Ich starte nach ausgiebigem Frühstück mit dem Fahrrad meine Sightseeingtour durch die Stadt. Eine der Erwähnungen war das Olympiastadion. Und so mache ich mich auf den Weg. 7 km mit dem Rad sind schnell überwunden. Aber es braucht gut eine Stunde, bis ich den Komplex umrundet habe.
Er sieht von allen Seiten monumental aus und ist wohl schon seit längerem eine riesige Baustelle. Der Erhalt des hängenden Daches verschlingt Millionen und es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, wann Montreal dieses Groschengrab durch etwas anderes, hoffentlich Nachhaltigeres ersetzt.
Ich bin mit meiner Entscheidung, einzelne Objekte der Stadt anzuschauen, nicht zufrieden. Das frisst meine knappe Zeit. Und eigentlich sehe ich nicht viel von der Stadt. So ändere ich mein Vorhaben. Alles, was ich sehe, ist absolut neu für mich. Und so entschließe ich mich, durch die Stadt zu schlendern und einfach Schönheiten zu entdecken. Ich bin sicher, nicht enttäuscht zu werden. Da ist so viel Farbe, so viel Leben in dieser Stadt. Und ich möchte es auf mich einwirken lassen.
Die Bilder bedürfen keiner weiteren Erklärung. Lasst sie einfach auf euch einwirken. Montreal ist eine bunte Stadt, in welcher tausende von Graffiti die Wände unzähliger Gebäude in allen Stadteilen verzieren und der Stadt ein ganz besonderes Flair erteilen. Und unter den Graffiti findet das Leben statt. Bunt und fröhlich und voller Aktion. Hier eine kleine Auswahl meiner Erinnerungen …
Öffentlich aufgestellte, bunte Klaviere. Kein Steinway aber funktionierend … und mitunter angekettet.
Auch in Montreal haben die Kirchen als Landmark ihre Dominanz verloren. Eingezwängt zwischen den Hochhäusern fristen sie oftmals ihr bescheidenes Dasein. Gehalten vom Glauben ihrer Mitglieder. Das einstige Gotteshaus musste weichen und der eine oder andere begrabene Körper trägt heute die ganze Last eines Wolkenkratzers.
Viele Kunstobjekte sind aufgestellt und tragen zum fröhlichen, spektakulären Gesamtbild der Stadt bei.
Wer will, kann die Stadt auf einem E-Bike erkunden. Über die ganze Stadt verteilt findet man Parkplätze, E-Bikes und Ladestationen. Und es wird reichlich Gebrauch davon gemacht. Nicht nur Touristen, auch viele Montrealer nutzen diese Möglichkeit der Fortbewegung.
Eine gut ausgebaute Infrastruktur für Radfahrer lässt kaum Wünsche offen. Zwar gibt es auch in dieser Stadt Änderungsbedarf. Aber das Grundgerüst eines funktionierenden Radwegenetzes ist vorhanden und die Akzeptanz in der Bevölkerung hoch.
Für jeden Geschmack dürfte etwas im öffentlichen Raum zu finden sein. Und Objekte manch eines Künstlers sind anderswo wohl nur gegen einen mitunter hohen Eintrittspreis zu bewundern. Vom Anfassen einmal ganz zu schweigen.
Die oben abgebildete Christ Church Cathedral steht auf dem traditionellen und nicht abgetretenen Territorium der Kanien’keha:ka (Mohawk), an einem Ort namens Tio’tia:ke (Montreal). Das ist ein Treffpunkt vieler First Nations, wie zum Beispiel der Haudenosaunee (Six Nation Confederacy), der Anishinabeg und der Algonquin.
Dabei erkennt die Kirche die Kanien’keha:ka als traditionelle Verwalter des Landes und der Gewässer von Tio’tia:ke an und respektiert sie.
Die Anerkennung ist ein Versprechen, die laufende Arbeit der Anerkennung und Versöhnung zwischen indigenen und nicht-indigenen Völkern fortzusetzen. Die Zeit wird zeigen, was daraus erwächst …
Unter der Christ-Church-Cathedral befindet sich eine beeindruckende riesige Stadt mit einem verbundenen Tunnel System von über 32 Kilometern Gesamtlänge. Seit Mitte der 60er Jahre erwächst aus der ursprünglichen Keimzelle Place-Ville-Marie eine Stadt unter der Erde. Von den Einheimischen Ville-Souterraine genannt.
Heute ist es die größte Untergrundstadt der Welt mit Bahnhöfen, U-Bahn-Stationen, Galerien, Shoppingcentern und Bürogebäuden und bietet Zehntausenden von Menschen Arbeitsplatz im Quartier. So lassen sich die kalten kanadischen Winter, die hier von November bis April die Stadt in ihrem eisigen Griff halten, gut überstehen.
Und dann sind da die unzähligen Graffiti, die das Stadtbild so prägen und mir eine große Freude bereiten:
Und mitunter setzt sich die farbige Gestaltung auf öffentlichen Flächen fort.
Und wem die Graffiti nicht gefallen, der mag vielleicht Freude haben an den kräftigen Farben mancher Hausfassaden, Fenster und Türen.
Und dann gibt es noch das bunte Leben in dieser Stadt. Irgendwo ist immer etwas los. Im Quartier Latin zum Beispiel. Unter dem Motto Cirkus easy wurde ein Straßenfest gestaltet. Zur Freude der Kinder. Mitmachaktionen oder Akrobatik zum Staunen und Lachen. Ein fröhliches Miteinander. Voller Esprit, voller Lebensfreude …
Für mich ist dabei nicht erkennbar, wer professionell arbeitet und wer die Akrobatik nur als Hobby betreibt. Circus Soleil ist schließlich in dieser Stadt zuhause. All das bereitet mir große Freude. Und an Zuschauern herrscht kein Mangel. So kommt ein jeder auf seine Kosten.
Dazwischen kleine Eisbuden und Cafés. Und das alles gut gesichert durch Straßensperren, die Polizei und weitere Helfer.
Damit endet mein Stadtrundgang. Ich hatte Rosemary und Phlippe versprochen, um 19.00 Uhr zum Dinner zuhause zu sein. Ich hab genug gesehen. Bin auch heute einige Kilometer gelaufen und noch mehr Kilometer mit dem Fahrrad durch die Stadt geradelt. Ich habe versucht, ein bisschen Stadtluft zu atmen und muss sagen: Heute tat sie mir gut.
Zuhause angekommen sehe ich mit Freuden, das ein weiterer Gast zugegen ist. Der kleine Max, 18 Monate alt und voller Energie. Zwar fremdelt er zuerst ein wenig. Fasst aber schon bald Zutrauen und kümmert sich intensiv um seine eigene, noch so neue Welt, die es zu erobern gilt.
So verbringen wir einen letzten gemeinsamen Abend. Wieder werde ich reich und mit aller Herzlichkeit bewirtet. Wieder führen wir anregende, intensive, teils sehr persönliche Gespräche. Und wieder sitzen wir bis 22 Uhr zusammen. Was für ein schöner Abend. Was für ein schöner Tagesausklang.
Diese Tage gehen zurück auf eine Begegnung in Brunswick, Maine mit Rosemary, Philippe und einem weiteren Ehepaar. Und ich danke ihnen allen für ihre Empathie und großartige Gastfreundschaft, die sie mir entgegengebracht haben.
Morgen will ich weiterfahren. Ich verspüre eine leichte Unruhe in mir, und so schön es auch war: Da liegt noch eine Menge Abenteuer und Erleben, eine Menge neuer Begegnungen vor mir. Und darauf freue ich mich sehr.
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