Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Kanada

Von Toronto nach Hamilton

Toronto hat so viel zu bieten. Aber meine Zeit ist begrenzt. Ich möchte weiterziehen. Und so verabschiede ich mich am 24. Juli 2024 aus der Stadt in Richtung Hamilton.

Ich nehme wieder den Waterfront Trail, der mich bis nach Hamilton bringt. Vom Wasser schallen Anfeuerungsrufe herüber. Ein Achter mit Steuermann zieht geschmeidig vorbei.

Es geht an alten Bädern vorbei. An Leuchttürmen und überfüllten Marinas. An kleinen Tempeln und Teichen. An Parklandschaften, die das Ufer säumen. Eine Stunde, nachdem ich Toronto verlassen habe, erreicht mich eine Nachricht von Richard, dass ein Thunderstorm im Anmarsch ist. Und wenige Minuten später bin ich mittendrin.

Nachdem das Gewitter sich verzogen hat. Nehme ich meine Route wieder auf und erreiche bei bedecktem Himmel und diesiger Sicht Hamilton, wo ich bei meinen heutigen neuen Gastgebern eine sichere Unterkunft finde.

Kleine Segeltour mit Richard

Richard hat mich zu einer mehrstündigen Segeltour vor der Skyline Torontos eingeladen. Am Yachthafen treffen wir noch Marlies, eine Freundin Richards, die im selben Hochhaus in der 36ten Etage wohnt. Zu dritt geht es an Bord eines kleinen Segelbootes, das Richard für den Ausflug gemietet hat.

Unter seiner Regie nehmen wir unsere Plätze ein und helfen, wenn nötig, auf seine Anweisungen.

Das Wetter ist großartig. Der Wind gerade so, dass es sich lohnt, hinauszusegeln. Während der Bootsfahrt führen wir eine angeregte Unterhaltung. Und da beide sehr ortskundig sind, fällt mir die Orientierung zu Wasser nicht schwer.

Am Ausgang des Yachthafens liegen haufenweise Kajaks zum Mieten. Und davon wird rege Gebrauch gemacht.

Der erste Kilometer wird noch mit einem Außenbordmotor zurückgelegt. Doch dann setzt Richard die beiden Segel, bringt das Boot in den Wind. Und schon gleiten wir weich über das Wasser. Die Skyline wird immer kleiner. Über uns schwebt ein Passagierflugzeig herein, um auf dem lokalen Flughafen zu landen.

Und dann fliegen Kormorane in langen Reihen dicht auf das Segelboot zu, teilen sich auf und umfliegen das Hindernis in 15 bis 20 Metern Entfernung. Das wäre vielleicht nicht erwähnenswert. Doch es sind Abertausende, die in schnellem Flug mit heftigen Flügelschlägen vorbeiziehen. Nach einer halben Stunde vererbt der schwarzgefiederte Strom.

Unsere Zeit auf dem Wasser vergeht wie im Flug und schon bald geht es wieder heim. Richard drückt mir das Ruder in die Hand und unter seiner Anweisung halte ich Kurs auf den Yachthafen, während er selbst ständig den Wind in den Segeln kontrolliert.

Es war ein kleiner, feiner Ausflug mit einer interessanten Sicht auf die Skyline. Marlies schwärmte von der Skyline nach Einbruch der Dämmerung und lud mich ein, nochmals einen Blick auf diese Skyline zu werfen.

So verabredeten wir uns und ich hatte für den Rest des Abends einen wunderbaren Stadtführer. Sie kennt die interessanten, fotogenen Ecken, führte mich zu Fuß um manchen Block. Zeigte und erklärte gleichzeitig, was ich sah und lud mich noch zum Abendessen ein, bevor wir die Harlan’s Port Ferry bestiegen. Ohne auszusteigen, setzten wir über, nur um gleich wieder die Rückfahrt anzutreten. Aber es hat sich gelohnt. Die Stadt zeigte sich vielleicht von ihrer schönsten Seite.

Und äls wäre es noch nicht genug, führte mich Marlies noch um ein paar Ecken und präsentierte mir noch ein Graffiti von Bansky. Ich hätte es wohl nicht gefunden. Das Graffiti befindet sich noch heute an seinem ursprünglichen Standort und ist mit einem Holzrahmen eingefasst und mittels einer Plastikscheibe geschützt.

Ich habe Marlies viel zu verdanken. Ohne sie hätte ich manches Kleinod Torontos niemals gesehen.

In der Kürze der Zeit habe ich durch sie und Richard mehr von Toronto gesehen, als ich jemals erwartet hätte. Danke an Beide für diese wunderbaren Tage in einer Stadt, die sich in einem großen, schnellen Wandel befindet.

Drei Tage Toronto

Mein Gastgeber in Toronto heißt Richard. Ihm verdanke ich drei wunderschöne Tage in Toronto. Drei Tage mit prall gefülltem, buntem Leben. Nachdem ich Bluffers Park am Morgen verlassen hatte, radelte ich ein drittes Mal die Strände entlang, nach Toronto hinein.

Am CN-Tower, einem Wahrzeichen von Toronto, hielt ich an, um mich zu orientieren. Rund um den Turm Massen von Touristen. Einen passenden Fahrradständer für mein Fahrrad konnte ich nicht finden. Und so verzichtete ich auf den Besuch der Aussichtsplattform des CN-Towers. Hier gibt es keinen sicheren Ort für das Fahrrad. Also beschränke ich mich auf eine Sightseeing-Tour.

Und da gibt es reichlich zu sehen. So viel, dass es mir schwerfällt, eine Bilderauswahl zusammen zu stellen. Aber einen Eindruck möchte ich schon vermitteln.

Zu Füßen des CN-Towers kann man ein wunderschönes Eisenbahnmuseum besuchen. Viele der Loks sind frei zugänglich. Eintritt zahlt nur, wer mehr in den Hallen sehen möchte.

Der Blick aus meinem Quartier im 31. Stockwerk auf die Stadt.

Museumsbesuch: Eine der schönsten paläontologischen Sammlungen, die ich je gesehen habe.

Die Stadt befindet sich in einem ständigen Wandel. Noch gibt es das Toronto mit seinen alten Steinfassaden. Jedoch entstehen immer mehr Wolkenkratzer mit verspiegelten, glatten Fassaden. Wolkenkratzer, die mehr durch ihre wagemutige Architektur glänzen, denn durch feine Applikationen an den Fassaden.

Für das Freizeitvergnügen wird einiges geboten. Sehr beliebt scheint das Schachspiel zu sein, das in unterschiedlichen Größen an mehreren Stellen der Stadt unter freiem Himmel genutzt werden kann.

Die alten Fassaden verschwinden immer mehr. Der Wandel verläuft für mich kaum sichtbar. Neben der alten wächst unaufhörlich die neue Stadt. Mein Gastgeber erwähnt, dass er 19 Jahre zuvor noch die Wasserfront sehen konnte. Heute versperren unzählige Wolkenkratzer die einst wunderschöne Sicht.

Die Stadt scheint Hunde sehr zu lieben. Und ein beliebter Aufenthalsort nicht nur für Hundehalter ist dieser Brunnen in einem kleinen Park.

Irgendwie erinnert dieses Gebäude an das Iron-Cast-Building in New York mit gleichfalls dreieckigem Grundriss.

Werbung über einer Bushaltestelle.

Und immer wieder Kunst im öffentlichen Raum …

Couchmonster …

Geht man durch die Stadt, trifft man unweigerlich auf viele wohnungslose, entwurzelte Menschen, die irgendwie versuchen, in dieser glitzernden Stadt zu überleben.

Am Hintereingang zu einer Kirche entdeckte ich diese Lebensmittel-Ausgabestelle. Jede Tüte sichert das Überleben für einen Tag. Die Tüten beinhalten im Durchschnitt ein Getränk, ein oder zwei Müsliriegel, ein paar Süßigkeiten, einen Pappbecher gefüllt mit Kartoffelsalat, Reis- oder Nudelgericht und ein Sandwich, belegt mit Fleisch, Wurst, oder Käse.

Die Haltbarkeiten der Inhalte sind in der Regel überschritten. Die Lebensmittel werden nicht gekühlt. An diesem Tag waren es über 30° C. Die Inhalte entsprechend warm und dem Verderben ausgesetzt. Und wenn man ein wenig geduldig ist, dann sieht man die Menschen, wie sie vorbeikommen, sich eine Tüte nehmen und Augenblicke später schon wieder irgendwo im Bauch der Stadt verschwunden sind.

Von Cobourg nach Bluffers Park, Scaborough

Es war eine ruhige, angenehme Nacht. Ich bin früh auf und abfahrbereit, als der Farmer an der Scheune eintrifft. Ein kurzes freundliches Gespräch, an dessen Ende mir der Farmer noch 20 Dollar für ein Frühstück in die Hand drückt. Dann verabschiede ich mich und auf gehts nach Toronto.

Bei herrlichem Sonnenschein radle ich auf dem Waterfront Trail durch die grüne Landschaft. Vorbei an Farmen, umgeben von ausgedehnten Feldern, auf denen das Korn reift. Vorbei an üppigen Baumbeständen. Durch Weinanbaugebiete und an kleinen Stränden entlang. Es ist ein ständiger Wechsel. Und so merke ich kaum, wie ich mich langsam Toronto nähere.

Bis plötzlich die ersten Strände auftauchen, an denen sich Menschenmassen tummeln. Im Wechsel geht es so weiter. Strände wechseln mit ruhigeren grünen Wegabschnitten. Und überall herrscht reges Treiben.

Und so ist es ein Erlebnis, all diese verschiedenen Eindrücke aufzunehmen. Ich versuche einmal, dieses bunte, abwechslungsreiche Leben in Bildern einzufangen:

Diese nette Familie sprach mich an und wollte gerne ein bisschen mehr von mir und meiner Reise erfahren.

Für kurze Abschnitte war ich dann wieder fast allein auf dem Waterfront Trail unterwegs.

Und Minuten später kam ich an einem Strand vorbei, auf dem über 100 Volleyball-Felder aufgebaut waren. Und auf allen Feldern wurde gespielt.

Gelegentlich gab es überraschende, kleine Hindernisse zu überwinden.

Ob Kanu, Kajak oder Segelboot. Welcher Freizeitbeschäftigung man auch nachgehen will: Es ist für alle etwas dabei.

Und immer wieder sieht man betreute Kindergruppen beim gemeinsamen Spiel.

Meine Warmshower App hatte nicht richtig funktioniert. Und als ich sie endlich öffnen konnte, um eingegangene Nachrichten anzuschauen, musste ich feststellen, dass ich bereits 14 km zu weit gefahren war. So kam ich erst gegen 21.00 Uhr in Scarborough an.

Bluffers Park ist eine Anlage, die sich verschiedene Yacht Clubs teilen. Mein Gastgeber hatte mir alle Daten mitgeteilt. Lediglich beim Betreten der Anlage musste ich warten, bis jemand mir das Tor öffnete. Nicht ohne zu hinterfragen, zu wem ich will. Erst dann gab man sich zufrieden und unter kritischem Blicken durfte ich die Yacht-Anlage betreten.

Dank der guten Beschreibung meines Gastgebers Jeff war das Boot schnell gefunden. Und so checkte ich nach 21.00 Uhr ein. Schnell waren meine Sachen an Bord verstaut. Das Fahrrad hab ich vom Bootssteg entfernt und auf Empfehlung an einem Pavillon angeschlossen, der vor dem Bootssteg aufgebaut war. Nach einer warmen Dusche war ich fix und fertig. Und kaum hatte ich mich aufs Bett gelegt, war ich eingeschlafen.

Von Greater Napanee nach Cobourg

Fast zeitgleich stehen Rob und ich auf. Die Nacht war ruhig und die leichte Brise angenehm und sehr hilfreich. Keine Mücken und das Zelt ist bereits um 8.00 Uhr trocken. Alle Sachen sind bereits verpackt aber noch nicht am Rad verstaut.

Ich unterbreche meine Arbeit und gehe zu Rob, der vor seinem Wohnmobil beschäftigt ist. Ein freundlicher, ja herzlicher Umgangston und ein Becher richtig guten Kaffees geben dem Morgen ein angenehmes Aroma. Und während ich meinen zweiten großen Becher Kaffee leere, bereitet mir Rob zum Abschied noch ein leckeres Frühstück mit drei Spiegeleiern auf Toast, das Ganze verfeinert mit Käse, Speck und Tomaten. Und eine halbe Stunde später, gegen 9.30 Uhr, bin ich wieder unterwegs.

In der kurzen Zeit, die wir beiden gemeinsam verbracht haben, haben wir angenehme Gespräche geführt. Und auch dabei wurden wieder politische Sorgen wie auch gesellschaftliche und soziale Fragen behandelt. Un so war die Begegnung mit Rob eine Bereicherung für mich.

Am Himmel zeigt sich keine Wolke. Nur Blau, das vom Horizont aufsteigend immer dunkler und kräftiger wird. Die Sonne entfaltet schon am Morgen wohltuend ihre ganze Kraft und vertreibt in Windeseile die Morgenfrische. Die Landschaft breitet sich über ein leicht hügeliges Gelände aus. Und weiter unten in der Ferne glitzert hier und da der Strom silberfarben in der gleißenden Sonne.

Mit der Adolphustown-Glenora Ferry setze ich über die Bay of Quinte, eine tief ins Land reichende, verzweigte Bucht, über. Vom Fähranleger starte ich zum Lake on the Mountain. Rob hatte mir dieses Klleinod empfohlen. Und so war ich neugierig geworden.

Wie der Name vermuten lässt, liegt der etwas über 1 km² große Süßwassersee auf einem Berggipfel. Allerdings scheint er keine Wasserquelle zu haben! Der See wurde von den Mohawk-Ureinwohnern „Onokenoga“ genannt, was „See der Götter“ bedeutet. Man glaubte, dass der See die Heimat vieler Geister sei und im Frühling Empfänger mehrerer Geschenke und Opfergaben war.

Lake on the Mountain liegt 62 Meter über der Bay of Quinte, des Ontariosees im Prince Edward County. Vom Uferbeteich des Lake an the Montain hat man an wenigen Stellen eine gute Sicht hinunter auf die Bay of Quinte, wo sich die Adolphustown-Glenora Ferries in regelmäßigen Abständen auf der Bay of Quinte begegnen, was seinen ganz besonderen Reiz hat. Nach kurzer Aufenthaltsdauer geht es weiter.

In Picton, Ontario weiche ich kurz von meiner Reiseroute ab. Wegen eines Kabelbruchs kann ich mein fast leeres Smartphone nicht aufladen. So frage ich mich durch die Geschäfte, bis ich schließlich einen Laden finde, der weiß, wo ich es in diesem kleinen, ein wenig an den Wilden Westen erinnernden Ort bekommen kann. Und tatsächlich werde ich fündig.

Während meiner Suche nach einen Kabel entdecke ich an der Hauptstraße das Regent Theatre, das 1918 eröffnet wurde. Das heute gemeinnützige Theater ist ein historisches Wahrzeichen und der Mittelpunkt der Mainstreet in Picton.

Es präsentierte im Laufe der Jahre sowohl Filme als auch Live-Shows und wird noch heute als Professionelles und Amateurtheater betrieben, das eine ganzjährige Unterhaltung bietet. Außerdem ist es ein seltenes Beispiel eines edwardianischen Opernhauses mit einer Bühne, die so groß ist wie die des Royal Alexandra Theatre in Toronto.

Nach meinem Einkauf geht es von der Straße auf den Millenium Trail, einen ca. 3,5 m breiten und 46 km langen Wanderweg,, der sich von Picton aus Richtung Carrying Place durch verschiedene Naturlandschaften schlängelt. Der Landkreis erwarb 1997 die stillgelegte Eisenbahnlinie von der Canadian National Railway, um ein Wanderwegesystem zu entwickeln.

Bemerkenswert ist die natürliche Vielfalt der Wetlands, durch die der Wanderweg immer wieder führt.

Am Ende der Wegstrecke am späten Nachmittag wechselt die Szenerie ein weiteres Mal. Nun sind es Felder, auf denen das reife Korn darauf wartet, gemäht zu werden.

In Wicklow Beach verlasse ich kurz meinen Weg und gehe zu Fuß hinunter zum Strand, auf der Suche nach einem Schlafplatz. Die groben Kiesel, der schmale Ufersaum und die noch anwesenden, wenigen Menschen veranlassen mich, weiterzufahren. Und so gerate ich wieder in Verzug.

Die Sonne ist bereits untergegangen, als ich die Hofeinfahrt einer Farm hinauf fahre. Dort treffe ich auf einen Farmer. Groß und kräftig mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Wir kommen ins Gespräch und er erlaubt mir, nach Rücksprache mit seiner Frau, auf seinem Grundstück, etwas abseits des Wohnhauses mein Zelt aufzubauen.

Doch dann hat er eine bessere Idee und bietet mir ein Quartier In einer Scheune an. Das scheint wie gemacht und freudig stimme ich zu. Kurze Zeit später stehen wir vor der großen Scheune. Es ist eine Reitanlage mit Reithalle und Stallungen. Die Stallungen sind wohl gesäubert und noch nicht belegt. Die Pferde sollen am nächsten Morgen kommen.

Und hier schlage ich mein Zelt auf. Toilette ist vorhanden. Und die Dusche fällt ein wenig groß aus. Sie ist für Pferde konzipiert. Entsprechend kräftig kommt der Wasserstrahl aus der Dusche. Egal! Das Wasser ist warm und nass und ich verschwitzt und klebrig. Nachdem der Farmer sich verabschiedet und ich geduscht habe, gibt es noch etwas zu essen. Die Küche bleibt kalt. Ich hab dem Farmer versprochen, nicht mit Feuer zu hantieren. Und schon kurz darauf endet für mich dieser schöne Tag.

Von Mallorytown nach Greater Napanee

18. Juli 2024
Der heutige Tag beginnt mit einer großen Überraschung. Ich bin gerade aufgestanden und habe angefangen, meine Sachen zu packen, als ich eine Stimme außerhalb des Zeltes vernehme. Josee, meine Gastgeberin, ist gekommen, um mir mitzuteilen, dass sie das alte Schulhaus aufgeschlossen hat, in dem sich ein Bad befindet und ich dieses benutzen darf. Ein Handtuch. Shampoo und Seife liegen für mich bereits bereit. So verschwitzt wie ich bin freue ich mich sehr über dieses Angebot.

5 Minuten später stehe ich bereits unter der warmen Dusche. Anschließend begebe ich mich zu Josee in ihr Haus. Sie hatte mir gleichzeitig einen Kaffee angeboten.

Bei einem netten Gespräch erfährt Josee ein wenig mehr von meinem „Traum“. Und sie bemerkt durchaus anerkennend, dass es so, wie ich es mache, ein guter Weg ist, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Dann zückt sie ihr Handy und bespricht mit mir, wo es sich lohnt, heute langzufahren. Zum Abschied überreicht sie mir noch eine Tüte mit vielen Müsliriegeln und Salzcrackern. Besonders über das Salzgebäck freu ich mich sehr, da ich immer noch zu wenig Salz zu mir nehme.

Um 9:30 Uhr verlasse ich Mallorytown über die Old River Road und begebe mich auf eine kleine Entdeckungsreise. Josee hatte mir einige Lokalitäten abseits der Hauptstraßen empfohlen. Und so kommen am Ende ein paar Kilometer mehr zusammen, als ursprünglich geplant.
Bereits Mike und France hatten mir die gleichen Wege empfohlen. Und so fahre ich mit doppelter Sicherheit ausgestattet diese Strecke ab.


Ein erster Halt in Rockport. Der Hafen, die Kirche, der Ausflugsdampfer, die gepflegte Natur – alles irgendwie lieblich und beschaulich schön. Die weiße Marienstatue ist dem Meer zugewandt, als wolle sie stellvertretend alle, die auf dem großen Strom unterwegs sind, segnen.

Auf schmaler, einspuriger Straße geht es weiter. Der Weg führt durch die grüne Lunge. Die kleine Straße säumen Häuser, die vom Wohlstand zeugen. Den Menschen in dieser Region scheint es gut zu gehen.

An vielen Stellen durchbrechen flache Granithügel die karge Krume – Zeugen einer eisigen Vergangenheit. Sie bereichern das Landschaftsbild sehr.

Der großzügig ausgebaute zweispurige Radweg verläuft neben der eigentlichen Fahrbahn. Immer wieder kann ich einen Blick auf Marinas, Ausflugsdamper, Hafenanlagen, kleine Leuchtfeuer, Bootsschuppen und den großen Strom werfen. All das zieht natürlich Kanu- und Kajakfahrer an. Ich kann verstehen, dass sich so viele Menschen hier niedergelassen und der Landschaft den Namen Thousand Eilands gegeben haben.

Am Ortseingang Kingstons komme ich an einem Militärmuseum vorbei. Sicherlich ein interessanter Ort für all jene, die sich für die Kommunikation auf militärischer Ebene interessieren und die Technik die dahinter steht.

In Kinston fällt mir als Erstes die Kathedrale der unbefleckten Empfängnis auf. Ihr Stil erinnert sehr an die Architektur britischer Kirchen.

Von dort fahre ich auf gut ausgebauter Promenade das Ufer entlang. Menschen relaxen im Schatten der vielen Bäume. Weißwangengänse tummeln sich in Ufernähe. Moderne Kunstobjekte lockern die Szenerie hier und da auf. Badefreuden am kleinen, feinen Strand von Kingston. Häuser im Stil vergangener Zeiten. Dazwischen eingezwängt ein Zuchthaus, vor dessen Eingang sich Besucher drängen. Und selbst in der feinen Marina ist die Kunst nicht zu übersehen.

Gegen Ende treffe ich noch drei Männer, von denen sich zwei in der Karatekunst üben. Der Schüler selbst ist 73 Jahre alt. Ich bin beeindruckt …

Weiter geht die Fahrt am kleinen Flughafen von Kingston vorbei. Ihm gegenüber liegt ein riesiges Naturgebiet, in dem Ornitologen und Naturfreunde ihre helle Freude haben.

Ich verlasse Kingston endgültig. Nach dem Passieren eines großen Frachtschiffes in Stella mache ich mich auf die Suche nach einem Lagerplatz. An der Bath Road in Greater Napanee entdecke ich eine Historical Site: The escape of the royal George. Und mein Entschluss steht fest. Dies ist der richtige Platz für die Übernachtung.

Noch während des Zeltaufbaus kommt Rob herüber und bringt mir eine Bratwurst und einen Hamburger mit allem drin. Ich bin verblüfft. Kaum mit dem Zeltaufbau fertig, geselle ich mich zu ihm und wir verbringen den Abend bei 2 Bechern Kaffee im Gespräch. Währenddessen werden mein Smartphone und meine Powerbank an seinem Stromnetz aufgeladen. Irgendwann während unseres Gespräches springt Rob freudig auf, kommt lachend auf mich zu und Augenblicke später liegen wir Beide uns freudig in den Armen, weil Rob erkennt, wie glücklich ich bin. Was für ein bewegender Augenblick.

Rob selber hat vor einem halben Jahr eine Hüftprothese erhalten. Er arbeitet bereits wieder und verbringt gerade ein paar Tage Urlaub am Fluss.

Gegen 21:45 Uhr beenden wir unser Gespräch und sagen einander gute Nacht. Rob läd mich am Ende noch zum Frühstück ein. Er wird mir ein paar Eier in die Pfanne hauen. Und Kaffee wird für mich bereitstehen. Was für eine Gastfreundschaft erlebe ich gerade … ?!

Von Ottawa nach Mallorytown

Ogdenburg- Prescott International Bridge

Mittwoch 17. Juli.
Ich bin früh wach. Meine Sachen hatte ich am Abend zuvor schon gepackt, so dass am Morgen nur noch wenig nachzuräumen war. Noch einmal geht es unter die Dusche und anschließend in die Küche, wo Mike bereits das Frühstück bereitet hat. Ein kräftiger Kaffee, ein Glas Apfelsaft, Spiegeleier auf Toastbrot … guter Stoff, um in den Tag zu starten.

Das Auto steht bereits bereit. Das Fahrrad wird eingeladen und die Packtaschen verstaut. Dann bringt Mike mich nach Ingleside, wo ich um 9:25 Uhr mit dem Fahrrad starte.

Ich komme gut voran. Der Wind bläst mir zwar mit leichter Brise ins Gesicht und mindert meine Geschwindigkeit auf ca. 17 Stundenkilometer runter. Dann aber gibt es ein kleines Problem.
10 Minuten nachdem Mike mich abgesetzt hat und ich losgefahren bin, war mein Telefon tot. Der Akku zwar voll aber ich hatte keine Internetverbindung und konnte auch nicht mehr telefonieren. Da ich keine Papierkarte nutze, fahre ich praktisch blind.


In Presskot entdecke ich am Wegesrand ein altes Fort. Der Eintrittspreis beträgt nur vier kanadische Dollar. So nehme ich mir die Zeit und besichtige die Anlage. Nach 45 Minuten Besichtigung geht es zurück auf die Straße nach Prescott. In Prescott habe ich dann in einem kleinen Laden einen jungen Mann gefragt, ob er mir sagen kann, wo der nächste Belle Aliant Store ist.

Er gab mir die Auskunft das ich nach Brockville müsse. Es liegt auf meiner Route. Und so bin ich ohne jegliche Kommunikation zu diesem Laden in Brockville gefahren. Ein paar mal musste ich Passanten fragen. Aber ich hab es dann auch gefunden.

Dort konnte man mir schließlich weiterhelfen. Ich hatte zwar in Montreal für meine Verlängerung bezahlt. Der Verkäufer hatte die Aktivierung aber nicht vorgenommen. Hier war mir die nette Verkäuferin in Brockville dann behilflich.


Um 16:30 Uhr mache ich mich auf den Weg nach Kingston. Bevor ich jedoch Brockville verlasse, mache ich noch einen kleinen Schlenker zu einem Eisenbahntunnel. Es ist der erste in Kanada gebaute Eisenbahntunnel. Auf 527 m Länge ist dieser Tunnel heute begehbar. Ein modernes LED-Farblichtsystem, das auf verschiedene Weise programmiert werden kann, erfreut das Auge und während des Durchgangs wird ein aufgezeichneter Musiktitel abgespielt. Eine gelungene Integration eines nicht mehr genutzten Eisenbahntunnels in das Wegenetz der Stadt Brockville.

Mittlerweile ist es 17:30 Uhr. Ich werde Kingston heute sicherlich nicht mehr erreichen. Ich habe noch gut zwei Stunden Zeit zum radeln. Und so fahre ich erst einmal weiter. Mike empfahl mir, den Thousand Islands Parkway entlang zu fahren. Und so biege ich für die letzten anderthalb Stunden auf diesen Parkway ab.

Es geht vorbei an sehr gepflegten Häusern mit teilweise großen Gartenanlagen. Linker Hand begleitet mich, wie schon die letzten Tage, der St. Lorenz Strom. Die Ufer und kleinen vorgelagerten Inseln erinnern an die Schärenküste in Schweden. Nicht ganz so rauh und mitunter unter der Grasnarbe versteckt. Aber beim genauen Hinschauen ist ihre Entstehung unverkennbar. Viele dieser kleinen Inseln im St. Lorenz-Strom sind heute bebaut Das gibt der Landschaft einen ganz besonderen Reiz.

Da es bereits spät und die Sonne verschwunden ist, muss ich mich sputen, einen Platz für die Nacht zu finden. An der Old Road in Mallorytown klopfe ich an eine Tür. Eine nette Dame öffnet die Tür, tritt heraus und fragt mich, was ich wünsche. Schnell erkläre ich ihr, dass ich einen Platz für die Nacht brauche und nach kurzem Gespräch ist, sie bereit und bietet mir einen noch besseren Platz in ihrem weitläufigen Garten an.

Gerade habe ich mich im Zelt eingerichtet, als von außen eine Stimme fragt, ob ich noch irgendwas benötige, z.B. Strom. Da meine Powerbanks teilweise entleert sind, freue ich mich über dieses Angebot und nehme an. So kann ich noch ein wenig an meinem Blog weiterarbeiten, bevor ich schlafen gehe.


Spaziergang durch Ottawa

Heute ist Sonntag, die Stimmung am Morgen sehr gut und gemeinsam wird gefrühstückt. Mike bereitet das Omelette mit viel Liebe und Leidenschaft. Er kocht sehr gerne und sehr gut. Beide sind in jeder Hinsicht außerordentlich großzügig zu mir. Und schon während des Frühstücks erklären mir beide den Plan für den heutigen Tag. Wir werden mit dem Auto nach Ottawa reinfahren, es irgendwo parken und dann einen kleinen Stadtbummel veranstalten.

Gesagt, getan. In Ottawa angekommen fahren sie mit mir erst einmal zum Parliament Hill. Hier befindet sich das politische Herz Kanadas, der Regierungssitz des derzeitigen Premierministers Justin Trudeau.

Das Parlamentsgebäude wurde im gotischen Stil erbaut und liegt auf einem Hügel mit Blick auf den Ottawa River und ist schon von weitem ein Hingucker. Und während Mike mit dem Auto ein paar Mal um den Block fährt, geht France mit mir direkt auf den Parliament Hill, damit ich ein paar Fotos aufnehmen kann.

Anschließend fahren wir ein paar Blocks weiter zur Notre Dame Cathedral Basilica. Mike parkt das Auto und gemeinsam machen wir einen kleinen Stadtbummel, an dessen Anfang die Notre Dame Cathedral Basilica steht. Schon der Eingangsbereich ist farbenfroh gestaltet, wirkt frisch und freundlich. Das macht mich neugierig.

Und … sprachlos. Der Innenraum wirkt gleichfalls hell, in den Farben frisch und überhaupt nicht angestaubt. Zwar sind die Säulen dekorativ und die hohen Kreuzgewölbe im Mittelschiff nachtblau bemalt. Dadurch wirken sie ganz besonders. Aber eben nicht überladen.

Durch die hellen Kirchenfenster geht nicht so viel Licht im Innenraum verloren. Hier brauche ich kein Nachtglas wie im Kölner Dom, um die Details betrachten zu können. All das gibt dem Gotteshaus eine erfrischende Atmosphäre.

Das ursprüngliche Tin House wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vom Ottawaer Blechschmied Honoré Foisy entworfen und gebaut und steht in der Guigues Street 136 in der Unterstadt.

Die aus vorgefertigten Elementen gebaute Fassade sollte wahrscheinlich Foisys Fähigkeiten und die von ihm angebotenen Produkte zur Schau stellen. Heute ist die sorgfältig restaurierte Zinn-Fassade in einem Innenhof zu bewundern.

Nur wenige Schritte vom Tin House entfernt steht die sehr schöne Skulptur „Tanzender Bär“, die an den Tanz der Inuit-Schamanen erinnern soll. Sie wurde von Pauta Saila, einem Inuit-Künstler 1999 im Jeanne d’Arc Court aufgestellt und war das erste öffentliche Kunstwerk in Ottawa, das von einem Inuit-Künstler geschaffen wurde. Viel dynamischer und lebenslustiger auschauend als die drei nahe dem Oldenburger Schloß aufgestellten Bären.

Anschließend statten wir der Lieblings-Eisdiele meiner Gastgeber einen Besuch ab. Ich entscheide mich für zwei Sorten. Was mich fasziniert ist die Portion, die mit großen Löffeln in die Waffel gefüllt wird. Ein Löffel würde bei uns zuhause einem Äquivalent von 4 Eiskugeln entsprechen. Es ist mein erstes Eis in Canada und von hervorragendem Geschmack. Während es draußen weit über 30°C sind, fühlt sich das Klima in der Eisdiele eher wie in einem Eiskeller an. So bekommen wir Beides.

Gegenüber der Notre Dame Cathedral Basilica liegt die National Gallery of Canada. Sicherlich einen Besuch wert. Und davor auf einer Freifläche steht Maman, eine imposane Spinnensculptur der Künstlerin Louise Bourgeois. Sie ist über 9 m hoch und trägt einen Beutel, der 26 Marmoreier enthält. Für die Künstlerin ist die Spinne ein Freund, beschützend und hilfreich (im Vertilgen von Ungeziefer).

Daa uns die große Hitze zusetzt, beenden wir unseren kleinen Stadtbummel und fahren erst einmal „heim“. Die Beiden haben noch eine Überraschung parat. Und nach einer Mittagspause laden sie mich auf eine Bootstour mit ihrem Motorboot ein. Von Clarence-Rockland aus geht es den Ottawa River flussaufwärts 25 km nach Ottawa. Der Fluß bildet in diesem Abschnitt die Grenze zwischen den Provinzen Ontario und Quebec.

Wir sind über eine Stunde unterwegs und ich genieße diese Überraschung in vollen Zügen. Ist es doch meine erste Tour mit einer kleinen Motorjacht. Und die beiden machen mir auch diese Tour zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Kurz vor Erreichen unsere Zieles, dem Parliament Hill in Ottawa, steuern Sie auf ein Restaurand zu, dass offensichtlich ihren Gefallen findet. Nicht nur, dass es über einen eigenen Bootsanleger für Gäste verfügt. Die Küche ist darüber hinaus excellent, wie ich mich kurz darauf selbst überzeugen kann. Nach ca 1 Stunde geht unsere Tour weiter.

Die Rideau Falls sind zwei Wasserfälle, die sich mit voller Kraft über eine Felsstufe in den Ottawa River 11 Meter tief und sehr eindrucksvoll hinabstürzen. Mike fährt mit dem Boot dicht an die Wasserfälle heran, was die Kraft, die von diesen Wasserfällen ausgeht, noch mehr spüren lässt. Anschließend geht es unter der Alexandra Brücke hindurch, zum Parliament Hill, der sich im Abendlicht majestätisch vom Ufer des Ottawa Rivers erhebt. Gekrönt von dem Regierungssitz des Premierministers Justin Trudeau.

Von der Flussseite wirkt der Sitz nicht so mächtig, da er sich harmonisch in die Landschaft des Parliament Hills einfügt. Was für ein schönes Geschenk zum Ende eines wunderschönen Sonnentages. Angefüllt mit einer Entdeckung nach der anderen.

Waren wir auf der Fahrt auf kabbeligem Wasser flussaufwärts mit 18 – 20 km/h unterwegs, sind wir jetzt mit fast 35 km/h auf einem fast spiegelglatten Fluss unterwegs. Es geht flussabwärts und der Wind hat sich gelegt. Einzig der Schiffsmotor lärmt ein wenig …

Nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir unseren Startpunkt. Mike und France sind ein eingespieltes Team. Und es dauert nur 5 Minuten, das Boot mit dem Trailer aus dem Wasser zu ziehen, fest zu sichern und mit der Anhängerkupplung zu verbinden. Auch das verblüfft mich …

Für den folgenden Tag ist Regen angekündigt. Und so schlagen beide vor, dass ich diese Regenfälle abwarte und erst später Abreise. Am Ende sind aus beabsichtigten 2 Tagen 4 geworden. 4 Tage Wohlfühlen bei Freunden. Und so kann ich endlich ein paar Reiseberichte meinem Blog zufügen.

Ich kann mich nur bei Beiden von ganzem Herzen bedanken für die wunderbare Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben. Und auch am letzten Abend vor meinem Aufbruch überrascht mich Mike mit seinen Kochkünsten. Es gibt Steak. So zart, so wohlschmeckend, dass ich um ein zweites Steak bitte. Und auch diesen Wunsch erfüllen sie mit einem Strahlen im Gesicht.

Von Montreal nach Ottawa

Ich bin früh wach. Heute breche ich auf Richtung Ottawa, das ich spätestens morgen Abend erreichen will. Meine Gastgeber Rosemary und Philippe versorgen mich ein letztes Mal mit allem, was notwendig ist. Philippe hat Sandwiches bereitet. Sie werden am späten Nachmittag willkommene Energispender sein.

Beide haben mir den besten Weg aus Montreal zusammengestellt. Ihre Erläuterungen sind so gut, dass ich ohne anzuhalten und zu fragen die Stadt verlassen kann. Ihre Beschreibungen decken sich mit dem, was ich sehe. Ich brauche nicht einmal eine Karte. Auch dafür möchte ich mich bei euch von Herzen bedanken. Ihr wart großartig. Und nun ein Teil meiner Geschichte, die als Traum begann und noch lange nicht zuende ist.

Um 9 Uhr sitze ich auf dem Fahrrad. Ich fühle mich ausgeruht. Gleichmäßig und zügig rollt das Rad über den Asphalt. Ich fahre durch Laval und habe den Eindruck, durch eine wohlhabendere Gegend zu fahren. Anschließend verläuft der Radweg durch Wetland. Links und rechts immer wieder versumpftes Gelände. An vielen Stellen bedeckt Entengrütze die Wasserflächen. Auch bei diesem Stück des Weges könnte es sich um eine alte Bahntrasse handeln.

Gegen 12 Uhr erreiche ich die Fähre Oka – Hudson, die mich über den Lac des Deux Montagnes bringt. Nach einer kleinen Pause in Hudson ändere ich meine Entscheidung. Da ich gut in der Zeit bin, werde ich heute die Strecke nach Ottawa unter meine Reifen nehmen. Das Wetter meint es gut mit mir. Und auch der Weg gestaltet sich nicht schwierig – bisher.

Auf Aspalt und grobem Schotter geht es gut voran. Zwar führt mich Google Maps an einer Stelle auf eine Logroad. Aber ich merke es früh genug, fahre zur Straße zurück und kehre wenige Kilometer weiter westlich bei Eugene auf den Prescott-Russell-Recreational-Trail zurück. Es Ist eine alte Eisenbahntrasse, die meist durch Farmland verläuft und keinerlei Gefälle aufweist. Der Untergrund ist festgewalzter Gesteinsstaub. Nur an wenigen Stellen bereitet dieser Untergrund Schwierigkeiten.

Über weite Strecken riecht es nach Baldrian, der abgelöst wird vom gemeinen Pastinak. Dazwischen entdecke ich echte Seidenpflanzen und immer wieder leuchtet der gewöhnliche Sonnenhut. Das echte Seifenkraut breitet sich endlang des Weges über weite Strecken aus. Alles in ungeahnter Fülle. Ich bin begeistert.

Entlang des insgesamt 72 km langen Weges, von dem ich 67 km abgeradelt habe, gibt es mehrere Shelter, mit Picknicktischen und kleiner Toilette. Der Weg selbst befindet sich in einem hervorragenden Zustand.

Irgendwo führt der Weg über eine alte Eisenbahnbrücke, deren Fahrweg aus alten, teerölhaltigen Bahnschwellen besteht. Dieses Teeröl ist schon von weitem zu riechen und erinnert mich an Carbolineum. Mich wundert, dass man es in dieser Konzentration auf dem Wanderweg belässt.

Einziger Nachteil der Trasse: Entang des Weges gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten. Und die Orte, durch die der Weg führt, fallen von der Trasse aus gesehen überhaupt nicht auf. Der Vorteil wiederum ist, das ich keine Zeit verplempere. Und so sind es am Ende ca. 165 km, die ich an diesem schönen Tag zurücklege. Ohne Hast, ohne Eile. Am Nachmittag steigen die Temperaturen auf 28 °C. Gegen Abend steigt auch wieder die Luftfeuchtigkeit.

Kurz vor 20 Uhr rufe ich Mike an und keine 15 Minuten später ist er da und pickt mich auf. Und schon wenige Minuten später erlebe ich einen herzlichen Empfang. France, seine Frau lädt mich ein, für die Dauer meines Aufenthaltes bei ihnen Teil Ihrer Familie zu sein. Ich werde zur Begrüßung umarmt, geherzt und Mike führt mich zu meinem Schlafzimmea

Für mich ist das immer wieder ungewöhnlich. Ich fremdel wieder. Nicht mit den Beiden, sondern mit der Situation. Und dann lasse ich los. Und tue das, was sie sich wünschen und mir empfehlen. Mich wohl- und zuhause zu fühlen. Und langsam gelingt es mir, das alles auch anzunehmen als das was es ist: ein wunderbares Geschenk.

Mike zeigt mir mein Zimmer. Schnell sind meine Sachen ins Haus gebracht und das Fahrrad in der Garage verstaut. Draußen dunkelt es bereits, während ich unter die Dusche husche. Die kurze Zeit, die ich auf Mike am Wegesrand gewartet habe, waren ein Hauen und Stechen. Diese Mücken sind wirklich eine Spaßbremse und Arme und Beine weisen etliche Stiche auf. Aber auch das mindert nicht meine große Freude, Gast in ihrem Haus zu sein.

Ich erfahre, dass Mike und France sich schon vor meinem Anruf mit dem Auto auf den Weg gemacht und nach mir geschaut haben. France lag richtig mit ihrer Annahme, dass ich über den Prescott Russel Recreational Trail Link fahren würde.

Anschließend unterhalten wir uns über das Reisen und tauschen Erfahrungen und Ziele aus, an denen wir uns ein paar Tage aufgehalten haben. Die nächsten Tage werden sich unsere Gespräche mit Sicherheit vertiefen. Ich freu mich drauf. Für heute jedoch ist es genug. Müde und glücklich ziehe ich mich in mein kleines Reich zurück und freue mich auf den kommenden Tag.

Spaziergang durch Montreal

Ich starte nach ausgiebigem Frühstück mit dem Fahrrad meine Sightseeingtour durch die Stadt. Eine der Erwähnungen war das Olympiastadion. Und so mache ich mich auf den Weg. 7 km mit dem Rad sind schnell überwunden. Aber es braucht gut eine Stunde, bis ich den Komplex umrundet habe.

Er sieht von allen Seiten monumental aus und ist wohl schon seit längerem eine riesige Baustelle. Der Erhalt des hängenden Daches verschlingt Millionen und es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, wann Montreal dieses Groschengrab durch etwas anderes, hoffentlich Nachhaltigeres ersetzt.

Ich bin mit meiner Entscheidung, einzelne Objekte der Stadt anzuschauen, nicht zufrieden. Das frisst meine knappe Zeit. Und eigentlich sehe ich nicht viel von der Stadt. So ändere ich mein Vorhaben. Alles, was ich sehe, ist absolut neu für mich. Und so entschließe ich mich, durch die Stadt zu schlendern und einfach Schönheiten zu entdecken. Ich bin sicher, nicht enttäuscht zu werden. Da ist so viel Farbe, so viel Leben in dieser Stadt. Und ich möchte es auf mich einwirken lassen.

Die Bilder bedürfen keiner weiteren Erklärung. Lasst sie einfach auf euch einwirken. Montreal ist eine bunte Stadt, in welcher tausende von Graffiti die Wände unzähliger Gebäude in allen Stadteilen verzieren und der Stadt ein ganz besonderes Flair erteilen. Und unter den Graffiti findet das Leben statt. Bunt und fröhlich und voller Aktion. Hier eine kleine Auswahl meiner Erinnerungen …

Öffentlich aufgestellte, bunte Klaviere. Kein Steinway aber funktionierend … und mitunter angekettet.

Auch in Montreal haben die Kirchen als Landmark ihre Dominanz verloren. Eingezwängt zwischen den Hochhäusern fristen sie oftmals ihr bescheidenes Dasein. Gehalten vom Glauben ihrer Mitglieder. Das einstige Gotteshaus musste weichen und der eine oder andere begrabene Körper trägt heute die ganze Last eines Wolkenkratzers.

Viele Kunstobjekte sind aufgestellt und tragen zum fröhlichen, spektakulären Gesamtbild der Stadt bei.

Wer will, kann die Stadt auf einem E-Bike erkunden. Über die ganze Stadt verteilt findet man Parkplätze, E-Bikes und Ladestationen. Und es wird reichlich Gebrauch davon gemacht. Nicht nur Touristen, auch viele Montrealer nutzen diese Möglichkeit der Fortbewegung.

Eine gut ausgebaute Infrastruktur für Radfahrer lässt kaum Wünsche offen. Zwar gibt es auch in dieser Stadt Änderungsbedarf. Aber das Grundgerüst eines funktionierenden Radwegenetzes ist vorhanden und die Akzeptanz in der Bevölkerung hoch.

Für jeden Geschmack dürfte etwas im öffentlichen Raum zu finden sein. Und Objekte manch eines Künstlers sind anderswo wohl nur gegen einen mitunter hohen Eintrittspreis zu bewundern. Vom Anfassen einmal ganz zu schweigen.

Die oben abgebildete Christ Church Cathedral steht auf dem traditionellen und nicht abgetretenen Territorium der Kanien’keha:ka (Mohawk), an einem Ort namens Tio’tia:ke (Montreal). Das ist ein Treffpunkt vieler First Nations, wie zum Beispiel der Haudenosaunee (Six Nation Confederacy), der Anishinabeg und der Algonquin.

Dabei erkennt die Kirche die Kanien’keha:ka als traditionelle Verwalter des Landes und der Gewässer von Tio’tia:ke an und respektiert sie.

Die Anerkennung ist ein Versprechen, die laufende Arbeit der Anerkennung und Versöhnung zwischen indigenen und nicht-indigenen Völkern fortzusetzen. Die Zeit wird zeigen, was daraus erwächst …

Unter der Christ-Church-Cathedral befindet sich eine beeindruckende riesige Stadt mit einem verbundenen Tunnel System von über 32 Kilometern Gesamtlänge. Seit Mitte der 60er Jahre erwächst aus der ursprünglichen Keimzelle Place-Ville-Marie eine Stadt unter der Erde. Von den Einheimischen Ville-Souterraine genannt.

Heute ist es die größte Untergrundstadt der Welt mit Bahnhöfen, U-Bahn-Stationen, Galerien, Shoppingcentern und Bürogebäuden und bietet Zehntausenden von Menschen Arbeitsplatz im Quartier. So lassen sich die kalten kanadischen Winter, die hier von November bis April die Stadt in ihrem eisigen Griff halten, gut überstehen.

Und dann sind da die unzähligen Graffiti, die das Stadtbild so prägen und mir eine große Freude bereiten:

Und mitunter setzt sich die farbige Gestaltung auf öffentlichen Flächen fort.

Und wem die Graffiti nicht gefallen, der mag vielleicht Freude haben an den kräftigen Farben mancher Hausfassaden, Fenster und Türen.

Und dann gibt es noch das bunte Leben in dieser Stadt. Irgendwo ist immer etwas los. Im Quartier Latin zum Beispiel. Unter dem Motto Cirkus easy wurde ein Straßenfest gestaltet. Zur Freude der Kinder. Mitmachaktionen oder Akrobatik zum Staunen und Lachen. Ein fröhliches Miteinander. Voller Esprit, voller Lebensfreude …

Für mich ist dabei nicht erkennbar, wer professionell arbeitet und wer die Akrobatik nur als Hobby betreibt. Circus Soleil ist schließlich in dieser Stadt zuhause. All das bereitet mir große Freude. Und an Zuschauern herrscht kein Mangel. So kommt ein jeder auf seine Kosten.

Dazwischen kleine Eisbuden und Cafés. Und das alles gut gesichert durch Straßensperren, die Polizei und weitere Helfer.

Damit endet mein Stadtrundgang. Ich hatte Rosemary und Phlippe versprochen, um 19.00 Uhr zum Dinner zuhause zu sein. Ich hab genug gesehen. Bin auch heute einige Kilometer gelaufen und noch mehr Kilometer mit dem Fahrrad durch die Stadt geradelt. Ich habe versucht, ein bisschen Stadtluft zu atmen und muss sagen: Heute tat sie mir gut.

Zuhause angekommen sehe ich mit Freuden, das ein weiterer Gast zugegen ist. Der kleine Max, 18 Monate alt und voller Energie. Zwar fremdelt er zuerst ein wenig. Fasst aber schon bald Zutrauen und kümmert sich intensiv um seine eigene, noch so neue Welt, die es zu erobern gilt.

So verbringen wir einen letzten gemeinsamen Abend. Wieder werde ich reich und mit aller Herzlichkeit bewirtet. Wieder führen wir anregende, intensive, teils sehr persönliche Gespräche. Und wieder sitzen wir bis 22 Uhr zusammen. Was für ein schöner Abend. Was für ein schöner Tagesausklang.

Diese Tage gehen zurück auf eine Begegnung in Brunswick, Maine mit Rosemary, Philippe und einem weiteren Ehepaar. Und ich danke ihnen allen für ihre Empathie und großartige Gastfreundschaft, die sie mir entgegengebracht haben.

Morgen will ich weiterfahren. Ich verspüre eine leichte Unruhe in mir, und so schön es auch war: Da liegt noch eine Menge Abenteuer und Erleben, eine Menge neuer Begegnungen vor mir. Und darauf freue ich mich sehr.