der fehlenden Internetverbindung nicht bei Jasper melden konnte, hatte er sich auf den Weg zum Grenzübergang gemacht, um mich dort in Empfang zu nehmen. Was für eine großartige Geste.

Robert begeistert mich. Er ist ein richtiger Storyteller. Und gespannt lausche ich den Erlebnissen aus seinem langen Leben. Ein lange währendes, spannendes, ganz besonders buntes Leben. So verbringen wir den gemeinsamen Abend mit Wein und herrlicher Unterhaltung.

Wissenswertes: Kanada ist mit einer Fläche von 9.984.670 km² nach Russland der zweitgrößte Staat der Erde und fast so groß wie Europa. Der Staat nimmt rund 41 % Nordamerikas ein.

Wikipedia.org

Von Lincoln, Maine nach Whiting, Maine

Die Nacht war ruhig. Kein Feuerwehr-Alarm, der mich weckte. Ich hatte bei der Feuerwehr in Lincoln angefragt und der Feuerwehrmann vor Ort stimmte meinem Wunsch zu. Das Erstaunliche war, dass er deutsch sprach. Er hat es von seinen Großeltern gelernt. Und als kleines Gastgeschenk gab es noch ein Abzeichen des Fire Departments Lincoln, Maine und wenige Minuten später kam ein anderer Herr aus dem Gebäude und erfreute mich mit einem leckeren Brownie. Ich lasse mir Zeit, während mein Zelt in der Morgensonne trocknet.

Gegen 9.00 Uhr fahre ich los, ostwärts. An einem Markt mache ich für einen leckeren heißen Kaffee halt. Eine ältere Dame spricht mich an. Sie hat von meinen Reiseabsichten erfahren und bereichert mich mit ihrem Interesse. So wird schon der Morgen schön.

Was sich auf meiner heutigen Fahrt geändert hat, sind die auffallend vielen Häuser entlang meines Weges, die leer stehen und teilweise, weil nicht mehr gehegt und gepflegt, heruntergekommen bis baufällig sind. Oftmals sind es ganze Häuserzeilen, die am Vergehen sind. Ich suche nach den Gründen … Im krassen Gegensatz dazu steht die Natur, die sich immer mehr vor mir ausbreitet. So viel so sattes Grün. Es ist unbeschreiblich. Und irgendwie verändern die Wälder ihr Aussehen. Nicht mehr so üppig und prall. Mehr locker und zerzaust. Und alles wunderschön.

Der Marktplatz in Cherryfield wirkt trostlos. Die Townhall bräuchte ein paar Reparaturen. Ihr gegenüber, auf der anderen Straßenseite und ein wenig abseits im Schatten eines Baumes entdecke ich einen Blumenstand. Verlassen hockt die Blumenfrau auf ihrem Hocker und wartet wohl auf Kundschaft. Ich sehe weit und breit niemanden. Das wirkt bedrückend.

Und so wechselt das Bild ständig. Aufgegebene und verlassene Häuser und eine wunderbare, abwechslungsreiche Landschaft.

Zeitweise fahre ich auf der Route 1. Sie ist stärker befahren. Aber oftmals sind die Anstiege nicht so steil.

Gegen 15.00 Uhr erreiche ich Machias, Maine. Zwei Dinge, die mir auffallen: die Kirche, deren schneeweißer Turm in den kräftig blauen Himmel ragt und der Wasserfall, der über einige Felsstufen munter zu Tale hüpft. In diesem Ort will ich eine Pause einlegen.

Zwischen Straße und einem größeren Gewässer liegt ein kleines, einladendend ausschauendes Picknickgelände. Hier steige ich ab. Einen Campingtisch weiter herrscht reges Treiben. Es wird ausgepackt, der Tisch gedeckt, Essen bereitet und ein laues Lüftchen mit leckerem Duft weht zu mir herüber. Keine zwei Minuten später kommt Matthew zu mir und läd mich gemeinsam mit seiner Frau Cheryl zum Dinner ein. Hocherfreut nehme ich die Einladung an. Sie nennen es Left Over Dinner. Bevor sie über die Grenze nach Kanada fahren, wollen sie die frischen Lebensmittel verbrauchen.

Jo im Glück.

Es gibt Spaghettis mit Gemüsetopf und Hackfleischwürsten. Und da es ja ein Left Over Dinner ist, lasse ich auch nichts über. Drei Portionen – ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich so viel verspeist habe. Wir führen ein tolles Gespräch und die Szenerie hat auch Einiges zu bieten. Fischadler kreisen über dem Gewässer, sausen zur Wasserfläche hinab und fliegen anschließend mit ihrem Fang in den Klauen zum Nest. Es ist faszinierend zu sehen, mit welcher Treffsicherheit die Jagd gelingt. So vergeht wohl eine Stunde. Und am Ende würde ich gerne einen Verdauungsschlaf machen. Aber ich will weiter.

Cheryl verät mit noch, dass die örtliche Bibliothek kostenloses WiFi anbietet. Also auf zur Bibliothek. Um 17.00 treffe ich dort ein. Internet ist kostenlos und ich kann bis 19.00 bleiben um zu schreiben. Gleichzeitig kann ich mein Smartphone aufladen. Nur wenige Minuten später kommen auch meine beiden Gastgeber vom Nachmittag vorbei. So arbeitet ein jeder still und leise an seinem Projekt. Kurz vorher schon war Matthew mir mit dem Auto hinterhergefahren und hatte mir mein kleines Stativ gebracht, welches ich am Mittagstisch hatte liegenlassen. Erneut verabschieden wir uns voneinander und ich biege in die Route 191 ein. Schon nach kurzer Zeit merke ich, dass sie einige steilere Passagen aufweist. Meine Beine sind müde.

Also zurück zur Route 1 und auf nach Whiting, Maine. Ein wunderschöner Sonnenuntergang mit doppelter Halo lässt mich für ein paar Minuten verweilen. Um 20.15 Uhr frage ich bei einer Kirche, ob ich mein Zelt auf dem Gelände der Kirchengemeinde aufstellen darf und bekomme ein OK. So verstecke ich mich hinter dem Kirchenbau und sage dankbar gute Nacht.

Acadia 26 Miles Park Loop

Heute habe ich mich auf den Weg gemacht, den Ostteil des Nationalparks entlang der Küste zu erkunden. Meine Nachbarn auf dem Campingplatz haben mich liebevoll mit allem versorgt, was das Herz begehrt: mit heißem Kaffee, Sandwiches und vielen Informationen. Der Loop beginnt einige Meilen nördlich des Nationalpark Hauptquartiers.

Auf exellent ausgebauter Straße mit moderaten Steigungen geht es die Küste entlang. Richtung Süden als zweispurige Einbahnstraße. Richtung Norden dann zweispurig mit Gegenverkehr. Heute, bei strahlendem Wetter sind viele unterwegs. In den Felsen entlang der Küste tummeln sich die Menschen. An empfohlenen Aussichtspunkten wird es mir zu viel.

Und so versuche ich mein Bestes, Blickwinkel zu erhaschen, die mehr von der Natur als den Aktivitäten der vielen Menschen zeigen, die fröhlich am Strand oder auf und zwischen den Felsen herumklettern.

Und trotzdem ist es immer wieder eine Freude, ihnen zuzuschauen.

Sandy Beach, ein Hotspot an solch einem wunderschönen Tag…

An anderen Streckenabschnitten ist es ruhiger. Die Felsen der Küste bestehen aus Granit, der mit seinem Zartrosa einen schönen Kontrast zum Grün der ans Meer reichenden Wälder bietet. Die Luft, eine würzige Mischung aus Salz und Aromen, die den Pinien entströmen. Augen zu und träumen!

An manchen Stellen versperren Mauern aus Granit den Blick aufs Meer.

Und überall hämmert, mahlt schleift und poliert das Meer den Fels, und zerlegt ihn unaufhörlich in seine Einzelteile.

Und überall sehe ich Menschen, die mit Faszination den fortwährend nagenden Kräften des Meeres zuschauen …

… während über ihnen Pinien braungebrannt in der Sonne strahlen.

Weiter im Süden flacht die Felsküste ab und der herrliche Wald reicht bis ans Meer.

Wie dünn muss die Krume sein, die dem Wald Stand und Nahrung gibt, um zu gedeihen.

An manchen Stellen erkenne ich Wasserstrudel, die sich mit jedem Wellenschlag neu formieren.

Üppige Tang-Matten hängen im Gezeitenbereich des atlantischen Wassers von den Felsen herab.

Und auch in den kleinen Wasserbecken zwischen den Felsen findet man Natur pur. Auch wenn ich nicht weiß, was ich da sehe, so fasziniert es mich trotzdem.

Auf der Rückfahrt durch den Wald treffe ich Kerry und Jimmy. Wir hatten uns auf Hadley’s Point Campground kennengelernt und treffen uns auf dem Loop wieder. Zeit für ein kleines gemeinsames Picknick am Wegesrand.

Anschließend geht es zurück zum Campingplatz. Ich packe meine Sachen, verabschiede mich und mache mich um 16.30 Uhr auf den Weg …

From Orland to Acadia National Park

Ich habe mich über Nacht gut erholt. Packe meine Sachen und will eigentlich auf die Straße. Zuvor möchte ich noch einen Kaffee trinken. Daraus entwickelt sich eine eigene kleine Geschichte. Eine Mitarbeiterin zeigt mir, wo ich frischen Kaffee bekommen kann. In dem Raum warten schon mehr als ein Dutzend Personen. Und noch vor 9.00 Uhr öffnet sich die Pforte und in 4-er Gruppen können wir den Raum betreten, wo frisches Gemüse, Obst und all das, was irgend einem Mindesthaltbarkeitsdatum unterliegt, eine zweite Chance bekommt. Die Not vieler Menschen ist groß und hier dürfen sie ins Regal greifen und nehmen, was sie für den Tag benötigen. Und so darf auch ich zugreifen. Eine Paprika, Karotten, frischer Salat mit Gurken und Zwiebeln, Brot, Brötchen und Obst.

Anschließend führt man mich noch in die Kunsthandwerkwerkstatt für Glasarbeiten. Die Künstlerin ist anwesend.

Nach kurzer Zeit versammeln sich in der kleinen Werkstatt 5 Frauen und hören meinem kleinen Reisebericht gespannt zu. Und erzählen, wie ihre kleine Community funktioniert. Und wenige Minuten später bin ich schon wieder auf dem Rad unterwegs.

Die Landschaft ändert sich zusehends. Mehr Wälder, mehr Seen, mehr Granitfelsen am Wegesrand und Ufersaum.

Aufbreiten Schotterwegen geht es durch den Park.

Die Aussichten wechseln ständig, ich radle durch ein Bilderbuch.

Biberwerk

Biberburg

Das Wasser des Sees ist so klar und rein, dass es ungefiltert in das Leitungsnetz der Stadt Bar Harbor eingespeist werden kann.

Der Abend kommt und es wird Zeit für ein Quartier. Ich hatte mehrere Anfragen rausgeschickt und allesamt wurden sie negativ beantwortet. Mein Versuch, auf privatem Grund zu campieren scheiterte ebenfalls. Also rauf auf einen Campingplatz nördlich von Bar Harbor. Und wieder runter. Für 1 Person mit einem Zelt für eine Nacht soll ich 73 Dollar inklusive Tax und allem drum und dran bezahlen. Ich sage der Dame am Empfangsschalter, dass ich dabei bin, mir meinen Traum zu erfüllen und ich nicht bereit bin, den Traum eines Investors zu erfüllen, der diesen Campingplatz betreibt.

Ich suche weiter und finde einen Platz am Rande des Acadia National Parks für 37 Dollar die Nacht. Immer noch sehr teuer. Aber ich bin müde und der Tag geht zuende. So nehme ich an, zahle und gehe zu dem mir zugewiesenen Platz. Der ist mit mittelgroßem Schotter ausgefüllt. Nicht gut für meinen Rücken, nicht gut für mein Zelt. Nach kurzer Rücksprache erhalte ich einen anderen Lagerplatz mit viel Grün. Gemütlich baue ich das Zelt auf. Nebenbei esse ich Abendbrot. Und als alles fertig ist, kommt ein „Nachbar“ vorbei und wir kommen ins Gespräch. Und nur 10 Minuten später sitze ich bei Rick und seiner reizenden Frau Janell am Lagerfeuer. Im Laufe des Abends versorgen mich beide mit leckerem Bier, gebraut in Maine, Obst und Granola Bars und auch der wertvollen Information, auf welcher Route ich in kurzer Zeit einige schöne Highlights im Acadia National Park entdecken kann.

Wegen des hohen Preises überlege ich, wie ich den Tag morgen gestalten kann. Rick empfiehlt, früh aufzustehen. Und damit es für mich leichter wird, kann ich mein Gepäck bei Ihnen deponieren. Ich bin glücklich, gemeinsam mit Rick und Janell einen guten Weg gefunden zu haben. Und zuguterletzt gaben sie mir noch einen Stapel Quarter Coins mit auf den Weg, damit ich die Duschen benutzen kann. Die funktionieren nämlich nur, wenn man sie mit diesen Coins füttert. Und ich habe bisher kein Kleingeld genutzt.

Danke für den wunderbaren Morgen, einen wunderschönen Tag und diese besondere Begegnung mit Rick und Janell.

Auf nach Orland

Ich habe wenig geschlafen. Den ganzen Abend zehrte ich von der Hoffnung, einen Gastgeber zu finden. Aber es kam keine Nachricht herein. Erst im Laufe des heutigen Tages hatte ich den erhofften Posteingang, und der kam zu spät. Die Warmshower App friert immer wieder ein. Und dann muss ich das Gerät neustarten, um wieder eine Internetverbindung zu haben. Aber so ist es nun gelaufen.

Im Regen habe ich alles eingepackt und bin bereits um 9.00 Uhr auf der Straße. Es wird den ganzen Tag regnen. Zeitweise habe ich die Regenjacke an. Sie schützt vor der nassen Kälte von außen. Da ich in der Jacke sehr schwitze, kühle ich sehr schnell aus, als ich in Belfast am Supermarkt vom Rad steige, um ein paar Lebensmittel zu kaufen.

Die Landschaft ändert sich. Sie bietet immer mehr grüne Abschnitte. Die hügelige Landschaft fordert ihren Tribut.

Die großen Brücken sind gut passierbar…

… und bieten spannende Aussichten. Wenn das schlechte Wetter nicht wäre. Ich habe das Smartphone in der Jacke verstaut, und der andauernde Regen läd nicht zum Fotografieren ein. Nass und frierend verlasse ich Belfast. Der letzte Teil der Etappe strengt an. Ich werde müde und der Hunger kneift den Magen.

Wenige Kilometer später sehe ich eine Anzeigetafel. „Shelter for homeless“. Mir kommt es wie ein Geschenk des Himmels vor. Ich frage, triefnass, wie ich bin, in einem Geschenkeladen an, ob ich für eine Nacht ein trockenes Plätzchen bekommen kann. Und sofort wird Leslie Wombacher aktiv. Während Leslie auf eine telefonische Antwort seitens ihrer Vorgesetzten wartet, haben wir 15 Minuten Zeit für ein nettes Gespräch. Und so erfahre ich von dieser Einrichtung, die in den 60er Jahren gegründet wurde und heute diverse Möglichkeiten anbietet, Werkstätten zu nutzen und die Produkte in einem Geschenkeladen zu verkaufen. Darüber hinaus wird ein Trödelladen unterhalten. Und soweit ich erkennen kann, gibt es auch eine Ausgabestelle für gespendete Lebensmittel, bzw. eine Suppenküche. Nach einigen Minuten erscheint Julie und nimmt mich mit zum Quartier. Ich bin dankbar für diese großzügige Geste.

Hier ist es trocken, warm, und sicher. Ich kann meine Sachen trocknen. Mir selber aus den in Belfast erstandenen Lebensmitteln eine leckere, warme Mahlzeit bereiten und warm duschen. Müde und dankbar liege ich im Bett und plane doch schon den kommenden Tag.

Von Brunswick nach Rockland, Maine

Ich habe bestens geschlafen. Meine Gastgeber hatten mir einen komfortablen Schlafplatz bereitet. Nach einem großen Pott Kaffee ging es gemeinsam zum nahegelegenen Bauernmarkt, auf dem mir Josh ein frisch gepackenes Sauerteigbrot kaufte, dessen Geschmack mich an unser selbstgebackenes Brot erinnerte. Anschließend schaute sich Josh noch mein Fahrrad an und reparierte, was nicht einwandfrei war. Die Beleuchtung funktioniert wieder, das Spiel im Steuersatz ist eliminiert, die Gangschaltung neu justiert und der Riemen gespannt. Meine Freude war riesengroß und ich habe mich herzlich für diese großzügige Geste bedankt. Anschließend wurde alles verpackt und die Reise ging los. Das Wetter trocken, der Himmel wolkenverhangen.

Ich starte wieder auf dem ECG, dem East Coast Greenbelt. Ich komme gut voran. Der Untergrund des Radweges wechselt. Mal Asphalt, mal Schotter, mal reiner Radweg, dann wieder Straße. Die Beschilderung ist nicht immer übersichtlich. Und so verliere ich später den Anschluss und radle auf normalen Straßen weiter.

Die Steigerungen sind meist moderat bis stark, aber nicht sehr lang. Trotzdem nehmen sie mich in Anspruch. Die Landschaft wechselt ständig. Seen, Flüsse, Wälder, Marschland. Eindrücke, die mich beglücken und die ich tief in mich aufnehme.

In Bath überquere ich den Kennebec River auf der Cariton Bridge. Mitten auf der Brücke erwischt mich der erste Regenschauer. Und von nun an wechseln Sonne und Regen in immer kürzer werdenden Zeitabständen einander ab.

Dieses gut gemeinte Angebot lasse ich aus …

Und auch dieser Lobster inspiriert mich nicht zur Einkehr in das Reataurant.

Zwischendurch gibt es immer wieder üppige kraftvoll leuchtende, grüne Lanschaften zu sehen.

Ein Thunderstorm kündigt sich an. Und im dem Augenblick, wo er richtig heftig wird und Hagelkörner in Haselnussgröße auf mich herablässt, öffnet sich eine Tür: Matt und seine Frau bieten mir Schutz vor diesem Gewitter und ganz nebenbei gibt es auch noch ein leckeres Mahl, mein erstes Steak, dazu Salat, Eier, Pommes. Was für eine Gastfreundschaft. Wir Speisen gemeinsam und unterhalten uns dabei über die politische Situation im Land. Und ich erzähle, wie es zur Erfüllung meines Traumes kam.

Gut eine Stunde sitzen wir zusammen und diskutieren. Der Thunderstorm ist vorüber und als ich die beiden verlasse, liegen die Hagelkörner noch immer dicht an dicht auf den Rasenflächen.

Ich hatte seit gestern erfolglos versucht, einen Gastgeber über die Warmshower-App zu finden. So fahre ich bei meiner Ankunft in Rockland, Maine bei der Feuerwehr vorbei und frage an, wo ich für eine Nacht mein Zelt legal aufschlagen kann. Nach 5 Minuten ist das geklärt. In der Nähe eines öffentlichen Badehauses, in einem kleinen Park, finde ich für eine Nacht eine Bleibe. Die Polizei ist gleichfalls über meinen Aufenthalt im Park informiert.

Ich habe noch ein wenig Zeit und sitze am Hafen. Dort werde ich von Kyle und Julee, einem interessierten Pärchen, angesprochen und es entwickelt sich wieder ein angenehmes 10 Minuten währendes Gespräch. Sie zeigen sich sehr interessiert und am Ende gebe ich Ihnen noch meine Webadresse.

Ich räume gerade das Zelt ein, da ruft draußen jemand meinen Namen. Verdutzt krabbele ich aus dem Zelt und Kyle steht mit einer Riesenüberraschung vor mir und überreicht mir 40 Dollar und eine DUNKIN Card, die ich für Essen verwenden kann. Verblüfft strahlend schaue ich ihn an. Und er bedankt sich für die Freude, die ich ihm und seiner Frau mit unserem Gespräch und meiner Webseite gemacht habe.

So geht dieser regennasse erlebnisreiche Tag mit einer weiteren schönen Überraschung zuende.

Von Kennebunk nach Brunswick, Maine

Ein wunderbarer Tag beginnt. Mein Gastgeber Jay und seine Frau Lara haben mich aufgenommen, wie einen sehr guten Freund. Sie haben mich mit allem versorgt, was Leib und Seele gut tut. Mein Quartier war der Raum über der Garage. Für mich war es ein Palast und ich konnte mich in der Nacht sehr gut erholen. Jay half mir bei ber Anwendung der Warmshower App mit Rat und Tat. Ich denke, dass ich sie bald gut beherrsche. Eine Überraschung war für mich Hedda, eine Austauschschülerin aus Hannover. Nach dem Frühstück packte ich meine Sachen und machte mich gegen 10.30 Uhr auf den zunächst unscheinbaren Weg.

Auf dem East Coast Greenbelt geht es zügig voran und gegen Mittag radle ich durch die größte Salzwassermarsch Maines.

Ein Eldorado für Vogelliebhaber …

… die mit großer Leidenschaft und noch größeren Objektiven auf dem Damm stehen, welcher durch die Salzwassermarschen führt, und auf den richtigen Augenblick warten.

Weiter geht es Richtung Portland, Maine, wo ich gut zwei Stunden später eintreffe.

Hin und wieder sind Angler auf den weiten, offenen Wasserflächen zu sehen.

Der East Coast Greenbelt führt mich in Portland direkt zum Bug Light Lighthouse.

Hier treffe ich auf eine Gruppe Radfahrer. In entspannter Atmosphäre an einem schönen Ort führen wir für ein paar Minuten ein sehr nettes Gespräch, welches am Ende zu der wunderbaren Lösung führt, mich durch Portland zu führen, um auf dem richtigen Weg aus der Stadt zu gelangen. Gleichzeitig eröffnet sich mir die Möglichkeit, in Montreal eine Unterkunft auf meiner zukünftigen Route zu gefunden zu haben. Was für ein Geschenk!

Lobsterkäfige auf einem Ponton …

Eine Touristenattraktion scheint die kleine rote Lokomotive zu sein, die langsam an mir vorbeizuckelt.

Kurz nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten, fällt mir auf, das eine Tretkurbel nicht mehr rund läuft. Das sieht böse aus. Was tun? Vor wenigen Minuten hatte ich meinem Gastgeber in Brunswick zugesagt, dass ich komme. Und nun? Ich finde einen Bikeshop, der es innerhalb von 20 Minuten schafft, den „Bottom Break“ auszutauschen. Ich bin so glücklich, über diese schnelle Hilfe. Um 16.45 Uhr mache ich mich auf nach Brunswick, das ich heute noch erreichen will.

Noch immer hängen Nebel über der Stadt …

Noch immer stehen Angler bauchtief im Wasser und warten auf einen großen Fang …

Noch immer wächst die Salzmarsch im Rhythmus von Ebbe und Flut …

… und noch immer bin ich unterwegs. Es ist kalt. Der Wind bläst mir ins Gesicht. Und die Zeit verrinnt. Ich möchte nicht in die Dunkelheit kommen. So beeile ich mich und erreiche um 19.00 Uhr Brunswick. Frierend klopfe ich bei meinem heutigen Gastgeber. Auch hier das gleiche Erleben: eine warmherzige, großzügige Aufnahme in den Kreis der Familie, eine außerordentlich leckere, üppige Mahlzeit und ein wunderbares Bett zum Träumen. Es war ein toller Tag.