25. Oktober 2024
Nach einem leckeren Frühstück mit allem, was dazu gehört, mache ich mich auf den Weg zur Valencia Cyclery, einem Fahrradladen im Mission District. Dort erhalte ich die Gepäckträger und die Front-Roller. Beides ist ein Geschenk von Jens, dem ich von Herzen danke.
Mir werden die Front-Roller eine große Hilfe sein. Erstens werde ich die unhandlichen Cottonbeutel los, mit denen ich meine Verpflegung transportierte, und die immer irgendwie außen auf meinen Gepäcktaschen befestigt werden mussten.
Ständig riss ein Henkel, die Beutel baumelten vom Rad herunter oder der Inhalt kullerte auf die Straße. Also was für eine Erleichterung ich jetzt habe.
Zweitens verteilt sich das Gewicht besser auf beide Achsen, womit ich eine bessere Kontrolle über mein Rad habe.
Die Montage hat zwar gedauert. Aber sie hat sich gelohnt. Um 12.00 Uhr ist dieser Teil meines Tagesplans erledigt und ich mache mich auf den Weg, weitere Teile der Stadt zu erkunden.
Es wird mein letzter Tag in San Francisco sein. Und so nehme ich mir ein paar Orte vor, die ich bereits 1983 besucht hatte. Dabei passiere ich nochmal die Cable Cars, welche die Powell Street hinaufrumpeln. Auch hier sehe ich lange Warteschlangen voller geduldiger Menschen. Die Stimmung ist entspannt.
Manch einer, der wartet, findet Zeit für ein Tänzchen, bis er im nächsten Waggon wenn auch nur den letzten Stehplatz findet. Kurz darauf setzt sich der Cable Car in Bewegung und verschwindet nach gefühlt 15 Minuten oben am Horizont hinter der Bergkuppe.
Blick von der Kreuzung Stockton Street/California Street hinunter zur San Francisco-Oakland Bay Bridge.
TIGER-DRAGON Mural in Chinatown
The Zodiak Wall an der Jack Kerouac Alley in Chinatown.
Als nächstes fahre ich durch Chinatown. Hier hat sich viel verändert. Ich vermisse das pulsierende Leben mit seinen asiatischstämmigen Menschenmassen. Die Bürgersteige wirken leer, auch wenn sie von ein paar Touristen bevölkert werden.
Das Flair, wie ich es 1983 vorgefunden hatte, ist verschwunden. Das quirlige Leben in den kleinen Straßen, die Menschenmassen auf den Bürgersteigen, die kleinen Geschäfte, der chinesische Backshop, der chinesische Schlachter. Die knusprig golden glänzenden Pekingenten in den Auslagen. Ich kann sie nicht mehr finden.
Die chinesischen Schmuckläden mit ihren Jade- und Gold-Auslagen. Ich finde einen einzigen. Und der hat geschlossen. Dafür finde ich um so mehr typische Souvenierläden, wie man sie an jeder touristischen Meile finden kann. Die Sortimente austauschbar.
Vielleicht bin ich nur an einem falschen Tag hier. Es kommt ein wenig Wehmut auf. Aber dann sage ich mir: Jo, du warst 1983 hier und hast wunderschöne Eindrücke gesammelt, die dir für den Rest deines Lebens bleiben werden. Und damit bin ich sehr zufrieden.
Natürlich freue ich mich, wieder in San Francisco’s Chinatown zu sein. Es ist eben alles anders. Und dieses andere Chinatown versuche ich nun in wenigen Bildern einzufangen.
2024 – Das Jahr des Drachen
Mural in der Jack Kerouac Alley
Sum Dim Sum Restaurant an der Ecke California Street/Grant Street
Hellrote Laternen, die über der Grant Street aufgehängt sind, geben dem Straßenzug das chinesische Flair. Die gelbe Werbetafel mit den roten, chinesischen Schriftzeichen verstärkt den exotischen Eindruck. Sie weist auf die Jinshan, Chinese Service Co., Ltd. hin, einem Unternehmen, das vielfältige Aufgaben für die asiatischen Bürger San Franciscos übernimmt.
Dazu gehören Fragen und Unterstützung bei der Berufsausbildung, der Einbürgerung und Einwanderung, zu Studienaufenthalten im Ausland, Aufenthaltsverlängerungen, notariell beglaubigte Übersetzungen, chinesische Angelegenheiten, US-Immobilien, chinesische und US-Visa, Einwanderungsgarantie, Firmenregistrierung, Lebensmittelbescheinigung, Reisetickets, Heirat und Scheidung, Heirat zu Hause, Namensänderung, Immobilien in China.
Überspitzt formuliert ein Büro für Verwaltungsarbeiten, das insbesondere die asiatischen Bevölkerung anspricht.
Geschäftsreise in Chinatown
Von Chinatown geht es weiter zum Coit Tower. Es grüsst das Cable Car, und im Hintergrund erscheint die Transamerica Pyramid, ein 260 m hoher und 48-Stockwerke zählender Wolkenkratzer.
Schließlich erreiche ich den Coit-Tower. Ein schlichter Turm, von dessen Plattform aus man einen sehr guten Überblick über die ganze Bay-Area hat.
Vor dem Coit Tower stand 1983 eine Bronzefigur, die Christoph Columbus darstellte. Diese Statue wurde 2020 entfernt, da sie „nicht mit den Werten San Franciscos oder dem Engagement der San Francisco Arts Comission für Rassengerechtigkeit übereinstimmt“.
Dabei setzt sich die Reihe der Wandgemälde, die übrigens in Fresco-Technik ausgeführt wurden, im 1. und 2. Stock des Turmes fort.
In der Lobby des Turmes befinden sich einige interessante, großflächige Wandgemälde zu unterschiedlichen Themen. Hier eine Orangenernte.
Die Wandgemälde zeigen Californien während der Großen Depression.
Nach kurzem Aufenthalt verlasse ich den Telegraph Hill und fahre nochmals die Hafenanlagen entlang Richtung Golden Gate Park. Dabei fallen mir immer wieder die autonom fahrenden weißen Fahrzeuge von Waymo auf, die mittlerweile das Stadtbild prägen.
In einem Punkt scheinen sie die besseren Verkehrsteilnehmer zu sein: Sie befolgen mit technischer Gelassenheit strikt die Geschwindigkeis- und Verkehrsregeln. Das wiederum bringt eilige Autofahrer mitunter zur Verzweiflung.
Ich selbst habe mich in den vergangenen Tagen an die Teilnahme dieser Fahrzeuge gewöhnt und vertraue Ihnen.
Seltener sind diese Motorräder mit Beiwagen im Stadtbild zu sehen, mit denen ein Unternehmen zur Sightseeing-Tour durch die Stadt einlädt.
Nach knapp einer Stunde erreiche ich im Golden Gate Park das M. H. de Young Memorial Museum. Da meine Zeit sehr begrenzt ist, verzichte ich auf einen Besuch des Museums. Es liegt eingebettet in den Parkanlagen.
Licht und Schatten bilden hier einen ganz besonderen Reiz. Der hochmoderne, schwarze Bau steht in einem spannenden Kontrast zur umgebenden, gepflegten Natur
Schon diese Effekte ziehen mich in ihren Bann. Und ich bin nicht allein. Mancher Besucher mit professioneller Kameraausstattung versucht, den richtigen Licht-Moment an diesem Ort einzufangen.
Ich habe nur den Augenblick zur Verfügung. Aber der beschert mir in meiner Wahrnehmung durchaus interessante Momente.
Vom de Young Memorial Museum wechsle ich hinüber zum Greenhouse, einem weißen, kuppelförmigen Gewächshaus.
Es sind nur wenige Fahrminuten auf den breiten Fuß- und Radwegen des Golden Gate Parks …
… bis ich das Gewächshaus erreiche. Der Eintrittspreis ist moderat und ich kann meine neuen Vorderradtaschen an der Kasse zur Aufbewahrung hinterlegen. Dann wage ich mich hinein in das tropische Grün.
Gut 2 ½ Stunden halte ich mich auf dieser grünen Insel auf. Obwohl die Anlage nicht sehr groß ist, kann man unglaubliche Vielfalt entdecken. Und auch wenn zu den meisten Pflanzen die Beschilderung fehlt, so ändert das nichts an der Faszination, die von ihnen ausgeht.
Sumpfkrüge
Leuchtendrote Malteserkreuzblumen im Verbund mit mir unbekannten Pflanzen
Kannenpflanzen
Schon der Eingangsbereich besticht durch seine Vielfalt. Und alles, was anschließend folgt, ist noch viel schöner. Immer wieder bleibe ich staunend vor Blättern und Blüten stehen.
Nicht jede Blüte zeigt sich auf den ersten Blick – sie versteckt sich hinter üppigen Blätterwerk und will entdeckt werden. Hat man sie dann entdeckt und schaut genau, erkennt man ihre unglaubliche Schönheit.
Es ist eine Zauberwelt, in die ich eintauche, die mich die Zeit vergessen lässt …
Möglicherweise Monstera
Pitcher Plant – Kannenpflanze
Feuerpalmen
Vielleicht Aechmea
Deppea splendens – Goldene Fuchsia
Schwertfarn
Oben im Bild die ca. 40 cm Durchmesser messenden Blüten der Dracula Vampyra Orchidee. Der Gattungsname dieser Art – Dracula – bedeutet kleiner Drache und bezieht sich auf die Blüte, die einem Vampir mit Kapuze ähnelt.
Bei der unteren, etwa gleichgroßen Blüte, könnte es sich um eine Darvins Orchidee handeln.
Obwohl ich Laie bin und zu manchem Bild keine Erläuterung geben kann, möchte ich das, was mich an diesem Ort so fasziniert, mit euch teilen.
Irgendwann kommt ein netter Mitarbeiter zu mir und teilt mir mit, dass das Gewächshaus um 17.00 Uhr seine Pforten schließt. So spät ist es also schon. Und ich will auch noch in den Botanischen Garten, der gleich nebenan liegt. Leider schließt der ebenfalls um die gleiche Zeit.
Und so entschließe ich mich zur Heimfahrt. Um kurz nach 18.00 Uhr ist Sonnenuntergang. Anschließend geht es ganz schnell mit dem Hereinbrechen der Nacht.
Bereits 10 Minuten später, noch im Golden Gate Park, erreiche ich einen Musik Pavillon, der auch Spreckels Temple of Music genannt wird. Er war ein Geschenk des Zuckermagnaten Claus Spreckels an die Einwohner von San Francisco.
Hier spielt ein Band kostenlos zur Freude der zum Abend hin verbliebenen Parkbesucher …
… in einer Mischung aus leicht jazzigen, lateinamerikanischen Klängen, zu der auch getanzt werden kann. Für mich ein schönes musikalisches, rundum gelungenes Tagesende.
Es geht vorbei am Twin Peak, einer der höchsten Erhebungen der Stadt mit einer tollen Aussicht auf die Stadt und die Bay Area.
Nun geht es heim. Ein paar Meilen durch die Stadt. Dabei meistens leicht bergab …
… und wie schon in den vergangenen Tagen, so komme ich auch heute wieder an einem Pumpkin Patch vorbei. Die leuchtenden Früchte werden den ganzen November hindurch vor vielen Häusern als Dekoration zu finden sein.
Ich muss mich sputen, um nicht in die Dunkelheit zu kommen. Die Schatten kriechen bereits die Hügel hinauf.
Ein letzter Blick auf die in der Nacht versinkende Stadt, die mehr und mehr im Lichterglanz erstrahlt. Wenige Minuten später erreiche ich mein „Zuhause“. Maureen und Roy erwarten mich bereits.
Während des gemeinsamen Abendessens erzähle ich von meinen heutigen Erlebnissen. Von meiner Begeisterung für das Greenhouse, in dem ich die Zeit vergesse. Vom Spreckels Temple of Music. Vom Pumpkin Patch und von den letzten Minuten im Park oberhalb meines Quartiers mit der schönen Feierabend-Atmosphäre.
Beide sind mir bei der Planung des nächsten Tages behilflich. Am Ende des Tages zeigt mir Roy noch einen Wandteppich. Es ist sein Hochzeitsgeschenk für Maureen. Liebevoll sind die wichtigsten Stationen eingewebt:
Die Golden Gate Bridge symbolisiert den Ort San Francisco. Die Kirche zeigt den genauen Ort, wo sie in der Stadt getraut wurden. Das damalige Wohnhaus, in dem sie gemeinsam einzogen, ist am unteren Bildrand abgebildet. Ebenso die Hauskatze, die mittlerweile verstorben ist. Und natürlich das liebende Brautpaar unter goldenen Palmwedeln. Und diese Liebe und Verbundenheit ist noch heute zu spüren.
Beide haben sich ihren Platz in meinem Herzen erobert. Maureen mit ihrer offenen, fröhlichen und geradlinigen Art, ihrem Mut und ihrem Willen, sich für die guten Dinge des Lebens einzusetzen.
Roy, der mit seinem strahlenden Lachen das ganze Haus und die Menschen beseelt und dabei ständig irgendwelche Hausarbeiten erledigt. Rastlos wirkend und doch stets zufrieden.
Ihre Verbundenheit, die sich mir gegenüber auf vielfältige Art und Weise zeigt. All das macht es mir schwer, die Zelte wieder abzubrechen. Und obwohl Maureen mir einen dritten Tag zum Bleiben angeboten hatte, werde ich diesen Tag nicht in Anspruch nehmen. Morgen Abend hätte ich das gleiche Problem.
Hier hab ich mich angenommen gefühlt. Für 2 Tage boten sie mir ein warmes, sicheres, gemütliches Zuhause. Mehr als ein Gast konnte ich an ihrem Familienleben teilhaben. Sie haben mich mit Essen versorgt. Der neue Hinterradreifen wurde von Maureen bezahlt. Wir haben geneinsam demonstriert.
Wann immer ich an sie denken werde, habe ich ein Portfolio wunderbarer Erinnerungen vor meinen Augen. All das wird mich von nun an mit großer Freude begleiten. Danke für diese tollen Tage in Eurer Familie.
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