29. August 2024
Um sieben Uhr bin ich wach. Ein erster Blick aus dem Fenster offenbart eine Überraschung: Es hat nicht geregnet. Die starken Winde haben die Regenfont nach Nordosten verlagert. Der Himmel zeigt sein freundliches Blau. Aber es weht immer noch ein kräftiger Wind.
Als ich vor den Wohnwagen trete, begrüßt mich neugierig eine Gruppe Ziegen. Sie wissen nicht, was sie von mir halten sollen. Und mir geht es mit ihnen ebenso.
Ich verabschiede mich von meinem Gastgeber und bin um 7.45 Uhr bereits auf der Straße.
Immer wieder kann ich im Verlauf dieses Tages einen Blick auf den Missouri werfen, der in großen, kraftvollen Bögen an mir vorbeifließt.
Lediglich sein Ufersaum ist baumbestanden. Hinter dem schmalen, grünen Band weitet sich üppiges Farmland aus.
Die Sonne verwandelt den Fluss in ein silbernes Band.
Es geht vorbei an herrlichen Felswänden. Manche würden ein gutes Kletterziel abgeben. Viele dieser Felswände stehen auf privatem Grund und sind daher für den Kletterer unerreichbar.
Der Missouri windet sich südlich des Ortes Cascade durch eine liebliche Canyonlandschaft.
Am Ufer sieht man immer wieder die blaugrüne Palmlilie mit ihren trockenen, reifen Fruchtständen.
Die blaugrüne Palmlilie, auch Great Plains Yucca genannt. Sie ist in den USA in den Prärien des Westens in Ebenen in Höhenlagen zwischen 800 und 2600 Metern verbreitet. Eine Vergesellschaftung mit Kakteenarten habe ich bisher nicht entdecken können.
Über die einzige Brücke weit und breit wechsle ich auf die andere Uferseite.
Ich genieße den Ausblick auf herrliche Felsformationen.
Hier im Oberlauf ist der Missouri nicht ausgebaut und nicht schiffbar. Ein El Dorado für Angler.
Und bei diesem Herrlichen Wetter sieht man etliche Ruderboote auf dem Fluss.
Man muss den Fluss schon kennen, um nicht in die Strömung zu geraten.
Plötzlich überholt mich ein Rennradfahrer, bremst auf meine Geschwindigkeit herunter und kommt mit mir ins Gespräch. Sein Name lautet Terry. Er läd mich zu sich ein, bewirtet mich mit Karotten, zwei frischen, rohen Eiern und Wasser und erzählt aus seinem Leben.
Er hat 1985 an der Ironman Veranstaltung als Sportler teilgenommen. Voller Stolz zeigt er mir einige Bilder von dieser Veranstaltung und seine Medaille. Ich bin beeindruckt. Terry meint, dass das nur Peanuts seien gegen das, was ich mache. Dafür zolle er mir höchste Achtung. Und ich muss ihm widersprechen. Die Leistung, die er 1985 erbracht hat, habe ich in meinem ganzen Leben niemals bringen können.
Terry erzählt von seinem besten Freund, der vor einigen Jahren plötzlich verstorben ist. Er war ein Naturliebhaber. Und er erzählt von seinem Verhältnis und seiner Liebe zur Natur, während sich am Futterplatz ein Kleinspecht tummelt. Er spricht vom Glauben und zitiert den schönen Satz: „Ich glaube an Gott und nenne es Natur.“
Es sind herrliche 45 Minuten, die wie im Fluge vergehen. Leider muss ich das Gespräch beenden. Die Zeit läuft mir davon. Ich habe meinem heutigen Gastgeber bereits zugesagt. Andernfalls hätte ich große Freude gehabt, mit Terry weitere vertiefende Gespräche zu führen.
Ein Weißwedelhirsch auf der Flucht vor mir …
Am Oberlauf des Missouri …
Schließlich erreiche ich Wolf Creek. An der kleinen Tankstelle mache ich halt, trinke etwas und frage nach dem weiteren Weg. Die Interstate ist ab der Auffahrt für sieben Meilen eine Baustelle. Die eigentliche Fahrrad Route entpuppt sich als Gravelroad mit zwei steilen hohen Anstiegen.
Eine Autofahrerin nennt mir die Lösung. Parallel zur Autobahn führt eine Recreational Road entlang. Und wenn ich die benutze, komme ich bestens an der Baustelle vorbei und habe darüber hinaus noch wunderbare Aussichten.
Gesagt, getan. Nach 7 Meilen endet die Recrational Road und führt mich über den Zubringer direkt auf die Autobahn. Es ist eine Besonderheit Montanas, dass man auf einer Interstate fahrradfahren darf.
Und so radle ich auf breiter Schulter meinem heutigen Ziel im Helena entgegen. Ich hatte meinen Gastgebern schon vorab mitgeteilt, wo ich mich gerade befinde. So konnten sie abschätzen, wann ich bei ihnen eintreffen werde.
Das semi-aride Klima hat der Landschaft seinen unübersehbaren Stempel aufgedrückt….
Schließlich erreiche ich meine heutigen Gastgeber. Nach herzlicher Begrüßung durch Dawn und ihren Ehemann Jerry gibt es erst einmal ein leckeres Bier. Und vor dem gemeinsamen Dinner beziehe ich mein Gästezimmer mit herrlicher Aussicht auf die Landschaft und nehme ein Duschbad.
Während Dawn noch das Abendessen vorbereitet, zeigt mir Jerry seine beiden BMW-Motorräder. Sein Lieblingsmotorrad ist die BMW-Dakar. Sie ist auch für das Gelände hier viel besser geeignet als die andere BMW, ein Modell aus der K-Serie. Die eignet sich mehr für die Straße.
Zum Dinner haben Dawn und Jerry noch einen jungen Mann eingeladen. So speisen und unterhalten wir uns zu viert. Das Dinner ist vorzüglich. Bohnen und Kartoffeln stammen aus dem eigenen Garten. Dazu leckeres Hühnchenfleisch. Abgerundet wird das Ganze mit kleinen, süßen Tomaten und frischen, kleinen Salatblättern.
Zum Nachtisch gibt es einen unglaublich leckeren Applepie. Bei alledem vergesse ich nicht, meinen Flüssigkeitsbedarf auszugleichen. Um 21.15 Uhr endet mein Tag. Müde und glücklich begebe ich mich in das Gästezimmer. Meine schmutzige Wäsche hab ich bereits gewaschen. Ich lege sie noch zusammen. Dann ist Schluss. Mein Akku ist leer und ich brauche Ruh …
Die ersten 3 Monate sind überschritten. Die ersten 8.000 km auch. Und ihr seid immer noch an meiner Seite: Ihr freut euch mit mir, spornt mich an und unterstützt mich durch eure Kommentare, liebevollen Gedanken und die vielen Kaffees. Danke. Und jetzt mach ich die Augen zu. Der süße Schlaf ruft.