10. Oktober 2024
Ich bin früh auf. Meine Nachbarn waren noch früher auf. Sie sind bereits mit dem Auto abgefahren. Ich begebe mich mit meinem Zweirad wieder auf die legendäre, historische Route 66. Seit Flagstaff bin ich mehr oder weniger ständig auf dieser Straße unterwegs. Die erste Route 66 wurde bereits in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts angelegt.
Von dieser ersten Route 66 ist nicht mehr viel zu sehen. Ohne den Geschichtsunterricht, den mir Herr Hess, ein Anwohner erteilte, hätte ich diesen vergrasten Damm, der parallel zur Historischen Route 66 verläuft, nicht als ursprüngliche Route 66 erkennen können.
Man kann diesen Damm über etliche Kilometer folgen. Allerdings führt in der Regel über privates Land.
Und auch die Historische Route 66 führt an wenigen Stellen über privates Land. Das klärt, warum wenige Minuten nachdem ich meine Fahrt aufgenommen habe, die Asphaltfahrbahn in eine breite Schotterpiste übergeht. Ein Hinweisschild am Straßenrand weist darauf hin, dass man sich auf privatem Grund befindet.
Die erste Meile lässt es sich gut auf diesem Schotterweg fahren. Dann plötzlich ein Wechsel. Aus der festgefahrenen Schotterbahn wird plötzlich für mich eine Rutschbahn. Aus selbst für Anwohnern unerklärlichen Gründen ist auf einem Abschnitt von mehreren 100 m Gleisschotter auf dem Weg ausgeschüttet worden.
Ich schaffe es vielleicht 4 – 5 Meter auf diese groben Schotterpiste. Dann rutscht auch schon das Fahrrad weg und ich stürze zu Boden. Die Folge: Prellungen und Schürfwunden linksseitig an Ellenbogen Hüfte und Knie. Eine Weiterfahrt auf diesem Untergrund ist für mich nicht möglich.
So kehre ich zum Ausgangspunkt der Schotterpiste zurück und weiche über eine Nebenstraße in nördliche Richtung aus.
Ein Anwohner an dieser Straße klärt mich auf. Dieses Schotterstück sei nur wenige 100 m lang und er bietet mir an, mich mit meinem Fahrrad über diese Schlüsselstelle mit dem Auto hinwegzubringen.
Das Angebot nehme ich gerne an. Die nassen Schürfwunden werden im Laufe des Tages in der trockenen, warmen Luft abtrocknen.
Herr Hess bringt mich mit seinem Pickup nicht nur über die Schlüsselstelle, sondern fährt mich etwa zehn Meilen weiter zu einem sicheren Startpunkt. Nachdem ich mich bedankt und verabschiedet habe, lade ich mein Gepäck wieder aufs Rad und setze meine Reise fort.
So kann ich auf der Historischen Route 66 bleiben und muss keine Umwege in Kauf nehmen. In den nächsten Stunden radle ich durch den größten Pinienwald der USA. Je weiter ich nach Westen fahre umso schütterer mit der Wald.
Zwischen die Pinien mischen sich zunehmend Wachholderbäume. Und am Abend geht der Pinienwald endgültig in einen Wacholderwald über. Der Wacholder liebt die Sonne. Im Schatten würde es ihm nicht gut gehen. Und so hat die Natur auch für diesen Waldtyp eine Lösung gefunden: Die Wacholderbäume halten untereinander Abstand, so dass sie sich nicht gegenseitig beschatten.
Das dunkle Grün der Bäume steht im herrlichen Kontrast zum hellen, strohfarbenem Gelb des flächendeckenden, niedrigen Bewuchses.
Das der Herbst Einzug hält, ist auch an den Kürbissen zu erkennen, die viele Hauseingänge schmücken.
Und Windräder sind auch heute noch ein ständiger Begleiter in den Landschaften der USA. In der Regel fördern sie Grundwasser zutage.
Ich hatte schon einmal darüber berichtet, dass es vereinzelt künstliche Bäume in der Landschaft gibt. Jedoch konnte selbst ich das zu Anfang nicht glauben. Mittlerweile ist mir klar, das es davon viele gibt. Eigentlich fallen Sie gar nicht auf. Erst bei genauem Hinschauen entdeckt man im Geäst in den oberen Stockwerken Antennenanlagen.
Von Kunst- und Seidenblumen hatte ich bereits gehört. Mittlerweile gibt es eine ganze Fülle künstlicher Grünpflanzen. So gut hergestellt, dass man schon sehr genau schauen muss, um zu erkennen, ob sie nicht doch echt sind. Aber solche 20 m hohen künstlichen Bäume, das ist mir neu …
Ponderosa Pinienwald links und rechts der Route 66.
Kleine Lock an der Bahnstation in Williams.
Und wer kennt ihn nicht. Den Polarexpress, der von Williams aus Richtung Grand Canyon startet.
Kulisse für Cowboy-Spiele …
Ohne Worte
Vom Winde verwehtes, trockenes Buschwerk.
Es geht hinaus in die High Desert.
Der Wachholderwald.
Und hier sieht man noch Erinnerungen an die glorreichen Zeiten der Route 66.
Vieles ist schon verschwunden. Aber man findet immer noch Kleinode, die liebevoll gepflegt werden und auch heute noch vom Charme dieser vergangenen Zeiten berichten.
Oftmals kräftig in den Farben. Und überwiegend phantasievoll und witzig. Ganz im Stil des vergangenen Jahrhunderts.
Und einige Shops bieten noch heute wie vor 80 Jahren das gleiche Eis an. Die meisten haben sich den neuen Zeiten angepasst, und retten sich wirtschaftlich mit dem Verkauf von Souvenierartikeln in die heutige Zeit.
Besonders Liebhaber alter Autos werden diese Route genießen. Aber auch alle, die diese legendäre Strecke einmal abfahren möchten, werden voll auf ihre Kosten kommen.
Es ist ein Stück liebevoll gepfleger Geschichte. Nicht nur für Amerikaner.
Für mich endet dieser Tag mit einem wunderschönen Sonnenuntergang. Und vielleicht begleitet mich Herr Hess, dem ich heute so viel zu verdanken habe, noch eine Weile. Es würde mich sehr, sehr freuen.
Lieber Jochen
nun kennen wir uns fast 5 Jahrzehnte, und ich weiß von Deinen Reisen in das höchste Gebirge der Erde, dass Du gute Kondition und immense Ausdauer auf anstrengenden Wegen hast..
Aber was ich auf Deiner jetzigen Reise lese, lässt mich oft den Atem anhalten..Puh !
Grad nochmal gut gegangen…
Ich drück tüchtig die Daumen, dass es so bleibt!
Eine so fantastischwunderbarabenteuerlichspannende Reise !
Dein Traum !!!
Bleibe behütet..
Frauke
Liebe Frauke,
Ja, es ist eine phantastische Reise. Und all meine gesammelten Erfahrungen helfen mir, diese Reise gut zu überstehen. Trotzdem gibt es mitunter Situationen, die mich vor bisher nie dagewesene Herausforderung stellen. Aber das ist ja auch der ganz besondere Reiz meiner Reise. Danke, dass du mich weiterhin so liebevoll und aufmerksam auf meiner Reise begleitest.