Jo's DreamA bike. A tent. A year.

USA

The heart of the United States beats through towering forests, undulating fields, high-plain deserts, pulsating metropolises and offbeat oases.a.

Von Cascade nach Helena, Montana

29. August 2024

Um sieben Uhr bin ich wach. Ein erster Blick aus dem Fenster offenbart eine Überraschung: Es hat nicht geregnet. Die starken Winde haben die Regenfont nach Nordosten verlagert. Der Himmel zeigt sein freundliches Blau. Aber es weht immer noch ein kräftiger Wind.

Als ich vor den Wohnwagen trete, begrüßt mich neugierig eine Gruppe Ziegen. Sie wissen nicht, was sie von mir halten sollen. Und mir geht es mit ihnen ebenso.

Ich verabschiede mich von meinem Gastgeber und bin um 7.45 Uhr bereits auf der Straße.

Immer wieder kann ich im Verlauf dieses Tages einen Blick auf den Missouri werfen, der in großen, kraftvollen Bögen an mir vorbeifließt.

Lediglich sein Ufersaum ist baumbestanden. Hinter dem schmalen, grünen Band weitet sich üppiges Farmland aus.

Die Sonne verwandelt den Fluss in ein silbernes Band.

Es geht vorbei an herrlichen Felswänden. Manche würden ein gutes Kletterziel abgeben. Viele dieser Felswände stehen auf privatem Grund und sind daher für den Kletterer unerreichbar.

Der Missouri windet sich südlich des Ortes Cascade durch eine liebliche Canyonlandschaft.

Am Ufer sieht man immer wieder die blaugrüne Palmlilie mit ihren trockenen, reifen Fruchtständen.

Die blaugrüne Palmlilie, auch Great Plains Yucca genannt. Sie ist in den USA in den Prärien des Westens in Ebenen in Höhenlagen zwischen 800 und 2600 Metern verbreitet. Eine Vergesellschaftung mit Kakteenarten habe ich bisher nicht entdecken können.

Über die einzige Brücke weit und breit wechsle ich auf die andere Uferseite.

Ich genieße den Ausblick auf herrliche Felsformationen.

Hier im Oberlauf ist der Missouri nicht ausgebaut und nicht schiffbar. Ein El Dorado für Angler.

Und bei diesem Herrlichen Wetter sieht man etliche Ruderboote auf dem Fluss.

Man muss den Fluss schon kennen, um nicht in die Strömung zu geraten.

Plötzlich überholt mich ein Rennradfahrer, bremst auf meine Geschwindigkeit herunter und kommt mit mir ins Gespräch. Sein Name lautet Terry. Er läd mich zu sich ein, bewirtet mich mit Karotten, zwei frischen, rohen Eiern und Wasser und erzählt aus seinem Leben.

Er hat 1985 an der Ironman Veranstaltung als Sportler teilgenommen. Voller Stolz zeigt er mir einige Bilder von dieser Veranstaltung und seine Medaille. Ich bin beeindruckt. Terry meint, dass das nur Peanuts seien gegen das, was ich mache. Dafür zolle er mir höchste Achtung. Und ich muss ihm widersprechen. Die Leistung, die er 1985 erbracht hat, habe ich in meinem ganzen Leben niemals bringen können.

Terry erzählt von seinem besten Freund, der vor einigen Jahren plötzlich verstorben ist. Er war ein Naturliebhaber. Und er erzählt von seinem Verhältnis und seiner Liebe zur Natur, während sich am Futterplatz ein Kleinspecht tummelt. Er spricht vom Glauben und zitiert den schönen Satz: „Ich glaube an Gott und nenne es Natur.“

Es sind herrliche 45 Minuten, die wie im Fluge vergehen. Leider muss ich das Gespräch beenden. Die Zeit läuft mir davon. Ich habe meinem heutigen Gastgeber bereits zugesagt. Andernfalls hätte ich große Freude gehabt, mit Terry weitere vertiefende Gespräche zu führen.

Ein Weißwedelhirsch auf der Flucht vor mir …

Am Oberlauf des Missouri …

Schließlich erreiche ich Wolf Creek. An der kleinen Tankstelle mache ich halt, trinke etwas und frage nach dem weiteren Weg. Die Interstate ist ab der Auffahrt für sieben Meilen eine Baustelle. Die eigentliche Fahrrad Route entpuppt sich als Gravelroad mit zwei steilen hohen Anstiegen.

Eine Autofahrerin nennt mir die Lösung. Parallel zur Autobahn führt eine Recreational Road entlang. Und wenn ich die benutze, komme ich bestens an der Baustelle vorbei und habe darüber hinaus noch wunderbare Aussichten.

Gesagt, getan. Nach 7 Meilen endet die Recrational Road und führt mich über den Zubringer direkt auf die Autobahn. Es ist eine Besonderheit Montanas, dass man auf einer Interstate fahrradfahren darf.

Und so radle ich auf breiter Schulter meinem heutigen Ziel im Helena entgegen. Ich hatte meinen Gastgebern schon vorab mitgeteilt, wo ich mich gerade befinde. So konnten sie abschätzen, wann ich bei ihnen eintreffen werde.

Das semi-aride Klima hat der Landschaft seinen unübersehbaren Stempel aufgedrückt….

Schließlich erreiche ich meine heutigen Gastgeber. Nach herzlicher Begrüßung durch Dawn und ihren Ehemann Jerry gibt es erst einmal ein leckeres Bier. Und vor dem gemeinsamen Dinner beziehe ich mein Gästezimmer mit herrlicher Aussicht auf die Landschaft und nehme ein Duschbad.

Während Dawn noch das Abendessen vorbereitet, zeigt mir Jerry seine beiden BMW-Motorräder. Sein Lieblingsmotorrad ist die BMW-Dakar. Sie ist auch für das Gelände hier viel besser geeignet als die andere BMW, ein Modell aus der K-Serie. Die eignet sich mehr für die Straße.

Zum Dinner haben Dawn und Jerry noch einen jungen Mann eingeladen. So speisen und unterhalten wir uns zu viert. Das Dinner ist vorzüglich. Bohnen und Kartoffeln stammen aus dem eigenen Garten. Dazu leckeres Hühnchenfleisch. Abgerundet wird das Ganze mit kleinen, süßen Tomaten und frischen, kleinen Salatblättern.

Zum Nachtisch gibt es einen unglaublich leckeren Applepie. Bei alledem vergesse ich nicht, meinen Flüssigkeitsbedarf auszugleichen. Um 21.15 Uhr endet mein Tag. Müde und glücklich begebe ich mich in das Gästezimmer. Meine schmutzige Wäsche hab ich bereits gewaschen. Ich lege sie noch zusammen. Dann ist Schluss. Mein Akku ist leer und ich brauche Ruh …

Die ersten 3 Monate sind überschritten. Die ersten 8.000 km auch. Und ihr seid immer noch an meiner Seite: Ihr freut euch mit mir, spornt mich an und unterstützt mich durch eure Kommentare, liebevollen Gedanken und die vielen Kaffees. Danke. Und jetzt mach ich die Augen zu. Der süße Schlaf ruft.

Von Great Falls nach Cascade, Montana

28. August 2024

Um neun Uhr dreißig verlasse ich meine lieben Gastgeber Michele und Jim. Für zwei Nächte haben sie mir neben einem sicheren Schlafplatz viele weitere Annehmlichkeiten geboten. Doch es hält mich nicht davon ab, meinem Traum zu folgen.

Bereits am morgen weht ein recht starker Wind aus südwestlicher Richtung. Dieser Wind wird mir heute das Leben recht schwer machen. Er wird zunehmen und mir mit durchschnittlich 56 km/h und Windböen bis zu 80 km/h das Leben schwer machen. Der Himmel wird freundlich und wird im Laufe des Tages immer mehr zuziehen.

Der Weg aus der Stadt führt direkt am Missouri entlang. Ein angenehmes Fahren, wenn der Wind nicht wäre.

Erstes Buschwerk kommt mir auf der Straße entgegengeflogen.

Und der weiß getupfte blaue Himmel verändert langgsam sein aussehen.

Immer mehr Wolken ziehen auf …

… und legen große Schatten über das Land, in denen all die wunderbaren Farben, die die Sonne zaubert, untergehen.

Aus nördlicher Richtung drängt eine dunkle Wolkenwand heran. Und ich versuche, dieser bedrohlich wirkenden Wolkenwand in südwestliche Richtung auszuweichen.

Während sich die Wolkenwand langsam nähert, nimmt der Wind beständig zu. Wiederholte Male bringen mich die starken Böen zum Stehen.

Ich krieche förmlich über die Straße. Unter diesen Bedingungen beträgt die Maximalgeschwindigkeit 3 bis 5 Meilen in der Stunde. Um diese Geschwindigkeit zu halten, muss ich all meine Kräfte aufbieten. An eine Pause ist kaum zu denken. Und ich weiß jetzt schon, dass ich mein heutiges Ziel Helena nicht erreichen werde.

Nach 9 Stunden erreiche Ich müde und erschöpft den kleinen Ort Cascade. Dort auf einer Anhöhe sehe ich ein Haus. Müde und ausgelaugt schaffe ich es noch, das Fahrrad den Berghang hochzuschieben. Die hereinbrechenden Schatten der Nacht zwingen mich zur Eile.

Ich klopfe an die Tür und der Hausherr tritt heraus. Nach kurzem Gespräch leitet er mich zu einem Platz hinter einem Horsetrailer. Im Windschatten dieses Anhängers baue ich mein Zelt auf. Um mich herum wütet der Wind.

Ich bin schon am Einschlafen, als mich eine stimme ruft. Es Ist noch einmal der Hausherr, der mir mitteilt, das eine gewaltige Regenfront im Anmarsch ist. Er bietet mir an, in dem wenige Meter entfernt stehenden Wohnwagen zu übernachten. So müde wie ich bin werfe ich dennoch einen Blick auf die Wetter App und was ich sehe, erschreckt mich. So packe ich in aller Windeseile meine Sachen zusammen und trage sie hinüber zum Wohnwagen.

Wenige Minuten später kann ich aufatmen. Hier im Wohnwagen habe ich einen sicheren Platz für diese Nacht gefunden. Hier kann ich bis morgen früh ruhen. Ein ganz großes Dankeschön an die Fürsorge meines Gastgebers, von dem ich leider nicht einmal den Namen weiß.

Ich habe heute nur 35 Meilen geschafft und bin so erschöpft, als wären es 135 Meilen gewesen. Auf dem Wetterradar könnt ihr die nahende Regenfront und die Windgeschwindigkeiten sehen.

Ursache für diese starken Winde ist ein Schneesturm im Glacierpark, der dort bis zu einem Fuß hohen Schnee gebracht hat. Der Sturm wird sich in den nächsten zwei Tagen wieder legen. Aber zumindest morgen werde ich weiterhin seine windigen Auswirkungen aus Südwest zu spüren bekommen. Und das ist auch für den folgenden Tag meine Fahrtrichtung.

Erschöpft. Glücklich. Gute Nacht!

Heute bin ich seit 3 Monaten unterwegs. Es bleiben weitere 9 zu meinem Glück! Für all dies bin ich so dankbar und denke gar nicht daran, mich von ein bisschen Wind oder ein paar Platten aufhalten zu lassen.

Von Loma nach Great Falls, Montana

26. August 2024

Um 7:30 Uhr bin ich auf den Beinen. Draußen sind es 11°C. Das erste Mal spüre ich eine unangenehme Kühle auf meiner Haut. Ich hab keine Zeit, darüber nachzudenken. Das Zelt ist knacktrocken. Uns so sind nach einer halben Stunde alle Dinge verstaut und ich starte vom Lewis & Clark Observation Point

Ich fahre Richtung Loma, das nur wenige Meter nördlich des Zusammenflusses des Teton Rivers in den Marias River liegt. Der Marias River wiederum fließt nur eine Meile weiter in den Missouri. Vom Observation Point habe ich den Panoramablick auf das Einzugsgebiet dieser drei großen Flüsse genossen.

Im Hintergrund sind die Bear’s Paw Mountains im Osten, Square Butte und Round Butte im Südosten, die Highwood Mountains im Süden und die Little Belt Mountains im Südwesten meist als Silhouetten im dunstigen Licht zu sehen. Und jetzt fahre ich hinunter in dieses Flusssystem hinein …

… und erreiche wenige Minuten später den kleinen Ort Loma mit einer aktuellen Einwohnerzahl von neunzig Personen.

Neben der Straße liegt ein kleiner Lebensmittelladen, an dem ich anhalte. Mir ist noch immer nicht warm und ich wünsche mir sehnlichst einen Morgenkaffee. Der Chef des Hauses preist geschäftig seine Küche und ich entscheide mich für einen lecker zubereiteten Burger mit Rührei, Bacon und Käse. Die Dame in der Küche meint es gut mit mir. Und so fallen die Zutaten für den Burger üppig aus.

Als ich bezahlen möchte, streikt meine VISA-Karte. Auch nach dem vierten und fünften Versuch habe ich keinen Erfolg. Bargeld habe ich keines. Da wendet sich ein anderer Kunde im Laden mir zu, fragt woher ich komme, erzählt mir, dass er zwei Jahre in Bamberg gelebt habe, und erwähnt ganz nebenbei, dass er mir das Frühstück spendiert.

In mir macht sich Erleichterung breit. Ich bedanke mich höflich. Er schenkt mir noch ein Lächeln. Dann verlässt er den Dorfladen, steigt in sein Auto und fährt davon.

Der freundliche Manager des Ladens bittet mich um ein Foto und ich möchte es doch bitte im Blog veröffentichen. Diesem Wunsch komme ich nur zu gerne nach.

Dann setze ich meine Reise fort. Ich hatte befürchtet, dass ich die Geländestufe, die mich zuvor ins Tal geführt hatte, auf der anderen Seite des Tales auf steiler Straße überwinden muss. Stattdessen fahre ich einige Meilen am Flussufer des Teton Rivers entlang.

Zwischen der Straße und dem Fluss verläuft noch eine alte, stillgelegte Eisenbahnlinie. Was für eine Möglichkeit, einen Fernradweg daraus zu machen …

Am Zusammenfluss des Teton Rivers in den Marias River

Im Flusstal des Teton Rivers

Kaum sichtbar ist die verkrautete Bahnlinie. Die Schienen liegen noch, aber es fährt schon lange kein Zug mehr. Im Hintergrund der bewaldete Ufersaum des Teton Rivers.

Der Fluss schlängelt sich in großzügigen Schleifen durch das Tal.

Der Talboden wird als landwirtschaftliche Fläche genutzt. Das angrenzende Gelände wird in Teilen als Badlands bezeichnet und ist landwirtschaftlich gesehen für nichts zu gebrauchen.

Dort, wo der Fluss auf die Hügel trifft, haben sich Prallhänge mit steilen Wänden gebildet.

Fast unbemerkt erreiche ich den oberen Rand der Geländestufe und verlasse somit das Flußsystem.

In Big Sandy mache ich an einer Tankstelle halt, um Wasser zu kaufen und um zu sehen, ob die VISA Karte funktioniert. An der Kasse ein Hinweisschild, dass bei Kartenzahlung ein Mindesteinkaufswert von fünf Dollar erreicht werden muss. Das Wasser kostet nur 1,75 Dollar. Und als ich sagen, dass ich nicht mehr brauche, sagt mir Jakob, dass er die Bezahlung übernehmen möchte.

Er möchte sich einen Augenblick mit mir unterhalten. Wir gehen vor die Tür und ich beantworte ihm alle seine Fragen. Es scheint nicht oft zu sein, dass jemand mit einem Fahrrad mit Riemenantrieb vorbeikommt. Er ist ganz fasziniert. Leider muss er das Gespräch schon nach kurzer Zeit beenden, da er zum Arbeiten an der Tankstelle ist. Jakob macht noch ein Foto von mir für seine Erinnerungen. Und dann bin ich auch schon wieder unterwegs.

Am Wegesrand glüht die steife Goldrute unter den silbrig leuchtenden schmalblättrigen Ölweiden.

Und auf vielen Feldern gedeiht weißer Beifuß.

Schließlich erreiche ich Fort Benton. Alexander Culbertson gründete das Fort 1846 als Handelsposten der American Fur Company. Die abgelegene Siedlung florierte in den 1850er Jahren, doch erst im darauffolgenden Jahrzehnt erlebte sie einen wirklichen Aufschwung.

Die Ankunft des Dampfschiffs Chippewa an der Post im Jahr 1859 leitete eine neue Ära des Handels im innersten Hafen der Welt ein. Das Boot transportierte Büffelroben und andere Pelze flussabwärts nach St. Louis. Drei Jahre später war die Ladung viel wertvoller: Gold aus den tosenden Bergbaulagern im Südwesten von Montana.

Auf seinem Höhepunkt im Jahr 1867 legten 39 Dampfschiffe an der Abgabe an und deponierten Vorräte und Passagiere für die Goldfelder. Kneipen, Drehleiern und andere Geschäfte dienten einer kosmopolitischen und durchreisenden Bevölkerung. Auf den Straßen drängten sich Menschen aus ganz Nordamerika, Europa und Asien. Es war wirklich eine weitläufige Stadt.

Im Jahr 1870 war der Boom bereits gescheitert, doch Fort Benton erlebte eine kurze Wiederbelebung, als die Kaufleute der Stadt damit begannen, Vorräte über den berühmten Whoop Up Trail zu den Forts der Royal Canadian Mounted Police nördlich der Grenze zu transportieren. Heute ist Fort Benton aufgrund seiner reichen und farbenfrohen Geschichte am oberen Missouri River ein nationales historisches Wahrzeichen.

Ich folge den auf die Straße gemalten Buffalo-Spuren. Sie bringen mich zu einigen historischen Sehenswürdigkeiten.

Das Lewis and Clark Memorial: Decision at the Maria’s River.

Die Statue Rider of the Purple Sage von George Montgomery.

Und zur einzigen Brücke über den Missouri River weit und breit.

Gegen Mittag verlasse ich Fort Benton und mache mich auf den Weg nach Great Falls, dass ich gegen 17.30 Uhr erreichen werde.

In großzügigen Schleifen windet sich der Missouri River durch das Tal. Am Missouri River Overlook genieße ich die eindrucksvolle Aussicht auf eine dieser Flußschleifen.

Es geht vorbei an trocken gefallenen Wasserstellen …

… an gepflügten Feldern …

… an Stoppelfeldern, die bis zum Horizont reichen.

Manchmal muss ich runter von der Straße, weil wieder ein Fahrzeug mit Überbreite die ganze Straße einnimmt. Die heikelsten Momente sind allerdings jene, in denen LKW’s mit unverminderter Geschwindigkeit in weniger als drei Fuß Abstand an mir vorbeirauschen. Sogwirkung oder auch Gegenwind können so stark sein, das man für einen kurzen Augenblick die Kontrolle über das Fahrrad zu verlieren scheint.

In diesen Augenblicken hilft mir meine langjährige Erfahrung als Fahrradfahrer. Das Motorengeräusch des LKW’s verrät mir, wie nah hinter mir er bereits ist. Diese Sekunden nutze ich, um mit dem Fahrrad weit nach rechts an den Fahrbahnrand zu fahren. In diesen Augenblicken bin ich so konzentriert, das ich alles andere um mich herum vergesse. Selbst visuelle Eindrücke werden dann ausgeblendet. Wenige Sekunden später ist der Spuk vorbei und ich kann in gewohnter Manier weiter fahren.

Zehn Meilen vor Great Falls nehme ich Kontakt zu meinem heutigen Gastgeber auf. Wir vereinbaren einen Treffpunkt, den ich schon in zwei Meilen Entfernung sehen kann: einen hochaufragenen Wassertum an der Straße. Und als ich nach 15 Minuten dort eintreffe, erwartet mich bereits mein Gastgeber, der Jim heißt.

Schnell sind Fahrrad und Packtaschen auf dem Pickup-Truck verstaut. Und keine 10 Minuten später erreichen wir sein Haus. Seine Frau Michelle erscheint und begrüßt mich mit einer herzlichen Umarmung, während Jim meine Ausrüstungsgegenstände in das für mich vorbereitete Gästezimmer bringt.

Ich bin restlos erschöpft, trinke erst einmal drei Glas Wasser und bitte um ein paar Minuten Pause zum Ausruhen. Alles wird gewährt. Sie sorgen sich um mich und geben mir das großartige Gefühl, Teil der Familie zu sein. Jim hatte mir im vorhinein mitgeteilt, dass seine Familie von 18:00 bis 20:00 Uhr Bibelstunde habe. So hatte ich mich beeilt, vor 18 Uhr bei ihm zu sein.

Ich hätte gern an der Bibelstunde teilgenommen, doch da weitere Teilnehmer ausgefallen waren, wurde die Veranstaltung für heute gecancelt – schade … Gemeinsam mit der Tochter Colton und ihrem Ehemann, nehmen wir das Abendessen ein, nachdem Jim zuvor ein Gebet gesprochen und allen und allem Gottes Segen gegeben hat.

Bei einem leckeren Cappuchino folgen anregende Gespräche über meine Reise. Da ich sehr erschöpft bin, mangelt es mir an Konzentration und ich bitte, mich gegen 9 Uhr zurückziehen zu können.

Ich hatte Michelle gefragt, warum sie sich als Gastgeber so unglaublich engagieren. Ihre Antwort ist so verblüffend wie einfach: Sie handeln voll und ganz im christlichen Sinne. Ihr Haus soll Shelter sein. Nicht nur für sie, sondern auch für jene, die eines vorübergehenden Schutzes bedürfen. Ihr Haus ist Gottes Haus.

Und so haben sie im Laufe vieler Jahre unzähligen Schutzsuchenden einen sicheren Schlafplatz geboten, sie beköstigt und geholfen, wann immer es nötig war. Und das Erste, was sie mir anbieten, ist angesichts meiner sichtbaren Erschöpfung eine zweite Nacht in ihrem Haus. Ich bin erleichtert, froh und dankbar, hier zu sein …

Vielen Dank für Eure Begleitung bis hierhin. Und vielen Dank für Eure Kaffees und Zuwendungen für einen – wie heute bei einer Donation vermerkt – „rasenden Rentner“.

Von Havre nach Loma, Montana

25. August 2024

Es war eine Gute Entscheidung, mein Zelt in diesem Park zwischen zwei Baseballfeldern aufzuschlagen. So verlief die Nacht ruhig. Der morgen ist frisch. Es sind 13°C, als ich aufbreche. Etwas außerhalb von Havre liegt auf der rechten Seite hinter einer Mall die Buffalo Jump, eine archäologische Ausgrabungsstätte, die ich bereits 1983 bei meinem ersten Besuch in Havre besichtigt hatte.

Damals stand hier nur ein Zelt auf öder Fläche. Darunter eine Ausgrabungsstätte, die Auskunft über die Jagd vor über tausend Jahren gab. Heute stehen hier mehrere moderne kleine Gebäude, welche die Ausgrabungstellen vor dem Verfall sichern und für die Öffentlichkeit zugänglich machen.

Die Ausgabungsstätten können nur mit einem Guide besichtigt werden. Während der ca. einstündigen Führung erfahre ich viel über die Jagdmethoden und die Verarbeitung der Massen an Fleisch, Knochen und Fellen in der damaligen Zeit. Unsere Besuchergruppe besteht aus zwei Personen: Aaron Wayne und mir, geführt von Tyler, unserem Guide.

Tyler, ein netter, junger Mann, nimmt diese ehrenamtliche Aufgabe mit großem Engagement wahr und erklärt kompetent, was aus dem, was wir sehen, herausgelesen werden kann. Zusätzlich habe ich das Glück, dass Aaron ein ausgesprochen erfahrener Jäger ist, der viel über die Psychologie des Tierverhaltens mitteilen kann. so rundet sich das Bild. Und ich verstehe jetzt, warum die die Völker der Prärie so erfolgreich mit ihren Jagdmethoden waren.

Aus Buschwerk wurden trichterförmig auf die Klippe zulaufende Wallhecken errichtet, welche zusätzlich durch Büffelschädel verstärkt wurden, die vor und auf den Wallhecken befestigt waren. Diese Hecken können von mir ohne Weiteres überwunden werden. In der Psychologie der Tiere stellen sie allerdings ein Hindernis dar, dessen Überwindung Energie kostet. Also wichen die Büffel entlang der Wallhecken aus und stürmten am Ende über den Rand der verhängnisvollen Klippe In die Tiefe.

Teilweise mit gebrochenen Gliedmaßen blieben die Tiere am Fuß der Klippe liegen und wurden so zur leicht erlegbaren Beute der Jäger. Da das untere Ende der Klippe ebenfalls eingezäunt war, konnten die Tiere, die keine Brüche erlitten hatten, nicht fliehen und wurden so ebenfalls zur leichten Beute für die Jäger.

Die Tiere wurden direkt am Fuß der Klippe zerlegt.

Die Nutzung dieser Klippe als Buffalo Jump wurde mit Unterbrechung über mehr als ein 1500 Jahre beibehalten.

Unweit der Klippe wurden die zerlegten Tiere, also deren Fleisch, Knochen und Fell, weiterverarbeitet.

Letztlich wurden die Tiere komplett verarbeitet. Eine kleine Tafel veranschaulicht, was wofür verwendet werden konnte.

Aaron zeigte bei dem Versuch, mit einer Speerschleuder eine Büffelatrappe zu treffen, großes Geschick. Während mein Speer irgendwo in der Gegend landete, flog sein Speer zielgerichtet über den Büffel hinweg und landete in einiger Entfernung hinter der Atrappe im Gras.

Hier eine weitere Auflistung über die Verwertung der Tiere …

Nach einer Stunde ist die Führung vorüber und wir verlassen die Buffalo Jump. Ich führe noch ein nettes Gespräch mit Aaron, an dessen Ende Aaron mir ein großes Kompliment macht, als er sagt: Du lebst meinen Traum. Ich wünsche Aaron und seiner Frau, dass Sie ihren Traum leben können.

Aaron war für mich eine ganz besondere Begegnung. Ich hatte das Gefühl, dass Aaron meine Beweggründe, die mich auf die Straße gebracht haben, nur allzu gut verstand und er gut nachvollziehen kann, warum ich diese Strapazen mit so großer Freude jeden Tag auf mich nehme.

In einer Mall fülle ich noch schnell meinen Lebensmittelvorat auf, bevor ich mich endgültig von Havre in südwestliche Richtung verabschiede.

Wie so oft geleitet mich ein wahrer Stangenwald raus aus der Stadt.

Die Plains sind über weite Strecken flaches Land.

Gelegentlich werden diese weiten Ebenen von uralten erodierten Gebirgszügen überragt. Im Hintergrund die Bear Paw Mountains, zentraler Teil der Rocky Boy Indian Reservation. An diesem Bild wird deutlich, wie die Aufteilung des Landes vonstatten ging.

Die weiten Plains wurden unter den ankommenden Farmern aufgeteilt. Das Land, das für eine landwirtschaftliche Nutzung nicht geeignet war, überließ man der indigenen Bevölkerung. Aus diesem unbrauchbaren Land wurde die Indianerreservation Rocky Boy. Vielleicht war ein Grundgedanke der, dass diese Rocky Boy Indianer eher Jäger denn Sammler waren.

Ich passiere Big Sandy. Auch so ein Ort, der eigentlich keiner ist. Eher von historischer, denn wirtschaftlicher Bedeutung. Es ist einer von vielen verlassenen Orten irgendwo im Nirgendwo …

Über Stunden geht die Fahrt weiter. Die vorbeiziehende Landschaft ändert sich im Grunde genommen nicht. Farmland, so weit das Auge reicht.

Gelegentlich eine kleine Senke ohne Abfluss, in der sich etwas Wasser gesammelt hat.

Und an wenigen Stellen wird die weite Ebene durch eingesunkene Erosionsrinnen unterbrochen, in denen sich einige Bäume entlang des Creeks angesiedelt haben.

Der intensiven Sonne der Mittagszeit folgt der Nachmittag. Das Tageslicht ändert sich. Es wird wärmer, farbiger und leuchtender.

Wolken ziehen auf und bedecken den Himmel. Die seitwärts einfallenden Sonnenstrahlen der tiefstehenden Sonne geben den Stoppelfeldern einen ganz besonderen, warmen Glanz.

Kurz vor Sonnenuntergang leuchtet der Himmel in prächtigen Farben. Am Ende des Tages ist das jedesmal ein ganz besonderes Geschenk für mich und ich bedanke mich mit großer Aufmerksamkeit. Ich unterbreche meine Arbeit und genieße dieses Himmelsspektakel.

Mein heutiger Schlafplatz Ist erreicht: die Lewis & Clark Plattform mit einer wunderschönen Aussicht über das weite Land.

Am Ende bleibt noch das Zelt aufzubauen und alles einzuräumen. Alles ist in zwanzig Minuten erledigt. Dann ziehe ich mich in mein Zelt zurück und lausche dem Wind, der die ganze Nacht an meinem Zelt rütteln wird.

Von Malta nach Havre

24. August 2024

In der Nacht hat es ordentlich gestürmt und gekracht. Ich habe diesen Gewittersturm ohne irgendwelche Schäden überstanden. Das Einzige, was am Morgen an diesen Sturm erinnert, ist die nasse Zelthülle. Selbst das Gras ist bereits trocken, als ich um 7.30 Uhr aufstehe. Mit Waschzeug und Handtuch geht es hinüber zu den sanitären Anlagen.

Anschließend unternehme ich einen erneuten Versuch, das Fahrrad zu flicken. Dabei bemerke ich einmal mehr, das eine der beiden Hutmuttern, welche die Hinterradachse halten, kein Gewinde mehr hat. Die Luft im Schlauch scheint diesmal zu halten. Der alte Mantel kommt wieder zum Einsatz. Das große Loch im Mantel hinterlege ich mehrfach mit Gummistücken, die ich aus einem anderen, häufig geflickten und nun unbrauchbar gewordenen Schlauch, herausgeschnitten habe.

Da sich bis jetzt der Polizist nicht mehr gemeldet hat, fahre ich los. Der Wind hat sich gedreht und weht mir ins Gesicht. So komme ich an diesem kühlen Morgen nur langsam mit einer Geschwindigkeit von fünf bis acht Meilen pro Stunde voran. Das stört nicht weiter, da ich wegen der nur einseitig befestigten Achse
ohnehin sehr vorsichtig fahre.

Ich hatte noch überlegt, ob ich die intakte Hutmutter von der linken Seite, wo die Bremse liegt auf die rechte Seite mit dem Antrieb verlagere. Da mir in dieser Situation eine intakte Bremse wichtiger ist als ein sehr gut funktionierender Antrieb, bleibt die Hutmutter, wo sie ist.

Die Sicht an diesem Morgen ist getrübt. Ein leichter Dunstschleier liegt über dem Land. In Kanada scheinen die Waldbrände immer noch zu wüten und der Rauch legt sich wie ein weicher Schleier über das Land. Dadurch wirkt die helle Landschaft noch verzauberter, noch entrückter.

Über mir strahlt der blaue Himmel und in den Tälern und Senken wabern die weißgräulich leuchtenden Rauchschwaden aus Kanada.

Immer wieder kommen mir an diesem Morgen Schwertransporte mit Überbreite entgegen oder überholen mich. Manchmal fahren sie in Kolonnen. Manchmal ohne Begleitfahrzeug. Und fast immer nehmen sie die Schultern der Straße in Anspruch. Wie das ausschaut, wenn sich zwei Over Size Fahrzeuge begegnen, habe ich bisher nicht mitbekommen. Nur so viel ist klar: für mich ist dann kein Platz mehr auf der Straße …

Ich überquere den Milk River, der mit seinen grün leuchtenden Ufern einen lebhaften Kontrast zu goldgelben Prärie bildet. In zahllosen Schleifen windet er sich neben der Route 2 durch das Land und ist verantwortlich für das verstärkte Aufkommen von Moskitos.

In Dodson suche ich eine Tankstelle. Was so aussieht, grüßt mit dem Schild: ‚No Trespassing‘. Also kein Frühstück. Für die 21 Kilometer habe ich knapp drei Stunden gebraucht. Kurz hinter Dodson, MT ist dann endgültig Schluss. Der Reifen und ich sind platt. Mein Gastgeber in Zurich hat sich noch immer nicht gemeldet. Und so gehe ich davon aus, dass er möglicherweise selber im Urlaub ist. Nun heißt es schieben. Und wann immer ein Auto vorbeikommt: Daumen raus!

Die ersten anderthalb Meilen tut sich nichts.

Dann hält ein Fahrzeug an. Sie konnten mich nicht mitnehmen, aber nachdem ich dem Fahrer geschildert hatte, was am Fahrrad kaputt ist, hat er mit einem Draht die ungesicherte Seite der Hinterradachse zusätzlich gesichert. Das sollte für eine vorsichtige Weiterfahrt bis Havre ausreichen. Zusätzlich füllten sie meine Wasservorräte auf, wohlwissend, das es für mehrere Stunden dazu keine Gelegenheit geben wird.

Dann habe ich großes Glück. Arlene hält mit ihrem Pickup-Truck an und steigt mit einem strahlenden Lachen aus dem Wagen. Sie bietet mir an, mich bis Harlem, das in ca 24 Kilometern liegt, mitzunehmen. Erfreut, nehme ich das Angebot an. Da muss ich halt von Harlem, Montana schauen, wie ich nach Havre komme.

Schon wenige Minuten nachdem wir losgefahren sind, wird Arlene aktiv und telefoniert mit ihrem Ehemann. Sie schildert ihm meine Situation und vereinbart mit ihm einen Treffpunkt, an dem ich in seinen Pickup-Truck umsteige. Zum Abschied umarmt sie mich herzlich und wünscht mir eine sichere Reise.

Jetzt geht die Fahrt weiter mit Kenneth, der mich auf meinen Wunsch nach Havre bringt. Unterwegs hatten wir Zeit, uns zu unterhalten. Ich konnte ihm beschreiben, was alles am Fahrrad repariert werden muss. Für Kenneth Grund genug, mich in Havre zu verschiedenen Geschäften zu fahren, in denen ich meine erforderlichen Ersatzteile kaufen kann.

In dieser Zeit erreicht mich von dem Gastgeber in Zurich, den ich angeschrieben hatte, die Nachricht, dass ich willkommen sei. Ach ist das ärgerlich. Hätte ich die Nachricht 2 Stunden früher erhalten, so wäre ich mit Sicherheit zu meiner Gastgeberin Tammy in Zurich gefahren. Kenneth bietet mir an, mich auch nach Zurich zu fahren. Das würde heißen 40 Meilen zurück.

Ich rufe bei Tammy an. Wir sprechen über diese ärgerliche Situation und kommen schließlich überein, dass ich in Havre bleibe, da sie das Haus bereits voller Gäste hat. Außerdem würde das für mich heißen, insgesamt 80 Meilen zu fahren, um da zu sein wo ich bereits bin.

Kenneth schlägt mir 2 öffentliche Parks vor, in denen ich mein Zelt aufschlagen kann. Der erste Park Ist sehr beliebt und voller Menschen und ist daher nicht geeignet. Der 2. Park ist kleiner, aber dort ist es fast menschenleer und sehr ruhig. Hier laden wir meine Sachen ab. In diesem Park werde ich mein Zelt auf schlagen, das Fahrrad reparieren, und die Nacht verbringen.

Bis zuletzt ist mir Kenneth in jeder Hinsicht behilflich. Und selbst für die Weiterfahrt Richtung Yellowstone hat er noch einige gute Anregungen, die ich gut gebrauchen kann. Kenneth und Arlene sind beide noch als Lehrer im Schuldienst tätig und laden immer wieder Austauschschüler aus europäischen Ländern ein. Ich bin ganz beeindruckt von ihrer Großzügigkeit und der Selbstverständlichkeit, mit der sie mir in meiner Situation weitergeholfen haben.

Glücklich diese Menschen getroffen zu haben, hatte ich Arlene bereits meine Visitenkarte überreicht. So können mir Beide in Zukunft In meinem Blog folgen. Und ich freue mich schon jetzt auf ein Wiedersehen.

So endet dieser Tag und erfüllt mich zutiefst mit Dank für all die Hilfen und Geschenke, die man mir heute bereit hat.

Von Hinsdale nach Malta, Montana

23. August 2024

Der Morgen ist kühl und bedeckt. Als ich das Zelt abgebaut habe, entdecke ich unter der Bodenplane ein kleines Nagetier, das sich mit seinen 4 Jungen in der Nacht vor dem Regen unter die vermeintlich sichere Plane geflüchtet hatte. Die Geschichte endet tragisch. Ich muss es mit meinem Körpergewicht erdrückt haben, ohne es zu merken. Und auch alle vier Jungtiere sind bereits tot.

Ohne zu frühstücken fahre ich los. Der starke Ostwind treibt mich mit aller Geschwindigkeit von fast 30 km/h voran. Schnell steigen die Temperaturen und aus den Feldern neben der Straße steigen Schwärme von Mücken auf. Sie attackieren mich fortwährend auf der der Sonne abgewandten Seite.

Trotz Der Geschwindigkeit erreichen sie bequem ihr Ziel. Sie lassen sich einfach vom Wind treiben, haben also dieselbe Reisegeschwindigkeit wie ich und finden in vermeidlicher Windstille mit absoluter Sicherheit ihr Ziel, mein Blut. Und egal wie häufig ich die Moskitos von meiner Haut streiche, sind sie Sekunden später schon wieder da.

Ein Kurzer Halt, bei dem ich den Rest meines Insekten Repellents auf die Haut sprühe, schafft vorübergehend Linderung. Bei nächster Gelegenheit werde ich gleich 2 Dosen Insektenspray kaufen, um für die nächsten Tage gewappnet zu sein. Man hatte mich schon in den vergangenen Tagen davor gewarnt, dass es, je weiter ich nach Westen fahre, umso mehr Mückenplagen gibt. Und das, was ich hier erlebe, scheint erst der Anfang zu sein.

Im kleinen Lebensmittelladen grüßen Jagdtrophäen über den Lebensmittelregalen von der Wand. Ein seltsam anmutender Anblick …

Im kleinen Ort Saco mache ich halt, frühstücke und versorge mich mit frischen Lebensmitteln. Drei ältere Herren gesellen sich zu mir an den Tisch und es kommt zu einem freundlichen Gespräch. Nach einer Stunde brechen wir alle auf. Es geht weiterhin gut voran. Und ich rechne mir aus, dass ich bei der Geschwindigkeit, die ich durch den Rückenwind erfahre, die kleine Stadt Malta Innerhalb von zwei Stunden erreichen kann.

Mittlerweile sind es wieder 29°C und warme Luft, aufgeladen mit Schwärmen von Mücken, umgibt mich. Plötzlich ein lauter Knall, ein Zischen. Und nach wenigen Metern fahre ich auf der Felge.

Ich war noch mit meinen Gedanken In dem kleinen Ort Sako, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.

An dem alten Schulhaus, das als Museum hergerichtet scheint und auch an der kleinen Kirche nebenan nagt der Zahn der Zeit.

Aber die Realität holt mich schnell ein. Ich habe mir ein ordentliches Stück Metall Durch den Mantel in den Schlauch gerammt. Da heißt es flicken.

Der Mantel ist hinüber und ich ziehe einen neuen Mantel auf. Aber egal, wie ich es anstelle, der Reifen bleibt platt. Nach 2 Stunden gebe ich auf, stelle mich an die Straße und versuche ein Auto anzuhalten.

Ein Motorradfahrer hält, kann aber nicht helfen. Dann habe ich Glück. Ich halte den Sheriff an. Er vermittelt mir einen Kollegen, der mich abholen und nach Malta, Montana bringen soll. Außerdem gibt er mir noch drei Flaschen Wasser. Dann fährt er davon. Weit und breit gibt es keine Unterstellmöglichkeit, um sich vor der Sonne zu schützen. Also setze ich den Fahrradhelm wieder auf und warte.

Nach über einer Stunde kommt der Kollege, ein netter, junger Polizist mit einem Pickup-Truck und holt mich ab. Er bringt mich nach Malta. Im dortigen Hartwarenladen fragen wir nach Ersatzreifen. Der Laden hat nur 26 Zoll Mountainbikereifen. Dann gehen wir hinüber zum Ticket Office für Bus und Bahn. Eine Busverbindung gibt es nicht. Einmal am Tag fährt ein Personenzug nach Havre, Montana. Doch der kommt nicht infrage, da er das Fahrrad nicht befördern wird. Das ist erst ab Havre möglich – strange.

Schließlich bringt mit der Polizist zum kleinen Park in der Stadt, läd mich dort ab und verspricht, seinen Kollegen zu informieren. Der soll über Internet versuchen, eine Mitfahrgelegenheit für mich zu finden.

Ich warte bis zum Abend, aber der Kollege kommt nicht. So schlage ich mein Zelt auf. Ich unternehme einen weiteren Versuch, das Fahrrad zu flicken. Auch dieser Versuch schlägt fehl. Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als am nächsten Tag zu versuchen, per Anhalter mit dem Fahrrad nach Havre zu kommen. Jetzt erstmal gute Nacht.

Danke, dass ihr mich begleitet. Eure Kommentare ermutigen mich, wenn es, wie jetzt, schwierig wird. Und eure Kaffees helfen mir und erfreuen mich. 1.000 Dank! Ich pette weiter.

Von Frazer nach Hinsdale, Montana

22 August 2024

Der kühle Morgen tut gut. Und obwohl der Wind von vorne weht, komme ich gut voran. Ich habe Zeit, mir die Landschaft anzuschauen.

Dazwischen liegen kleine Ortschaften und große Indianerreservate. Dieser Begriff hat sich bis heute gehalten. Ich soll nicht mehr von Indianern sprechen, sondern von Natives oder Indigenen oder auch First Nations. Aber diese Menschen leben immer noch in Reservaten. Das macht mich schon nachdenklich.

Parallel zur Straße führt die Eisenbahnlinie entlang. Einmal am Tag fährt ein Personenzug durch – in jede Richtung. Und tagsüber im 30-Minuten-Takt bringen Güterzüge pro Zug bis zu 140 Waggons randvoll gefüllt mit Getreide oder dem schwarzen Gold, Öl, in die Verarbeitungszentren.

Straße und Schiene folgen dem historischen Lewis und Clark Trail. Dieser erinnert an die Expedition im Jahre 1804, als Meriwether Lewis und William Clark aufbrachen, um die Pazifikküste des amerikanischen Kontinents zu erreichen.

Ich folge der Straße gen Westen und genieße einfach diese gewaltige, großartige, grenzenlose Weite in Montana.

Nur gelegentlich findet man in der Landschaft kleine Baumgruppen oder auch vereinzelt stehende Bäume. Aber nie ganze Wälder.

Hier haben sich die Amerikaner die Erde wahrlich untertan gemacht. Wo einst Prärie war, durch die gewaltige Büffelherden zogen, wächst heute Weizen, Hafer oder Roggen. Und ich frage mich, ob es in dieser Landschaft, die ich durchfahre, überhaupt noch ein ursprüngliches Stück Prärie gibt.

Dieses Bild einer unberührten Landschaft ist vergangen. Am Straßenrand, an den Bahngleisen und in der Ferne im Land: überall sieht man die Getreidesilos, die die reichen Ernten aufnehmen.

Und Im Halbstundentakt wird dieses Gold außer Landes gebracht.

Ich erreiche Glasgow, Montana. Darauf hatte ich lange hingefiebert. Doch ich glaube, ich muss etwas ausholen: Mein Sohn Moril und Florian, den ich auch schon seit Kindertagen kenne, haben mir als Reisegeschenk ein Fahrradnavi geschickt.

Doch dank Verzögerungen kam es genau 1 Tag nach meinem Abflug in die USA zuhause in Ostfriesland an. Seitdem versuchte Biggi, es mir nachzusenden. Das erwies sich als kompliziert, da ich nie lange an einem Ort verweile. Und postlagernd funktionierte nicht.

Nun hat sie einfach einen Fahrradladen ausfindig gemacht, der auf meiner Route, aber noch 1.000 Meilen entfert lag. Sie rief Nick, den Inhaber, an und fand seine großzügige Unterstützung. Ihm sandte sie das Päckchen.

Als ich endlich das lang ersehnte Geschenk in Empfang nehmen kann, bin ich glückselig. Ich denke, dass dieses kleine Wunderwerk mir das Leben leichter machen wird.

Ein ganz großes Dankeschön also an Nick Knight vom Cherry Creek Gear Shop in Glasgow dafür, dass er meiner Frau und mir auf völlig unbürokratische Art und Weise geholfen hat. Am Ende hat er noch die Halterung montiert und ein nettes Gespräch war auch noch drin. Nick tut, was er kann, um Long Distance Cyclern – und heute mir – zu helfen. Welch ein Geschenk.

Und mein Herz und mein Dank an euch Zwei, Moril und Florian. Damit habt ihr mir eine riesige Freude bereitet.

Und für die, die es immer noch nicht verstanden haben, wird auch noch eine Landkarte gezeigt.

Warum in Glasgow dieses Flugzeug ausgestellt ist, habe ich nicht recherchiert. Es wird schon seine Gründe haben. Und wer will, darf gerne googeln.

Westlich der Stadt auf einer kleinen Hügelkette am Wegesrand haben einfallsreiche Bürger sehr effektvoll einen kleinen Dinosaurierpark angelegt.

Kleiner Exkurs ins BUFFALO Land.

Die Great Plains im Osten Montanas waren die Heimat riesiger Büffelherden, bevor sie Anfang der 1880er Jahre von euroamerikanischen Jägern beinahe ausgerottet wurden. Die Tiere spielten eine zentrale Rolle im Leben der Natives. In der ‚Hundezeit‘ trieben Jäger Büffel in einen Pferch, wo sie sie töteten. Sie trieben die zotteligen Tiere auch über Klippen, sogenannte Pishkuns.

Mit der Ankunft des Pferdes im 17. Jahrhundert begannen sich die Jagdmethoden zu ändern. Die Büffeljagd wurde zu einem Sport. Für die indigene Bevölkerung war sie jedoch eine Notwendigkeit.

Dabei war die Jagd mit Pfeil und Bogen zu Pferd gefährlich und aufregend. Fettes Büffelfleisch war das Fleisch der Wahl. Frauen konservierten das Fleisch, indem sie Dörrfleisch und Pemmikan zubereiteten. Sie stellten Pemmikan aus getrocknetem und pulverisiertem Fleisch her, vermischt mit Mark, Knochenfett und Öl. Waldbeeren gaben ihm Geschmack; Die Ascorbinsäure in den Früchten wirkte als Konservierungsmittel. Pemmikan, verpackt in Hautbeuteln war praktisch unbegrenzt haltbar.

Vom Nährwert her entsprach ein Pfund Pemmikan zehn Pfund frischem Fleisch. Dieses Grundnahrungsmittel versorgte die Stämme über viele lange Winter hinweg, in denen kein frisches Fleisch verfügbar war.

Natives verwendeten gegerbte Gewänder und Rohleder für Kleidung, Tipis, Bettwäsche, Werkzeuge und Utensilien. Büffel spielten in religiösen Praktiken eine herausragende Rolle und Streitigkeiten über erstklassige Jagdgründe führten häufig zu Konflikten zwischen den Stämmen.

Insgesamt ist die Landschaft flach. Von kleineren Geländestufen und den Erosionsrinnen einmal abgesehen

Ob es zu Zeiten der Büffelherden große Wälder oder wenigstens vereinzelte, kleinere Baumbestände gab, vermag ich nicht zu beantworten. Fast alle Baumgruppen, die ich hier bisher gesehen habe, wurden von Menschen gepflanzt. Lediglich entlang der Flussufer und Creeks scheint es natürliche Waldbestände zu geben. Ansonsten alles Plains …

Weiter geht die Fahrt auf der Route 2, auch als Hi-Line bekannt, gen Westen.

Während sich die Sonne im Westen dem Horizont neigt, wirft sie ihre Strahlen über das Land. Die Schatten werden länger. Die Korn- und Stoppelfelder leuchten im Abendlicht.

Am Horizont steigen die Badlands aus den Dunstschleiern des Tages. Sie bilden heute den südlichen Rand des Urstromtales des Missouri und des Milkriver. Beide Flüsse fließen mir parallel der Straße in unendlich vielen Windungen entgegen.

Mit der untergehenden Sonne erreiche ich Hinsdale, Montana. Ein Traktor kommt mir entgegen und biegt hinter mir von der Straße in die Hofeinfahrt. Sofort mache ich kehrt und folge dem Traktor.

Auf dem Hof spreche ich den Fahrer freundlich an. Und er hat nichts dagegen, dass ich neben dem Hof auf der Wiese übernachte. Noch ein Handschlag und jeder von uns Beiden geht seines Weges, tut, was jetzt noch getan werden muss.

Schnell ist das Zelt aufgebaut, die Sachen im Zelt verstaut und ich auf dem Weg zum kleinen Supermarkt. Ich hatte tagsüber kaum Gelegenheit, preiswert Lebensmittel einzukaufen. Mit einer Tüte des Notwendigsten komme ich zurück. Preiswert war das nicht… Egal, ich bin für heute versorgt.

Von Bainville nach Frazer, Montana

21. August 2024

Heute Nacht stürmte es ganz fürchterlich. Der Wind hatte gedreht und das Zelt bekam die volle Breitseite des Gewittersturmes. „Hoffentlich halten die Heringe im aufweichenden Boden“, dachte ich.

Der Gewittersturm ist vorüber. Der Rest der Nacht verlief ruhig. Das Zelt im Präriewind bereits trocken. In aller Ruhe und Gelassenheit packe ich meine Sachen und bin um 8.45 bereits auf der Straße.

Ich fahre über die Prärie am Nordrand der Badlands entlang. Das Gelände ist insgesamt flach und die Hänge zum Süden hin fallen weich ab. Von Wetlands keine Spur. Schaue ich nach Süden, sehe ich in der Ferne die aus dem Missourital aufsteigende Felsstufe. Sie hat den Charakter einer Felsstufe, den man als Badlands beschreibt.

Ein Hinweisschild weist auf weiße Kreuze entlang der Strecke hin, die an den Stellen aufgestellt werden, an denen ein Mensch in Folge eines Verkehrsunfalls starb.

Es geht heute durch das Fort Peck Indianerreservat. Diese Ortschaften und Häuseransammlungen im Reservat sind recht klein. Meistens gibt es nur eine Tankstelle mit einem kleinen, angegliederten Markt, der das Notwendigste zu relativ hohem Preis bereithält.

Die Natives selbst sind kaum zu sehen. Nur an den Tankstellen trifft man auf sie. Eine indigene Frau spricht mich an. Mit strahlendem Gesicht lauscht sie meiner Erzählung. Und später erlebe ich Gleiches in einem Lebensmitelmarkt.

Ganz anders die Reaktion einer älteren ‚weißen‘ Dame, die mich in Bainville vor den Gefahren beim Durchqueren der Reservation warnt. Drogen, Alkohol und Kriminalität. Bei fast allen kleinen Ortschaften entlang des Weges, den sie mir auf der Karte zeigt, spricht sie Warnungen aus. Erst bei Nashua wird ihre Grundstimmung freundlicher. Nashua sei ein guter Ort, den sie sehr gerne mag. Dann wünscht sie mir eine sichere Weiterreise, steigt in ihr Auto und fährt davon.

Die Landschaft ändert sich kaum.

Gelegentlich eine aufgelassene Getreideverladestation entlang der Bahnstrecke, die parallel der Straße verläuft. Das ist fast alles.

Ein Verkehrskreisel. Aufgehübscht mit riesigen Büffelschädeln aus Plastik.

Ansonsten immer wieder große Werbetafeln, die Hinweise geben auf die wirklichen Sorgen und Nöte der indigenen Bevölkerung im Reservat.

Zum Nachmittag ist ein Gewittersturm angekündigt, der auf sich warten lässt.

Und so radle ich weiter. Vorbei an einem flachen Hügel neben der Straße, auf dessen Plateau mehrere Tipi-Grundgerüste aufgestellt sind und ein paar Fahnen wehen. Kunstobjekt? Kultstätte? Sommertage der Einheimischen? Ich weiß es nicht und finde auch keinen, den ich fragen kann. Am Horizont im Westen verdunkelt sich langsam der Himmel.

Mittlerweile ist es 18:00 Uhr. Der Himmel vor mir wird immer mehr zur Drohkulisse. Und so suche und finde ich einen Ort, wo ich mein Zelt aufschlagen kann. Noch während ich aufbaue, nimmt der Wind böig zu. Und innerhalb weniger Minuten entwickelt sich der Gewittersturm. Ich schaffe es gerade noch, alle Sachen im Zelt zu verstauen. Dann verstärke ich die Standfestigkeit des Zeltes und Schnüre die vorhandenen Zeltleinen an Geländer und Fahrrad fest.

Der Sturm tobt. Der Regen ist heftig.

Aber das Zelt steht sicher und hält dem Tosen Stand.

Auf der Route 2 ziehen weiterhin die schweren LKW’s vorbei.

Und während ich noch im Regensturm stehe, kündigt sich im Westen schon das Ende des Sturmes an.

Auch wenn der Blick nach Osten etwas anderes sagt…

Südlich meines Lagers ziehen Lokomotiven endlos lange Waggonkolonnen stoisch durch die Regenfront.

Es ist ein wunderschönes Schauspiel. Und ich genieße es in vollen Zügen. Nach einer Stunde ist alles vorbei. Nach dem Abendessen lege ich mich erschöpft nieder und muss schon vor 21.00 Uhr eingeschlafen sein.

Von White Earth, North Dakota nach Bainville, Montana

20. August 2024

Ich habe gut geschlafen. Die Klimaanlage in dem Trailer hat dazu beigetragen. Um 8.15 Uhr kommt Herr Heinle und bringt meine Milchtüte, die in seinem Haus im Kühlschrank verwahrt wurde. Nach einem kurzen Gespräch verabschiede ich mich in den Tag. Es war für uns beide eine neue, angenehme Erfahrung.

Den ganzen Tag radle ich an Förderanlagen vorbei, die das ‚Schwarze Gold‘ in dieser Region fördern. An Pumpen, wie ich sie aus meinen Kindertagen in Norddeutschlsnd kenne.

Und auch an neuen Pumpen, die als schlanke Türme in den Himmel ragen.

Besonders Eindrucksvoll sind die Schlote, aus denen das schlechte, nicht weiter verwertbare Erdgasas laut zischend und fauchend entweicht und verbrennt.

Die kleine Bar ‚The Porch‘ in Ray

Da ich ohne Frühstück losgefahren bin, meldet sich nach einigen Kilometern der Hunger. In Ray finde ich eine kleine Bar, die geöffnet hat: The Porch. Ich bestelle einen Becher Kaffee und ein Croissant mit Rührei und Bacon und später noch einen weiteren Becher Kaffee.

Die Dame hinter dem Tresen zeigt sich sehr interessiert. Mit leuchtenden Augen und strahlendem Gesicht hört sie meiner Erzählung zu und vermerkt wiederholt, dass sie das nicht schaffen könnte. Ich sehe das anders. Sie ist gesund, groß, jung, und kann gut zupacken. Warum sollte sie das nicht auch können. Es mag andere Gründe geben. Aber mit ein wenig Training könnte sie auch auf die Reise gehen.

Ihr Lachen, Ihre Offenheit und Herzlichkeit sind wohltuend, außerordentlich angenehm und ansteckend. Als ich bezahlen will, lehnt sie ab. Es ist ihr Geschenk an mich und sie bereitet mir damit eine große Freude.

Getreidefelder in Montana

Draußen sind es 32°C. Und so suche ich nach weiteren zwanzig Meilen erneut Zuflucht, diesmal in einer Conoco Tankstelle. Noch vor dem Gebäude spricht mich strahlend ein junger Mann an. Er will wissen, woher ich komme und wohin ich fahre – heute und darüber hinaus. Und bereits vor meinen ersten Worten äußert er den Wunsch, mich zum Essen einzuladen.

Gesagt, getan und so sitze ich im kühlen Speisesaal des dazugehörenden Subways und verzehre, was ich mir gewünscht habe. Wir führen ein unterhaltsames Gespräch. Und der junge Mann erzählt mir, dass er maximal 35 Meilen als Trainingstour fährt.

Nebenbei stellt er mich noch seiner Mutter vor, die das Unternehmen führt. Und am Ende des Gesprächs bietet er mir seine Hilfe an, falls ich sie benötige, kramt einige Meter Draht aus derTasche und schenkt sie mir. Er hat mit diesem Draht schon sehr gute Erfahrungen gemacht und empfiehlt ihn mir weiter. Wie nett ist das …

Leider kann ich mich von dem jungen Mann nicht mehr verabschieden. Als Mitarbeiter hat er sich um andere Aufgaben zu kümmern und bleibt verschwunden.

Draußen ist es heiß. Trotzdem entscheide ich mich zur Weiterfahrt und schaffe in den nächsten 3 Stunden noch weitere 39 Meilen bis nach Bainville, Montana. Gegen Sonnenuntergang passiere ich Bainville. Ein Hinweisschild weist auf das Storehouse Ministry Center hin. Darunter eine Telefonnummer.

Ich rufe an und erhalte die Erlaubnis, hinter dem Gebäude zu übernachten. Im Sonnenuntergang ist mein Zelt schnell aufgestellt. Der warme Wind lässt auch nach 23 Uhr nicht nach. Und so werde ich mich durch diese trockene Nacht schwitzen. Euch allen eine gute Nacht.

Meinen herzlichen Dank an euch, die ihr mich begleitet, euch mit mir freut und manchmal mit mir leidet. Und die ihr mich mit Kaffee beschenkt. Schön, Euch im Gepäck zu haben.

Von Minot nach White Earth

19. August 2024

Was für ein wunderbarer Tag.

Die Nacht ist unruhig verlaufen. Ich hatte gestern Abend wohl den falschem Platz ausgesucht. Und im Laufe der Nacht stellte sich heraus, warum: Das Picknickareal liegt genau zwischen zwei stark befahrenen Gleisen. Und besonders in der Nacht fahren hier die Güterzüge.

So rumpelten, polterten und lärmten hunderte Meter lange Kolonnen von Güterwagen, gezogen von munter bimmelnden und immer wieder das ohrenbetäubende Horn verwendenden, dröhnenden Lokomotiven durch mein Zelt.

Um sechs Uhr morgens ist meine Nacht zu Ende. Neben meinem Zelt herrscht reges Treiben. Mark ist bereits da und baut sein Freilichtwohnzimmer wieder auf. Er ist gut ausgestattet mit seinem Fernseher, seinem Radio, seinem Kaffeekocher und allem, was er so für den Tag braucht. Der überdachte Pavillon ist tagsüber sein Zuhause, während er die Nacht in einem alten Truck verbringt.

Als ich aus meinem Zelt krieche, ruft er mir fröhlich zu, dass der Kaffee bereits fertig ist. Kaffeecreamer und Zucker inklusive. So setze ich mich ein paar Minuten gemeinsam mit ihm hin, teile Obst und Gemüse mit ihm und er erzählt aus seinem Leben. Er erzählt von seiner Freiheit. Von seiner Zeit im Gefängnis. Und wie er zum Glauben gekommen ist.

Er sieht heute seine Aufgabe darin, andere Menschen zu beschenken. Sich selbst bezeichnet er als Outlaw. Er braucht kein festes zu Hause, hat keine Verwandten und ist mit seinem Leben, so wie es ist, sehr zufrieden.

Dann wird es Zeit, alle Sachen zu packen und sich aufs Fahrrad zu schwingen. Mark hatte sich bereits gestern angeboten, mich zu Val’s Cyclery zu bringen. Und so leitet er munter voran und führt mich um die kleinen Hügel herum, auf ebenem Weg zum Fahrradladen.

Sofort kommt ein Mitarbeiter, schaut sich den Schaden an, bittet um meine Telefonnummer und gibt mir als Empfehlung die Adresse eines kleinen Cafés, in dem ich frühstücken kann. Ich hoffe inständig, dass er den Schaden an meiner Gangschaltung beheben kann.

Heute ist Montag und das empfohlene Café hat geschlossen. Eine zufällig anwesende Mitarbeiterin schickt mich 50 Meter weiter über die Straße.

Ich lande im Parker Center Coffee Shop. Er ist einem Altenheim angegliedert. Und nachdem ich ein Formular ausgefüllt habe, erhalte ich ein reichhaltiges, leckeres Frühstück für vier Dollar. Der Kaffee wird gratis nachgeschenkt.

Da ich neu bin, zeigen Mitarbeiter wie auch Altenheimbewohner ihr reges Interesse. Und so berichte ich von meiner Reise. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Ich hätte noch lange bleiben können, doch nach knapp einer Stunde erhalte ich einen Telefonanruf vom Fahrradladen, dass das Fahrrad repariert sei.

Und so eile ich zurück. Anstatt dass, wie ich vermutete, die Alfine Gangschaltung kaputt war, welche 600 – 700 Euro kostet, war in dem Schlammloch, in das ich gestern geraten bin, Schmutz ins Innere der Schaltung eingedrungen. Der Mechaniker musste sie zerlegen und reinigen. Das war’s. Mehr nicht.

Dieser Fahrradladen hat sogar den Mantel, den ich so lange vergebens gesucht hatte. Mein Mantel am Hinterrad hat fast kein Profil mehr. Die ganze Reparatur inklusive neuem Mantel kostet mich am Ende 83 Dollar.

Erleichtert über die schnelle und preiswerte Reparatur und erfreut, dass ich nun wieder die kleinen Gänge und vor allem den Leerlauf nutzen kann, packe ich das Fahrrad und bin schon 10 Minuten später wieder unterwegs.

Bevor ich die Stadt verlasse, mache ich noch einen kleinen Abstecher zur hiesigen skandinavischen Stabkirche. Es gibt in dieser Stadt eine kleine, skandinavische Community, die den kleinen Park mit Kirche und angrenzenden Gebäuden pflegt.

Dann verlasse ich die Stadt und es geht hinaus aufs Land.

Die Landschaft ist lieblich kleinhügelig. Von Wetlands keine Spur. Inmitten der landwirtschaftlich genutzten Flächen entdecke ich immer wieder kleine Inseln, in denen die Ölpumpen das ‚Schwarze Gold‘ ans Tageslicht befördern.

Ich befinde mich hier in einem zentralen Gebiet der Erdölförderung der USA. Hier wird das Öl in der klassischen Art und Weiße gefördert. Teilweise mit Pumpen. Und wo die Pumpen fehlen, sprudelt es auch arthesisch aus der Erde.

Das Öl wird direkt in große Tanks, die wie Getreidesilos aussehen, gepumpt und per Truck in die Raffinerien zur Weiterverarbeitung befördert. Viele der Förderstellen verraten sich in der Landschaft durch brennende, fauchende und laut zischende Gasfackeln.

Gelegentlich sieht man auf den Feldern große Rinderherden und vereinzelt kleine Pferdetrupps.

In den Senken entlang der Straße haben sich wieder kleine Teiche gebildet, die für die Wassertiere ein El Dorado darstellen.

Da fällt der Wasserturm im Weizenfeld fast futuristisch aus

Mittlerweile ist es Abend geworden. Ich mache mich wieder auf die Suche nach einem Quartier und lande bei einer Familie Heinle. Im Sonnenuntergang genieße ich als erstes eine Dose Bier. Und anschließend eine leckere Fischspeise.

Ich hatte bereits mein Zelt aufgebaut, da kommt der Sohn der Familie vorbei und bietet mir an, in seinem Trailer zu übernachten. Gerne nehme ich das Angebot an, packe das Zelt wieder ein und ziehe in den voll klimatisierten Wohnwagen.

Hier im Kingsize Bett versuche ich noch ein paar Zeilen meines Blogs zu bearbeiten. Leider gelingt mir das nicht, da ich einfach zu müde bin und mir das Handy wiederholt aus der Hand rutscht. So lasse ich es gut sein und beende den Tag mit einem Dank an alle, die dazu beigetragen haben, dass es mir so gut geht.