Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Cap-Saint-Ignace nach Québec

Heute geht es nach Quebec City. Ich lass den Tag ruhig angehen. Es sind nur noch 67 km. Und die genieße ich…

Die Landschaft hat sich seit gestern nur wenig verändert. Viel Landwirtschaft, kleine Dörfer, wenig Menschen, moderater Verkehr, der an mir vorbeifließt. Und als ständigen Begleiter den St. Lorenz Strom, der seine Farben im Laufe des Tages immer wieder ändert.

Sedimentfracht, Tiefe des Flusses, Lichteinfall und Nebenflüsse, deren klares Wasser sich schwer tut, sich mit der lehmigen Brühe des St. Lorenz Stromes zu vereinen. Und so fließen beide Ströme eine Zeitlang nebeneinander her, bis sich ihre gemeinsame Grenze auflöst und sie sich endgültig vereinen.

Um 13.00 Uhr erreiche ich Levis, einen südlichen Vorort von Québec. Die letzten Kilometer hinab zum Fähranleger auf einem gut ausgebauten, zweispurigen Radweg, der losgelöst vom Autoverkehr durch die Stadt führt.

Ich will ein Fährticket kaufen. Aber niemand ist da. Auch der Parkplatz für PKW ist verweist. Ich finde keinen Hinweis auf den aktuellen Fahrplan und die Preise. Schließlich frage ich einen Sicherheitsbediensteten, der vor dem Terminal steht und erfahre, dass heute keine Fähren verkehren. Es wird gestreikt. Und so muss ich auf die Ansicht der schönsten Seite der Stadt vom Strom aus verzichten.

Dann mache ich mich auf den Weg, die Stadt über die Québec-Brücke zu erreichen. Ein Umweg von insgesamt knapp 20 Kilometern. Übrigens zur Québec Brücke gibt es einen interessanten Wiki-Beitrag.

Und um 14.30 Uhr erreiche ich mein Ziel. Eine halbe Stunde vom Stadtzentrum entfernt, habe ich einen Gastgeber gefunden. Ich werde ihn nicht persönlich in den nächsten Tagen kennenlernen, da er zurzeit mit dem Fahrrad durch Norwegen tourt. Über die Warmshower App und Email gibt er mir alle Informationen und stellt mir für 3 Nächte seine Wohnung zur Verfügung. Was für ein Vertrauen bringt mir mein Gastgeber Kevin da entgegen.

Diese Gesten der Gastfreundschaft beeindrucken mich immer wieder. So kann ich meine Sachen in der Wohnung lassen. Das Fahrrad ist im 2. Stockwerk auf der Terasse angeschlossen. Und nach einem erfrischenden Bad mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Es ist eine alte Marotte von mir. Ich gehe zu Fuß. So präge ich mir schon bei meinem ersten Spaziergang den Heimweg ein. Das erleichtert mir die Orientierung im Stadtzentrum. Und schon nach kurzer Zeit fühle ich mich sicher.

Festival d’été de Québec. 11 Tage Musik im Herzen der Stadt. Vieles davon kann gratis besucht werden. Daneben gibt es auf unzähligen Bühnen, die im Zentrum der Stadt verteilt sind, ein ambitioniertes Programm, für das man ein Ticket kaufen muss. Wer es hat, hat Zugang zu allen Veranstaltungen auf diesen Bühnen. Für mich gibt es auch ohne Ticket so viel zu sehen. Und ich stelle hier ohne Kommentar ein paar Bilder von dieser Riesenparty ein.

Die neuen Medien finden begeisterte Anwender. Und ich bin erstaunt. Wie sie auch auf dem Festival zum Einsatz kommen. Ob digitale Wettrennen gesteuert über das Smartphone. Ob virtuelle Brillen mit ihren faszinierenden Möglichkeiten. Ob Spacefotos an die eigene Adresse. Ob künstliche Intelligenz, die mein Gesicht mit dem Körper eines Popstars verbindet und mir praktisch eine neue, virtuelle Persönlichkeit gibt. Oder einfach die Fußmassagebank, auf der kollektiv Platz genommen und genossen werden kann. Alles ist dabei.

Dann sieht man Kleinkunst in allen Variationen. Straßenmusikanten. Violinisten, klassisch schön. Kleine unbekannte Bands mit ihrem ganz eigenen Stil und Charme. Jongleur mit Freude am Experiment. Nicht perfekt dafür um so mutiger.

Eine junge Frau zeigt eine witzige Feuershow mit Hulahoop-Reifen und akrobatischen Einlagen. Witzig und sprachgewandt führt sie das begeisterte Publikum durch ihre eigene Show. Sie holt sich ihre Helfer aus dem Publikum und spricht dasselbe mutig an, ein wenig zu spenden. Sie hat hart für die Show gearbeitet. Und bekommt keine Gage. Da hilft es, wenn es ein wenig in einem überdimensionierten Klingelbeutel klingelt. Für sie hat sich der Aufwand gelohnt.

Freude pur. Jeder kommt auf seine Kosten. Kinder spielen ausgelassen in den öffentlichen Wasserspielen. Eine Freude, ihnen zuzuschauen.

Über all dem Spektakel ragt die Burg in den blauen Himmel. Seine Aufgabe hat sie längst erfüllt und dient heute als Luxusherberge. Umgeben von einer gewaltigen Festungsanlage mit Dutzenden großen und noch größeren Kanonen, die heute nur noch in den blauen Himmel zielen. Die Stadt hat unglaublich viel zu bieten. viel mehr zu bieten und mancher Ort lässt mich nur Staunen.

Unten am Ufer des St. Lorenz Stromes liegen Ausflugsdampfer neben amerikanischen und kanadischen Kriegsschiffen. Während draußen auf dem Strom Handelsschiffe mit ihrer Fracht vorbeiziehen.

Und zwischen der Burg und den Kaianlagen findet man das pralle Leben. Die Vergangenheit trifft auf die Neuzeit. Der Blick zurück auf die eigene Geschichte paart sich mit der Zukunft. Und dazwischen die lebendige, ausgelassene, lebensfrohe Gegenwart in all ihren Facetten. Was für ein Spetakel. Eine Stadt voller Geheimnisse. Die es zu entdecken gilt.

Ich bin beeindruckt von der Stadt und ihren Menschen. Dem Jubel und Trubel. Und von den eher stillen, lauschigen Parks und Plätzen, die nur darauf warten, erobert zu werden. Was für eine schöne Stadt …

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