Was für ein Tag … Ich habe bis 8 Uhr geschlafen. Meine Nachbarn Jordan, Keyla und Adeline (8 Monate alt und voller Lebensfreude) kommen um dieselbe Zeit aus ihrem Zelt.
Jordan und Keyla hatten mich zum Frühstück eingeladen. Es gibt 3 Spiegeleier, Toastbrot und reichlich kross gebratenen Speck. Eine gute Grundlage für den heutigen Tag. Gegen 10.00 Uhr bedanke und verabschiede ich mich von den Dreien, packe die letzten Sachen zusammen und um 10.30 Uhr verlasse ich den Campingplatz.
Da die Powerbanks fast entleert und mein Smartphone nur noch 7% Energiereserven hat, halte ich an einem Tim Horton Shop. Bevor ich hineingehe, verzehre ich noch 4 getrocknete Würstchen. Ich hatte davon ca 25 Stück. Laut Anweisung brauchen sie nach Öffnung der Packung nicht in den Kühlschrank.
Im Restaurant kann ich mein Smartphone aufladen. Währenddessen schreibe ich an meinem Blog. Unwohlsein macht sich in mir bemerkbar. Ich werde unruhig, laufe zwischen Toilette und Tisch hin und her. Der Bauch fängt an in Wellen zu schmerzen. Dazwischen hab ich Ruhe.
Als das Smartphone 100% des Ladezustands erreicht hat, fahre ich weiter. Die Bauchschmerzen kommen zurück und plagen mich plötzlich so sehr, dass ich fast vom Fahrrad falle. Krumm vor Leibschmerzen stolpere ich in das mir nächstgelegene Haus: The Real Estate Stop Inc in SAULT Ste. Marie, wie ich erst später mitbekomme.
Krampfhaft halte ich mich am Empfangstresen fest. Die höfliche Frage, wie es mir geht, kann ich nur mit „Nicht gut“ beantworten. Ich frage nach dem Waschraum. Und eine Minute später sitze ich schon auf der Brille und krümme mich vor Schmerzen. Übelkeit steigt schlagartig in mir auf. Ich hyperventiliere und versuche, die Situation in den Griff zu bekommen.
Ein besorgter Mitarbeiter fragt, wie er helfen kann und reicht mir Wasser unter der Toilettentür hindurch. Man gibt mir Zeit, mich zu erholen. Und als ich nach gefühlt 1/2 Stunde wieder in den Empfangsbereich komme, zeigt man sich sehr besorgt. Auf liebevolle Art werde ich die nächsten zwei Stunden aufgepäppelt. Nun erst stellen wir einander vor.
Zu meiner Überraschung bietet man mir ein bestens zubereitetes, in Cognac gebratenes, leckeres Steak an und frische Erbsen. Ich kann nicht widerstehen. Dazu gibt es eine kleine Menge Rotwein und während meines Aufenthaltes leere ich auch noch zwei Flaschen Trinkwasser. Langsam stabilisiere ich mich. Die Lebensgeister kommen zurück und ich erzähle von meiner Reise und ihrer Vorgeschichte mit meiner Frau.
Aufmerksam und interessiert hören Danny und seine Kolleginnen zu. Danny ist Mortgage Broker und mit einer wunderbaren Crew ausgestattet. Gäste kommen hinzu und Danny’s Frau kommt mit einem Käsekuchen herein. Also esse ich auch noch ein Stückchen unglaublich leckeren Käsekuchen. Das Besondere an ihm war, dass er nicht süß war.
Und als ob das nicht schon genug war, legt man mir noch ein paar Müsliriegel und Süßigkeiten für die Weiterreise auf den Tisch. Man gibt mir großzügig viel Zeit. So kann ich mich gut erholen.
Und als ich endlich losfahre, ist es bereits 15.30 Uhr. Es sind nur wenige Meter, dann fahre ich bereits die Rampe zur Sault Ste. Marie International Bridge hinauf. Auf der Südseite der Brücke komme ich an den Grenzkontrollpunk. Ich bin aufgeregt, denn ich bin von der Gnade des Immigration Officers abhängig. Er hat die Entscheidungsgewalt.
Nach kurzem Gespräch wird meine Einreise für 6 Monate genehmigt. Außerdem erfahre ich, dass ich bei meiner nächsten Visumverlängerung nur ausreisen und sofort wieder einreisen darf. Ich bin glücklich. Alles gut gegangen.
Nun gilt es, einen Telefonladen zu finden, um eine SIM-KARTE für die USA zu kaufen. Verizon ist der Anbieter. Die Dame ist sehr freundlich und hilfsbereit bei der Einrichtung der neuen SIM-Karte.
Es ist bereits 17 Uhr als ich endlich starte und mit 29°C im Schatten noch immer drückend heiß. Das Thermometer zeigte kurz vor meinem unfreiwilligen Stopp 44, 1°C und im Schatten noch 34 °C.
Die Entfernungen in Google werden wieder in Meilen angezeigt. Mein Gastgeber in McMillan hat mir eine Wegbeschreibung zugesandt. Er ist informiert, dass ich heute nicht bei ihm eintreffen werde. Aber ich komme seinem Wohnsitz immer näher.
Und je näher ich komme, um so mehr merke ich eine bleierne Schwere in den Beinen. Meine Konzentration lässt nach und plötzlich überfällt mich Müdigkeit. Die Straße verliert ihren Reiz.
Am Soldier Lake Campground im Hiawatha National Forest mache ich Halt. Der Eingang ist nicht besetzt und so fahre ich auf dem Campingplatz um einem Ansprechpartner zu finden. Wenige Minuten später treffe ich Mike, der den Platz betreut. Ich frage, was es kostet und erfahre, dass es 22 Dollar und für Senioren 11 Dollar sind.
Da ich etwas Sicherheit brauche für den Fall, dass sich meine gesundheitliche Situation wieder verschlechtert, willige ich ein. Als es ans Bezahlen geht, dasselbe Problem. Ich muss Cash bezahlen. Plastik geht nicht. Ich habe jedoch nur zwei US-Dollar. Mike zwinkert mir zu und deutet an, dass wir das hinkriegen. Und 5 Minuten später habe ich einen kostenlosen Platz, wo ich die Nacht bleiben kann.
Das Zelt ist schnell aufgebaut. Und als ich zur Wasserstelle gehe, spricht Mike mich an und fragt, ob ich hungrig sei. Natürlich bin ich hungrig.
So läd er mich kurzerhand zu sich ein, packt Gehacktes, Kartoffeln, Zwiebeln und Karotten und etwas Öl in Alufolie, verschließt das Ganze und gart es im offenen Lagerfeuer. Und nur 25 Minuten später sitzen wir beide zusammen, plaudern und verspeisen ein leckeres, reichhaltiges Mahl. Anschließend führen wir unsere Unterhaltung fort bis gegen 22 Uhr.
Dann verabschiede ich mich von Mike, der mir noch auf den Weg mitgibt, dass es am nächsten Morgen noch einen leckeren Kaffee gibt. Er will mir Bescheid geben. So endet dieser Tag mit einem letzten Sahnehäubchen. Ich bin dankbar für alle Begegnungen des heutigen Tages. Für all die Hilfe, die ich durch so viele Menschen erfahren habe und für die Liebe meiner Frau.
Es ist ein schöner Morgen. Meine Gastgeber sind nicht da. Von den informierten Nachbarn ist keiner auf einen Talk herübergekommen. So packe ich in aller Ruhe und warte ab, bis das Zelt richtig trocken ist. Dann geht es schnell. Und um 9.45 Uhr verabschiede ich mich in Gedanken von meinen Gastgebern und starte in den Tag.
Es ist nun schon ein gewohntes Bild. Diese toten Wälder, auf deren Grund sich eine neue, reichhaltige Vegetation entwickelt, eine neue Generation heranwächst und die Lücken in der grünen Lunge, ohne Narben zu hinterlassen, wieder schließen.
Ich radle durch den kleinen Ort Bruce Mines. Bruce Mines war nach Cliff Mines in Michigans Copper Country die zweite Kupferbergbaustadt in ganz Nordamerika. Eine historische Gedenktafel erinnert heute an die Rolle der Bruce Mines im Kulturerbe Ontarios.
Da die Hauptstraße kaum befahrbare Schultern hat, weiche ich abschnittsweise auf die bereits erwähnten Concession Roads aus.
Am späten Nachmittag bin ich nur noch ca. 13 km von Sault Ste. Marie entfernt. Heute ist ein kleines Wunder geschehen. Ich bin auf Bell’s Point Beach Campground.
Kilometer vor Erreichen dieses Zieles frage ich am Wegesrand und werde abgewiesen. Ich versuche es ein zweites und ein drittes Mal. Kein Erfolg. Grund für die Ablehnung: Ich bin in einer Indianerreservation. Eine Frau weist mich darauf hin und gibt mir den Tipp mit dem Campground.
Dort in der Rezeption sitzt Greg. Ein Hühne von einem Mann. Auf meine Frage nach den Kosten antwortet er: 40 Dollar. Ich bleibe ganz höflich und freundlich. Und erwiedere, dass das für mich zu viel sei. Warte, sagt er, überlegt eine Minute und reduziert auf 20 Dollar. Ich willige ein. Draußen wird es dunkel – und an ein Weiterfahren ist nicht mehr zu denken.
Als es ans Bezahlen geht und ich meine Karte heraushole, merkt Greg an, dass er nur Bargeld annehmen kann. Vor seinen Augen purzeln 1,35 Kanadische Dollar auf den Tisch. Mehr hab ich nicht in bar.
Also frage ich, ob er mir einen Tipp geben kann, wo ich in meiner Situation wild campen kann. Greg überlegt einen Augenblick und hat dann die Lösung: wenn ich die Klappe halte, kann ich kostenlos auf dem Campingplatz übernachten. Bis 12 Uhr soll ich dann gegangen sein. Einfach so. Papiere will er keine sehen.
Als Dankeschön scannt er den QR-Code meiner Webseite und zeigt sich hoch erfreut. Wir unterhalten uns noch ein paar Minuten, bevor ich zu meinem heutigen Schlafplatz gehe. Ich bin heute Abend richtig glücklich – und richtig müüüüde.
Ich bin früh auf und hüpfe voller Freude in den Swimmingpool. Anschließend fange ich an, meine Sachen zu verstauen und am Rad zu befestigen. Tim kommt hinzu und überrascht mich mit einem reichhaltigen Frühstück.
2 Becher Kaffee, 1 Glas Milch, 2 Scheiben Toastbrot. Eine gegrillte Hühnerbrust, Käse Tomate und Blaubeeren. Dazu gibt er mir noch 3 Flaschen Wasser mit auf den Weg. Und seine Frau packt mir noch eine Tüte mit Müsliriegeln ein. Dann verlasse ich die Beiden Richtung Blind River.
Es ist ein ruhiger Tag. Die Landschaft zieht vorbei und ich bin damit beschäftigt, zu entscheiden, welche Route ich ab Sault Ste. Marie nehmen werde, um den Lake Superior zu umfahren.
Nach vielen Gesprächen in den vergangenen Tagen entscheide ich mich am Nachmittag noch vor Erreichen Blind Rivers für die Südküste. Ich denke, es ist eine gute Entscheidung, um meine Gesundheit zu schonen.
Bei Maße, Ontario ist die Spanish River Bridge über den Fluss Aux Sables für Fußgänger und Radfahrer gesperrt. Ein Anruf und 5 min später holt mich ein Auto ab und bringt mich sicher über die Baustelle auf die Nordseite des Flusses.
Der Tag zieht sich und die Hitze strengt heute an. Aber ich komme trotzdem gut voran.
Hier ein Schild aus dem vielfältigen Schilderwald, durch den ich in den vergangenen 8 Wochen geradelt bin.
Gegen Abend frage ich auf einem Campingplatz freundlich nach, was der Platz kostet. Und ich bin verblüfft: 30 Dollar. Als ich sagte, dass das zuviel sei für 12 Stunden, weist er mich, ohne mich zu beachten mit ausgestrecktem Arm aus dem Büro und schließt die Tür hinter mir zu. So steige ich wieder aufs Rad.
Nach wenigen Kilometern entdecke ich ein kleines Haus, umgeben von geeignetem Rasen. Also frage ich an. Jean und ihr Ehemann wollen gerade ihr Haus verlassen und zum Campingplatz fahren. Die Minuten davor reichen, um mir einen Platz 100 m vom Highway entfernt, zuzuweisen, mir zwei Flaschen eisgekühltes frisches Wasser zu reichen und die Nachbarn zu informieren, dass da ein Mann aus Germany auf ihrem Grundstück campiert. Was für eine großzügige Geste.
Sie kümmern sich noch um alles, packen die letzten Sachen in ihr Auto und sind eine halbe Stunde später schon fort. Zwar gibt es kein WIFI und kein Frühstück. Aber dafür ist der Platz kostenlos. Ich bin glücklich über solche Geschenke und die Großzügigkeit der Menschen, denen ich begegne …
Ich bin früh auf den Beinen. Doug hat mir noch ein Frühstück bereitet. Es gibt Spiegeleier, Toastbrot, einen großen Becher Kaffee, einen Pfirsich und eine Banane. Und wenige Minuten später bin ich schon auf der Straße. Schnell erreiche ich den Fähranleger, wo im Hintergrund bereits die Chi Cheemaun Fähre wartet. Die Überfahrt kostet knapp 24 Kanadische Dollar und dauert eine Stunde und fünfundvierzig Minuten..
Ein letzter Blick zurück zum Leuchtturm und meinem Quartier in unmittelbarer Nähe des Leuchtturms in Tobetmory. Und dann schaue ich schon wieder voraus und freue mich unbändig auf den heutigen Tag.
Die Überfahrt vergeht wie im Fluge. Motorrad- und Zweiradfahrer dürfen zuerst die Fähre in South Baymouth verlassen. Weiter geht die Reise über Manitoulin Island.
Gleich auf den ersten Kilometern stehen auf einer Wiese drei Sand Hills Cranes. Was für ein schöner Anblick.
Fast idyllisch liegt die alte Manitoulin Roller Mill unten am Ufer der Manitowaning Bay.
Im Ort selbst stehen noch heute der alte Leuchtturm gleich hinter der Kirche und bilden ein harmonisches Ensemble.
Auf der High Falls Road in Manitowaning überquere ich den gleichnamigen High Fall, dessen Schönheit unter der stählernen Brückenkonstruktion leidet, welche die Straße trägt, auf der ich reise.
Wikwemikong hat ein kleines Museum, dass von außen dieses kleine, erhaltene Blockhaus hervorbrachte.
Schließlich erreiche ich Little Current, wo ich über eine einspurige Drehbrücke Manitoulin Island verlasse.
Kanada hat in den vergangenen Jahrzehnten daran gearbeitet, die Vergangenheit bezüglich der ursprünglichen Einwohner korrekter darzustellen.
Inwieweit das Bemühen Früchte trägt, vermag ich nicht zu sagen. Erkennbar ist jedoch, dass keiner von Indianern spricht sondern von den First Nations. Und in der Geografie finde ich viele Ortsnamen wie Manitowaning, Wikwemikong oder auch Sheguiandah, die eindeutig den First Nations zuzuordnen sind.
An anderen Orten findet man zwar englische Namen wie Whitefish River aber gleichzeitig den Hinweis First Nation. Teilweise können sich diese Nationen auf alte Verträge berufen, in denen das Eigentum auf bestimmtem Grund und Boden rechtsgültig festgeschrieben ist.
In den vielen Gesprächen habe ich bei meinen Gesprächspartnern fast immer das Bemühen gesehen, das Verhältnis zu den First Nations nachhaltig zu verbessern. Ein kleiner Erfolg auf dem langen Leidensweg der ursprünglichen Bevölkerung.
Immer wieder ziehe ich an natürlichen Landschaften vorbei. Ständiger Begleiter am Wegesrand sind die Gewöhnliche Kanadische Goldrute, die Wiesenglockenblume, die interessante Echte Seidenpflanze, der kräftig blau-violett leuchtende Natternkopf und der Weiße Steinklee. Sie alle machen den staubigen Straßenrand in diesen Tagen bunt.
Schließlich erreiche ich in Espanola die 2239 Lee Valley Road, wo ich einen Platz zum Übernachten finde. Ich frage, wie üblich bei einem Haus an und der Hausherr stimmt zu. Mein heutiger Gastgeber heißt Tim. Er bringt mir erst einmal 3 Flaschen Wasser.
Nachdem ich mein Zelt aufgebaut habe, setzen wir uns in den Garten und plaudern noch ein halbes Stündchen. Tim versorgt mich noch mit Strom, damit ich Powerbank und Smartphone aufladen kann und erlaubt mir, am Morgen in seinen Swimmingpool zu hüpfen. Dann lege ich mich müde ins Zelt und schlafe schnell ein. Ich bin heute 124 km geradelt in dieser Affenhitze.
Ich hatte eine unruhige Nacht. Während es gestern tagsüber ruhig und beschaulich auf der Straße zuging, war die Nacht angefüllt mit Traktorenlärm. Es ist halt Erntezeit. Und so die Farmer keine Amish People oder Mennoniten sind, wird auch schon mal am Wochenende gearbeitet. Und obwohl ich gut 100 m von der Straße entfernt bin, hört es sich an, als wenn die Traktoren direkt am Zelt vorbeifahren.
Der Abschied heute morgen fällt kurz aus. Leider habe ich die Namen meiner Gastgeber der vergangenen Nacht nicht notiert. Um 9 Uhr bin ich auf dem Weg nach Tobermory. Für dort hab ich einen Übernachtungsplatz gefunden. Das Thermometer zeigt 27°C im Schatten an.
Die Straße ist meistens flach und überwiegend schnurgerade verlaufend. Der Wald ist restlos verbuscht. Die Bäume erreichen kaum große Höhen, so dass sich ihre Kronen mit dem niederen Buschwerk gut vermischen. Entlang der Straßenränder blüht überwiegend die Wegwarte und massenweise Bischoffskraut.
Da die Straße heute morgen keine sichere, asphaltierte Schulter aufweist, entschließe ich mich, auf Nebenstrecken auszuweichen.
Est geht überwiegend durch Farmland, das oftmals von Amish People oder Mennoniten bewirtschaftet wird. In der Regel befinden sich die Farmen in einem sehr guten Zustand.
Unbrauchbares Farmland wird von der Natur bewirtschaftet und in ursprünglichem Zustand gehalten. Eine Wohltat für die Tier- und Pflanzenwelt. Und immer wieder eine höchst willkommene Abwechslung in dieser zwar grünen, aber auch verarmten Landschaft mit ihren ausgedehnten Monokulturen.
Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Nordamerika sehe ich eine Herde amerikanischer Bisons auf einer Weide. Ob die Tiere für den Erhalt der Art und für die Fleischproduktion gehalten wird, vermag ich nicht zu sagen. Auf alle Fälle ein eindrucksvolles Bild, diese mächtigen Tiere grasen zu sehen.
An vielen Stellen blüht zur Zeit der Wasserdost …
Asphaltierte Nebenstraße …
Ein dezenter und doch starker Hinweis, wem das Land gehört …
Ein ebenso dezenter Hinweis, der an die Inbesitznahme des Landes durch an Farming interessierte Menschen erinnert. Das ist noch gar nicht so lange her. Als ich 1983 in Montana weilte, erzählte mir mein damaliger Gastvater, das Homesteading in Montana biz kurz vor meiner Ankunft noch möglich war.
Ein ungewohnter Anblick. Lavendelanbau im Norden der Bruce Peninsula.
Die meiste Zeit geht es heute über so benannte Sideroads und Concession Roads, die geradlinig und in regelmäßigen Abständen, einem Fischnetz gleich, auf der Bruce Penninsula angelegt sind.
Kurz vor Tobermory mache ich Halt. Die Sonne brennt, die Luft ist drückend warm. Und die kleine Backstube ein Segen. Die Auswahl beschränkt sich auf ein paar Stücke Backwaren. Kaum zu glauben, das man damit überleben kann. Aber die Kühle im Raum, die mich beim Betreten des Ladens schlagartig umgibt, ist in diesem Augenblick unbezahlbar.
Endlich erreiche ich Tobermory am nördlichen Ende der Bruce Peninsula. Ein kleiner, wohl vom Tourismus lebender Ort mit einer ganz besonderen Attraktion. Mit Glasbodenbooten kann man hinauslaufen und gesunkene Schiffe am Grunde der Küste „besichtigen“. Und wie ich sehe, ist es ein lohnendes Geschäft. Die Boote sind voller Touristen und der Preis der Attraktion angepasst hoch 54 Dollar …
20 Minuten später erreiche ich mein heutiges Ziel. Meine Gastgeberin Carolyn hat mich in ihr Cottage nahe dem Tobermory Lighthouse, am Ufer des Huron Sees/Georgian Bay eingeladen. Ich habe es morgen früh also nur zwei Kilometer bis zur Chi Cheemaun Fähre nach Manitoulin Island.
Da Carolyn nicht anwesend sein kann, übernehmen ihre Eltern die Aufgaben . Und beide sind großartig. Doug erwartet mich bereits und nach freundlicher Begrüßung weist er mir meinen Schlafplatz zu. Ein eigenes kleines Zimmer mit Etagenbett. Ich erfahre, dass noch ein weiteres Pärchen im Nebenbebäude Quartier bezogen hat.
In der Küche stehen Schalen gefüllt mit Obst: Kirschen, Weintrauben, Bananen. Alles zur Selbstbedienung. Im Kühlstank stehen vorbereitete Speisen. Und das Dessert für die Gäste hat Dana, Dougs Frau dezent zum Obst dazugestellt. Was für ein herzlicher Empfang.
Ich packe meine Sachen aus. Das Zelt muss getrocknet werden und Doug hilft mir mit Bleigewichten aus seiner Tauchausrüstung, das Zelt in Position zu bringen. Ich wasche meine Wäsche mit der Hand. Dann ziehe ich in Badehose mit Badehandtuch hinunter zum eigenen, felsigen Strand.
Hier treffe ich auf die beiden anderen Gäste, denen Doug seine Kajaks gegeben hat. Während sie hinter den flachen Felsen um die Ecke verschwinden, nehme ich in dem flachen, glatten, felsigen Ufersaum ein erfrischendes Bad. Anschließend husche ich unter die Dusche und fühle mich darauf richtig frisch, für einen kleinen Abendspaziergang.
Am Ufer entdecke ich zu meiner großen Freude Myrtenastern, etliche wunderschön violet blühende Lobelia kalmii, die hier in Rissen zwischen den Kalksteinfelsen wachsen. Außerdem die überaus attraktive rotorange leuchtende, scharlachrote Castilleje, auch als Indianerpinsel bekannt.
Interessant ist, das die Bestäubung der Blüten überwiegend durch den Rubinkehlkolibri erfolgt. Auch wenn ich diesen kleinen, nur 3 gr. wiegenden Vogel nicht zu Gesicht bekomme, verraten mir die vielen Pflanzen, dass er sich hier aufhält.
Vielleicht 150 Meter vom Chalet entfernt steht der alte Leuchtturm auf felsigem Grund und dient noch immer der Schiffahrt in diesen gefährlichen Gewässern. Doug und Dana helfen mir, online das Ticket für die Fähre zu kaufen und während des gemeinsamen Abendessens mit den anderen Gästen tauschen wir einander unsere Erfahrungen aus.
Da Carolyn, Dana und Doug über große Erfahrungen als Gastgeber verfügen, können sie auch viele spannende Geschichten erzählen. Sie haben im Laufe vieler Jahre eine große Menge hochinteressanter Menschen kennengelernt. Und es ist spannend, ihren Erzählungen über diese Begegnungen zu lauschen.
Ich habe heutemorgen erst einmal ein erfrischendes Bad im Teich genommen. Darwin schaute vom Balkon aus zu. Kurze Zeit später treffen wir uns am Zelt. Den Kaffee hat er gleich mitgebracht. Und auf den Kaffee folgt noch eine Einladung zum Frühstück ins Haus. Anschließend verabschieden wir uns herzlich voneinander. Noch ein Abschiedsfoto und dann bin ich schon wieder unterwegs.
In wenigen Minuten lasse ich Holstein hinter mir. Dann wird es wieder ruhiger auf der Straße und ich bin allein. Dabei fühle ich mich wohl. Kein Gefühl der Einsamkeit. Kein Verloren sein. Da ist so viel Freude in mir. So viel Neugierde auf den Weg, der noch vor mir liegt. Und die Tatsache, dass es noch immer 10 Monate sind, treibt mich an, Neues zu entdecken und Menschen kennenzulernen.
Heute ist Sonntag und die Straße am Morgen weitestgehend leer. Auf der Bruce Penisula leben viele traditionell lebende Amish People und gleichzeitig eine große Gruppe mehr liberaler Mennoniten. Aber mir begegnet kein einziger. Kein Buggy ist auf der Straße zu sehen. Und kein Mitglied dieser Gemeinschaften.
Ihre kleinen Gemüsestände, die ich bisher nicht gefunden habe, sind am Sonntag verweist. Sie kommen für mich nicht in Frage, da sie für die Früchte in der Regel Bargeld der Geldkarte vorziehen. Und genau das habe ich nicht bei mir.
So fahre ich unbeschwert durch die ruhige, sonnige Landschaft. Ein Ochse steht in der brütenden Hitze am Wasserloch. Mein Thermometer zeigt 40,7 °C in der Sonne an. Es scheint, als sei ich der Einzige, der sich an diesem Morgen regt.
Ein bunter Wegweiser weckt meine Aufmerksamkeit. Und kurz darauf kündigt mir ein GoCanada unter olympischen Ringen die Olympiade an. Bisher hat sie für mich überhaupt nicht existiert. Und wenn schon Olympiade, dann bin ich mit meiner eigenen Olympiade beschäftigt. Still lächle ich in diesem Augenblick in mich hinein.
Ich erreiche Skinners Bluff in Colpoy’s Lookout Conservation Area. Von diesem Standort aus ist eine interessante Reihe von Bergrücken und Steilhängen zu sehen, die mit der Niagara-Steilstufe in Verbindung stehen.
Oben befindet sich eine massive Steilküste aus Dolomit, eine Erosionsformation, die von einem Schutthang aus herabgefallenen Steinen flankiert wird. Unmittelbar darunter kennzeichnet ein Grat aus Sand und Kies die 11.000 Jahre alte Uferlinie des postglazialen Algonquin-Sees.
Die Straße führt eine kleine sekundäre Steilküste hinab, die aus widerstandsfähigem Dolomit der Manitoulin-Formation und einer Ufersteilküste des postglazialen Nipissing-Sees gebildet wurde, die etwa 5.000 Jahre zurückreicht.
An der Bruce County Road in Wiarton erreiche ich gegen 20 Uhr mein Ziel. Unter einem Apfelbaum neben dem Haus eines Ehepaares schlage ich mein Zelt auf, nachdem ich um Erlaubnis gebeten habe. Ich werde freundlich mit Wasser versorgt. Das Obst liegt auf der Wiese unter dem alten Apfelbaum gleich nebenan. Ich bin froh, dass man mir hilft. Alles geht schnell. Und 15 min später liege ich schon auf meiner Matte und schlafe bald darauf ein.
Sharon und David sind bereits auf, als ich aus meinem Separee komme. Großzügig laden sie mich zum Frühstück ein. Und bevor ich aufbreche, schließen sie mich in ihr Gebet ein.
Da ist so viel Frieden in ihrem Herzen. So viel Gastfreundschaft. Und die Bereitschaft, all das für diesen Augenblick zu teilen. Mich überwältigt das immer wieder. Eine letzte herzliche Umarmung. Dann bin ich wieder auf der Straße.
Straße, das heißt auf asphaltierten Wegen mit und ohne asphaltierten Schultern, auf Schotterstraßen, viele Meter breit und endlos lang, auf schmalen, sandigen Pfaden. Vorbei an Farmland, an Wetlands, durch Wälder und über Felder. Ein ständiger Wechsel der Landschaften. Manchmal zivilisiert in Form und Farbe gepresst. Dann wieder wild und sich selbst überlassen. Fast unberührt. Der ganze Tag ein purer Genuss. Alles ein Höhepunkt.
Glücklich strampelnd ziehe ich über das Land und freue mich, ein Teil dieser Geschichte zu sein. Und selbst die zahlreichen blühenden Wegmalven finden mein Interesse. Da ist so viel Schönheit. Und über allem ein blauer Himmel an diesem sonnigen Tag.
Auf den Getreidefeldern hat die Ernte eingesetzt. Und unaufhörlich ziehen in diesen Tagen die Mähdrescher über die Felder, um die reiche Ernte einzufahren.
Probleme bereitet mir persönlich die Hitze nicht. Es sind 36,1 °C in der Sonne. Die Luft insgesamt feuchtschwül aufgeheizt. Die gestern Abend gekaufte Milch ist bereits sauer und das Brot schimmelt. Da ich keine Kühlmöglichkeiten habe, bleibt mir nur, frische Lebensmittel für den sofortigen Verzehr einzukaufen.
Das Problem dabei ist, dass ich meistens zu große Packungen kaufen muss. Joghurt wird in der Regel in 1 Liter Packungen angeboten oder im 10er Pack. Eier im 12er Pack. Kleinere Gebinde finde ich nicht. Käse im kleineren Block muss ich sofort verzehren. In dieser Hitze schmilzt er in der Plastiktüte und sieht schließlich unansehnlich aus. Ob so ein Käse nach drei Tagen noch schmeckt, habe ich nicht ausprobiert.
Paprika, Broccoli, Staudensellerie, Blumenkohl, Karotten usw. kaufe ich nur einzeln. Die Gebinde sind in der Regel zu groß. Und Gehacktes hab ich bisher nur in Packungen über 450 gr. gefunden.
Manchmal kaufe ich Würstchen ein, die geräuchert und ohne Kühlung haltbar sind, so lange sie eingeschweißt sind. Brot zu finden, das unserem Brot in Deutschland entspricht, ist fast aussichtslos. Trotzdem versuche ich so zu wirtschaften, dass nichts weggeworfen werden muss.
Die Farmen entlang des Weges sehen allesamt gesund aus. Milch- und Weidewirtschaft wechseln mit Getreide und anderen Feldfrüchten. So geht das den ganzen Tag.
Bis der Abend kommt, und ich mich zur Abwechslung auf die Suche nach einem Schlafplatz mache. In Holstein, Ontario verlasse ich die Straße und fahre die lange Auffahrt eines Grundstückes hinauf. Ich klingel an der Haustür. Ein älterer Mann tritt vor die Tür. Nachdem ich mich vorgestellt und erzählt habe, woher ich komme, und dass ich mir gerade meinen Traum erfülle, hält er kurz Rücksprache mit seine Frau.
Ich warte 1 min. Dann kommen beide vor die Tür und heißen mich herzlich willkommen. Selbstverständlich darf ich mein Zelt am hauseigenen Teich aufstellen. Zusätzlich gibt es frisch gepflückte Cucumber und dazu Budweiser Lite. Während ich mein Zelt aufbaue und meine Not mit den stechenden Moskitos habe, schenkt mir Darwin eine Dose Moskito Abwehrspray. Seine Frau bringt mir Handtuch, Waschlappen, Shampoo und Seife. Und ich darf im hauseigenen Teich baden gehen.
Mein Gastgeber heißt Darwin. Er wird nächste Woche 80 Jahre alt und ist sehr vital. Voller Freude erzählt er mir aus seinem Leben. Dann führt er mich durch den Garten und anschließend zeigt er mir, was er zu verkaufen hat. Und das sage ich einmal: Alles, was sich verkaufen lässt. Dabei hat er immer noch große Freude am Verkaufen.
Sie haben die Mutter seiner Frau ins Haus aufgenommen. Und Darvins Frau pflegt sie mit großer Hingabe, auch wenn das viel Kraft kostet. Und dann noch einen Fremden wie mich mit so viel Großzügigkeit zu bedenken. Das ist faszinierend und verdient meine allergrößte Anerkennung.
Ich habe eine spannende Nacht an der Eller Rd. in Thorold, einem Stadtviertel von Milton, Ontario, wo ich mein Zelt aufschlage. In der Nacht ein mehrstündiges Konzert heulender Kojoten, die immer wieder meinen Schlaf unterbrochen haben.
Angst empfinde ich keine. Das Rudel scheint sich in einiger Entfernung aufzuhalten. Vielmehr lausche ich wiederholt dem vielstimmigen auf- und abschwellenden Konzert der Tiere, das die ansonsten ruhige Nacht durchdringt.
Und jetzt, am frühen Morgen, der Vogelgesangsverein. Ich versuche, noch bis 8 Uhr zu ruhen. An Schlaf ist nicht zu denken. Zu abwechslungsreich, zu großartig dieser Morgen mit den vielen Vogelstimmen.
Um 9 Uhr bin ich – nun schon einer Gewohnheit folgend – wieder auf der Straße. Ich folge dem Bruce Trail Richtung St. Catharines, wo ich um kurz nach 10.00 Uhr eintreffe. Ich radle eine kurze Zeit am Weinanbaugebiet vorbei. Mein Weg führt mich runter von der asphaltierten Straße auf den Dofasco Trail, der sich durch Farm- und Wetlands windet.
Nach einigen Stunden auf dem Trail erreiche ich die Ridge Road, welche mir eine schöne Aussicht auf Hamilton bietet.
Weiter geht es auf dem Beach Blvd in Hamilton, den ich mir mit anderen Radfahrern, Skatern und Fußgängern teile. Für mehrere Kilometer habe ich einen Schrittmacher vor mir, der mich in allem verblüfft.
Obwohl ich ihm kaum Folgen kann, hat der Mann noch Zeit, kleine Sprünge, Kreise und keine Kunststücke auf seinen 8 Rädern hinzulegen. Alles mit spielender Leichtigkeit, während ich meine Not habe, dem gebotenen Schauspiel zu folgen. Der Typ begeistert mich …
… bis mir buchstäblich die Luft ausgeht. Eine Glasscherbe, einlanger, tiefer Schnitt durch das Gummi zwingen mich zum Stopp. Reifenwechsel! Ich habe gerade einen neuen Mantel aufgezogen und einen geflickten Schlauch verwendet. Ergebnis: Ich sitze noch nicht einmal auf dem Rad, schon der nächste Platten.
Ab jetzt keine selbstklebenden Flicken mehr. Das ist großer Mist. Es braucht 1.5 h bis ich weiterfahren kann. Jetzt geht es erst einmal aus der Stadt Hamilton raus…
Über den Centennial Trail und den Mount Forrest Trail verlasse ich Burlington. Der Trail folgt für viele Kilometer einer Hochspannungstrasse. Links und rechts frisch gemähtes Gras, das in der Sonne zu Heu reift.
Meine Nase fängt an zu Laufen. Die Augen brennen und die Pollen Stechen. So geht es mit tränenden Augen hinaus aufs Land. Und ich bin glücklich, als ich den Trail verlasse. Mittlerweile ist es Zeit, einen Schlafplatz zu suchen. Die Sonne versinkt bereits hinter den grünen Wellen am Horizont.
An der Campellville Road in Milton klopfe ich an die Tür. Sharon kommt heraus und wir haben ein kurzes Gespräch. Sie nimmt sich Zeit und hört mir zu, obwohl sie Familienbesuch hat, der gerade das Haus verlassen will.
Nachdem sie kurz rübergewechselt hat um Ihre Tocher, Schwiegersohn und Enkelkind liebevoll zu verabschieden, kommt sie zurück. Und während wir uns unterhalten wird ihr Ehemann David bereits aktiv, und fängt ein, den Hänger von innen zu säubern. Erst wollte ich im Garten das Zelt aufschlagen. Doch es ist zeitlich soweit fortgeschritten, dass ich in die Dunkelheit komme. So nehme ich voller Freude das Angebot beider an, im Trailer zu übernachten.
Als ich kam, sah es im Trailer noch nach viel Arbeit aus. Nun aber ist es ein wunderbares Separee. Der Eingang wird mit einer Plane verschlossen. Ich bekomme noch eine Nachttischlampe gereicht und am Kopfende werden zwei Ventilatoren aufgestellt, die die Mücken vertreiben. Und das Sahnehäubchen ist eine dicke, saubere Matratze. Was für ein Komfort.
Sharon und David verlassen kurz das Haus und kommen mit einer Pizza wieder. Wir essen gemeinsam. Ich darf die Dusche benutzen und sie waschen meine Wäsche. Zum Abschluss des Tages plaudern wir noch ein Stündchen. Dann wird es Zeit für mich, schlafen zu gehen.
Dankbar und überaus glücklich, so liebe und hilfsbeireite Menschen zu finden, gehe ich zu Bett. Ein weiterer Schöner Tag findet in großem Frieden in meinem Herzen ein Ende.
John und Michelle in Hamilton waren wundervolle Gastgeber. Der Empfang war herzlich. Von Michelles Kochkünsten bin ich begeistert. Beide haben mir viel Unterstützung für meine weitere Planung gegeben. Auch die drei Hunde, Win, Lucy und Douglas haben sich von ihrer besten Seite gezeigt. So hatte ich einen wunderschönen Abend mit tollen Gesprächen und dem wunderbaren Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Vielen Dank für alles, was ihr für mich getan habt.
Nach einem Frühstück verabschiede ich mich von Beiden. Ihre Routen-Ratschläge sind hervorragend. Und zum ersten Mal auf meiner Tour mache ich die Erfahrung, wie langweilig eine Etappe sein kann. Ich nehme die Route entlang des Südufers des Ontariosees.
Über fast die ganze Strecke radelt man entweder, wie im Bild, an der Lärmschutzwand oder ohne Lärmschutz an der stark befahrenen Interstate entlang. Kaum Strände. Noch weniger Möglichkeiten für irgend ein Freizeitvergnügen. Insgesamt eine trostlosen Strecke.
Einziger Vorteil: Man kommt schnell voran. Und das ist Heute meine Absicht. So hab ich mehr Zeit für die Orte Niagara on the Lake sowie Niagara Falls und den Weg dazwischen, entlang dem Niagara River.
Irgendwo vor Niagara on the Lake entdecke ich ein Schiffswrack. Und da ich bisher von diesem Streckenabschnitt keine Bilder habe, muss dieser rostende Schiffsrumpf dafür herhalten.
Ca. 10 km bevor ich Niagara on the Lake erreiche, ändert sich die Landschaft. Ich durchfahre Kanadas Weinanbaugebiet. Und gleichzeitig werden hier Pfirsiche und Nektarinen angebaut.
Den Verlockungen der reifen, leuchtenden Pfirsiche kann ich nicht widerstehen. Ich nehme, was der Baum abgeworfen hat. Die Pfirsiche sind unbeschädigt und nachdem ich den Staub abgewaschen habe, beiße ich herzhaft hinein. Was für ein Genuß! Das Fleisch ist weich und zuckersüß. Der Geschmack in diesem Augenblick durch nichts zu überbieten. Und wo ein Pfirisch Platz findet, da ist auch Platz für weitere reife Früchte.
Ich bin noch am Verdauen, als ein Mann auf seinem Quad auf mich zusteuert. Er fragt, ob ich Hilfe brauche, was ich verneine. Ich nenne den Grund meines Stopps und in seinem Gesicht sehe ich ein strahlendes Lachen. Dann greift er neben sich und reicht mir eine Plastikschale mit reifen Nektarinen. Ich nehme eine. More ruft er. Ich nehme eine Weitere und erneut fordert er mich auf, mehr zu nehmen.
Am Ende sind es 8 große, reife Nektarinen. Es folgt noch ein kurzes Gespräch. Er ist Saisonarbeiter, arbeitet insgesamt 8 Monate in dieser Region und fährt dann wieder heim nach Mexiko. Weiter geht die Reise hinein nach Niagara on the Lake.
Um keine Zeit zu verlieren, steuere ich in Niagara on the Lake die Touristinformation an. Ich möchte erfahren, wo im Ort alte, im viktorianischen Stil erbaute Häuser zu sehen sind. Die Dame ist sehr freundlich und händigt mir einen Plan mit allen Inns, Restaurants, Bars, und Shops aus. Und empfiehlt obendrein die Hauptstraße zu nutzen, die gleichzeitig die Shoppingmeile ist.
Ich wiederhole mein Anliegen und bekomme ein zweites Mal dieselben Erläuterungen. Möglicherweise versteht sie mich nicht. So verlasse ich die Touristinformation, fahre noch um ein paar Häuserecken, vorbei am alten Leuchtturm und mache mich dann auf den Weg entland des Niagara Rivers nach Niagara Falls.
Mein Weg führt über die Roy Terrasse. Die Nische zwischen ihr und der Eldridge Terrasse, die auf der US-Seite auf gleicher Höhe sichtbar ist, markiert den Pegel des Gletschersees Lake Iroquois (Ontariosee).
Als der Wisconsin-Gletscher vor etwa 12.000 Jahren zurückging, entstanden hier die Niagarafälle, deren Wasser nur 11 Meter (35 Fuß) über die Böschung vom kleinen Eriesee in den Lake Iroquois stürzte.
Eine seltsame Begegnung habe ich mit diesem kleinen Kerl, der sich in meiner Nähe aufhält und keine Scheu zeigt. Er scheint nur an Futter interessiert zu sein. Bemerkenswert, wie sehr sich wilde Tiere an unsere Gegenwart gewöhnt haben.
Blick in die Niagara-Schlucht unterhalb des Whirlpool-Rapids.
Auf komfortablem Radweg geht es entlang des Niagara-Rivers. An einigen Stellen sind Aussichtsterrassen angelegt, so dass man einen etwas besseren Blick auf den Fluss hat. Nachdem ich ein großes Wasserkraftwerk passiert habe, kommt ein erstes wirkliches Highlight in Sicht. Die Whirlpool-Rapids.
Dabei handelt es sich um extrem starke Stromschnellen des Niagara-Rivers, die sich circa fünf Kilometer stromabwärts (nördlich) der Niagara-Falls befinden. An dieser Stelle macht die Niagara-River-Gorge aufgrund der geologischen Gegebenheiten des Untergrundes einen scharfen Knick von ca. 90° und zwingt den Fluss, seine Fließrichtung von Nord-West nach Nord-Ost zu ändern. An dieser Knickstelle entstand ein annähernd kreisförmiges Becken – der Niagara Whirlpool.
Die Wassertiefe in den Rapids beträgt bis zu 10,7 Meter und die Fließgeschwindigkeit bis zu 35,4 km/h. Die Whirlpool Rapids des Niagara gehören zu den wildesten, beeindruckendsten und gefährlichsten Wildwassern der Welt.
Wer möchte, kann auf der kanadischen Seite mit der Seilbahn über den Whirlpool hinweggleiten. Sicherlich ein ganz besonderes Abenteuer, auf das ich jedoch verzichte. Ich erlebe auch so schon viele schöne Abenteuer.
Schließlich erreiche ich Niagara-Falls. Und was ich erlebe, ist Beides: faszinierend und erschreckend.
Der Horseshoe-Wasserfall ist unbeschreiblich schön. Über eine Breite von 670 Metern stürzen die teilweise im Sonnenlicht in schneeweiße Gischt eingehüllten, smaragdgrünen Wassermassen 57 m in die Tiefe. Die Aussichtsterrassen gut angelegt. Die Wegführung dorthin nicht übersichtlich.
Der Rest ist eine Mischumg aus Spielkasino, Vergnügungspark und Touristenfalle. Heute bei strahlendem Sonnenschein treffe ich auf Zehntausende von Menschen, die sich entlang der Aussichtsterrassen drängen.
Hier entstehen täglich wohl Hunderttausende von Erinnerungsfotos. Trotz der Menschenmassen ist die Stimmung entspannt und ausgelassen. Und wem die Wasserfälle nicht genug sind, der geht in die Minigolfanlage, die Geisterbahn oder das Spielcasino. Dieser Ort bietet für jeden etwas.
Ganz Wagemutige besteigen ein Boot, das dich bis an das untere Ende der herabstürzenden Wassermassen fährt. Sicherlich ein ganz besonderes Erlebnis.
Über die gesamte Szenerie spannt sich an diesem späten Nachmittag ein wunderschöner Regenbogen und lässt alles noch traumhafter erscheinen.
Nach zwei Stunden sind meine Reserven aufgebraucht. Diese Menschenmassen sind mir persönlich zu viel. Der Ort selbst, eine Touristenhochburg, ist kein Platz für mich. Und so verlasse ich noch vor Sonnenuntergang Niagara-Falls und fahre hinaus aufs Land.
Auf der Allanbridge überquere ich den Welland-Kanal. Diese Brücke ist eine von mehreren vertikalen Hubbrücken mit ähnlichem Design am Welland-Kanal. Die Brücke kann angehoben werden, um eine Freiraum von 119,7 Fuß (36,5 Meter) zu schaffen.
Der Wellandkanal selbst ist ein Großschifffahrtsweg in Kanada. Er ist 43,4 km lang, 80 m breit und mindestens 8,20 m tief und verbindet den Eriesee bei Port Colborne mit dem Ontariosee in Saint Catharines. Dabei durchquert er die Niagara-Schichtstufe, wofür acht Schleusen nötig sind. Er bildet einen Teil des Sankt-Lorenz-Seewegs und dient zur Umfahrung der Niagarafälle.
Der Kanal ist für Schiffe der Seawaymax-Klasse mit einer maximalen Länge von 225,6 m und einer Höhe von max. 35,5 m ausgelegt. Die Durchfahrt dauert durchschnittlich elf Stunden.
Dann geht es weiter bis nach Thorold, Ontario, wo ich nach Sonnenuntergang endlich einen geeigneten Platz auf einer Wiese unter einem herrlichen, alten Apfelbaum finde.