24. Oktober 2024
Ich stehe früh auf. Howard ist bereits in der Küche und bereitet ein richtig leckeres Frühstück.
Wie schon gestern Abend kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, das Howard sehr gerne kocht. Ihm geht die Kocharbeit fließend von der Hand. Und während er das Essen bereitet, sind wir schon wieder ins Gespräch vertieft.
Nach dem Frühstück packe ich zügig meine Sachen, und nach einem herzlichen Abschied bin ich schon kurze Zeit später wieder auf der Straße.
Eigentlich hätte ich heute morgen die Stadt verlassen, da ich keinen weiteren Gastgeber gefunden habe. Gestern Abend auf dem Nachhauseweg hatte ich jedoch eine wunderbare Begegnung:
Eine Dame überholte mich mit dem Fahrrad. Und während sie vorbeiradelt, fällt wir ihr weißer Fahrradhelm auf, den eine lebensgroße, fröhliche wirkende Plastikratte ziert. Wow. Was für eine pfiffige Helmdekoration.
Und dann trete ich auch schon in die Pedalen und fahre hinter ihr her. An der nächsten Ampel hole ich sie ein und frage, ob ich ein Foto von ihr mit dem Helm auf dem Kopf machen darf. Mit einem umwerfenden Lachen strahlt sie mich an.
Für mich ist es ein unglaublich schöner Moment. Dieses Lachen, dieses offene, fröhliche Gesicht. Sie schaut mir direkt in die Augen und beschenkt mich mit ihrer klaren Antwort. Ich darf ein Foto von ihr aufnehmen.
War es erst nur der Helm, so ist es jetzt mehr. Helm und dieses freundliche Gesicht gehören einfach zusammen. Wir finden Platz am Straßenrand, wo ich ein Foto von uns beiden aufnehme. Es folgt eine kurze Unterhaltung, an deren Ende eine Einladung zu Maureen ins Haus steht. Dort kann ich bis zu drei Tagen bleiben.
Die Sympathie, die Maureen ausstrahlt, lässt mich keinen Augenblick zögern. Ich werde zu ihr fahren und noch zwei weitere Tage in San Francisco verbringen.
Da ich mit Maureen als Ankunftszeit 10.00 Uhr vereinbart hatte, kann ich mir nun Zeit lassen und Trödel meiner neuen Unterkunft gelassen entgegen.
Der Weg führt über Cayuga Street und Folsom Street, wo ich in den ersten Gang runterschalte und rückenschonend langsam den Hügel erklimme. Pünktlich um 10.00 Uhr am Morgen erreiche ich mein Ziel.
Maureen und ihr bezaubernder Ehemann Roy erwarten mich bereits. Die Begrüßung fällt außerordentlich herzlich und fröhlich aus. Schnell bringe ich alle meine Packtaschen und auch die Baumwollbeutel mit den Lebensmitteln in das Gästezimmer.
Auf meinem Tagesplan stehen ganz oben die Frontroller nebst passenden Trägern. Ansonsten möchte ich ruhen. Und so machen wir uns tagsüber lediglich zu Fuß auf den Weg zum nahegelegenen Fahrradladen. Dort finde ich zwar die Frontroller. Jedoch keine passenden Träger. So entscheide ich mich, die Frontroller erst dann zu kaufen, wenn ich sicher bin, dass der Gepäckträger auch wirklich zu den Taschen passt.
Wir verbringen den Nachmittag gemeinsam im Haus. Erst am späten Nachmittag setzte ich mich aufs Fahrrad und begleite Maureen zu einer Demonstration anlässlich eines Verkehrsunfalls, bei dem ein Fahrradfahrer unter die Räder eines LKW’s geriet und dabei tödlich verletzt wurde.
Die Fahrt dauert etwas 45 Minuten. Gegen 17.00 Uhr erreichen wir unser Ziel an der Kreuzung Parnassus Street/Stanyan Street. Wir sind die Ersten. Bereits nach wenigen Minuten hat sich ein Dutzend weiterer Demonstranten versammelt.
Dann postieren wir uns an allen vier Ecken der Kreuzung und wechseln, das Protestschild vor uns haltend, jeweils bei Grün über den Zebrastreifen zur anderen Kreuzungsseite.
Dabei gehen wir sehr langsam, was von den Autofahrern Geduld fordert. Die meisten Autofahrer nehmen während der einstündigen Demonstration Rücksicht. Mancher kommentiert aus dem Autofenster heraus wohlwollend die Protestaktion.
Trotz dieses sichtbaren Protestes gibt es jedoch Autofahrer, die die Fußgänger auf dem Fußweg ignorieren und in Bedrängnis bringen.
Ein ganz großes Kompliment an Maureen, der es mehrmals gelingt, überhebliche Autofahrer in die Schranken zu weisen. Für mich zeigt sie viel Mut und eine unglaubliche Bereitschaft, für mehr Sicherheit für Radfahrer im Straßenverkehr zu kämpfen.
Die Plakate sind bereits vorbereitet. Und jeder kann sich sein Motto aussuchen.
Einige Verkehrsteilnehmer greifen spontan zu einem Protestschild und beteiligen sich für ein paar Minuten an der Aktion. Andere bleiben etwas länger. Manch einer diskutiert am Straßenrand.
Und ein Teilnehmer wird als Trump Anhänger entlarvt, dem es nur darum geht, die Leute zu identifizieren, die sich an der Aktion beteiligen, um ihnen anschließend das Leben schwer zu machen.
Da ich schon einmal hier bin, ergreife auch ich ein Plakat und wechsle mit jeder Grünphase auf die gegenüber liegende Straßenseite. Am Anfang bin ich noch etwas nervös, da ich ja kein Anwohner bin. Das legt sich jedoch nach wenigen Minuten.
Ein radfahrender Verkehrsteilnehmer bin ich allemal. Und hier wird auch für mich und meine Sicherheit demonstriert.
Um 18:00 Uhr beenden wir unseren Protest. Maureen und eine Protestteilnehmerin schmettern noch ein lustiges Lied, bevor wir uns auf den Heimweg machen.
Als wir zuhause ankommen, ist es bereits Dunkel. Roy erwartet uns schon. Beim gemeinsamen Dinner gehen die Gespräche weiter. Dabei wird viel gelacht. Irgendwann überfällt uns die Müdigkeit. Zeit, zu Bett zu gehen.
Ich bedanke mich für den wunderschönen Tag, den mir Beide bereitet haben. Dann ziehe ich mich in mein Gästezimmer zurück und bin schon bald im Land der Träume verschwunden.
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