Der Tag ist grau, starker Dunst liegt in der Luft. Die Luftfeuchtigkeit extrem hoch. Ich habe bis 10 Uhr durchgeschlafen. Der Schlaf war nötig und ich fühle mich gut ausgeruht. Ein leckeres Frühstück ist die Rollbahn in diesen neuen Tag.
Ich muss meine Sachen reparieren. Rosemary schnappt sich ihr Fahrrad und gemeinsam geht es an diesem diesigen, grauverhangenen Tag auf Tour durch die Stadt. Zuerst steuern wir einen Fahrradladen an, der nicht wirklich helfen kann. Aber Rosemary hat eine Idee. Und ein paar Blocks weiter finden wir kompetente Mechaniker in einem Bike und Outdoorshop, die mir helfen können.
Während mein Fahrrad in der Reparatur ist und Bastian meine Packtasche repariert, ist ausreichend Zeit für ein längeres Gespräch. Es macht Spaß, ihm zu lauschen. Seinen Empfehlungen kann ich gut folgen und die Reparatur meiner Ortlieb-Fahrradtasche stellt für ihn kein Problem dar. Währenddessen probiert Rosemary Schuhe für den Ski-Langlauf. Sie hatte sich neue Skier gekauft, aber noch keine passenden Schuhe gefunden. Und in diesem Geschäft ergab sich die Möglichkeit, Schuhe zu probieren, die zu ihren Füßen passen. So waren wir beide für eine längere Zeit gut beschäftigt.
Anschließend folgte ich Rosemary durch die Stadt zum Eingang des Park Mont Royal. Auf breiten Schotterwegen geht es mit dem Rad den grünen Hügel hinauf. Nach gefühlt einer halben Stunde haben wir die Kondiaronk Terasse erreicht, von der aus wir einen wunderbaren Blick haben auf Montreal zu unseren Füßen.
Leider wird die gute Aussicht stark eingetrübt. So verweilen wir nicht all zu lange auf der Terasse. Und dann öffnet sich für einen kurzen Augenblick der Himmel und gibt einen etwas klareren Blick auf Downtown-Montreal frei.
Und da lächelt mir Leonhard Cohen entgegen. Abgebildet in einem riesigen Graffity an einem der Hochhäuser unter mir. Das spielende Grau des Himmels passt gut zum Sepia-Farbton des Wandgemäldes. Und es sticht nur kurz aus der urbanen Landschaft stark hervor, bevor es wieder im Nebelschleier verschwindet. Sein Auftauchen und Verschwinden im Dunst. Das ist eine ganz eigener kleiner Film…
Den Abend verbringe ich bei intensiven Gesprächen mit meiner Gastfamilie zuhause. Auf meine Bitte, noch einen Tag bleiben zu dürfen, reagieren beide mit großem Wohlwollen. Und so habe ich einen weiteren Tag, Montreal zu erkunden. Rosemary setzt sich mit mir hin und beide machen Vorschläge für den kommenden Tag. Es gibt so unendlich viel in dieser Stadt zu sehen. Da werde ich mich entscheiden müssen.
Das Wetter soll wieder besser werden und so steht für mich fest, dass es kein Indoor-Besuch werden wird. Was genau ich mir anschauen möchte, kann ich im Augenblick noch nicht sagen. Morgen werde ich es wissen, wenn ich in der Stadt unterwegs bin.
Während des Packens bemerke ich, dass der Gepäckträger instabil ist, da eine Halterung gebrochen ist. Ein Spanngurt schafft Abhilfe und stellt mein Gefühl für die Sicherheit wieder her. Vor mir liegen 67 km. Und ich möchte vor dem angekündigten Regen Montreal erreichen. Da heißt es, in die Pedale treten.
Vorbei an Steinmännern …
… und in Lavaltrie kleineren Kunstobjekten neben der Kirche erreiche ich um 12.00 Uhr den östlichen Stadtrand Montreals und überqueren die stark befahrene Brücke über der Mündung des Riviere de Praeries in den Sankt Lorenz Strom.
Die Verkehrssituation hat sich für mich bereits in Repentigni abrupt geändert. Auf gut ausgebautem Radweg gehr es die letzten 25 Kilometer hinein in die Stadt Montreal. Immer der Route Verte 5 folgend. Und fast immer entlang dem Sankt Lorenz Strom.
Zwischen den Radweg und den Strom schieben sich ein breiter Industriegürtel und entlang dem Strom ausgedehnte Hafenanlagen. So tritt der Fluss mehr und mehr in den Hintergrund. Nur an wenigen Stellen gelingt mir der Blick auf ihn.
Die Straße zu meiner Linken ist vollgestopft mit Autos. Ein Überqueren der mehrstufigen Fahrbahn ist abseits der Ampeln nicht möglich. So bin ich heilfroh, dass es diesen Radweg gibt. Seit meiner Ankunft in Montreal hat sich das Wetter zusehends verschlechtert. Die Reste des Hurrikans Beryl durchnässen den Boden Montreals.
Regen hatte eingesetzt und mittlerweile hat der gleichmäßig tiefgraue Himmel das Tageslicht stark verdunkelt und seine Schleusentore geöffnet. Sintflutartige Regen prasseln auf mich hernieder. Gullys laufen über. Die Fahrbahn erinnert eher an einen Fluss, in dem der Verkehr mit unverminderter Intensität fließt. Auf der anderen Straßenseite entdecke ich im trüben Schein ein Zelt. Nach minutenlangem Warten im Regen erreiche ich die andere Seite. Doch kaum dass ich aufatme verweist mich ein Sicherheitsmann des Platzes. Ich darf mich nicht unterstellen. Da hilft kein Debattieren. Also zurück in den Starkregen, der unvermindert anhält.
Zurück auf die andere Straßenseite, die im Regen fast verschwindet. Nahe der Jacques-Cartier-Brücke finde ich schließlich Unterschlupf in einer kleinen verglasten Bushaltestelle. Ich komme mir vor wie ein Fisch im Aquarium. Um mich herum strömt das Wasser die Straße und den Radweg hinab. Die Temperaturen liegen noch immer bei 28°C. Die Regenklamotten sind trocken verpackt. So hoffe ich jedenfalls. Es macht keinen Sinn, sie herauszuholen. Ich schwitze so stark, dass ich in meiner Situation nicht zwischen Schweiß und Wasser unterscheiden kann. Ich bin durchnässt bis auf die Haut. Das Wasser läuft mir aus den Schuhen, während um mich herum alles fließt.
Die hohe Luftfeuchtigkeit macht sicherlich vielen Menschen zu schaffen. Alles klebt, ist nass. Aber ich friere nicht. Das vom Himmel kommende Wasser fühlt sich warm an. Eine Waschküche ist nichts dagegen. Das Smartphone hatte in diesem Regen nicht mehr funktioniert. Zwar richtete der Regen keinen Schaden an. Aber die Funktion des Touchscreens war wegen der Bedienung mit meinen klatschnassen Händen stark eingeschränkt.
Nach einer Stunde, es regnet unvermindert weiter, rufe ich meinen Gastgeber an und bekomme ihn sofort in die Leitung. Schnell sind die notwendigen Informationen ausgetauscht. Und ich bin zurück auf der Straße. Im strömenden Regen geht es auf sicheren Fahrradwegen, unsicheren Straßen, über große und kleine Kreuzungen und aufgehalten von unzähligen Ampeln, die lediglich ihre Pflicht tun und mir gleichzeitig das Gefühl des ständigen Ausbremsens geben.
So Schläge ich mich als Wasserman durch die Straßen Montreals. Von der Stadt sehe ich nichts. Mein Focus liegt auf dem Verkehr. Und nach 35 Minuten habe ich mein Ziel in der Mosonstreet erreicht. Ich bin noch nicht runter, da grüßt bereits eine Stimme vom ersten Balkon. Philippe und Rosemary erwarten mich bereits. Egal wie nass ich bin. Sie nehmen mich mit einem fröhlichen Lachen auf. Als Erstes runter mit den nassen Klamotten. Trockene Kleidung aus den Packtaschen und erst einmal ab unter die warme Dusche.
Währenddessen hat Rosemary mein Fahrrad in den ersten Stock gewichtet und dort sicher verwahrt. Nasse umd schmutzige Kleidung wandern in die Waschmaschine . Und für mich geht es in die Küche, wo die Beiden bereits ein leckeres Dinner bereitet haben. Mir wird es während meines Aufenthaltes an nichts mangeln. Sie umsorgen mich. Geben mir das Gefühl, zuhause zu sein und helfen mir, Shop und Werkstatt zu finden, damit das Fahrrad (Gepäckträger) und auch eine Packtasche repariert werden können. Bei der Tasche war die obere Hakenschiene ausgerissen und durch die Löcher Wasser in die Packtasche eingedrungen. Nun muß aller Inhalt raus und getrocknet werden.
Beide sind Lehrer. Rosemary bereits im Ruhestand und Philippe hat auch nur noch ein paar Monate. Dann wird sein Berufsleben ebenfalls enden und sie werden sich neuen Ideen öffnen und gemeinsam auf Reisen gehen. Beide sind ausgesprochen kommunikativ und ausgesprochen gute Gesprächspartner. Und so haben wir uns in den kommenden Tagen viel zu erzählen.
Für heute allerdings ist Schluß. Es ist spät geworden. Und der Tag war anstrengend. Und so bin ich froh, endlich zu Bett zu gehen und einfach die Augen zu schließen. Ich fühle mich sicher, geborgen und angenommen von meiner Familie auf Zeit.
Bereits um 4.30 Uhr bin ich wach. Vögel zwitschern in den Bäumen und vereinzelt höre ich Lärm, wenn ein Fahrzeug die Brücke quert gleich nebenan. Aber noch ist es zu früh. Und so drehe ich mich auf die andere Seite und schlafe weiter bis 6.45 Uhr. Dann ist meine Nacht endgültig zuende. Kleine Morgentoilette. Kleines Frühstück. Dann wird alles auf dem Fahrrad verstaut.
Mein Gastgeber erwähnte am Abend zuvor, dass er um 7 Uhr den Platz verlassen müsse. Und so begegnen wir uns an diesem Morgen. Es ist eine erstaunliche, wunderbare Begegnung. Mein Gastgeber kommt mir in seinem Auto entgegen, stoppt und fährt das rechte Seitenfenster herunter. Dann streckt er mir fröhlich seine Hand entgegen und ich erwidere seinen Gruß.
Seine Augen sind wach und leuchten. Sein Gesicht strahlt und dann nennt er mich bei meinem Namen und wünscht mir eine gute und sichere Reise. Da ist so viel Herzlichkeit in diesem Moment. Und ich ahne, dass er sich meinen Blog angeschaut hat. Ein kurzer Augenblick, der mir sehr viel bedeutet und mich noch tagelang bewegt.
Bei meiner Ankunft in Bécancour kam ich versehentlich auf den Autobahnzubringer, welcher zur Brücke über den St. Lorenz Strom führt. Wenige Hundert Meter weiter stoppt mich ein Polizeifahrzeug. Im freundlichen Ton weist mich der Polizist darauf hin, dass ich diesen Streckenabschnitt nicht befahren darf und erklärt, wie ich am besten von dieser Straße runterkomme.
Gar nicht erst die Straßenseite wechseln. Sondern auf der Seite bleiben und auf der breiten Schulter in die Richtung fahren, aus der ich gekommen bin. Dann ist alles ok. Noch kurz die Frage, woher ich komme. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Dann trennen sich unsere Wege.
Mit dem Rad kann ich nicht auf die andere Seite des Flusses gelangen. Der Umweg würde ca. 170 km bedeuten. Was tun? Per Anhalter hoffen, dass mich ein Van mitnimmt. Wo wäre der beste Standort? Meine Recherchen im Netz deuten auf einen Shuttle-Service, der schon vor Jahren eingestellt wurde.
In der lokalen Touristen-Information finde ich Hilfe. Die Dame organisiert mir ein Taxi. Normalerweise muss dieser Transport im voraus angemeldet werden. Nachdem sie meine Situation dem Taxifahrer erläutert, willigt dieser ein, mich für 30 Kanadische Dollar incl. Tax auf die Nordseite des St. Lorenz Stromes zu bringen. Und dann geht es schnell. 15 min später ist er da und keine halbe Stunde später setzt er mich auf der Nordseite unweit der Brücke auf einem Hotelparkplatz ab. Am Anfang war er noch etwas nörgelig. Offensichtlich hatte er einen Rennradfahrer erwartet, mit weniger Gepäck. Aber dann zeigte er sich von seiner freundlichen Seite.
Nach kurzer Orientierung mache ich mich auf den Weg nach Trois Rivières. Es fängt an zu regnen. Plötzlich löst sich die obere Gepäckträgerhalterung. Die ganze Fracht klappt nach hinten weg. Nur noch gehalten von einem Spanngurt, den ich ums Sattelrohr gelegt hatte und den unteren beidseitigen Haltepunkten. Also Reparatur.
Wenige Kilometer weiter Brückenunterquerung. Vom Hellen ins Dunkle. Meine Pupillen können diesen Wechsel nicht so schnell vollziehen. In der Sohle der Unterführung ein 20 cm tiefes 30 cm breites, weit in die Fahrspur hineinreichendes Schlagloch. Im allerletzten Moment erkenne ich die Struktur. Ich knalle buchstäblich drüber hinweg.
Der Aufprall ist so heftig, dass sich eine Packtasche komplett vom Gepäckträger löst. Die andere hängt nur noch an einem Haken. Die Lebensmittel fliegen auf die Straße und der vorbeirollende Verkehr macht alle Lebensmittel platt. Für 35 Dollar Brei. Bananen, Käse, Milch, Obst, Wurst. Alles mashed. Egal. Ich bin nicht gestürzt. Das Rad ist heil. Die Reifen haben standgehalten. Kein Speichenbruch. Und ich kann alles wieder richten.
In Trois Rivières besuche ich das Heiligtum Notre-Dame-du-Cap, einen katholischen Marienwallfahrtsort. Es liegt am Ufer des Sankt Lorenz Stromes, ist der Jungfrau Maria gewidmet und empfängt jedes Jahr über 500 000 Pilger und Besucher aus allen Gesellschaftsschichten.
Ihr größtes Gebäude wurde 1964 in den Rang einer Basilika erhoben und von der kanadischen katholischen Bischofskonferenz zum Nationalheiligtum erklärt. Es ist nach dem Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Mexiko das zweitgrößte und wichtigste Marienheiligtum in Nordamerika, das der Jungfräulichkeit Marias gewidmet ist.
Ein imposanter, mächtiger Kirchenbau, dessen Inneres mich überrascht.
Es sind die schmalen, hohen Kirchenfenster gekrönt von Rosetten, die mit bunten, christlichen Motiven den Reiz dieses Ortes ausmachen. Und die Ensemle-Wirkung verstärkt den Gesamteindruck noch mehr. Es sind nur wenige Besucher da. Was die sakrale Atmosphäre des Kirchenbaus verstärkt. Leise bewege ich mich durch die Gänge zwischen den vielen Sitzreihen. Und für ein paar Minuten finde ich Ruhe in mir selbst …
Schließlich mache ich mich auf den Weg. Westwärts nach Berthierville. Noch ca. 40 Kilometer. Einen Schlafplatz muss ich mir noch suchen. Aber erst einmal geht es vorbei an der Brücke, über die mich das Taxi gebracht hatte.
Vorbei an herrlichen Alleen mit üppigem Baumbestand.
Heimat einer reichhaltigen Tierwelt. Und während im Geäst die Vögel zwitschern, huschen die Grey-Squirrel munter von Baum zu Baum und können ihre Neugierde so gar nicht verstecken. Muntere, putzige Begleiter auf meinem Weg, seit ich New York verlassen habe.
Weiter geht die Fahrt entlang der Route Verte 5. Nicht immer auf der Straße. Manchmal geht es durch Wiesen und Felder. Auf breiten Schotterstraßen. Und ich bin so froh, das Fahrrad mit 5 cm breiten Reifen ausgestattet zu haben. Schmale Reifen wären auf den kilometerlangen Wegen ein echter Nachteil. Bei einem Reifendruck von 4,5 Bar bewähren sich die Reifen bestens in diesem Terrain. Zwar ist der Rollwiderstand hoch, was das Tempo mitunter sehr beeinträchtigt. Dafür habe ich keinen Platten zu befürchten.
Zurück auf der Straße stoppe ich bei einer Gruppe Motorradfahrer. Witzige Typen. Kurze Rast, small talk, ein Foto. Und weiter geht’s. Dem Abend entgegen. Die Suche nach einem Platz für mein kleines Zelt beginnt.
Am nahen Horizont ein Gewitter, das sich langsam in meine Richtung zu bewegen scheint. Ich fahre etwas schneller und kann tatsächlich dem Regen ausweichen. Er zieht hinter meinem Rücken vorbei.
Eine Rasenfläche zwischen Bäumen erscheint lohnenswert. Aber mir ist das zu dicht an der Straße. So suche ich weiter …
… und lande schließlich auf einem Sportplatz, wo ich im Scheinwerferlicht mein Zelt aufbaue. Auch hier wird es ein Wettlauf mit der Zeit. Denn die Mücken sind bereits am Schwärmen.
Kaum das ich mich in mein Zelt zurückgezogen habe, erlischt das Scheinwerferlicht und ich sitze im Dunklen. Müdigkeit überfällt mich und mit dem Gefühl großer Dankbarkeit schlafe ich alsbald ein. Trotz der kleinen Katastrphen war es ein guter Tag. Ich habe mein Ziel erreicht.
Auf hervorragend ausgebautem Fahrradweg geht es nach Wendake, einem Reservat, der heutigen Heimat der Huronen-Nation. Es ist eine komplett von der Stadt Québec umschlosse Siedlung, in welcher sich die Nation 1697 endgültig niederließ. Früher war diese Siedlung auch als Jeune-Lorette bekannt.
Ursprünglich bestand diese Wyondat-Konföderation aus lose miteinander verbundenen Stämmen, die eine für beide Seiten verständliche Sprache sprachen. Und im August 1999 schlossen sich weitere verwandte Nationen der heutigen Konföderation an und gelobten, sich gegenseitig im Geiste des Friedens, der Verwandtschaft und der Einheit zu helfen.
In Wendake haben sie ein kleines, modernes, allen Anforderungen genügendes, wunderbares Museum errichtet, in welchem man sich über die Geschichte und Kultur der Huronen-Nation informieren kann.
Betritt man den abgedunkelten Raum, erblickte man zwischen dem Geäst blattloser Baumstämme einen riesigen Mond, der als Projektionsfläche dient und ikonografisch das Leben der Huronen in und mit der Natur durchs Jahr beleuchtet.
Unter dem Mond findet man in der runden Ausstellungshalle Vitrinen mit erläuterten Exponaten aus dem Leben der Huronen und Schautafeln an den Wänden, die wichtige Informationen zum Leben des Einzelnen und zum Zusammenleben der Nation in früheren Zeiten liefern.
In sorgfältig ausgewählten Exponaten wird das einstige Leben der Nation dargestellt. Ein wichtiger Bestandteil des Lebens war die Jagd und das Fallenstellen. Lieferte die Jagd doch Fleisch als Narung und Felle zum Schutz vor der kalten Jahreszeit. Aus Knochen wurden Werkzeuge. Wie überhaupt alles, was gebraucht wurde, der Natur entnommen war.
Kopfschmuck eines Huronen-Häuptlings mit Federn und Stickereien verziert.
Während bei europäischen Sticktechniken nur Fäden und Textilien zum Einsatz kamen, wurden bei der Wendat-Stickerei auch Stachelschweinborsten und gefärbtes Elchhaar genutzt. Traditionell wurden diese Elemente nicht nur zum Verzieren von Kleidung und Mokassins, sondern auch von Körben und Schachteln aus Birkenrinde verwendet.
Designs und Muster sind oft von der Natur oder dem Alltag inspiriert. Zu den gängigen Motiven gehören Blumen, Pflanzen, Tiere …
Die Korbflechterei hat eine jahrhundertealte Tradition. Je nach Verwendungszweck werden dabei unterschiedliche Materialien und Formen verwendet. Im 19. und 20. Jahrhundert gehörten Körbe zu den beliebtesten Artikeln.
Bei der Herstellung von Eschenkörben wird die Rinde von einem schwarzen Eschenstamm abgezogen, indem man mit der Rückseite einer Axt auf den Stamm schlägt, um die Jahresringe zu trennen, dann die losen Ringe in Stammstreifen abzieht und sie in dünnere Streifen trennt. Diese Streifen werden dann auf der rauen Seite geraspelt und in die gewünschte Breite geschnitten. Nach dem Einweichen in heißem Wasser können die Streifen zu Körben geflochten werden.
Das Akiawendrahk-Langhaus ist noch heute Mittelpunkt für traditionelle und spirituelle Rituale in Wendake. Das Haus ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass die traditionelle Kultur der Huronen noch heute sehr lebendig ist.
Für mich ist es der Ort, an dem ich am ehesten das Gefühl habe, in der Gemeinschaft willkommen zu sein. Es ist kein Museum, kein Diorama, sondern mehr ein Platz, an dem die Kultur auch heute noch gelebt wird. Ich bin beeindruckt von der Größe des Hauses und seiner Ausstattung.
Und das Besondere ist, dass dieses Haus ca. 24 Jahre unter den hiesigen klimatischen Bedingungen hält. Dann wird ein neues Haus an einem anderen Ort errichtet. So kann sich dieser Ort von der über 20 jährigen Besiedlung und Nutzung erholen und zurückkehren zu seiner eigentlichen Bestimmung: ein Stück Natur zu sein.
Es ist ein faszinierender Gang durch die Geschichte dieser Nation. Und ich erfahre viel über das mündlich über Generationen weitergegebene, medizinische Wissen. Über Frauenhaarfarn, Baldrian oder den dreiblättrigen Goldfaden. Gummi aus verschiedenen Nadelbäumen wird zur Behandlung von Lungenerkrankungen verwendet und Wiesenkerbel wird gegen Grippe eingesetzt
Über die Ernährung, die zu 85% aus Korn, Bohnen und Kürbissen (The Three Sisters) bestand. Daneben spielten Jagd, Fischen und das Sammeln von Beeren und Pflanzen eine signifikante Rolle bei der Versorgung mit Lebensmitteln, wenn auch weniger bedeutend.
Kultivierung und Anbau von Feldfrüchten werden beschrieben und die Herstellung von Kanus, Schneeschuhen, Tragebehältern aus Rinde, hölzernen Trinkgefäßen oder auch wasserdichten Behältern aus Birkenrinde.
Zuguterletzt werden auch Religion, Bildung, Tagesschulen und Internate in Trägerschaft einer religiösen Gemeinde behandelt. Das System hatte verheerende Folgen für die Kinder der First Nations: Sie wurden zur Assimilation gezwungen und viele erlitten körperlichen, psychischen und sexuellen Missbrauch. Noch heute leben die First Nations Kanadas mit den generationsübergreifenden Nachwirkungen dieses Systems. Und es ist Zeit für Anklage, Heilung, Genesung und Versöhnung.
Tief beeindruckt verlasse ich diesen Ort, der zu seinem Schutz in traditioneller Bauweise von einem Palisadenwall aus unbehandelten Rotfichten umgeben ist. Rückseitig ist dieser viele Meter hohe Wall in einigen Metern Höhe von einem umlaufenden Gang umgeben, der es ermöglichte, diese Anlage gegen Angriffe effektiv zu verteidigen.
Viele Stunden später endet mein Besuch in Wendake. Mein Dank gilt besonders jenen Mitarbeitern des Museums, Huronen, die jederzeit meine vielen Fragen beantworteten.
Den späten Nachmittag und Abend verbringe ich nochmals in Québec. Ich packe meine Sachen. Alles ist sauber. Ein letztes Mal gibt es einen Gemüsetopf mit Zwiebeln, Zucchini, Stangensellerie und Paprika. Dazu Spaghetti. Das ist lecker, macht mich satt und gibt mir Kraft für morgen.
Ein ganz großes Dankeschön möchte ich Kevin aussprechen. Er bot mir großzügig seine Wohnung an. Während er in Europa mit dem Fahrrad unterwegs ist, durfte ich seine Wohnung als Quartier benutzen. Das gab mir die Möglichkeit, drei Tage durch Québec zu strollen. Ich habe Kevin bisher noch nie getroffen. Vielleicht werden wir uns einmal begegnen – irgendwann, irgendwo. Ich hatte wunderbare Tage in Québec.
Heute geht es nach Quebec City. Ich lass den Tag ruhig angehen. Es sind nur noch 67 km. Und die genieße ich…
Die Landschaft hat sich seit gestern nur wenig verändert. Viel Landwirtschaft, kleine Dörfer, wenig Menschen, moderater Verkehr, der an mir vorbeifließt. Und als ständigen Begleiter den St. Lorenz Strom, der seine Farben im Laufe des Tages immer wieder ändert.
Sedimentfracht, Tiefe des Flusses, Lichteinfall und Nebenflüsse, deren klares Wasser sich schwer tut, sich mit der lehmigen Brühe des St. Lorenz Stromes zu vereinen. Und so fließen beide Ströme eine Zeitlang nebeneinander her, bis sich ihre gemeinsame Grenze auflöst und sie sich endgültig vereinen.
Um 13.00 Uhr erreiche ich Levis, einen südlichen Vorort von Québec. Die letzten Kilometer hinab zum Fähranleger auf einem gut ausgebauten, zweispurigen Radweg, der losgelöst vom Autoverkehr durch die Stadt führt.
Ich will ein Fährticket kaufen. Aber niemand ist da. Auch der Parkplatz für PKW ist verweist. Ich finde keinen Hinweis auf den aktuellen Fahrplan und die Preise. Schließlich frage ich einen Sicherheitsbediensteten, der vor dem Terminal steht und erfahre, dass heute keine Fähren verkehren. Es wird gestreikt. Und so muss ich auf die Ansicht der schönsten Seite der Stadt vom Strom aus verzichten.
Dann mache ich mich auf den Weg, die Stadt über die Québec-Brücke zu erreichen. Ein Umweg von insgesamt knapp 20 Kilometern. Übrigens zur Québec Brücke gibt es einen interessanten Wiki-Beitrag.
Und um 14.30 Uhr erreiche ich mein Ziel. Eine halbe Stunde vom Stadtzentrum entfernt, habe ich einen Gastgeber gefunden. Ich werde ihn nicht persönlich in den nächsten Tagen kennenlernen, da er zurzeit mit dem Fahrrad durch Norwegen tourt. Über die Warmshower App und Email gibt er mir alle Informationen und stellt mir für 3 Nächte seine Wohnung zur Verfügung. Was für ein Vertrauen bringt mir mein Gastgeber Kevin da entgegen.
Diese Gesten der Gastfreundschaft beeindrucken mich immer wieder. So kann ich meine Sachen in der Wohnung lassen. Das Fahrrad ist im 2. Stockwerk auf der Terasse angeschlossen. Und nach einem erfrischenden Bad mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Es ist eine alte Marotte von mir. Ich gehe zu Fuß. So präge ich mir schon bei meinem ersten Spaziergang den Heimweg ein. Das erleichtert mir die Orientierung im Stadtzentrum. Und schon nach kurzer Zeit fühle ich mich sicher.
Festival d’été de Québec. 11 Tage Musik im Herzen der Stadt. Vieles davon kann gratis besucht werden. Daneben gibt es auf unzähligen Bühnen, die im Zentrum der Stadt verteilt sind, ein ambitioniertes Programm, für das man ein Ticket kaufen muss. Wer es hat, hat Zugang zu allen Veranstaltungen auf diesen Bühnen. Für mich gibt es auch ohne Ticket so viel zu sehen. Und ich stelle hier ohne Kommentar ein paar Bilder von dieser Riesenparty ein.
Die neuen Medien finden begeisterte Anwender. Und ich bin erstaunt. Wie sie auch auf dem Festival zum Einsatz kommen. Ob digitale Wettrennen gesteuert über das Smartphone. Ob virtuelle Brillen mit ihren faszinierenden Möglichkeiten. Ob Spacefotos an die eigene Adresse. Ob künstliche Intelligenz, die mein Gesicht mit dem Körper eines Popstars verbindet und mir praktisch eine neue, virtuelle Persönlichkeit gibt. Oder einfach die Fußmassagebank, auf der kollektiv Platz genommen und genossen werden kann. Alles ist dabei.
Dann sieht man Kleinkunst in allen Variationen. Straßenmusikanten. Violinisten, klassisch schön. Kleine unbekannte Bands mit ihrem ganz eigenen Stil und Charme. Jongleur mit Freude am Experiment. Nicht perfekt dafür um so mutiger.
Eine junge Frau zeigt eine witzige Feuershow mit Hulahoop-Reifen und akrobatischen Einlagen. Witzig und sprachgewandt führt sie das begeisterte Publikum durch ihre eigene Show. Sie holt sich ihre Helfer aus dem Publikum und spricht dasselbe mutig an, ein wenig zu spenden. Sie hat hart für die Show gearbeitet. Und bekommt keine Gage. Da hilft es, wenn es ein wenig in einem überdimensionierten Klingelbeutel klingelt. Für sie hat sich der Aufwand gelohnt.
Freude pur. Jeder kommt auf seine Kosten. Kinder spielen ausgelassen in den öffentlichen Wasserspielen. Eine Freude, ihnen zuzuschauen.
Über all dem Spektakel ragt die Burg in den blauen Himmel. Seine Aufgabe hat sie längst erfüllt und dient heute als Luxusherberge. Umgeben von einer gewaltigen Festungsanlage mit Dutzenden großen und noch größeren Kanonen, die heute nur noch in den blauen Himmel zielen. Die Stadt hat unglaublich viel zu bieten. viel mehr zu bieten und mancher Ort lässt mich nur Staunen.
Unten am Ufer des St. Lorenz Stromes liegen Ausflugsdampfer neben amerikanischen und kanadischen Kriegsschiffen. Während draußen auf dem Strom Handelsschiffe mit ihrer Fracht vorbeiziehen.
Und zwischen der Burg und den Kaianlagen findet man das pralle Leben. Die Vergangenheit trifft auf die Neuzeit. Der Blick zurück auf die eigene Geschichte paart sich mit der Zukunft. Und dazwischen die lebendige, ausgelassene, lebensfrohe Gegenwart in all ihren Facetten. Was für ein Spetakel. Eine Stadt voller Geheimnisse. Die es zu entdecken gilt.
Ich bin beeindruckt von der Stadt und ihren Menschen. Dem Jubel und Trubel. Und von den eher stillen, lauschigen Parks und Plätzen, die nur darauf warten, erobert zu werden. Was für eine schöne Stadt …
Wie auch daheim in Deutschland begegne ich gelegentlich Kreuzen, die am Wegesrand errichtet wurden. Dieses Wegkreuz befindet sich nur wenige hundert Meter westlich meines Übernachtungsplatzes.
Dieses Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Kreuz wird „ Kreuz der Suchenden “ genannt. Seinen Namen verdankt es einem Bettler, der hier, unter den Bäumen einschlief.
Der heutige Tag führt mich auf relativ flachen Straßen weiter nach Westen. Ich fahre den ganzen Tag am orografisch rechten Ufer des Sankt Lorenz Stromes flussaufwärts. Es ist eine liebliche Landschaft. Leicht wellig und meist landwirtschaftlich genutzt. Die Nutzflächen reichen bis an den Strom.
Kleine Dörfer reihen sich entlang des Ufers. Und jedes Dorf hat einen kleinen öffentlichen Park, oftmals mit besonders schöner Aussicht, den ich zum Rasten nutzen kann. Vereinzelt entdecke ich schöne, gepflegte Häuser entlang des Weges.
… immer wieder kleine Kirchen, deren auffallendstes Merkmal nicht die Kirchtürme sondern deren silberngraue Dächer sind, die das Sonnenlicht wie die Flächen eines überdimensionierten Kristalls kraftvoll in ihre Umgebung streuen.
Nur selten sind heute Steigungen zu überwinden. Und so komme ich mit wenig zusätzlichem Kraftaufwand sehr gut voran. Dabei bleibt der Wind mein ständiger Begleiter
Wie auch der Strom, dessen lehmfarbenes Wasser sich fortwährend Richtung Atlantik wälzen. Und vom Nordufer nähert sich die Küste immer mehr, so dass mitunter schon einzelne Gebäude sichtbar werden.
Bauernhöfe reihen sich in regelmäßigem Abstand die Straße entlang. Meistens in einigen Hundert Metern von der Straße entfernt. Ihre riesigen Silos dominieren neben den Kirchtürmen die Silhouetten der Landschaft.
Bunte Chalets säumen die Straße …
… und gelegentlich preisen Trödler ihre Waren an, indem sie ihr Haus wie einen Schilderwald dekorieren. Wer entsprechendes sucht: hier wird er fündig.
In vielen Streckenabschnitten folgt die Route Verte 8 der Route 132. Kommt man in die Orte, nimmt der Verkehr zu. Ist man wieder raus aus dem Dorf, wird er schnell weniger. So hab ich den ganzen Tag Abwechslung.
Und wenn es langweilig wird, sind da immer noch die Wolken, die mir ständig neue Spektakel bieten.
Gegen 19.30 Ihr erreiche ich an diesem Tag mein Ziel, den kleinen Park am Cap-Saint-Ignace. Hinter einem mit Planen überspannten Picknickbereich finde ich ausreichend Platz. Ich warte noch eine Stunde, bevor ich mein Zelt dort aufbaue. Es muss ja nicht jeder sehen, dass ich auf diesem öffentlichen Platz mein Zelt aufschlage. Sobald das Zelt steht, ziehe ich mich zurück. Die ausschwärmenden Mücken mögen es an diesem Abend bedauern …
Es heisst Abschied nehmen. Schnell sind meine Sachen gepackt. Währenddessen bereiten mir die Beiden ein üppiges Frühstück. Und nachdem wir gemeinsam gefrühstückt hatten, umarmten wir uns ein letztes Mal, bevor ich das Haus verließ.
Ein schönes Geschenk hatten beide noch für mich parat: Eine Einladung an meine Frau und mich, sie irgendwann besuchen zu kommen. Biggi wird sich darüber mit Sicherheit sehr freuen
Vladimir und Lorraine führten mich gestern unter anderem zum Fort Ingall. Von außen war durch die Schießscharten in dem Palisadenwall nicht wirklich viel zu sehen gewesen. Je länger ich darüber nachdachte, um so mehr reifte mein Entschluss, dieses Stück Geschichte einmal näher zu betrachten. Also auf zum Fort.
Es liegt nur wenige Kilometer vom Wohnhaus meiner Gastgeber und keine tausend Meter von der Bahntrasse entfernt, auf der ich in dieses Gebiet hereingekommen bin und nun beabsichtige, wieder zurück zu fahren an die Küste.
Im Jahr 1967 wurde der Standort dieses Forts wiederentdeckt und die Überreste von Archäologen ausgegraben. In 8 rekonstruierten Gebäuden der ehemaligen Befestigung kann jeder Besucher den Zweck und historischen Background erfahren.
Das Museumspersonal, gekleidet in traditionelle Uniformen, ist Kulisse und Informationsquelle zugleich. Bereitwillig geben sie mir Auskunft. Den Rest erledigt ein elektronischer Tourguide, der die einzelnen Stationen des Forts und ihre jeweilige Funktion sehr gut erklärt.
Ursprünglich umfasste das Fort 13 Gebäude, Schlafräume für insgesamt 100 Soldaten, ein Offiziersquartier, eine Küche, eine Bäckerei, ein Bootshaus, eine Munitionskammer und mehrere Latrinen.
Die Bauweise bestand aus übereinander gelegten Zedern- und Kiefernstämmen, die mit einer Art Mörtel verschmiert waren. Die hölzernen Schindeln der Dächer waren rot angemalt. 4 m hohe Palisaden mit zahlreichen, in regelmäßigen Anständen angeordneter Schießscharten umgaben das Fort.
Die Rekonstruktion des Forts orientierte sich weitestgehend an der ursprünglichen Bauweise der Anlage.
1839 wrde das Fort nahe Cabano am Westufer des Lake Témiscouata errichtet. Es sollte im Aroostook-Krieg (1838/39), einem britisch-amerikanischen Grenzkonflikt, den wichtigen Transportweg zwischen dem Lac Témiscouata und dem Sankt-Lorenz-Strom kontrollieren.
Im Vertrag von Paris, der 1783 den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg beendete, wurde die Grenze zwischen Kanada und den USA nicht überall eindeutig festgelegt. Besonders die Grenzlinie zwischen dem heutigen US-Bundesstaat Maine und der kanadischen Provinz New Brunswick war umstritten. Es war ein waldreiches Gebiet und häufig gab es Streit über die Nutzung des Holzes. Der Konflikt eskalierte 1838, als in Maine 10.000 Miliztruppen mobilisiert wurden. Die Briten errichteten daraufhin 1839 im Grenzgebiet eine Reihe von Forts, um der amerikanischen Invasion zu begegnen.
Mit dem Webster-Ashburton-Vertrag wurde der Konflikt schließlich 1842 ohne Blutvergießen beendet. Und das Fort aufgegeben.
Nach zwei Stunden mache ich mich auf den Weg zur Küste. Und wieder zieht mich die Landschaft links und rechts des Weges in ihren Bann. Obwohl ich auf der Herfahrt reichhaltig Gelegenheit hatte, die Landschaft mit den Augen zu erkunden, entdecke ich immer wieder Neues.
Der Weg führt über einen Golfplatz. Und damit es keine Unfälle durch herumfliegende Golfbälle gibt, deutet mir die rote Ampel, anzuhalten.
Anschließend geht es weiter, im Golfcaddy wie auch mit dem Fahrrad. Vorbei an versumpften Waldgebieten mit üppigen Schilfrohrbeständen.
Unweit ein kleiner Rastplatz. Hier gibt es immer wieder hölzerne Plattformen gedacht für Hiker und Cyclists, um in diesem unwegsamen Gelände sein Zelt aufzuschlagen.
Und meistens liegen das Toilettenhäuschen und ein überdachter kleiner Rastort gleich nebenan. Die Abstände zwischen den einzelnen Rastplätzen dürften so um 10 km liegen.
Auf meiner Herfahrt hatte ich das Glück, an dieser Baustelle einen kostenlosen Service vorzufinden, der im Shuttledienst Radfahrer und Wanderer auf die jeweils andere Seite der riesigen Baustelle bringt. Auf mein Fragen erhielt ich die Antwort, dass dieser Dienst die kommenden zwei Tage nicht angeboten werden kann. So begebe ich mich per Pedes auf Schotterpisten hinein in die Baustelle.
Vladimir hatte mir erzählt, das es im Bereich der Baustelle innerhalb von 10 Jahren über 100 teils schwere Verkehrsunfälle gegeben hat. Daher macht es Sinn, diesen Abschnitt der Interstate neu zu gestalten, um zukünftigen Radwanderern und Hikern mehr Sicherheit zu geben.
Da ich ungefähr weiß, wo die Bahntrasse verläuft, verlasse ich mich auf meinen Orientierungssinn und erreiche schließlich das Ende. Vier rote Poller signalisieren mir schließlich Erleichterung. Ist der Streckenabschnitt der Interstate eines Tages fertiggestellt, wird es hier keine Hiobsbotschaften mehr geben.
Und auch Trinkwasser für den Durstigen wird angeboten. Manchmal nicht zweifelsfrei (siehe oben). Meist jedoch eindeutig. Mitunter muss man nach der Zapfstelle suchen. Aber ich bin immer fündig geworden.
Auch wenn die Beschilderung der parallel verlaufenden Interstate sowie Trittspuren auf meinem Weg darauf hinweisen, gesehen hab ich noch keinen Elch.
Ein Stück Waldboden erregt meine Aufmerksamkeit. Auf ca 300 Quadratmetern wächst etwas, das von weitem ausschaut, wie Moos. Es bedeckt den Boden großflächig und diese weichen Kissen machen auch vor herumliegenden Steinen keinen Halt. An den aufwachsenden Baumstämmen ist es jedoch nicht zu finden … und da muss ich dann selber erst einmal recherchieren.
Eine Pflanze zwischen Stacheldrahtpflanze und Heiligenblume schlägt mir Google vor. Diesmal glaub ich Dr. Google nicht, da die Pflanze von der Wuchsform her höchstens 10 cm in die Höhe wächst und in der Ausdehnung kleine rundlich Polster bildet, die dicht an dicht liegen. Vielleicht erfahre ich von meinen Begleitern, was für eine Pflanze oder Flechte ich da habe.
Schließlich ereiche ich Rivière-du-Loup. Vor mir der gewaltige Sankt Lorenz Strom. Im Hintergrund noch im Dunst liegend, aber bereits gut erkennbar die hügelige Nordküste. Ich biege nach Westen ab, immer entlang des Stroms, dessen Wasser über weite Strecken lehmfarben leuchtet.
Für zwei Tage werde ich an der Südküste des St. Lorenz Stromes entlang radeln. Und freu mich schon auf das Neue, was mir begegnen wird.
Es ist bereits später Nachmittag. Am Horizont ziehen Regenwolken auf. Sie verdunkeln das Blau eines Schwimmbeckens am Ufer des Stromes. Es wird regnen. Das ist sicher. Aber ein Weilchen kann ich noch fahren. Schließlich entdecke ich einen kleinen Rastplatz mit tiefgestaffeltem, lockerem Baumbestand. Dazwischen gepflegte Rasenflächen. Bestens, um ein Zelt aufzubauen. Was schnell erledigt ist. Kaum habe ich alles eingeräumt, fängt es an zu regnen.
Müde liege ich auf der Matte. Glücklich und zufrieden lausche ich dem einsetzenden Regen und dem immer stärker werdenden Wind. Noch einmal verlasse ich das Zelt, um alle Leinen gut zu spannen und das Zelt zu stabilisieren. Das lärmende Schlagen der Zeltplane hört auf. Und schließlich schlafe ich ein.
Manchmal kommt es anders, als man es sich vorstellen mag. Um 9.00 Uhr breche ich auf. Entlang des Westufers geht es auf der gleichen Bahntrasse zurück, über die ich gestern gen Süden fuhr. Gestern leuchtete der See im warmgoldenen Abendlicht. Heute erlebe ich die Stimmungen im grellen, kühlen Morgenlicht der Sonne. In Temiscouata fülle ich meinen Futtervorrat auf.
Ich bin keine 300 Meter vom Supermarkt, als ich bemerke, dass der hintere Reifen Luft verliert. Es geht schnell und nach wenigen Metern steige ich vom Rad und schiebe es ein paar Meter weiter Richtung Gartenzaun. Alles Gepäck runter. Schnell das Werkzeug ausgepackt und schon bin ich am Reparieren.
Von der anderen Seite nähert sich ein Mann und wir kommen ins Gespräch. Nach ein paar Minuten öffnet er seine Pforte und bietet mir einen sicheren Platz, um das Fahrrad zu reparieren. Er stellt sich freundlich vor.
Vladimir bietet mir etwas zu trinken an. Seine Frau kommt hinzu. Er öffnet seine Gartenpforte, nimmt entschlossen enen Teil meines Gepäcks und läd es in seinem Garten ab. Ich sammle alle Werkzeuge und die Pumpe ein und trage das Fahrrad hinterher.
Kaum habe ich das Fahrrad abgesetzt und widme mich der Reparatur, laden mich beide zu Tisch: Wurst, Käse, Brot und hervorragend schmeckenden, selbst gemachten Rotwein. Etwas später reicht mir seine Frau einen Teller mit acht gekochten Eihäften, lecker zubereitet und garniert. Die Reparatur muss warten.
Seine Frau hat sich inzwischen zu uns gesellt, als Vladimir seine Einladung zur Übernachtung erneut ausspricht. Und ab diesem Augenblick ändert sich mein ganzer Plan für heute …
Ich entscheide, den heutigen Tag gemeinsam mit Lorraine und Vladimir in Témiscouata zu verbringen. Wie ich im Laufe unserer Gespräche erfahre, heißt Lorraine mit vollem Namen Lorrainedamours. Der Name könnte einem Märchenbuch entnommen sein. Aber das ist sicherlich eine andere, wundervolle Geschichte.
Vladimir und Lorraine sind wunderbare Gastgeber. Unsere stundenlangen Gespräche drehen sich ums Altern. Wir sind alle fast gleichen Jahrgangs. Um persönliche Freiheit und was wir daraus machen. Um die Herstellung von Wein. Und um das Leben im Paradies Témiscouta und angrenzendem See.
Dabei ist Vladimir ganz besonders darauf bedacht, dass seine Frau immer am Gespräch beteiligt ist. Da Lorraine nicht so gut Englisch spricht, übernimmt Vladimir geduldig die Rolle des Dolmetschers. Hört ihr zu und übersetzt mir alles, was seine Frau zu unserem Dreiergespräch beiträgt.
Voller Herzenswärme erzählen sie aus ihrem Leben. Vladimirs Lebensreise von Jugoslavien über Italien, Frankreich und schließlich nach Kanada. Zwischen den einzelnen Stationen das Leben in all seinen Facetten. Ein Leben, das sie vor Jahren zum Lake Témiscouta geführt hat. Dem Zuhause von Lorrainedamours.
Und hier haben sie sich ihr kleines Paradies geschaffen. Ihr Zier- und Gemüsegarten grenzt zaunlos an den naturbelassenen Grüngürtel entlang des Sees. Ein Rotflügelstärling hat sich das zunutze gemacht. Lärmend eilt er herbei. Lorraine wirft ihm eine Brotkrume zu. Mit ihr verschwindet er im baumbestandenen Schilf- und Grasgürtel. Nur um nach einer Stunde erneut aufzutauchen und zu betteln. So geht das die ganze Zeit während unseres Aufenthalts auf der Terasse.
Nachdem ich mir unter drei Schlafzimmern das Schönste ausgesucht hatte, kümmerte ich mich erst einmal um die Reparatur des Fahrrades. Ein neuer Schlauch ist nötig. Der alte geflickt und als Reserve verstaut.
Ich hatte erwähnt, dass ich dem Westufer des Sees von Témiscouata aus bis zu seinem südlichen Ende und zurück geradelt bin. Beide laden mich ein, die Westküste des Sees in nördliche Richtung mit dem Auto abzufahren. Ich freue mich, da dieser Abschnitt einige Hügel aufweist, die es mit dem Rad zu erklimmen gilt.
Am Fort Ingall machen wir Halt und besuchen den gleich daneben liegenden Friedhof, auf dem Lorrains Mutter beerdigt wurde. Gemeinsam gehen wir zum Grab. Ein berührender, ganz besonderer Augenblick für uns. Und die enge Verbindung Lorrains zu ihrer Mutter wird spürbar.
Auch in diesem Abschnitt des Sees ist die Bebauung zwar locker und erschwert gleichzeitig den Zugang zum Ufer. Also gehe ich eine Zufahrt hinunter zum See, bei der nicht erkennbar ist, ob sie öffentlich oder privat ist. Kaum dass ich das Ufer erreicht und dort wenige Mezer entlang gelaufen bin, folgt mir ein Anwohner und spricht mich an. Nach kurzem Gespräch willigt er ein und lässt mich ohne Weiters weitergehen. Auch hier, entlang des Ufers, dasselbe Bild. Fast jedes Grundstück hat einen eigenen kleinen Bootssteg, der wie ein Stachel ins klare Wasser ragt.
Auf dem Rückweg fährt Vladimir mit mir noch beim Schlachter vorbei. Ich darf mir aussuchen, was ich möchte und entscheide mich für ein Steak. Zuhause werden Steak und Fleischspieße auf dem Grill zubereitet. Lorraine sorgt für leckere Beilagen. Und dazu gibt es selbst hergestellten Zinfandel mit herrlich ausgewogenem, erfrischendem Geschmack.
Wieder speisen wir auf der Terasse hinter dem Haus. Wieder kommt unser gefiederter Freund vorbei. Und wie schon den ganzen Tag setzen wir unsere Unterhaltung fort. Irgendwann nehmen wir unsere Stühle und gehen ein Stückchen weit in den Garten wo bereits ein kleines Feuer in einem gusseisernen offenen Ofen brennt. Der Rauch vertreibt die Mücken und wir können ungehindert plaudern.
Bei Anbruch der Dunkelheit endet für uns der Tag. Ein Tag, ein Juwel in der Schatzkiste meiner Erinnerungen. Und so werden Vladimir und Lorrainedamours zu einem warmherzigen, liebevollen und bewundernswert Teil meiner Geschichte.
Ich bin früh wach und freue mich auf den Tag. So packe ich meine Sachen und verstaue alles auf dem Rad. Mittlerweile geht das Packen leichter und ich weiß, was wo verstaut ist.
Maryse und Homer bereiten mir ein letztes Mal einen warmherzigen Abschied. Und kurz darauf bin ich schon auf der Straße. Es geht westwärts und nach wenigen Kilometern habe ich die Spitze der kleinen Landzunge mit dem Fähranleger nach Saint Simeon erreicht.
Die Fähre hat bereits abgelegt und der Anleger wirkt leer und verlassen. Einziger Lichtblick an diesem frühen Morgen ist ein bunter, übergroßer Kopf, der auf die ursprünglichen Bewohner dieser Landschaft hinweist.
So mache ich mich ohne weiteren Stopp auf den Weg zum Musee du Bas-Saint-Laurent. Hier beginnt meine heutige Etappe auf der Route Verte 8. zum Lake Témiscouata. Der Tag verspricht, gut zu werden. Es ist noch kühl. Die Sonne scheint bereits am Morgen zur Höchstform aufzulaufen.
Ein paar Straßenkehren weiter, verlasse ich die asphaltierte Straße und biege auf einen mit feinem Schotter und Rollsplitt befestigten Weg ab, den ich bis zum Ziel nicht wieder verlassen werde. Der Weg ist sehr gut ausgestattet, gut beschildert und führt mit nur wenigen, kaum merkbaren Steigungen durch die grandiose, leicht hügelige Landschaft.
An Straßenkreuzungen verhindern Absperrungen, dass Autos diesen Weg benutzen können. Überhaupt sind motorisierte Fahrzeuge auf diesem Weg nicht zugelassen. Und so genieße ich den heutigen Tag ganz besonders.
Autolärm von der mitunter nahe gelegenen, parallel zu meiner Route verlaufenden Interstate, dringt allenfalls gedämpft herüber. Nur selten kommen mir Radfahrer entgegen. Und noch seltener werde ich an diesem Tag überholt.
Lediglich das ununterbrochene Mahlen und Knirschen des Schotters unter meinen Reifen begleitet mich durch den ganzen Tag. Es ist ein mühsames Fahren, da der Rollwiderstand im mitunter weichen Rollsplitt erheblich ist.
Der Wald wird an vielen Stellen immer lichter. Dabei bestimmen vielerorts entlang des Weges Nadelwälder und Moore die Flora. Fichten, Kiefern und Tannen bilden teìĺs gemischte Bestände. Die Wuchshöhe beträgt vielerorts keine 15 Meter.
Zwischen den Wäldern liegen kleinere und größere, in grellem Grün leuchtende Sumpfgebiete. Von Bächen und kleinen Flussläufen durchzogen und eingebettet in den dunklen Nadelwald.
An vielen Stellen scheinen die Wasser keinen Abfluss zu haben. Hier setzt vom Ufer her offensichtlich die Verlandung ein.
Und mitunter sehe ich kleine abgestorbene Wälder. Wälder. In denen die Bäume mit Sicheheit nicht ihr Lebensalter erreicht haben.
So wechseln lichte und dichte, hohe und niedrige Waldbestände immer wieder einander ab.
Und auch der Wegesrand hat einiges zu bieten. Mehrere Male halte ich an, um die leckeren Walderdbeeren zu pflücken. Ein mühsames und gleichzeitig leckeres Unterfangen.
Es blüht entlang des Weges: Schmalblättriges Weidenröschen, Orangerotes und Gelbes Habichtskraut, Wiesenmargerite, Vogelwicke, Taubenkropf-Leimkraut, Malven, Schmalblättrige Lorbeerrose, Gemeiner Hornklee, Zerbrechlicher Blasenfarn, Philadelphia-Feinstrahl, Weißes Labkraut, Rosen-Malven, um nur die auffallendsten Blüher zu benennen.
Das rotfrüchtige Christophskraut trägt bereits Früchte. Rote Johannisbeeren reifen am Wegesrand. Und auch der kanadische Holunder steht wenige Wochen vor der Fruchtreife. Die Walderdbeeren sind ein Genuss – der Tisch ist reich gedeckt. Man muss sich nur bücken.
Und an vielen Stellen säumen dichte Bestände des Weißen Labkrauts den Weg.
Reifenpannen häufen sich. In Montreal muss ich einen neuen Mantel für das Hinterrad kaufen. Ich hoffe, das der Mantel bis dahin durchhält.
Ein gebrochener Biberdamm hat das aufgestaute Wasser ablaufen lassen. Nun liegt die Biberburg auf dem Trockenen. Und auch auf dem heutigen Weg finde ich Trittsiegel der Elche. Nur gesehen hab ich bisher keine.
Nur ganz selten reicht das Farmland bis an den Radwanderweg heran. Meistens dominiert der Wald, das Moor, der Sumpf.
Von den alten Zeiten, als Lokomotiven lange aus Güterwaggons gebildete Schlangen durch die Wälder zogen, ist kaum etwas geblieben. Ein paar Namen und diesen ehemaligen Bahnhof konnte ich entdecken. Das war’s. Wie sich die Zeiten ändern …
In Cabano kann ich das erste Mal einen Blick auf den Témiscouata Lake werfen. Und für die nächsten Spätnachmittagsstunden radle ich gemächlich am Westufer des Sees entlang und genieße die Aussichten auf den See.
Entlang des Ufers Reihen sich Haus an Haus, so dass ich kaum die Möglichkeit habe, dort hinunter zu gelangen, ohne Privatgrund zu betreten. Und so bleibe ich meistens auf dem Bahndamm, der im Abstand von 20 m entlang des Westufers verläuft und genieße die Stunden.
Das Ostufer ist weit weniger zersiedelt. Hier liegt auch der Parc National du Lac Témiscouata.
Mein Schatten wird langsam länger. Zeit, mich nach einen Quartier umzuschauen.
Und ich habe Glück. Kurz vor dem südlichen Ende des Sees spreche ich einen jungen Mann an und stelle mich vor. Er heißt Jerome Beaulieu. Nach kurzem Überlegen willigt er ein und bietet mir ein kleines, verstecktes Eckchen auf seinem Grundstück an, wo ich mein Zelt aufschlagen darf. Noch während ich am Aufbauen bin , kommt Jerome herbeigeeilt und bittet mich, schnell zu kommen. Ich folge ihm. Unsere Blicke nach oben in die Baumkronen gerichtet. Und dann entdecke ich, was Geraume so elektrisiert.
Einen Weißkopffischadler. Fasziniert schaue ich hinauf ins Geäst. Mich erstaunt, dass dieses Tier in vielleicht 20 Metern Entfernung ganz ruhig auf dem Ast hockt, seinen Blick auf den See richtet und offensichtlich nach Beute Ausschau hält. Wohl 20 Minuten hockt der Vogel hoch oben im Baum, bevor er seine Schwingen ausbreitet und sich vom Ast in einer leichten Abwärtsbewegung in seine weitgeöffneten Schwingen fallen lässt. Lautlos gleitet er über unsere Köpfe hinweg, hinaus auf den See. Unsere Blicke folgen ihn. Und weit draußen schlägt er zu. Krallt sich seine Beute, einen unachtsamen Fisch und fliegt mit ihm dem Ostufer entgegen, wo er vermutlich ein Nest hat. Jerome erzählt, dass der Vogel seit ein paar Tagen früh am Morgen und am Abend zu seinem Grundstück kommt und in diesem hohen Nadelbaum rastet.
Den Rest das Abends verbringen wir gemeinsam am Lagerfeuer bei angenehmer Unterhaltung. Jerome wohnt und arbeitet in der Stadt. Aber nur hier am See fühlt er sich richtig zuhause. Ich kann ihn gut verstehen. Um 22.00 Uhr ist der Tag zu Ende. Müde und glücklich gehe ich in mein Zelt und schlafe gleich darauf ein.
Um 7.00 Uhr bin ich wach. Die Nacht war ruhig. Doch habe ich leicht gefroren. Bodenkälte hatte sich durch die dicke, aufblasbare Luftmatratze bemerkbar gemacht. Später am Küchentisch thematisiere ich das Problem. Homer und Maryse wollen für Abhilfe sorgen, bevor sie mit der Matratze auf Reisen gehen.
Es wird ein richtiger Familientag. Homer und Maryse streifen mit mir durch ihren großen Garten, einer sehr gelungenen Mischung aus Zier- und Nutzgarten. Es blüht an vielen Stellen. An anderen gedeiht noch nicht ganz reifes Gemüse.
Schwarze Johannisbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, Rhabarber, Apfel- und Pfirsichbäume. Alles grünt, ist munter am Wachsen und verspricht reiche Ernte. An vielen Stellen zwischen den Gemüsen wachsen Küchenkräuter. Und Maryse bereitet aus all dem die leckeren Mahlzeiten.
Der Ziergarten ist gleichfalls eine große Freude. Etliche Gehölze wechseln mit Blumenrabatten und kleinen Rasenflächen. Und neben den bereits gestern erwähnten kleinen Ruheinseln gibt es weitere kleine Plätze zum Rasten.
Etwas später fahren wir gemeinsam nach Cacouna zum Bäcker, wo es eine größere Auswahl an hellen Brotsorten, Croissants und weitere wohlschmeckende Leckereien gibt.
Gefrühstückt wird gemeinsam im Garten. Die Sonne lacht vom Himmel. Es hat aufgehört, zu regnen, was mich irritiert. Sagte doch der Wetterdienst Regen für den ganzen Tag voraus.
Ich nutze die folgende Zeit, meinen Blog auf dem Laufenden zu halten. Später am Nachmittag kommt Besuch ins Haus. Maryse hat eine leckere Blaubeer-Tart bereitet. Was für ein Genuss. Anschließend kommen Spielsteine auf den Tisch. Es wird ein schöner Nachmittag, der nahtlos in den Abend übergeht.
Zum Sonnenuntergang gehen wir im Parc de la Pointe spazieren. Bei diesen Lichtverhältnissen ein ganz besonderer Genuss..
Eine leckere, von Maryse bereitete Lasagne bildet den krönenden Abschluss dieses Tages.
Unruhe kommt in mir auf und ich verspüre den Wunsch, weiterzufahren. Die Wettervorhersage sagt gutes Wetter voraus.
Mein Dank für zwei wundervolle Tage gilt Homer und seiner warmherzigen Frau. Ihr gegenseitiger emphatischer Umgang miteinander hat mich tief berührt.
Homer, der mir etwas zu trinken anbot. Maryse, die alle Speisen vorbereitete. Beide fällten gemeinsam die Entscheidung, mir für 48 Stunden mehr als ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Sie gaben mir jederzeit das Gefühl, ein guter Freund des Hauses zu sein. Sie waren geduldig und warmherzig. Und Maryse fiel mir immer wieder durch ihr herzliches Lachen und das Funkeln in ihren Augen auf.
Ihre Freundin Louise komplettiert die Tage. Ihr danke ich besonders für die vielen interessanten Fragen, die sie mir stellte. Das ließ unseren Gesprächsfaden zu keinem Zeitpunkt abreißen und führte immer wieder zu neuen, interessanten Themen. So werden diese Tage zu einem unvergesslichen Teil meiner noch so jungen Reise.