16. Oktober 2024
Um 6.15 Uhr wache ich auf. Mein Rücken quält mich. Es fällt mir schwer, mich zu bewegen. Trotzdem fange ich an, zu packen.
Die Sonne steht noch hinter dem Horizont und es ist empfindlich kühl. Ich schätze die Temperaturen heute Morgen auf 10°C und schütze meinen schmerzenden Rücken gegen die Kälte mit einer Fleecejacke.
Einzeln schleppe ich die Packtaschen, die Lenkertasche, das Rackpack und die Taschen mit den Lebensmitteln zurückt auf die asphaltierte Straße, auf der ich gestern Abend westwärts ins Nirgendwo geradelt und am abgesperrten Minengelände der Rio Tinto Minerals gelandet war.
Zuletzt trage ich das Fahrrad zurück auf die Fahrbahn. Es ist schon komisch, das Fahrrad durch die Wüste zu tragen. Doch aus Angst vor den Dornen, die hier massenhaft gedeihen, ist es sinnvoll. Mit der Geißel im Rücken dauert es eine Weile, bis ich alle Gepäckstücke auf dem Fahrrad verzurrt habe.
Ohne zu wissen, wie ich hier rauskommen soll fahre ich los. Nach einigen 100 Metern mündet die stillgelegte Asphaltstraße in eine befahrene Straße. Und nach weiteren 200 Metern zweigt ein Zubringer zum Highway ab, auf dem das Fahrradfahren verboten ist.
Direkt an der Abzweigung zur Auffahrt steht ein Verkehrsschild mit der Aufschrift: „Pedestrians, Bicyclists and motor’driven Bicycles are prohibited!“ Ich habe dieses Schild so verinnerlicht, das mir im ersten Moment der kleine Unterschied nicht auffällt. Erst beim zweiten Hinschauen erkenne ich, dass das Wort bicycles unkenntlich gemacht wurde.
Es interessiert mich nicht, wer das gemacht hat. Ich bin einfach nur froh, dass sich mir so schnell eine Lösung bietet. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Und ich danke demjenigen, der das Wort bicycle durchgestrichen hat, für seine Weitsicht.
Zwar fluche ich über die Navisysteme, die ich verwende. Aber dann gestehe ich mir ein, dass das Navi überhaupt keine Schuld hat. Es hatte den Weg richtig angezeigt. Die Minengesellschaft Rio Tinto sollte überlegen, in solchen Fällen eine Beschilderung anzubringen, die die Wegführung um das Minengelände erleichtert.
Obwohl mein Rücken gewaltig reißt, setze ich meine Reise erleichtert fort.
Ich habe mir bei der Hundeattacke einen ordentlichen Hexenschuss zugezogen, der mich in meiner Bewegungsfreiheit erheblich einschränkt. So erreiche ich erst gegen 10.00 Uhr Mojave.
Da ich bei McDonalds keine Möglichkeit habe, mein Smartphone aufzuladen, ziehe ich weiter zu Starbucks. Hier erhalte ich die Möglichkeit. Um die Zeit zu überbrücken und wenigstens etwas zu Verzehren, bestelle ich einen Energydrink. Geschmacklich das Scheußlichste, was ich bisher in den USA zu Trinken bekommen habe.
Die Geschmacksnote ist für mich nicht definierbar. Aber wenigstens steht etwas auf dem Tisch, solange ich warte. Während dieser Zeit nutze ich die Gelegenheit, in Tehachapi einen Gastgeber zu suchen und habe Riesenglück. Bereits wenige Minuten, nachdem ich meine Nachricht rausgeschickt habe, erhalte ich Antwort. Abel meldet sich und bietet mir ein Quartier. Ich bin so glücklich über seine Nachricht.
Wegen meiner Rückenschmerzen frage ich in Mojave nach einer Möglichkeit, den öffentlichen Nahverkehr nutzen zu können. Und tatsächlich scheint das zu funktionieren. Also fahre ich zur Bushaltestelle. Dort komme ich mit einem wartenden Fahrgast ins Gespräch und erfahre, dass ich nur mit Bargeld bezahlen kann. Da ich kein Bargeld bei mir führe, fällt die Option Bus aus. Und so mache ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg nach Tehachapi.
Dann überquere ich die Bahnlinie und biege auf die Oak Creek Road ab. Sie führt mich durch einen der größten Windparks weltweit.
Annähernd 4.000 Windräder sind hier versammelt und erzeugen den Strom für Los Angeles. Während ich bergauf fahre, nimmt der Wind immer mehr zu. Und nachdem ich den Pass überschritten habe, weht er so stark, dass ich während der Bergabfahrt zeitweise in die Pedalen treten muss.
Ich bin beeindruckt von der gleichmäßigen Kraft des Windes, der hier über die Bergkuppe strömt.
Schließlich erreiche ich Tehachapi, wo mich mein Gastgeber Abel mit dem Auto abholt. Ich bin so froh und dankbar über diese gute Tat. Abel wohnt ca. 6 Kilometer den Berg hinauf. Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt noch geschafft hätte.
Am Haus in den Bergen erwarten mich bereits seine Frau Kim und der Doberman Peso. Trotz der Hundeattacke gelingt es mir, bei ihm meine Ängste abzubauen.
Während meines Aufenthaltes kann ich erleben, wie gut Abel und seine Frau Kim mit dem Dobermann umgehen. Er ist ein ganz liebenswerter Kerl und hört aufs Wort.
Ich bin ausgelaugt, müde, matt und habe starke Rückenschmerzen. Und so ziehe ich mich schon bald ins Gästezimmer zurück und lege mich zu Bett. Dankbar für die mir entgegengebrachte Freundlichkeit, Herzlichkeit und Hilfe. Jetzt brauche ich nur noch Ruhe.
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