Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Hamilton über Niagara Falls nach Thorold, Ontario

John und Michelle in Hamilton waren wundervolle Gastgeber. Der Empfang war herzlich. Von Michelles Kochkünsten bin ich begeistert. Beide haben mir viel Unterstützung für meine weitere Planung gegeben. Auch die drei Hunde, Win, Lucy und Douglas haben sich von ihrer besten Seite gezeigt. So hatte ich einen wunderschönen Abend mit tollen Gesprächen und dem wunderbaren Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Vielen Dank für alles, was ihr für mich getan habt.

Nach einem Frühstück verabschiede ich mich von Beiden. Ihre Routen-Ratschläge sind hervorragend. Und zum ersten Mal auf meiner Tour mache ich die Erfahrung, wie langweilig eine Etappe sein kann. Ich nehme die Route entlang des Südufers des Ontariosees.

Über fast die ganze Strecke radelt man entweder, wie im Bild, an der Lärmschutzwand oder ohne Lärmschutz an der stark befahrenen Interstate entlang. Kaum Strände. Noch weniger Möglichkeiten für irgend ein Freizeitvergnügen. Insgesamt eine trostlosen Strecke.

Einziger Vorteil: Man kommt schnell voran. Und das ist Heute meine Absicht. So hab ich mehr Zeit für die Orte Niagara on the Lake sowie Niagara Falls und den Weg dazwischen, entlang dem Niagara River.

Irgendwo vor Niagara on the Lake entdecke ich ein Schiffswrack. Und da ich bisher von diesem Streckenabschnitt keine Bilder habe, muss dieser rostende Schiffsrumpf dafür herhalten.

Ca. 10 km bevor ich Niagara on the Lake erreiche, ändert sich die Landschaft. Ich durchfahre Kanadas Weinanbaugebiet. Und gleichzeitig werden hier Pfirsiche und Nektarinen angebaut.

Den Verlockungen der reifen, leuchtenden Pfirsiche kann ich nicht widerstehen. Ich nehme, was der Baum abgeworfen hat. Die Pfirsiche sind unbeschädigt und nachdem ich den Staub abgewaschen habe, beiße ich herzhaft hinein. Was für ein Genuß! Das Fleisch ist weich und zuckersüß. Der Geschmack in diesem Augenblick durch nichts zu überbieten. Und wo ein Pfirisch Platz findet, da ist auch Platz für weitere reife Früchte.

Ich bin noch am Verdauen, als ein Mann auf seinem Quad auf mich zusteuert. Er fragt, ob ich Hilfe brauche, was ich verneine. Ich nenne den Grund meines Stopps und in seinem Gesicht sehe ich ein strahlendes Lachen. Dann greift er neben sich und reicht mir eine Plastikschale mit reifen Nektarinen. Ich nehme eine. More ruft er. Ich nehme eine Weitere und erneut fordert er mich auf, mehr zu nehmen.

Am Ende sind es 8 große, reife Nektarinen. Es folgt noch ein kurzes Gespräch. Er ist Saisonarbeiter, arbeitet insgesamt 8 Monate in dieser Region und fährt dann wieder heim nach Mexiko. Weiter geht die Reise hinein nach Niagara on the Lake.

Um keine Zeit zu verlieren, steuere ich in Niagara on the Lake die Touristinformation an. Ich möchte erfahren, wo im Ort alte, im viktorianischen Stil erbaute Häuser zu sehen sind. Die Dame ist sehr freundlich und händigt mir einen Plan mit allen Inns, Restaurants, Bars, und Shops aus. Und empfiehlt obendrein die Hauptstraße zu nutzen, die gleichzeitig die Shoppingmeile ist.

Ich wiederhole mein Anliegen und bekomme ein zweites Mal dieselben Erläuterungen. Möglicherweise versteht sie mich nicht. So verlasse ich die Touristinformation, fahre noch um ein paar Häuserecken, vorbei am alten Leuchtturm und mache mich dann auf den Weg entland des Niagara Rivers nach Niagara Falls.

Mein Weg führt über die Roy Terrasse. Die Nische zwischen ihr und der Eldridge Terrasse, die auf der US-Seite auf gleicher Höhe sichtbar ist, markiert den Pegel des Gletschersees Lake Iroquois (Ontariosee).

Als der Wisconsin-Gletscher vor etwa 12.000 Jahren zurückging, entstanden hier die Niagarafälle, deren Wasser nur 11 Meter (35 Fuß) über die Böschung vom kleinen Eriesee in den Lake Iroquois stürzte. 

Eine seltsame Begegnung habe ich mit diesem kleinen Kerl, der sich in meiner Nähe aufhält und keine Scheu zeigt. Er scheint nur an Futter interessiert zu sein. Bemerkenswert, wie sehr sich wilde Tiere an unsere Gegenwart gewöhnt haben.

Blick in die Niagara-Schlucht unterhalb des Whirlpool-Rapids.

Auf komfortablem Radweg geht es entlang des Niagara-Rivers. An einigen Stellen sind Aussichtsterrassen angelegt, so dass man einen etwas besseren Blick auf den Fluss hat. Nachdem ich ein großes Wasserkraftwerk passiert habe, kommt ein erstes wirkliches Highlight in Sicht. Die Whirlpool-Rapids.

Dabei handelt es sich um extrem starke Stromschnellen des Niagara-Rivers, die sich circa fünf Kilometer stromabwärts (nördlich) der Niagara-Falls befinden. An dieser Stelle macht die Niagara-River-Gorge aufgrund der geologischen Gegebenheiten des Untergrundes einen scharfen Knick von ca. 90° und zwingt den Fluss, seine Fließrichtung von Nord-West nach Nord-Ost zu ändern. An dieser Knickstelle entstand ein annähernd kreisförmiges Becken – der Niagara Whirlpool.

Die Wassertiefe in den Rapids beträgt bis zu 10,7 Meter und die Fließgeschwindigkeit bis zu 35,4 km/h. Die Whirlpool Rapids des Niagara gehören zu den wildesten, beeindruckendsten und gefährlichsten Wildwassern der Welt.

Wer möchte, kann auf der kanadischen Seite mit der Seilbahn über den Whirlpool hinweggleiten. Sicherlich ein ganz besonderes Abenteuer, auf das ich jedoch verzichte. Ich erlebe auch so schon viele schöne Abenteuer.

Schließlich erreiche ich Niagara-Falls. Und was ich erlebe, ist Beides: faszinierend und erschreckend.

Der Horseshoe-Wasserfall ist unbeschreiblich schön. Über eine Breite von 670 Metern stürzen die teilweise im Sonnenlicht in schneeweiße Gischt eingehüllten, smaragdgrünen Wassermassen 57 m in die Tiefe. Die Aussichtsterrassen gut angelegt. Die Wegführung dorthin nicht übersichtlich.

Der Rest ist eine Mischumg aus Spielkasino, Vergnügungspark und Touristenfalle. Heute bei strahlendem Sonnenschein treffe ich auf Zehntausende von Menschen, die sich entlang der Aussichtsterrassen drängen.

Hier entstehen täglich wohl Hunderttausende von Erinnerungsfotos. Trotz der Menschenmassen ist die Stimmung entspannt und ausgelassen. Und wem die Wasserfälle nicht genug sind, der geht in die Minigolfanlage, die Geisterbahn oder das Spielcasino. Dieser Ort bietet für jeden etwas.

Ganz Wagemutige besteigen ein Boot, das dich bis an das untere Ende der herabstürzenden Wassermassen fährt. Sicherlich ein ganz besonderes Erlebnis.

Über die gesamte Szenerie spannt sich an diesem späten Nachmittag ein wunderschöner Regenbogen und lässt alles noch traumhafter erscheinen.

Nach zwei Stunden sind meine Reserven aufgebraucht. Diese Menschenmassen sind mir persönlich zu viel. Der Ort selbst, eine Touristenhochburg, ist kein Platz für mich. Und so verlasse ich noch vor Sonnenuntergang Niagara-Falls und fahre hinaus aufs Land.

Auf der Allanbridge überquere ich den Welland-Kanal. Diese Brücke ist eine von mehreren vertikalen Hubbrücken mit ähnlichem Design am Welland-Kanal. Die Brücke kann angehoben werden, um eine Freiraum von 119,7 Fuß (36,5 Meter) zu schaffen.

Der Wellandkanal selbst ist ein Großschifffahrtsweg in Kanada. Er ist 43,4 km lang, 80 m breit und mindestens 8,20 m tief und verbindet den Eriesee bei Port Colborne mit dem Ontariosee in Saint Catharines. Dabei durchquert er die Niagara-Schichtstufe, wofür acht Schleusen nötig sind. Er bildet einen Teil des Sankt-Lorenz-Seewegs und dient zur Umfahrung der Niagarafälle.

Der Kanal ist für Schiffe der Seawaymax-Klasse mit einer maximalen Länge von 225,6 m und einer Höhe von max. 35,5 m ausgelegt. Die Durchfahrt dauert durchschnittlich elf Stunden.

Dann geht es weiter bis nach Thorold, Ontario, wo ich nach Sonnenuntergang endlich einen geeigneten Platz auf einer Wiese unter einem herrlichen, alten Apfelbaum finde.

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