Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Wendake

Auf hervorragend ausgebautem Fahrradweg geht es nach Wendake, einem Reservat, der heutigen Heimat der Huronen-Nation. Es ist eine komplett von der Stadt Québec umschlosse Siedlung, in welcher sich die Nation 1697 endgültig niederließ. Früher war diese Siedlung auch als Jeune-Lorette bekannt.

Ursprünglich bestand diese Wyondat-Konföderation aus lose miteinander verbundenen Stämmen, die eine für beide Seiten verständliche Sprache sprachen. Und im August 1999 schlossen sich weitere verwandte Nationen der heutigen Konföderation an und gelobten, sich gegenseitig im Geiste des Friedens, der Verwandtschaft und der Einheit zu helfen.

In Wendake haben sie ein kleines, modernes, allen Anforderungen genügendes, wunderbares Museum errichtet, in welchem man sich über die Geschichte und Kultur der Huronen-Nation informieren kann.

Betritt man den abgedunkelten Raum, erblickte man zwischen dem Geäst blattloser Baumstämme einen riesigen Mond, der als Projektionsfläche dient und ikonografisch das Leben der Huronen in und mit der Natur durchs Jahr beleuchtet.

Unter dem Mond findet man in der runden Ausstellungshalle Vitrinen mit erläuterten Exponaten aus dem Leben der Huronen und Schautafeln an den Wänden, die wichtige Informationen zum Leben des Einzelnen und zum Zusammenleben der Nation in früheren Zeiten liefern.

In sorgfältig ausgewählten Exponaten wird das einstige Leben der Nation dargestellt. Ein wichtiger Bestandteil des Lebens war die Jagd und das Fallenstellen. Lieferte die Jagd doch Fleisch als Narung und Felle zum Schutz vor der kalten Jahreszeit. Aus Knochen wurden Werkzeuge. Wie überhaupt alles, was gebraucht wurde, der Natur entnommen war.

Kopfschmuck eines Huronen-Häuptlings mit Federn und Stickereien verziert.

Während bei europäischen Sticktechniken nur Fäden und Textilien zum Einsatz kamen, wurden bei der Wendat-Stickerei auch Stachelschweinborsten und gefärbtes Elchhaar genutzt. Traditionell wurden diese Elemente nicht nur zum Verzieren von Kleidung und Mokassins, sondern auch von Körben und Schachteln aus Birkenrinde verwendet.

Designs und Muster sind oft von der Natur oder dem Alltag inspiriert. Zu den gängigen Motiven gehören Blumen, Pflanzen, Tiere …

Die Korbflechterei hat eine jahrhundertealte Tradition. Je nach Verwendungszweck werden dabei unterschiedliche Materialien und Formen verwendet. Im 19. und 20. Jahrhundert gehörten Körbe zu den beliebtesten Artikeln.

Bei der Herstellung von Eschenkörben wird die Rinde von einem schwarzen Eschenstamm abgezogen, indem man mit der Rückseite einer Axt auf den Stamm schlägt, um die Jahresringe zu trennen, dann die losen Ringe in Stammstreifen abzieht und sie in dünnere Streifen trennt. Diese Streifen werden dann auf der rauen Seite geraspelt und in die gewünschte Breite geschnitten. Nach dem Einweichen in heißem Wasser können die Streifen zu Körben geflochten werden.

Das Akiawendrahk-Langhaus ist noch heute Mittelpunkt für traditionelle und spirituelle Rituale in Wendake. Das Haus ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass die traditionelle Kultur der Huronen noch heute sehr lebendig ist.

Für mich ist es der Ort, an dem ich am ehesten das Gefühl habe, in der Gemeinschaft willkommen zu sein. Es ist kein Museum, kein Diorama, sondern mehr ein Platz, an dem die Kultur auch heute noch gelebt wird. Ich bin beeindruckt von der Größe des Hauses und seiner Ausstattung.

Und das Besondere ist, dass dieses Haus ca. 24 Jahre unter den hiesigen klimatischen Bedingungen hält. Dann wird ein neues Haus an einem anderen Ort errichtet. So kann sich dieser Ort von der über 20 jährigen Besiedlung und Nutzung erholen und zurückkehren zu seiner eigentlichen Bestimmung: ein Stück Natur zu sein.

Es ist ein faszinierender Gang durch die Geschichte dieser Nation. Und ich erfahre viel über das mündlich über Generationen weitergegebene, medizinische Wissen. Über Frauenhaarfarn, Baldrian oder den dreiblättrigen Goldfaden. Gummi aus verschiedenen Nadelbäumen wird zur Behandlung von Lungenerkrankungen verwendet und Wiesenkerbel wird gegen Grippe eingesetzt

Über die Ernährung, die zu 85% aus Korn, Bohnen und Kürbissen (The Three Sisters) bestand. Daneben spielten Jagd, Fischen und das Sammeln von Beeren und Pflanzen eine signifikante Rolle bei der Versorgung mit Lebensmitteln, wenn auch weniger bedeutend.

Kultivierung und Anbau von Feldfrüchten werden beschrieben und die Herstellung von Kanus, Schneeschuhen, Tragebehältern aus Rinde, hölzernen Trinkgefäßen oder auch wasserdichten Behältern aus Birkenrinde.

Zuguterletzt werden auch Religion, Bildung, Tagesschulen und Internate in Trägerschaft einer religiösen Gemeinde behandelt. Das System hatte verheerende Folgen für die Kinder der First Nations: Sie wurden zur Assimilation gezwungen und viele erlitten körperlichen, psychischen und sexuellen Missbrauch.
Noch heute leben die First Nations Kanadas mit den generationsübergreifenden Nachwirkungen dieses Systems. Und es ist Zeit für Anklage, Heilung, Genesung und Versöhnung.

Tief beeindruckt verlasse ich diesen Ort, der zu seinem Schutz in traditioneller Bauweise von einem Palisadenwall aus unbehandelten Rotfichten umgeben ist. Rückseitig ist dieser viele Meter hohe Wall in einigen Metern Höhe von einem umlaufenden Gang umgeben, der es ermöglichte, diese Anlage gegen Angriffe effektiv zu verteidigen.

Viele Stunden später endet mein Besuch in Wendake. Mein Dank gilt besonders jenen Mitarbeitern des Museums, Huronen, die jederzeit meine vielen Fragen beantworteten.

Den späten Nachmittag und Abend verbringe ich nochmals in Québec. Ich packe meine Sachen. Alles ist sauber. Ein letztes Mal gibt es einen Gemüsetopf mit Zwiebeln, Zucchini, Stangensellerie und Paprika. Dazu Spaghetti. Das ist lecker, macht mich satt und gibt mir Kraft für morgen.

Ein ganz großes Dankeschön möchte ich Kevin aussprechen. Er bot mir großzügig seine Wohnung an. Während er in Europa mit dem Fahrrad unterwegs ist, durfte ich seine Wohnung als Quartier benutzen. Das gab mir die Möglichkeit, drei Tage durch Québec zu strollen. Ich habe Kevin bisher noch nie getroffen. Vielleicht werden wir uns einmal begegnen – irgendwann, irgendwo. Ich hatte wunderbare Tage in Québec.

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