29. Juli 2024
Ich hatte eine unruhige Nacht. Während es gestern tagsüber ruhig und beschaulich auf der Straße zuging, war die Nacht angefüllt mit Traktorenlärm. Es ist halt Erntezeit. Und so die Farmer keine Amish People oder Mennoniten sind, wird auch schon mal am Wochenende gearbeitet. Und obwohl ich gut 100 m von der Straße entfernt bin, hört es sich an, als wenn die Traktoren direkt am Zelt vorbeifahren.
Der Abschied heute morgen fällt kurz aus. Leider habe ich die Namen meiner Gastgeber der vergangenen Nacht nicht notiert. Um 9 Uhr bin ich auf dem Weg nach Tobermory. Für dort hab ich einen Übernachtungsplatz gefunden. Das Thermometer zeigt 27°C im Schatten an.
Die Straße ist meistens flach und überwiegend schnurgerade verlaufend. Der Wald ist restlos verbuscht. Die Bäume erreichen kaum große Höhen, so dass sich ihre Kronen mit dem niederen Buschwerk gut vermischen. Entlang der Straßenränder blüht überwiegend die Wegwarte und massenweise Bischoffskraut.
Da die Straße heute morgen keine sichere, asphaltierte Schulter aufweist, entschließe ich mich, auf Nebenstrecken auszuweichen.
Est geht überwiegend durch Farmland, das oftmals von Amish People oder Mennoniten bewirtschaftet wird. In der Regel befinden sich die Farmen in einem sehr guten Zustand.
Unbrauchbares Farmland wird von der Natur bewirtschaftet und in ursprünglichem Zustand gehalten. Eine Wohltat für die Tier- und Pflanzenwelt. Und immer wieder eine höchst willkommene Abwechslung in dieser zwar grünen, aber auch verarmten Landschaft mit ihren ausgedehnten Monokulturen.
Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Nordamerika sehe ich eine Herde amerikanischer Bisons auf einer Weide. Ob die Tiere für den Erhalt der Art und für die Fleischproduktion gehalten wird, vermag ich nicht zu sagen. Auf alle Fälle ein eindrucksvolles Bild, diese mächtigen Tiere grasen zu sehen.
An vielen Stellen blüht zur Zeit der Wasserdost …
Asphaltierte Nebenstraße …
Ein dezenter und doch starker Hinweis, wem das Land gehört …
Ein ebenso dezenter Hinweis, der an die Inbesitznahme des Landes durch an Farming interessierte Menschen erinnert. Das ist noch gar nicht so lange her. Als ich 1983 in Montana weilte, erzählte mir mein damaliger Gastvater, das Homesteading in Montana biz kurz vor meiner Ankunft noch möglich war.
Ein ungewohnter Anblick. Lavendelanbau im Norden der Bruce Peninsula.
Die meiste Zeit geht es heute über so benannte Sideroads und Concession Roads, die geradlinig und in regelmäßigen Abständen, einem Fischnetz gleich, auf der Bruce Penninsula angelegt sind.
Kurz vor Tobermory mache ich Halt. Die Sonne brennt, die Luft ist drückend warm. Und die kleine Backstube ein Segen. Die Auswahl beschränkt sich auf ein paar Stücke Backwaren. Kaum zu glauben, das man damit überleben kann. Aber die Kühle im Raum, die mich beim Betreten des Ladens schlagartig umgibt, ist in diesem Augenblick unbezahlbar.
Endlich erreiche ich Tobermory am nördlichen Ende der Bruce Peninsula. Ein kleiner, wohl vom Tourismus lebender Ort mit einer ganz besonderen Attraktion. Mit Glasbodenbooten kann man hinauslaufen und gesunkene Schiffe am Grunde der Küste „besichtigen“. Und wie ich sehe, ist es ein lohnendes Geschäft. Die Boote sind voller Touristen und der Preis der Attraktion angepasst hoch 54 Dollar …
20 Minuten später erreiche ich mein heutiges Ziel. Meine Gastgeberin Carolyn hat mich in ihr Cottage nahe dem Tobermory Lighthouse, am Ufer des Huron Sees/Georgian Bay eingeladen. Ich habe es morgen früh also nur zwei Kilometer bis zur Chi Cheemaun Fähre nach Manitoulin Island.
Da Carolyn nicht anwesend sein kann, übernehmen ihre Eltern die Aufgaben . Und beide sind großartig. Doug erwartet mich bereits und nach freundlicher Begrüßung weist er mir meinen Schlafplatz zu. Ein eigenes kleines Zimmer mit Etagenbett. Ich erfahre, dass noch ein weiteres Pärchen im Nebenbebäude Quartier bezogen hat.
In der Küche stehen Schalen gefüllt mit Obst: Kirschen, Weintrauben, Bananen. Alles zur Selbstbedienung. Im Kühlstank stehen vorbereitete Speisen. Und das Dessert für die Gäste hat Dana, Dougs Frau dezent zum Obst dazugestellt. Was für ein herzlicher Empfang.
Ich packe meine Sachen aus. Das Zelt muss getrocknet werden und Doug hilft mir mit Bleigewichten aus seiner Tauchausrüstung, das Zelt in Position zu bringen. Ich wasche meine Wäsche mit der Hand. Dann ziehe ich in Badehose mit Badehandtuch hinunter zum eigenen, felsigen Strand.
Hier treffe ich auf die beiden anderen Gäste, denen Doug seine Kajaks gegeben hat. Während sie hinter den flachen Felsen um die Ecke verschwinden, nehme ich in dem flachen, glatten, felsigen Ufersaum ein erfrischendes Bad. Anschließend husche ich unter die Dusche und fühle mich darauf richtig frisch, für einen kleinen Abendspaziergang.
Am Ufer entdecke ich zu meiner großen Freude Myrtenastern, etliche wunderschön violet blühende Lobelia kalmii, die hier in Rissen zwischen den Kalksteinfelsen wachsen. Außerdem die überaus attraktive rotorange leuchtende, scharlachrote Castilleje, auch als Indianerpinsel bekannt.
Interessant ist, das die Bestäubung der Blüten überwiegend durch den Rubinkehlkolibri erfolgt. Auch wenn ich diesen kleinen, nur 3 gr. wiegenden Vogel nicht zu Gesicht bekomme, verraten mir die vielen Pflanzen, dass er sich hier aufhält.
Vielleicht 150 Meter vom Chalet entfernt steht der alte Leuchtturm auf felsigem Grund und dient noch immer der Schiffahrt in diesen gefährlichen Gewässern. Doug und Dana helfen mir, online das Ticket für die Fähre zu kaufen und während des gemeinsamen Abendessens mit den anderen Gästen tauschen wir einander unsere Erfahrungen aus.
Da Carolyn, Dana und Doug über große Erfahrungen als Gastgeber verfügen, können sie auch viele spannende Geschichten erzählen. Sie haben im Laufe vieler Jahre eine große Menge hochinteressanter Menschen kennengelernt. Und es ist spannend, ihren Erzählungen über diese Begegnungen zu lauschen.
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