Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Miramichi nach Pointe-Verte, New Brunswick

Um 9.00 Uhr verlasse ich Miramichi. Es ist ein sonniger Morgen. Ich habe gut geschlafen. Und fühle mich wohl. Auf dem Weg zur Interstate No. 8 komme ich an der eleganten Centenniel Bridge vorbei, die den Miramichi River überspannt. Nach ein paar Kehren bin ich auf der Interstate.

Es herrscht nicht viel Verkehr. Manchmal passiert minutenlang kein Auto. Die Spur ist sauber und fast so breit wie die eigentliche Fahrbahn. Optimale Bedingungen. Die Steigungen sehr moderat, so dass ich nur wenige Male in den ersten Gang runterschalten muss. Hinzu kommt Rückenwind. Die vergangenen beiden Tage kam der Wind immer von vorne. Heute unterstüzt mich seine Kraft sehr. So komme ich gut voran.

In den Talmulden geht es über Brücken, die gelegentlich einen herrlichen Einblick in die Landschaft rechts des Weges gewähren. Und bis zur Abzweigung ändert sich somit nichts. Ich komme gut voran.

Eine einstündige Pause tut mir gut. Ich habe Halt gemacht an einem Restaurant und gönne mir einen Kaffee. Daraus werden 3 große Becher. War es beim zweiten Becher noch eine Frage, so kam beim dritten die Dame mit der Kaffeekanne und sagte in einem bestimmenden Ton: „Du brauchst bestimmt noch einen Kaffee.“ Ein Liter Milch hat auch noch Platz.

Weiter geht’s. Links und rechts breiten sich üppige Wälder aus. Stundenlang und wunderschön.

Nur an wenigen Stellen treffe ich auf abgestorbene Bäume. Dafür gibt es mehr Elchspuren, die die Fahrbahn kreuzen. Gesehen habe ich bisher noch kein Exemplar. Aber sie sind da. Gestern, auf dem unbefestigten Teil der Beaverbrooks Road, hatte ich die gleichen Trittsiegel schon in Hülle und Fülle gesehen.

Aber trotz ihrer Größe nimmt der Wald sie auf und sie bleiben für mich versteckt.

Kurz vor Erreichen von Bathurst mündet rechts der Straße ein Fluss ins Meer. Es hat fast den Anschein, als wenn er den rettenden Ozean nicht erreicht, versperrt doch die Sandbank den direkten Weg ins Meer …

Um 15.30 Uhr erreiche ich Bathurst. Viel Charme hat die Stadt für mich leider nicht. Einige Industriebetriebe, unter anderem für die Holzindustrie und ein „Instandsetzungswerk“ für deutsche Panzer. All das sichert Arbeitsplätze in dieser Region.

Um 18.30 mache ich mich auf die Suche nach einem Lagerplatz für die Nacht. Und finde Le Cap A Joe. Leider ist auf diesem Privatgrund niemand zuhause. Sonst hätte ich gefragt, ob ich an diesem Ort nächtigen kann. Also weiter suchen. Der Streckenabschnitt von Bathurst bis Le Pointe Verte führt zwar dicht die Küste entlang, ist aber durchgängig privat bebaut.

Ein paar Grundstücke weiter treffe ich auf eine Familie, die am Strand vor einem offenen Feuer in ihren Stühlen sitzt. Ich stelle mich freundlich vor und die nächsten 1 1/2 Stunden sind wir in ein munteres Gespräch vertieft. Jean Emile und seine Frau Lorraine stellen sich freundlich vor. Und sogleich entwickelt sich ein nettes Gespräch.

Jean Emile war Genelral Constructor und ging vor einigen Jahren in den Ruhestand. Da Jean Emile nicht so gut Englisch spricht, hat seine Frau ihn im geschäftlichen Alltag jahrzehntelang unterstützt. Wieviel Liebe steckt doch in dieser Bereitschaft, neben der eigenen Arbeit und den Kindern diese Kraft aufzubringen.

Und dann sind da noch Brigitte und ihr Ehemann Christian. Und während Jean Emile mir einen Schwarzen Tee bereitet (meinen ersten seit meiner Ankunft in New York – und das mir als passioniertem Teetrinker) erzählen beide aus ihrem Leben. So vergeht die Zeit wie im Fluge.

Und dann haben sie noch die Lösung parat, die mir einen herrlichen Schlafplatz direkt am Atlantik sichert. Ein paar Regentropfen fallen. Und da ich nicht abschätzen kann, was daraus wird, verabschiede ich mich, schiebe ich mein Rad gut 100 Meter den Strand entlang und stelle mein Zelt auf. Abendessen mit Blick aufs Meer.

Es gibt Kartoffelsalat, eine frische, saftige Paprika, Tomaten und zum Nachtisch einen Apfel. Und auch die Mücken glauben, ihr Tisch sei gedeckt. Also husche ich ins sichere Zelt und lasse diesen wunderbaren Tag noch einmal Revue passieren. Es waren wieder tolle Begegnungen mit den hier lebenden Menschen, wofür ich sehr dankbar bin.

Von links: Lorraine, Jean Emile, Christian und Brigitte.

Und dann war da noch Blacky, die ganz opportun und vergeblich darauf wartete, etwas vom Müsliriegel abzubekommen. Für heute Abend waren wir fast eine Familie …

Schon weit gekommen …

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