Ich habe bis auf einen Moment durchgeschlafen. Irgendwann um Mitternacht weckt mich ein Autogeräusch. Mein Zelt leuchtet im Scheinwerferlicht des Fahrzeugs. Der Motor wird ausgeschaltet. Das Licht bleibt an. Ob sich jemand nähert, ich weiß es nicht und bleibe ruhig liegen. Vielleicht 3 bis 4 Minuten später verschwindet das Auto wieder in der Nacht. Und wenige Augenblicke später bin auch ich wieder im Tiefschlaf verschwunden.
Um 4.45 Uhr werde ich wach. Um 5.30 Uhr ist alles verstaut und ich mache mich auf meinen heutigen Weg. Die Internetverbindung ist weiterhin schlecht und auf meine Warmshower-Anfragen habe ich keine Antworten erhalten.
Der Wetterdienst sagte gestern für heute nachmittag aufkommenden Regen voraus, der länger anhalten soll. Der Wind ist nicht mehr so stark. Aber immer noch so kräftig, das ich nur mit durchschnittlich 15 Stundenkilometern voran komme.
In Trois Pistoles mache ich Halt. Mein Magen knurrt und auf der anderen Straßenseite läd die Frommagerie du Basques ein. Es gibt frisches Brot und leckeren Käse. Auf den Kaffee verzichte ich, da ich kein Kleingeld für den Automaten habe. Es gibt Wasser.
Weiter geht die Fahrt Richtung Rivière du Loup. Am Ortseingang bietet mir ein Mann spontan etwas zu trinken an. Ich bin schon fast vorbeigefahren und höre eine Stimme, die mir hinterherruft. So kehre ich um und nehme sein Angebot dankend an.
Wenige Augenblicke darauf erscheint seine Frau in der Haustür und bietet mir einen Kaffee an. Ich bin hocherfreut. Erfüllt sich doch in diesem Augenblick mein Wunsch nach einem Kaffee, der sich seit Trois Pistoles in meinem Herzen eingenistet hatte.
Wir stellen einander vor und ich erfahre, dass ich bei Maryse und Homer gelandet bin. Ich werde ins Haus gebeten, wo es einen leckeren, libanesischen Mokka gibt. Wir kommen ins Gespräch und am Ende steht vollkommen überraschend, dass ich bei Ihnen die kommende Nacht bleiben darf. Dankend nehme ich dieses Geschenk an.
Homer und seine Frau möchten noch in die Stadt fahren. Während ihrer Abwesenheit darf ich die zum Sankt Lorenz Strom hin ausgerichtete Terasse und im Falle einsetzenden Regens einen kleinen, hübschen, runden Pavillon benutzen. Ich bin glücklich. Maryse und Homer geben mir für eine Nacht ein Zuhause. Zum Abend kommt eine Freundin hinzu, Louise. Und so versammelt sich eine am jeweils anderen interessierte Gruppe um den Esstisch. Es gibt Lachs. Dazu einen ganz lecker zubereiteten Salatteller.
Nach dem Essen kommt die Frage nach dem Wetter auf. Und laut dem Wetterdienst soll es den rganzen Tag mit einer Wahrscheinlichkeit von 46 bis 90% regnen. So bieten mir Homer und Marysa an, den Sonntag noch mit Ihnen verbringen zu können. Ich bin dankbar und unendlich erleichtert, nicht im Regen fahren zu müssen.
Unsere Unterhaltung ist ernst, tiefsinnig, aber auch heiter. Es dreht sich um private, politische und auch gesellschaftliche Themen. Wir sprechen offen miteinander. Und während der Unterhaltung erledigen Homer und ich den Abwasch. Zeit für ein Gesellschaftsspiel ist auch noch drin. Uns so spielen wir ein paar Runden „Qwirkle“. Wir haben Spaß und lachen viel miteinander. Vor allem aber hören wir einander zu.
Da die drei eigentlich Französisch sprechen, habe ich die Gelegenheit, den Klang der Sprache besser kennenzulernen. Das wiederum lässt mir die Sprache nicht mehr ganz so fremd erscheinen. Und erste Wörter bleiben hängen.
Irgendwann ist es Zeit, schlafen zu gehen. Die Familie hat in einem Zimmer ein Reisebett für mich bereitgestellt. Dusche, Bad, WC – all das darf ich benutzen. Ich bin immer noch beeindruckt von all dem Glück, dass mir gerade widerfährt. Nach einigen Minuten kehrt Frieden im Haus ein. Es wird still und kurz darauf schlafe ich ein.
Ein neuer Tag bricht an. Zum Frühstück begebe ich mich zu Denis und Valerie ins Haus. Ich bekomme ein reichhaltiges, leckeres Frühstück serviert. Anschließend wird gepackt. Die zurückliegende Nacht war wunderbar. Und obwohl ich nur wenige Meter von der Straße mein Zelt aufgeschlagen habe, war es sehr ruhig.
Ich verstaue alle Sachen auf dem Fahrrad. Ein letztes Abschiedsfoto. Und dann geht es 1,5 km zurück. Jean Pierre hatte mich auf ein U-Boot aufmerksam gemacht, das mir am gestrigen Abend gar nicht aufgefallen war.
Dort treffe ich Caleb, der eine mehrwöchige Wanderung unternimmt. Dabei nutzt er keinen Rucksack sondern hat sein Hab und Gut in einem Carrier verstaut. Eine interessante Variante zu Wandern.
Er schildert mir von seinen Schwierigkeiten, am Abend einen Platz zu finden, wo er kostenlos sein Zelt aufschlagen kann. Ja, dieser Gedanke wird mich ebenfalls ein ganzes Jahr beschäftigen. Die Warmshower App ist gut. Aber wenn Wartungsarbeiten tagsüber ausgeführt werden und somit weder meine rausgehenden Anfragen noch deren Beantwortungen nicht weitergeleitet werden, macht die App keinen Sinn.
Hinzu kommt auch, dass der Internetempfang in dieser Gegend durchaus zu wünschen übrig lässt.
Das Boot wurde von den Franzosen gekauft, hat wohl viele Schwierigkeiten bereitet, und wurde letztlich aus dem militärischen Dienst verabschiedet. Heute dient es als kleine Touristenattraktion gleich neben dem Pointe-au-Père Lighthouse.
Auf dem Weg zum Nationalpark Bic sehe ich einige Windsurfer ihren prallgespannten Segeln hinterherlaufen. Was für sie ein großer Spaß, bedeutet für mich heute mühsame Arbeit. Ich komme nur mit durchschnittlich 14 km/h voran. Der Westwind bläst mir kalt ins Gesicht. Ich ziehe eine Jacke über, damit ich nicht auskühle. So wird es weitergehen, den ganzen Tag.
Der Nationalpark Bic ist einer der kleinsten Parks Québecs und er hat eine Menge Natur zu bieten. Faune wie Flora spiegeln den unermesslichen Reichtum dieser Landschaft.
Die gut ausgebauten Fahradwege führen mich zu den wesentlichen Zielen auf der Halbinsel.
In einer mächtigen Scheune ist ein gut ausgestattetes Informationszentrum untergebracht. Und bestens ausgebildete Ranger geben auf Anfrage gerne umfangreich Auskunft über die Tier- und Pflanzenwelt.
Zwischen den Inseln werden bei Ebbe weite Wattflächen sichtbar. Hier lässt sich, ähnlich wie in unserem Wattenmeer, eine reichhaltige Tierwelt beobachten.
Wuchtige Felswände werden an vielen Stellen im Ufersaum sichtbar. Wenige Meter darüber erhebt der Wald seine windgebeutelten, zerzausten Kronen. Der Kontrast zur See beeindruckt mich immer wieder.
Bei Ebbe wird im Litoral die üppige Pflanzenwelt sichtbar, die sich bei Flut unter dem Wasserspiegel befindet
Zwischen den Felsen, die mitunter weit ins Watt reichen, finde ich ein windstilles Plätzchen. Zeit für eine kleine Rast.
In einigen Buchten laden schottrige Strände zum Spaziergang und Muschelsammeln ein und bieten immer wieder wunderschöne Ausblicke auf die vorgelagerten, trockengefallenen Inseln.
Kleine Hügel verraten bei Ebbe, wo sich Wattwürmer tief ins Watt eingegraben haben.
Der Gipfel wird stets von einem endlos scheinenden Band an Sediment-Ausscheidungen gekrönt. Die Tiere selbst bleiben für mein Auge verborgen.
Zwischen den Felsen entdecke ich das Küsten-Blauglöckchen …
… und an vielen Stellen erheben Glockenblumen auf zarten Stengeln ihr blauviolettes Haupt und konkurrieren mit dem kräftigen Blau des Himmels.
An den Grashängen stehen üppige Bestände an Hagebuttensträuchern.
In ihrer Vielzahl und Ausdehnung in der Fläche erinnern sie mich an Kindertage. Heute sind diese Sträucher nur noch selten in unseren Gärten zu finden. Zumindest ist das mein Eindruck.
Und während die Vergetation mit üppigem Grün prahlt, zeigt sich das Meer von seiner glänzenden Seite.
Es wird Zeit, Abschied zu nehmen. Die Idee, im Nationalpark zu campen, lasse ich fallen. Der offizielle Campingplatz für mich kostet 12 Kanadische Dollar. Und ich werde außerhalb des Campingplatzes wohl ein vergleichbar schönes Plätzchen finden.
Über den Westausgang verlasse ich gegen 19.00 Uhr den Park und radle die liebliche Küste entlang. Linkerhand begleiten mich unzählige Wohnhäuser, Ferienhäuser und Chalets, während rechts langsam das Watt im Meer versinkt.
Zurück bleibt ein kleines Juwel. Eine hügelige Landschaft. An seinem höchsten Punkt über 330 Meter hoch. Dazwischen kleine Buchten, aufgefüllt mit Wattschlick und Lebensraum einer vielfältigen Tierwelt. Vorgelagert liegen mehrere idyllische, waldbestandene Inseln, die auf mich eine ganz besondere Faszination ausüben. Eine Landschaft zum Träumen.
Die Sonne hat fast den Horizont erreicht, als ich meinen heutigen Lagerplatz finde. Einen kleinen, öffentlichen Park. Hier baue ich mein Zelt im Schutz mächtiger, rundgeschliffener Felsbrocken auf. Ich komme mit Christian ins Gespräch, der in dieser Landschaft zuhause ist. Und da er isst, Geselle ich mich mit Brot und Milch zu ihm.
Christian bietet spontan geräucherten Lachs und weitere Fischhäppchen an, die wohl mit Maple-Sirup glasiert sind. So was Leckeres. Und während Christian seinen Wein trinkt, leere ich meine Milchkühe.
Noch während wir beiden zusammensitzen und dem Sonnenuntergang zuschauen, kommt eine ältere Dame an den Picknicktisch und fängt eine Unterhaltung auf französisch an. Christian ist so freundlich und übersetzt. So erfahre ich, dass es einige Nachbarn nicht gerne sehen, dass an diesem Ort gecampt wird. Und für den Fall, daß die Polizei kommen und mich auffordern sollte, zu gehen, bietet sie mir an, zum blauen Haus mit der Nr. 306 zu kommen. Und einen Kaffee wird es morgens sicherlich auch geben. Was für eine spontane Geste.
Wir verabschieden uns voneinander und wenige Minuten später falle ich bereits in einen tiefen Schlaf. Danke für diesen wundervollen Tag.
Mir hat die gestrige Auszeit gut getan und ich fühle mich gut erholt. Mein Gastgeber Michel sorgt wunderbar für mich. Das gestrige Abendessen, zwei große Burger mit Lammfleisch auf Redish und weiteren Zutaten und entsprechenden Beilagen machten mich supersatt. Und unsere Unterhaltung währte bis Mitternacht.
Da Michel viel mit dem Fahrrad auf Reisen geht, konnte er mir einige wertvolle Reisetipps geben, die mir in den nächsten Tagen und darüber hinaus mit Sicherheit weiterhelfen werden. Draußen regnet es noch und wir lassen den Tag langsam angehen. Michel stellt mir die Zutaten für ein leckeres Frühstück bereit. Cereals, Mandeln, Walnüsse, Erdnüsse, Sonnenblumenkerne, Cashewnüsse, Banane, Sojamilch und Joghurt. Daraus bereite ich mir ein fürstliches Mahl. Anschließend wird gepackt. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen.
Der Abschied ist kurz aber herzlich. Und obwohl Michel bereits auf dem Sprung zu seiner eigenen Tour ist, hat er sich die Zeit genommen, mir für zwei Tage eine Unterkunft zu gewähren. Was für eine große Gastfreundschaft! So konnte ich einen Tag ausruhen. Außer einer kleinen Erkundungstour durch den städtischen Park und einen kurzen Blick an den Strand habe ich nichts weiter unternommen. Die Gespräche mit Michel haben mir viel Freude bereitet. Und ich höre mich langsam in das mit französischem Akzent gesprochene Englisch ein.
Es wird ein schöner Tag werden, da ich den ganzen Tag Rückenwind haben werde. Der treibt mich gut voran.
Den ganzen Tag wird es durch kleine Ortschaften entlang des Sankt Lorenz River gehen. Sie sind alle mit der aktuellen Route 132 verbunden. Früher verlief diese Straße durch die Dörfer. Und so ist es auf den alten Abschnitten der Route 132 wesentlich ruhiger.
In den Gärten sieht man immer wieder Miniatur Leuchttürme oder auch Windmühlen, wie diese, die durchaus erfolgreich Strom erzeugen.
Über mir kreisen gelegentlich Adler und lenken für Augenblicke meinen Blicke gen Himmel.
Es ist Farmersland. Und manch eine Farm steht am Rand des Sankt Lorenz Rivers. Durch die turmhohen Silos fallen sie in der Landschaft besonders auf. In regelmäßigen Abständen werden sie mich von nun an begleiten.
Den Kirchen, deren Türme fast immer dem großen Strom zugewandt sind, stehen große Heiligenfiguren gegenüber. Mitunter führt die Straße zwischen beiden Objekten durch.
Manches Haus am Wegesrand wirkt idyllisch.
Ich mache Halt am Pointe Mitis Lighthaus. Diese Leuchttürme werden mich nun ebenfalls in regelmäßigen Abständen begleiten. Entlang der Nordseite des Sankt Lorenz River gelegen, geben sie sich nachts durch ihre regelmäßigen Blinkzeichen, die sie aussenden, wunderbar zu erkennen.
Die Küste wirkt lieblich, Die Landschaft nur leicht hügelig und die Straße führt meist eben hindurch. Dabei wechselt die Szenerie ständig. Mal eine aufs Land gebrachte, stillgelegte Fähre …
… an anderer Stelle ein auffälliges Segelboot, dessen Rumpf und Dekoration überraschenderweise aus Beton besteht.
Immer wieder die auffallenden Silos der großen Farmen.
Und vereinzelt werden alte Autos in den Vorgarten gestellt. Dieses Modell stammt aus dem Jahre 1936 der Modellname ist mir unbekannt, ist noch mit den sogenannten Suizid-Türen ausgestattet. Sein Besitzer, Guy Gosselin, kommt aus dem Haus und wir führen ein nettes Gespräch. Er restauriert alte Autos und hat davon über 40 Stück an einem anderen Ort stehen. Am Ende unseres kurzen, interessanten Gespräches stattet er mich noch mit Apfel und einer Packung Müsliriegeln aus. So beschenkt geht es weiter zum nächsten interessanten Stopp.
Ich erreiche das Centre d’Art M. Gagnon, dessen auffällige Fassadengestaltung mich länger verweilen lässt.
Hinter dem Haus dann die nächste Überraschung …
Der Blick durch den Torbogen offenbart eine ganz andere Szenerie. Hier hat der Künstler zahllose Beton-Stelen, die an Menschen erinnern, ins Watt gestellt und sie dem Spiel der Gezeiten ausgesetzt, was einen ganz eigenen Reiz hat.
Hier darf sich jeder ersinnen, was der Künstler ausdrücken will. Oder seine eigene Geschichte erdenken …
Weiter geht’s, die Küste entlang. Der Himmel verdunkelt sich mehr und mehr. Regen scheint im Anmarsch. Noch weit genug weg, um trocken ans heutige Ziel zu gelangen.
Immer wieder kleine Chalets, die man als Quartier mieten kann. Von denen stehen hier so viele in der Landschaft, das der Verdacht, an einem touristischen Hotspot zu sein, nicht abwegig erscheint.
Und auch in dem nächsten Dorf zieren Große Holzskulpteren meinen Weg entlang der Küste., …
… bis ich schließlich westlich von Rimouski am Pointe-au-Père Lighthouse Lande. Es ist bereits spät, Die Temperaturen sind auf 12°C gefallen. Es fühlt sich kälter an und ich fange an zu frieren. Da bemerke ich, dass sich die oberen Verschraubungen meines Gepäckträgers gelöst haben und mein Gepäckträger mit sammt Gepäck nach hinten weggekippt ist. Erschrocken halte ich an.
Die Hände sind klamm und steif für diese filigrane Fummelei. Ich klopfe an die Tür des nächsten Hauses. Ein Mann erscheint, der mir hilft, den Gepäckträger zu richten und die oberen Verschraubungen wieder festzuziehen. Dadurch verliere ich so viel Zeit, dass ich in die Dämmerung gerate. Auf mein Fragen gibt er mir einen Tipp, wo ich eventuell wild campen könnte. Ich danke ihm für seine Hilfe, kann aber den empfohlenen Platz nicht finden.
So wende ich mich an zwei Männer, die gerade ein Kajak auf ihr Auto verstauen. Ich stelle mich kurz vor. Erneut frage ich nach einem Platz. Und nach kurzer Überlegung wissen beide, mir zu helfen. Denis, der Jüngere, läd mich zum Dinner ein. So schlage ich mein Zelt in einem mit hohen Gräsern bewachsenen Gelände zwischen Straße und Meer auf. Anschließend kehre ich bei Daniel ein. Und was ich erlebe, ist Gastfreundschaft pur.
Ich treffe auf die ganze Familie. Denis ist Hausherr und kocht leidenschaftlich gern. Dann ist da Jean Pierre, sein Schwiegervater, der in Begleitung seiner Partnerin Daniela beim Sohn zu Besuch ist. Und dann kommt noch Denis Sohn Fermin hinzu, ein sportbegeisterter junger Mann. Später wird sich noch Denis Frau Valerie hinzugesellen.
Gemeinsam speisen wir Schweinemedaillons mit Ahornsirup glasiert. Als Beilage gibt es Pastinaken und orangerote Kürbisscheiben. Alles leicht süßlich. Und alles unglaublich lecker. Dazu ein französischer Rotwein vom Feinsten. Und während wir Speisen, unterhalten wir uns angeregt über all das, was uns gerade in den Sinn kommt.
Als dann Valerie hinzukommt, wird es sehr konstruktiv und gemeinsam beraten sie, was mir die beste Ausbeute für den nächsten Tag und darüber hinaus bringen könnte. Dabei sind die Meinungen durchaus unterschiedlich. Aber es ist so viel Wohlwollen, soviel Empathie dabei. Es wird gescherzt und gelacht. Ich erhalte eine ganz kleine Einweisung in ein für die Region typisches Schimpfwort, dass sich von dem alten Wort Tabernakel herleitet. Sie sprechen mir vor, wie ich es aussprechen muss. Erklären mir dessen Sinn und wann ich es anwenden darf und wann nicht.
Es ist ei besonderer, wunderschöner Abend im Kreise einer tollen Familie. Das ich das Bad benutzen durfte, war für die Familie selbstverständlich. Am Ende des Abends, der lange währt, verabschiede ich mich von allen und danke ihnen für ihre Gastfreundschaft und all die guten Vorschläge für die kommenden Tage. Dann krabble ich in meinen Schlafsack und bin nach wenigen Minuten eingeschlafen. Ein wunderschöner Tag voller überraschender Momente geht zu Ende.
Meine wunderbaren Gastgeber v.l.: Valerie, Daniela, Jean-Pierre und Denis.
Was für eine Nacht! Ein wunderschöner Platz. Wieder ein toller Sonnenuntergang. Und ein bezaubernder Gastgeber.
Doch die Nacht hat es in sich. Bald nach Sonnenuntergang lege ich mich schlafen. Und schon kurze Zeit später weckt mich lautes Geschrei. Die Nachbarn sind heimgekommen und streiten lautstark und munter. Erst zwischen meinem Lager und ihrem Haus. Dann verschwinden sie im Haus und streiten bei geöffneten Fenstern weiter.
Irgendwann bellt ein Hund vor meinem Zelt herum. Mein Zelt, meine Anwesenheit, scheinen ihn zu irritieren. Letztlich ruft der Nachbar seinen Hund und das Bellen erlischt. Dafür nimmt die Intensität des Streits zwischen den Beiden zu. So geht das bis zwei Uhr morgens. An Schlaf ist nicht zu denken.
Als ich dann endlich eingeschlafen bin, weckt mich mein Wecker. Zeit zum Aufstehen. Albino, mein Gastgeber, hat mich zum Frühstück eingeladen. Wir haben 5.00 Uhr vereinbart. Und so klopfe ich sanft an seine Haustür und sitze Augenblicke später gemeinsam mit ihm am gedeckten Frühstückstisch. Albino bereitet mir ein leckeres Butter-Toast mit Spiegeleiern, Speck, Tomaten bedeckt und einen richtig leckeren, starken Kaffee. Den kann ich auch gebrauchen. Ich darf sein Bad benutzen. Die Kommuikation klappt dank Google Sprachübersetzer sehr gut. Wir Beide haben unsere Freude an dieser neuen Technik.
Albino ist ein sehr höflicher, freundlicher Herr, 76 Jahre alt und strahlt über das ganze Gesicht. Es tut ihm leid, dass meine Nacht so unruhig verlief. Um 6.00 Uhr verlasse ich sein Haus, packe meine Sachen und starte in den neuen Tag.
Der gestrige Tag steckt mir ein wenig in den Knochen. Und so freue ich mich auf die Erleichterungen, die mir der heutige Tag bringen wird. Es geht die Küste entlang in östliche Richtung. Und mit Madeleine-Centre lasse ich die Rollercoast hinter mir.
Fast auf Meeresniveau geht es 70 km die Küste entlang. Lediglich in den wenigen Dörfern, die entlang der Route liegen, geht es ein wenig auf und ab.
Rechts das weite Mündungsgebiet des St. Lorenz Stroms. Soweit, dass sich das gegenüber liegende Ufer hinter dem Horizont verbirgt. Und links die steil herabfallenden Berghänge der Gaspesie. Sattgrün und, wenn die Straße nicht wäre, herabreichend bis ans Ufer.
Eingezwängt zwischen Straße und Strom ein Denkmal, geschmückt mit Fahnenschmuck der Provinz Québec.
Gestern feierte Québec seinen Nationalfeiertag. Und daher waren viele öffentliche und private Häuser, Vorgärten und Denkmäler mit Fahnen in den Nationalfarben geschmückt. Und auch an manchem Auto, das vorbeifuhr, flatterten knatternd die Fahnen im Wind.
Der Küste vorgelagert ragt an vielen Stellen der vom Meer abgetrage Festlandssockel flach aus dem Meer.
Nur an wenigen Stellen weicht die Straße vom Küstenstreifen und ich erlebe die Küste in all ihrer Ursprünglichkeit.
Die kleinen Dörfer schmiegen sich harmonisch in die Flusstäler, deren Flüsse sich genauso unspektakulär ins Meer ergießen.
In großen Abständen stehen noch Leuchttürme, die heute zum Teil ihre Funktion verloren haben. Auf einem Friedhof entdecke ich auffallend schönen Grabschmuck.
Winzige Hafenanlagen schmiegen sich an die Küste. Meist bestehen sie aus zwei, drei sich gegenüber liegenden Molen, die ein kleines Becken umfassen. Ausreichend für die lokale Fischerei und das ein oder andere Segelboot.
So erreiche ich gegen 13.30 Uhr Sainte-Anne-des-Monts mit seiner auffallenden, zweitürmigen Kirche, die der Schiffahrt sicherlich als Landmark dienen können. Ich mache Pause. Und da ich mich fit fühle, werde ich den nächsten Streckenabschnitt abradeln.
Gelegentlich sehe ich Menschen, die auf dem von Wasser überspülten, flachen Festlandssockel herumlaufen. Sie suchen nach Muscheln für ein leckeres Mal. Ich suche nach Motiven für meinen Blog – und für meine Seele. Und was ich sehe, ist das pralle Meeresleben. Seerobben, viele Wasservögel und jede Menge Vegetation, die ihr Zuhause in der Gezeitenzone hat.
Die Strecke nach Matane führt durch eine leicht hügelige Landschaft. Weiterhin der Küste entlang.
Sie wirkt abwechslungsreicher und bietet einige wunderschöne Ausblicke aufs Meer. UM 20.30 Uhr erreiche ich Matane. Mein Gastgeber Michel kommt mir ein paar Kilometer entgegengeradelt und führt mich über einen kleinen Umweg zu seiner Wohnung. Ich bin froh, bei ihm zu sein.
Zuerst einmal fülle ich meinen Flüssigkeitsbedarf auf. Und während unseres Gesprächs fallen mir die Augen zu. Michel bemerkt meine Müdigkeit und wir brechen unsere Unterhaltung ab. Nach dem Duschen bereite ich mein Nachtlager in seinem Wohnraum, den er mir großzügig zur Verfügung stellt.
Bereits nach wenigen Minuten schlafe ich ein und wache erst gegen 9.30 Uhr am folgenden Morgen auf. Michel gestattet mir, auch die kommend Nacht bei ihm zu verbringen. So kann ich mich heute ausruhen und ein wenig in Matane umschauen …
… und auch ein Telefonat mit Biggi führen, während vor mir ein Murmeltier zwischen den Felsen herumklettert. Seht Ihr es?
Biggi ist in Gedanken stets bei mir und im Hintergrund immer für mich da. Macht sie es doch erst möglich, meine Reise mit euch zu teilen. All das, was da gerade geschieht gehört zu meinem Traum. Danke allen, die daran teilhaben …
Die drei wuchtigen Felsstufen, Three Sisters genannt, im Abendlicht des gestrigen Tages. Was für ein Gemälde malt mir die Natur.
Der Morgen beginnt mit einem leckeren Frühstück. Irgendwie ist jeder hilfreich. Jeder gratuliert mir zum Geburtstag. Und ich hab den Eindruck, dass jeder etwas für mich macht. Janet bereitet mir leckere Omelettes. Ian kocht mir den Kaffee und Vanessa bereitet mir eine große Bowl mit Porridge. Ich werde regelrecht verwöhnt. Das Einzige, was am Ende bleibt, ist meine Tasse, die ich selber spüle. Welch großzügige Gesten werden mir an diesem Morgen entgegen gebracht. Und auch zum Abschied sind noch einmal alle versammelt.
Dann fahre ich los. Da mich der gestrige Tag über 80 Dollar gekostet hat, entscheide ich mich gegen den Besuch des Kanadischen Nationalparks Gaspé. Der Besuch würde Eintritt kosten und zusätzlich müsste ich auf einen Campingplatz, da wild campen im Nationalpark verboten ist. Und so fahre ich am Park vorbei. Ich bin nicht traurig. Der gestrige Tag war so prall gefüllt, dass es heute ruhig winziger sein darf.
Während die Three Sisters immer mehr im Dunst des hereinbrechenden Tages versinken, radle ich weiter, dem Westen entgegen. In den Flüssen, die von den Bergen kommen, stehen immer wieder gut ausgerüstete Angler und warten geduldig auf ihr Glück.
Und während ich die Küste entlangradle, hält sie immer wieder kleine Überraschungen für das Auge bereit.
Ich will heute und morgen mein Hauptaugenmerk der Straße widmen. Vielleicht gelingt es mir ja, ein wenig von der Achterbahn einzufangen, auf der ich gen Westen rolle.
Am Abend erreiche ich Petit-Cap. Ich frage an, ob ich mein Zelt hinter einem Haus aufstellen kann. Aber niemand spricht Englisch. Alle sprechen Französisch. Mit dem Google Sprachübersetzer klappt es dann ganz gut.
Ich krieche in mein kleines Zelt und schlafe schon vor 21.00 Uhr tief und fest. Um 7 Uhr werde ich wieder wach. Frühstücken im Zelt, packe anschließend meine Sachen und will mich von meiner Gastgeberin verabschieden. Aber niemand ist da. Und so fahre ich los, ohne zu wissen, bei wem ich übernachtet habe.
Es bleibt weiterhin hügelig mit einigen kräftigen Anstiegen, die ich hinauf muss. Mal schaffe ich es, zu radeln. Aber oftmals muss ich das Fahrrad schieben Die Steigungen liegen zwischen 6 und 13 % und erreichen kurz vor Madeleine-Centre ihre größte Höhe in Metern.
An kleinen Seen vorbei schlängelt sich die Straße durch die Landschaft. Es ist ein ständiges Auf und Ab.
In den Tälern kragen wuchtige Felsstufen, von Bäumen und Sträuchern bestanden, weit hinaus ins Meer.
Ein dichter, leuchtend grüner Algensaum ziert an einigen Stellen die ansonsten nackten Felswände.
Auf der Straße ist heute wenig los. Es ist Feiertag. Und das hat zur Folge, dass ich nicht gut einkaufen kann. Ein großer Becher Milchkaffee, der hervorragend schmeckt, kostet mich 7 Kanadische Dollar. Ja, die Lebensmittel kosten richtig viel Geld.Und oftmals sind die Packungsgrößen viel zu groß, als dass ich sie mit dem Rad und bei Hitze transportieren kann.
In regelmäßigen Abständen entlang der Straße, laden öffentliche Parkplätze, ausgestattet mit Picknicktischen, zum Rasten ein. Hier hat man immer wieder einen schönen Blick in die Landschaft.
Die Aussicht ändert sich ständig.
Ein Leuchtturm Ensemle kommt in Sicht. Weiß und gepflegt sticht die Anlage schon von weitem ins Auge.
Unten teilen sich Fluss und Meer eine mit karger Vegetation bedeckte Sandbank.
In einem Vorgarten entdecke ich aus Treibholz zusammengesetzte Tiere.
Unweit der Skulpturen wirbt der Leuchtturm mit einem Campingangebot. Fast hätte ich das Angebot angenommen. Doch es schreckt mich der Nettopreis von 30 Kanadischen Dollar. Da kommt noch mindestens Tax drauf. Und Strom scheint es nicht zu geben. Also weiterfahren.
Zum Abschied von diesem Ort noch ein Foto des Toilettenhäuschens, das im Ortlieb-Rot der Abendsonne leuchtet.
Und dann habe ich meinen Rastplatz für diese Nacht erreicht..
Ich klopfe an eine Tür, ein 76-jähriger Herr öffnet. Sein Haupt genauso ergraut wie meines. Dank Google Sprachübersetzer klappt die Kommunikation. Wobei der Übersetzer auch immer wieder Unsinn produziert. Irgendwie treffen wir uns, finden einander sehr sympathisch und 40 Minuten später steht mein Zelt an windgeschützter Stelle in seinem Garten.
Das Duschen wird mir angeboten und da ich verschwitzt bin, nehme ich dankend an. Als ich nach dem Duschen das Haus verlasse, bietet sich mir ein Schauspiel, dass ich besser beschreiben kann.
Ein Sonnenuntergang wie ich ihn kenne – dachte ich. Doch in dem Augenblick, wo die Sonne fast den Horizont berührt, stehen zwei Sonnenscheiben nebeneinander. Und ich habe keine Erklärung dafür. Vielleicht hat einer von meinen Blogbesuchern eine Idee. Mich würde es sehr freuen.
Uns so verabschiede ich mich mit den Farben des Himmels und sage gute Nacht.
Wir beide sind früh auf. Ein frischer Tag bricht an. Während der Schlafsack in der Sonne trocknet, packe ich alle anderen Sachen zusammen. Marie Julie ist sehr interessiert, was für ein Zelt, welchen Schlafsack und welche Liegematte ich verwende. Sie möchte sich so etwas selber zulegen und eine Reise unternehmen. So fachsimpeln wir ein paar Minuten.
Ein gemeinsames Frühstück mit leckerem, herzhaftem Buchweizenomelett und Kaffee rundet den Morgen ab. Und zuletzt zeigt sie mir noch einige Keramiken, die sie selbst geformt, bemalt und mit Glasur überzogen hat. Und dann ist da immer wieder ihre Lebensfreude, die unglaublich strahlt und dem Morgen besonderen Glanz verleiht. Was für ein schöner Start in den Tag.
Auf dem kurzen Weg hinein nach Percé mache ich einen kleinen Abstecher. Ich will zu einem Aussichtspunkt, der durch ein großes, weißes Kreuz markiert ist. Auf dem Weg dorthin möchte ich eine öffentliche Toilette aufsuchen. Sie ist verschlossen. Verdutzt frage ich einen Handwerker, der gleich nebenan an einem Gebäude zu tun hat, nach der nächsten Gelegenheit. Sein Name lautete Michael Tremblay.
Ein kurzes Gespräch, woher ich komme und was ich mache. Und sofort bietet er mir an, mich zum nächsten Ort zu fahren, an dem es eine Toilette gibt. Mein Fahrrad kann ich in einem Baucontainer abstellen, in dem er arbeitet. Und so wird das mein erster Toilettengang mit dem Auto in Kanada. Wieder zurück tauschen wir gegenseitig unsere Adressen aus. Dann wendet er sich seiner Arbeit zu, während ich zum Gipfelkreuz am Ende eines längeren Weges über Treppen hinaufsteige. Eine kleine eingezäunte Plattform.
Ein erster, grandioser Blick auf einen wuchtigen Felsen, der mit senkrechten, nackten Felswänden hoch aus dem Wasser aufragt. Meine Begeisterung über die fantastische Aussicht auf den Rock teile ich mit weiteren Besuchern, die die kleine Plattform betreten. Und irgendwie kommen wir spontan ins Gespräch. Fahrradhelm und Radlerhose verraten meine Absichten.
Ich berichte ein wenig von der Reise und den Schwierigkeiten bei der Quartiersuche in dieser Touristenregion. Und wenige Augenblicke später laden mich Janet , Fernanda und Ian in das Privathaus ein, in dem sie ein paar schöne Tage verbringen. Und spontan bieten sie an, für mich zu kochen. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich habe für die kommende Nacht ein Quartier und für Verpflegung ist gesorgt. Was für eine großzügige, spontane Geste!
Bisher wusste ich nicht, wo ich heute bleiben werde. Touristenhochburg, hohe Campingplatzpreise. Alles ist deutlich teurer.
Bereits vor Tagen hatten Robert und Jasper mir die Insel Bonaventure wärmstens empfohlen. Und so mache ich mich heute auf den Weg runter in den Ort und suche die Tourist Information auf. Nach eingehender Beratung steht meiner Unternehmung nichts mehr im Wege. Mein Gepäck bringe ich bei der Tourist Information unter und das Fahrrad wird vor der Tür an den Fahrradständer angeschlossen. Die Fahrkarte für den Bootstransfer kostet 45 Kanadische Dollar. Und das Betreten der Insel Bonaventure nochmals 10 Dollar extra. Um 12.00 Uhr legt die kleine Fähre ab. Gut 150 Personen sind an Bord.
Das kleine Schiff fährt zuerst um den Rock, wendet und steuert anschließend auf die Ile Bonaventure zu, die im Uhrzeigersinn und einem Abstand von 150 Metern langsam umfahren wird. Der Rock wirkt kalt, scharfkantig, abweisend, ja unnahbar. In den Felswänden kann ich weder Pflanzen noch Tiere entdecken.
Ganz anders die Ile Bonaventure, grün und voller Leben.
Auf schmalen Felswänden, in kleinen Felsnischen, überall rasten und brüten Basstölpel. Vogelkreischen in der übervölkerten Luft vor den Felsen. Ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst schauen soll. Alles ist voller Leben.
So umrunden wir langsam die Insel und nähern uns schließlich dem kleinen Bootsanleger. Hier verlasse ich das Boot, zahle meinen Eintrittspreis, lausche kurz den Parkrangern und mache mich anschließend auf den Weg, die Insel zu erkunden. Auf gutem Wege erreiche ich nach 2.6 km die andere Seite der Insel.
Die Vegetation ist üppig, abwechslungsreich. Ein ständiges Werden und Vergehen. Vogellärm kündigt sich an. Aus der Ferne rollt Donner heran und es fängt an, leicht zu regnen.
Und dann stehe ich vor der weltweit größten Basstölpel Kolonie. Ca. 35.000 Brutpaare plus Jungvögel tummeln sich auf den Felsflächen vor mir. Parkranger sind in der Nähe. Die Brutgebiete sind mit Absperrungen gesichert, damit niemand die Vögel stört. Der Abstand zwischen Mensch und Vogel beträgt weniger als zwei Meter. Die Luft riecht nach Meer und Vogelkot.
Die Brutflächen sind kahl, frei von jeglicher Vegetation. Was für ein Kontrast zur ansonsten üppigen Vegetation der Insel. So wandere ich mehr als drei Stunden am Rande der Felsen, genieße die Tierwelt und die Fernsicht aufs Meer. Um 17.00 Uhr bin ich zurück am Bootsanleger und verlasse mit allen anderen Gästen dieses kleine Paradies. Das Übernachten auf der Insel ist verboten. Und so kehrt für die Tiere wieder Ruhe ein. Was für ein wunderschöner Tag. Welch wundervolle Natur. Was für ein Geburtstagsgeschenk. Auch wenn ich erst am 23. Geburtstag habe.
Gegen 19.30 Uhr erreiche ich mein heutiges Etappenziel, Coin du Banc. Meine heutigen Gastgeber Janet, Ian und Fernanda sind bereits eingetroffen und erwarten mich schon, während sich zwei weitere Freunde wenig später noch hinzugesellen werden. In dieser Runde verbringen wir den Abend. Es ist eine fröhliche, sehr offene Gesprächsrunde. Und während ich ein wenig von meiner Reise und meinem Leben berichte, wird im Hintergrund das Abendessen bereitet.
Es gibt eine Riesenportion Spaghetti mit Fleischsoße und leckerem Salat. Ein Glas Weißwein beendet das Mahl. Und gegen 21.30 Uhr lege ich mich müde auf der verglasten Veranda des Hauses in meinen Schlafsack. Dankbar über die gefundene Gastfreundschaft und diesen besonderen Tag schlafe ich sicher und geborgen ein.
Was für eine schöne Nacht! Ich liege im Schlafwagen, erster Klasse. Draußen rollt die See sanft gegen das Ufer, welches nur wenige Meter entfernt liegt. Noch bin ich nicht wach. Aber die Gedanken an den platten Reifen wecken mich auf. Und um kurz nach 8.00 Uhr ist der Reifen geflickt. Schnell ist alles Werk- und Flickzeug verstaut, die Fahrradtaschen angehängt, und das Rackpack festgezurrt.
Ich schwinge mich aufs Rad und hab schon wieder einen Platten. Also alles von vorn. Guy hatte mir einen anderen Flicken gegeben. Ich probiere ihn aus. Alles ist wieder am Fahrrad verstaut. Ich schließe die Tür, steige aufs Rad und gleich wieder ab. Erneut ist der Reifen platt und mir reißt der Geduldsfaden. Ich nestle einen Ersatzschlauch aus der Packtasche hervor. Der ist schnell eingebaut. Mit Guy’s Standpumpe checke ich erneut den Reifendruck. Diesmal hält der Reifen die eingepresste Luft.
Es ist bereits 11.00 Uhr, als ich endgültig aufbreche. Ich habe Rückenwind, der mich gut vorwärts bringt.
Zwei Stunden später wechselt der Wind. Mal kommt er von rechts, dann wieder von links und in launigen Momenten stemmt er sich frontal gegen meine Schultern. Böig, bellend, beißend. Trotzig fahre ich weiter. Einzig die Sonne brennt den ganzen Tag. Sind es morgens noch angenehme 14°C, steigt die Temperatur im Laufe des Tages stetig und erreicht am Nachmittag vorübergehend 26°C. Der Wind bleibt kühlt.
Die Straße ist den ganzen Tag gut zu befahren. Der Asphalt sauber, weiter Schultern, auf denen es sich gut radeln lässt. Die Strecke entlang der Küste größtenteils flach, mit wenigen moderaten Steigungen.
Wenige Dörfer reihen sich entlang der Küste. Dazwischen eine lockere Bebauung. So das die Küste über weite Strecken in privater Hand und ohne Weiteres nicht zugänglich scheint. Allerdings gibt es in fast regelmäßigen Abständen kleine öffentliche Parkplätze. Gut ausgestattet und fast immer seeseitig gelegen.
Der Autoverkehr ist erträglich. Besonders außerhalb der Ortschaften wird es ruhig. Und so bleibt nur der Wind, mit dem ich streite.
Von den Brücken, die sich regelmäßig über die Täler spannen, habe ich immer wieder schöne Aussichten Richtung Meer. Der Wald hat sich verändert. Laub- und Nadelbäume teilen sich den Raum, durchsetzt von abgestorbenen, stehengebliebenen Baumstämmen, totes Geäst bedeckt den Waldboden. Ihre Kronen, oftmals zerzaust und längst nicht mehr so hoch hinausragend. Aber immer noch voller sattem Grün. Hier und da Windbruch.
Gelegentlich haben Biber einen Damm errichtet und tragen so aus purem Eigennutz zum lokalen Waldsterben bei.
Die Strände sind meistens lang und schmal. Bedeckt von grobem Sand, Geröllen und Gestein. Begrenzt von einen Festlandssockel, an dessen Kante das Meer ständig nagt. Fast überall liegt nacktes, blasses, bleiches, in der Sonne dennoch leuchtendes Treibholz am Strand.
Und gelegentlich sehe ich kleine Hafenanlagen. Ausgangspunkt für die lokale Lobsterfischerei. Sie sind oftmals so klein, dass wenige Boote bereits für Überfüllung sorgen.
Gegenüber der Ile Bobaventure liegt mein heutiges Etappenziel Percé. Ein Quartier habe ich nicht. So geht es erst einmal in den Ort. Auffallend viele Touristen. Percé ist wohl beliebt wegen seiner malerischen Küste. Und wo es malerisch ist, ist es auch teuer.
Ich versuche mein Glück auf drei Campingplätzen zu finden. Platz ist noch da, zwischen unzähligen, teils riesigen Wohntrailern. Der Preis für eine Nacht liegt aber über 40 kanadische Dollar. Das ist mir einfach zu viel. Entgegenkommen zeigt keiner. Geschäft ist Geschäft. Und so stehe ich nach Sonnenuntergang immer noch ohne Quartier auf der Straße.
Da es zwischen Percé und Gasbé verboten ist, am Strand zu schlafen, muss ich eine andere Lösung finden. Im Ort wird das nichts. Also fahre ich auf der Route 132 weiter. Kurz hinter dem Ortsausgang Richtung Norden ein steiler Anstieg, den ich nur schiebend bewältigen kann. Eine kurze Verschnaufpause. Ich schau mich um und entdecke eine Werbetafel.
In der Auffahrt zum Grundstück spreche ich eine strahlende, lachende Marie Julie an. Sofort ist sie bereit. Lebhaft erzählt sie von ihrem kleinen Paradies, das sie sich selbst, eigenhändig erschaffen hat.
Voller Phantasie, voller Lebensfreude, voller Tatendrang führt sie mich durch Atelier und Wohnbereich. Und während ich mein kleines Zelt in malerischer Umgebung aufbaue, bereitet sie mir ein leckeres Abendmahl.
Marie Julie berichtet aus ihrem Leben. Ihr Elternhaus hat sie im Laufe der Jahre nach ihren Vorstellungen umgestaltet und erweitert. So kann sie ihrer künstlerischen Tätigkeit ungehindert nachgehen. Gegen 22.00 Uhr beenden wir beide den Tag. Eigentlich will ich noch etwas an meinem Blog schreiben. Aber ich bin zu müde.
Ich bin früh wach. Bruce ist bereits in der Küche und hat mir die Zutaten zu einem Frühstück zusammengestellt. Porridge mit Datteln, Mandeln, Rosinen, frischen Blaubeeren, einer Banane, Ahornsirup und selbstgemachter Erdbeermarmelade. Ein Genuss. Schon kurze Zeit später bin ich auf der Straße. Noch sind es angenehme 25°C. Und die Temperaturen sollen heute nochmals Bestwerte erreichen. Bis New Carlisle sind es gut 50 km. Das müsste vormittags zu schaffen sein.
Bereits nach 20 km habe ich die nächste Reifenpanne. Wieder suche ich ein schattiges Plätzchen und wieder bereitet mir die Hausherrin, die ich auf meiner Suche anspreche, große Freude. Sie reicht mir Obst und Wasser, während ich den Reifen flicke.
Die selbstklebenden Pads scheinen nicht so gut zu kleben. Trotzdem versuche ich, die bereits geflickte, jetzt wieder luftdurchlässige Stelle zu flicken. Mal sehen, ob es hält. Eine halbe Stunde später steige ich aufs Rad und fahre mit kräftigem Rückenwind, der den ganzen Tag anhalten wird, gen Osten.
Ein Fluss mündet ins Meer und in seinem Mündungsbereich hat sich einiges an Treibholz angesammelt. Ich komme zügig voran. Die Strecke ist größtenteils flach. In Bonaventura fahre ich einen Bikeshop an und korrigiere den Reifendruck. Der Flicken hält.
Die örtliche Kirche mit ihrem silbernen Dach reflektiert das Sonnenlicht so stark, dass ich die Augen zukneifen muss.
Der kleine Jachthafen mit angrenzendem Campingplatz zieht für kurze Zeit meine Aufmerksamkeit auf sich.
Obwohl bestes Wetter, sehe ich nur wenige Menschen entlang des kilometerlangen Strandes, was mich erstaunt.
Und die letzten Kilometer zu meinem Gastgeber führen mich über Schotterwege und einen langen, hölzernen Bordwalk in Dünenlandschaft zu einem roten Haus. Ich komme von der Seeseite und bin verblüfft bis freudig überrascht. Da hat sich jemand ein Paradies erschaffen.
Das Heim meiner heutigen Gastgeber besteht aus stillgelegten Eisenbahnwaggons, die im Laufe der Zeit modifiziert und deutlich erweitert wurden.
Mein Heim für heute Nacht befindet sich in einem weiteren Waggon. Für mich ist besonders faszinierend, mit wie viel Liebe, Lebens- und Experimentierfreude mein Gastgeber Guy zusammen mit seiner Frau Ann dieses Paradies geschaffen hat.
Die vorhandenen Waggons wurden im Laufe der Jahre immer weiter den persönlichen Bedürfnissen angepasst. Dabei fällt auf, dass das Holz im Wesentlichen nicht weiter behandelt wurde. Keine Tapeten schmücken die Wände. Keine Farben oder Lacke verhindern die Sicht auf die Oberflächen des verwendeten Baumaterials Holz in seiner schönsten Form. Hier darf es sich zeigen und weiterleben. Integraler Bestandteil der Lebenswelt zweier wunderbarer Menschen.
Guy führt mich herum, zeigt mir die Räume und erzählt ihre Geschichten.
Allein die Zuwegung von der Strandseite ist bemerkenswert. Da scheint sich ein zweiter Robinson Crusoe sein Reich geschaffen zu haben.
Guy, erzählt, dass er fast 30 Jahre brauchte, um dieses Juwel zu erschaffen. Nichts wurde gekauft. Alle Zutaten trieb das Meer an Land. Er brauchte nur einzusammeln und mit viel Kreativität zusammenzufügen, was bereits am Zerfallen und Vergehen war. So gibt er Dingen eine neue Funktion und füllt sein Leben mit unglaublich viel Freude.
Während Guy mich herumführt, ist Ann nicht untätig geblieben. Ein aromatischer Begrüßungstee löscht meinen Durst. Und später werden Beide das leckere Abendmahl bereiten. Gegessen wird auf der Terrasse mit Blick aufs Meer. Ich hoffe, es war nicht unhöflich. Aber mein Hunger war groß und der Appetit sein verlässlicher Begleiter. Am Ende ging nur leeres Geschirr zurück in die Küche.
Zwischen alledem hatten wir viel Zeit für Unterhaltung. Und ich stellte fest, dass ihre Sicht auf die Gestaltung ihres Lebens viele Ähnlichkeiten zu unserem Lebenplan aufweist. Das machte es mir leicht und je länger gemeinsame Zeit andauerte, desto vertrauter wurden mir meine Gastgeber.
Beide werden morgen früh aufbrechen zu einer Fahrtadtour. Ein kleines Fachgespräch über die richtige Regenjacke bringt mich einen riesigen Schritt weiter. Ich bin dankbar und kann Guy bei der Montage einer Ortlieb Lenkertasche helfen.
Und am Ende des Tages führt mich Guy noch ein paar hundert Meter durchs Gelände zu seinem weiteren Grundstück und zeigt mir das dortige kleine Holzhaus. Komplett selbstgebaut. In der Bauphase gab es nicht einmal Strom. Heute ist das kleine Häuschen bestens ausgestattet. Guy produziert den Strom selbst. Warm- und Kaltwasser sind vorhanden. Die sanitäre Einrichtung verströmt keinen unangenehmen Duft. An alles wurde gedacht.
Das Haus steht inmitten einer flachen Zone, die in den vergangenen Jahrzehnten an dieser Stelle vom Meer gebildet wurde. Guy kann also sagen, dass die Größe seines Grundstücks im Laufe vergangener Jahrzehnte deutlich gewachsen ist. Und dieses neue Land lässt Guy so sein, wie es die Natur geschaffen hat. Dabei ist er ein ständiger Beobachter, der die stetigen Veränderungen der Landschaft mit großer Begeisterung registriert und alles Geschehen lässt, ohne einzugreifen.
All das begeistert mich und ich könnte Tage an diesem Ort verweilen. Da Ann und Guy bereits um 6 Uhr zu ihrer Fahrradtour starten wollen, verabschieden wir uns bereits heute Abend voneinander. Ein unvergesslicher, wunderschöner Tag geht zuende. Und morgen früh heisst es für mich erneut: Reifen flicken. Ich wette, es ist dieselbe Stelle. Still und dankbar, Gast bei Ann und Guy zu sein, lächele ich in mich hinein. Und bin gespannt, was mir der morgige Tag bringen wird.
Und während hier das Licht erlischt, geht an anderer Stelle ein Licht auf und fährt gemächlich durch diese ruhige Nacht.
Eine ruhige Nacht liegt hinter mir. Nun weckt mich ein fröhliches Vogelkonzert und mahnt zum Aufstehen. Schnell sind alle Sachen gepackt. Noch schneller sind die Moskitos, die mich immer wieder attackieren. Erst als ich aufs Rad steige, hat der Spuk ein Ende.
Escuminac Campground ist ein geschlossener Platz. Die übliche Campingplatz Ausstattung fehlt. So fahre ich verschwitzt und ungewaschen los. Lediglich das Zähneputzen ist mir wichtig. Ich komme gut voran. Irgendwo auf halbem Wege eine Baustelle. Also warte ich, bis die Schranke sich hebt.
Ich bin keine 10 Meter gefahren, da zischt es ganz ordentlich und ich habe einen Platten. Die Sonne hat die Wolken bereits verbrannt. Und nun attackiert sie auch mich. Ich schiebe das Fahrrad in eine private Auffahrt und frage an, ob ich im schattigen Carport mein Fahrrad reparieren kann. Mittlerweile sind es 34°C. Ich darf und bekomme zusätzlich einen Becher Kaffee, Kekse und Obst gereicht. In aller Ruhe flicke ich den Hinterrad-Reifen.
Die Strecke entlang der Küste verläuft relativ flach. So komme ich gut voran, wenn nicht diese Hitze wäre. Und schon nach wenigen Kilometern suche ich für ein par Minuten Schutz vor der sengenden Sonne.
Ein Aussichtsturm, in der Ferne. Eine Skulptur in der Nähe und ein in der Sonne blinkendes Dach sorgen für Abwechslung entlang der Route 132.
Die Schulter der Straße ist genauso breit, wie die Fahrspur für die Autos.
Während sich an anderer Stelle Treibholz angesammelt hat und den ohnehin schmalen Sandstreifen entlang des Ufersaums weiter einengt.
Kurz vor Dem kleinen Ort Maria stoppt plötzlich ein ein SUV, ein Mann steigt aus und deutet mir winkend, anzuhalten. In einem kurzen, freundlichen Gespräch erfahre ich, dass er der Ehemann meiner Gastgeberin ist, bei der ich vom 20. auf den 21. Juni übernachten werde. Mit meinen roten Taschen war ich ihm aufgefallen. Sie freuen sich schon auf meinen morgigen Besuch. Und natürlich kommt auch bei mir große Freude auf. Dann fährt er weiter und ich steuere Gesgapepiag, Québec an.
Auf einer Wiese entdecke ich mehrere Tipis. Irgendwo wird Rustikales Camping auf diesem Campground angeboten. Noch sind alle Zelte leer. Es wird nicht lange dauern, bis sich die Tipis füllen werden.
Ich radle weiter. Bereits in New Richmond angekommen, nenne ich dem Briefzusteller den Namen meines heutigen Gastgebers. Er beschreibt mir den Weg und deutet noch auf ein anderes Haus. Dort drüben wohnt eine Dame aus Deutschland. Da ich sehr früh dran bin, klopfe ich bei der Dame an.
Eine junge Frau öffnet und nachdem wir uns einander vorgestellt haben, bittet sie mich ins Haus. Bei frischem Obst und viel Wasser unterhalten wir uns angeregt. Ihr Sohn Emilio bastelt mir währenddessen mit großer Freude ein Herz, fügt seinen Namen und einen kleinen Anhänger hinzu und fertig ist das kleine Geschenk für mich. Emilio spricht ebenfalls deutsch. Und so fällt es mir deutlich leichter, zu kommunizieren
Sophie erzählt ein wenig aus der Vergangenheit, wie sie kanadische Bürgerin wurde. Eine schöne Geschichte und ich lausche interessiert. Ihr Mann Christian kommt noch hinzu und beteiligt sich freundlich an unserem Gespräch. Nach einer Stunde verabschiede ich mich. Die Familie macht mir noch ein weiteres Geschenk. Zwei Hände voll Nussriegel mit Schokolade. Was für eine Gastfreundschaft! Und zuletzt weisen sie mir ebenfalls genau den Weg zu meinem heutigen Gastgeber. Sophie erzählt noch, dass er für die Kinder des örtlichen Kindergartens ein Held ist, der die Möglichkeit für die Kinder geschaffen hat, über seinen privaten Zugang zum Strand zu gelangen.
Nach gut einem Kilometer habe ich meinen Gastgeber erreicht. Ich bin sicher, an die richtige Tür zu klopfen. Hat mein Gastgeber Bruce doch eine kleine Nachricht für mich hinterlassen, in welcher er mich namentlich anspricht.
Wir verbringen einen wundervollen späten Nachmittag und Abend. Bruce ist ein hervorragender Gastgeber und Koch. Und während die Waschmaschine läuft und meine verschwitzten Sachen reinigt, sind wir beide schon in intensive Gespräche vertieft. Er zeigt mir Fotos seiner engsten Familie. Und wir unterhalten uns über Politik, Familie, Gesellschaft und was mich zusätzlich erfreut: über das Sammeln von Mineralien und Gesteinen. Ich bin begeistert.
Mir gelingt es immer besser, mich in die Gespräche einzubringen. Langsam weicht meine Scheu, zu sprechen. Und ich fange wieder an, eigene Sätze zu bilden. Da Bruce ein sehr geduldiger Zuhörer ist und sich sehr bemüht, die Sätze so zu verpacken, dass ich sie verstehe, wird es für mich ein toller Abend.
Spaghetti mit würziger Fleischsoße. Eine Riesenportion Eis mit selbst hergestellter Erdbeermarmelade, Blaubeeren und Ahornsirup. Wasser, Wein und Sirup. Und auch hier begeistert mich die Gastfreundschaft. So dass ich am Abend mit großer Dankbarkeit zu Bett gehe. Ich danke allen, die mich durch den heutigen Tag begleitet haben.
Es war eine unruhige Nacht. Gegen 3 Uhr setzten plötzlich dröhnende Motorengeräusche ein. So laut, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. Also krabbelte ich aus dem Zelt und lief runter zum Strand.
Draußen vor der Küste ernteten mehrere Fischerboote Lobster. Wie sie das machen, weiß ich nicht. Dabei verursachen die Boote diesen Höllenlärm. Wegen des heißen Wetters flüchten die Tiere wohl vor dem warmen Wasser und sammeln sich hier wenige hundert Meter direkt vor dem Strand in kalter Meeresströmung.
An Schlaf war nicht mehr zu denken. Also genoss ich den anbrechenden Morgen am Strand. Statt Herumstochern im Lagerfeuer, zeichnete ich mit einem Stock Formen in den kiesingen, groben Sand. Bei nachlassendem Lärm legte ich mich gegen 6 Uhr wieder hin und döste vor mich hin.
Um 7 Uhr dann laute Stimmen und Lärm zweier Rasenmäher, der jedoch abruppt erlischt. Und auch mein letzter Versuch, ein wenig zu schlafen, scheitert. Um 8 Uhr wird der Rasen rund um mein Zelt gemäht. Ich stehe auf einem Spielplatz und die Arbeiter haben die Aufgabe, diese Fläche zu mähen. Ein kurzes Gespräch, sie sind freundlich und nehmen Rücksicht.
Von meinem Lagerplatz aus kann ich die Rückkehr eines dieser Lobster-Lärm-Boote beobachten. So mache ich mich auf den Weg. Über die Rue du Quai erreiche ich das kleine Hafenbecken, wo ich dem Treiben der Fischer zuschauen kann.
Auf mein Bitten wird eine der Boxen geöffnet, in denen der Fang für den Weitertransport und -verkauf bereits verpackt ist und hält geschickt einen Lobster vor die Kamera.
Ich frage, ob ich solche Tiere auch am Strand fangen könnte und erfahre, dass alle 6 bis 7 Jahre ein solches Ereignis ansteht. Dazu müssen allerdings drei Faktoren zusammenkommen. Eine besonders hohe Tide, ein starker Ostwind und Schnee. Und wenn man in diesem Wetter vor Ort ist, dann kann man durchaus 200 Pfund Lobster einsammeln. Die Fangergebnisse der Fischer werden durch dieses Ergebnis kaum beeinflusst.
Die Hafenmole selbst dient einer Kolonie Kormorane als Ruheplatz.
Schließlich mache ich mich auf den Weg. Der Morgen ist noch kühl, der Himmel bedeckt. Die bisher in den Gärten typischen Rhododendren sind verblüht. Dafür duftet der Flieder entlang der Straßen und manche grüne Wiese ist von einem Meer goldgelber Butterblumen durchsetzt. Was für eine Fülle.
Die Straßen sind gesäumt von weiß blühenden Wiesenblumen.
Strandleben kurz vor Campbellton.
Ein junger Mann spricht mich an. Stolz zeigt er mir seine Eigenkreation. Und sie fährt. Er nutzt das Fahrzeug, um zu seinen verschiedenen Arbeitsplätzen zu fahren.
Campbellton kommt in Sicht und der Anblick des Berges vor mir stimmt mich nachdenklich. Da hinauf, frage ich mich. Doch es kommt anders.
Nach kurzer Rast geht es über die JC van Horne Bridge, die an dieser Stelle den Restigouche River überspannt. Und mit dem Überschreiten der Brücke bin ich das erste Mal in der Provinz Québec.
Ein Seitenstreifen ist auf der vielbefahrenen Brücke nicht vorhanden. So nutze ich den schmalen Fußweg. Das gibt mir Sicherheit.
Ein letzter Blick, bevor ich mein heutiges Ziel, Escuminac, verschwitzt, erschöpft und glücklich erreiche. Mittlerweile ist es schwül und heiß. Die Temperaturen betragen gegen Abend rund 34°C. Jetzt hat mein Körper sich Ruhe verdient.
Bei diesem Wetter habe ich Angst, dass mir die Vorräte vergehen. Und so lege ich den Cheddar 3- oder 4-fach aufs Brot. Und was mache ich mit der getrockneten Wurst? Ich finde bestimmt eine gute Lösung.
Und trinken muss ich noch viel mehr. Ich habe sicher schon 3 Liter getrunken, doch die Tatsache, dass ich heute noch keinen Baum gegossen habe, zeigt mir, es besteht Nachholbedarf. Ich musste Biggi versprechen, gut für mich zu sorgen.