Sonntag, 4. August 2024
Ich bin erst um 9.30 Uhr aufgewacht. Erschrocken springe ich aus dem Bett, husche eiligst ins Bad und komme wenige Minuten später in den Wohnbereich, wo Jan und Gary sich aufhalten. Im ersten Augenblick ist es mir unangenehm, so lange geschlafen zu haben. Aber Jan nimmt mir sofort den Wind aus den Segeln. Es ist ihre Grundeinstellung, den Gast schlafen zu lassen, so lange er will.
Nach zwei großen Bechern leckerem Morgenkaffee bin ich wach. Jan und Gary bereiten gemeinsam das Frühstück. Es ist schön mitzuerleben, wie achtsam und liebevoll beide miteinander umgehen. Großzügig lassen sie mich teilhaben an ihrem Leben.
Am Nachmittag unternehmen wir gemeinsam eine Bootsfahrt auf dem Manistique Lake. Jan und Gary sind sehr gute Beobachter und höchst interessierte Naturliebhaber. Da sie von Frühling bis zum späten Herbst am Seeufer leben und täglich draußen sind, kennen sie die Besonderheiten des Sees. Sie wissen, wo sich welche Tiere zu welcher Zeit aufhalten.
Da ist es für mich ein ganz besonderes Erlebnis, unter ihrer Führung mit dem Boot entlang der Uferlinie zu fahren und nach Weißkopf-Seeadlern Ausschau zu halten. Gary kennt ihre Brutplätze. Und so dauert es nicht lange, bis wir die ersten Weißkopf-Seeadler hoch oben im Geäst der Bäume entdecken.
Respektvoll hält Gary Abstand zu den Tieren und nähert sich nur vorsichtig und ganz langsam. Es bleibt genügend Zeit, diese Tiere, zwei Erwachsene und zwei Jungtiere, aus der Distanz zu beobachten. Ich bin zutiefst beeindruckt.
Dann nehmen wir wieder Fahrt auf und es geht über den See zu den Inseln. Auch sie sind voll von Tierleben. Insbesondere die Vögel haben sich diesen Lebensraum erobert. Hier in dieser Abgeschiedenheit können sie sich entfalten.
Im Ufersaum der ersten Insel entdecken wir einen ganzen Schwarm Merganser (Mittel-Säger). Und oben im Geäst ist ganz kurz ein fliegender Seetaucher zu sehen. Ein Weißkopf-Seeadler präsentiert sich leuchtend in der späten Nachmittagssonne. Jan hat ihre kleine Kamera dabei und macht mehrere Aufnahmen. Die schönsten Aufnahmen veröffentlicht sie auf Postkarten und verkauft sie im Vierer-Set an interessierte Gäste.
Die nächste Insel haben sich die Kormorane auserkoren. Schon von weitem erkennt man die Vögel im kahlen Geäst sterbender Bäume. In den Baumwipfeln sind ihre Nester gut zu erkennen.
Die wenigen Blätter in den unteren Etagen der Bäume ächzen unter der erstickenden Last des allgegenwärtigen Vogelkots. Was die schlapp herabhängenden Blätter nicht mehr halten können tropft zu Boden und bildet unübersehbar am Boden eine weiße, intensiv riechende Kotschicht.
Als wir näher an die Insel heranfahren, entdeckt Jan einen weißen Pelikan. Dieser scheint als Ausnahmegast schon ein paar Wochen hier zu sein und fühlt sich offensichtlich zwischen Kormoranen und Möwen wohl.
Wir lassen uns viel Zeit, die Szenerie zu bewundern. Und ich bin verwundert, wie wenig aufgeregt es unter der Vogelschar zugeht. Obwohl wir doch in ihrem Revier herumschippern.
Schließlich machen wir uns auf die Heimfahrt. Vorbei an einer weiteren Insel, die einst bewohnt, nun aber verlassen ist. Das verlassene Gebäude über und über mit weißem Vogelkot besprenkelt. Vielleicht haben die Bewohner es irgend wann aufgegeben, sich gegen diese Vogelinvasion zu stemmen. Vielleicht war es auch die Abgeschiedenheit vom Ufer der Sees, was sie zur Aufgabe zwang. Was bleibt ist ein idyllischer Ort, den sich die Natur zurückerobert.
Wieder daheim ist es Zeit für das Abendessen. Nebenbei bereitet Gary japanische Reiskuchen aus Klebreis mit leckerer, süßer Bohnen-Füllung und lässt mich teilhaben an der Herstellung dieser Kuchen. Bei meinen Kochkenntnissen eine interessante, neue Erfahrung. Später und am folgenden Tag werden wir diese Reiskuchen als kleine Zwischenmahlzeiten verspeisen.
Nach dem Abendesen verbringen wir noch eine gemeinsame Zeit im Wohnbereich. Unsere Gespräche drehen sich unter vielen anderen Themen auch um Politik. Und hier insbesondere um die anstehenden Wahlen im November. Und ich stelle fest, dass unsere politischen Ansichten über das aktuelle Geschehen sich weitestgehend decken. In dieser Atmosphäre ist es äußerst angenehm auch über kontroverse Themen zu diskutieren.
Ich erfahre ein wenig aus dem Leben der Beiden. Dabei sticht eine kleine Besonderheit hervor. Gary war einst einer der Fackelträger der olympischen Flamme auf ihrem langen Weg nach Montreal. Diese schöne Fackel ziert noch heute ihr Wohnzimmer…
Und am Ende des Tages kommen sie mir mit dem Angebot entgegen, noch einen weiteren Tag dranzuhängen. Erstens kann ich an meinem Blog weiterarbeiten. Und zweitens wird Jan zum Abendessen ein mexikanisches Gericht bereiten. Für mich ein großartiges Geschenk, das ich nur all zu gerne annehme.
Und immer wieder vielen Dank euch, die ihr mich auf meiner Reise begleitet! Das gibt mir Mut und erfreut mein Herz. Und danke euch, die ihr mir einen Kaffee spendiert. Ihr bewegt mich und es hilft mir, weiter zu petten!
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