Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Carlsbad nach San Diego, California

20. November 2024

Dieses frühe Aufstehen fällt mir schwer. Ein Leben lang habe ich es genossen, etwas später aufzustehen und dafür am Abend länger aufzubleiben. Das macht jetzt jedoch keinen Sinn. Das würde die zum Radfahren zur Verfügung stehende Zeit nur verkürzen.

Also raus aus den Federn, kurz duschen, rein in die Klamotten und Zelt abbauen. Anschließend ein leckeres Frühstück. Greg weiß, was der Radfahrer braucht. Und so landen eiweiß- und kalorienreiche Kost auf meinem Teller.

Noch ein lebhafter Plausch. Greg kennt die Route, die ich heute absolviere in- und auswendig. Er ist diese Küste zwischen Santa Barbara und San Diego wohl über 25 Mal entlang geradelt. Und ich traue ihm ohne Weiteres zu, es auch ein 26. Mal in Angriff zu nehmen.

So früh am Morgen ist es noch ein wenig dunstig und recht kühl. Ich fahre langsam.

Meine Leiste macht sich bemerkbar. Das Druckgefühl ist unangenehm und verschwindet die nächsten Stunden kaum. Gott sei Dank ist die Strecke relativ flach. Ein paar moderate Steigungen. Das war’s.

Mein Ziel ist klar: Ich muss in San Diego über die Grenze, um mein Visum zu verlängern, sonst bin ich in wenigen Tagen illegal hier.

In Encinitas komme ich an einem Temple der Self-Realization Fellowship (SRF) vorbei. Einer internationalen religiösen Organisation, die 1920 von Paramahansa Yogananda gegründet wurde, um die universellen Lehren des Kriya Yoga zu verbreiten, einer heiligen spirituellen Wissenschaft, die vor Jahrtausenden in Indien entstand.

Mein Meditationstempel ist die Natur. Sie bietet mir alles, was ich für meinen Geist und Körper brauche.

In Del Mar ist schon, wie in so vielen weiteren kleinen Küstenorten, ein üppiger Tannenbaum aufgestellt und kündigt zeitig das bevorstehende Weihnachtsfest an.

Mitunter ein wenig versteckt in den Bluffs, sieht man prächtige Wohnhäuser. Nicht alle stehen auf sicherem Grund. So manches dieser Häuser befindet sich heute in einer kritischen Lage, da die Pazifikstürme ständig an der Küste nagen.

Dieses Haus scheint auf festem Fels gebaut zu sein und bietet so seinen Bewohnern eine sorgenfreie Aussicht auf den Pazifik …

Meist sind die Strände entlang der Küste nicht breit. Dafür ziehen sie sich oftmals über viele Kilometer dahin. Der Zugang zu den Stränden ist vielerorts einzigartig. Im Grunde fährt man mit dem Auto zum Strand, parkt das Auto auf den dafür vorgesehenen Seitenstreifen und läuft die letzten paar Meter zum Strand.

Gelegentlich fahre ich am Fuße der Bluffs entlang. In diesem Bild ist sehr schön die Erosion zu erkennen, die den Steilküsten ständig zusetzt.

Dieses Lockermaterial ist auch dafür verantwortlich, dass es entlang der kalifornischen Küste immer wieder zu Erdrutschen kommt.

Eine Schlüsselstelle liegt bei Big Sur. Hier hat vor wenigen Jahren ein gewaltiger Erdrutsch die Straße mit sich in die Tiefe gerissen. Bis heute konnten die aufwendigen Reparaturarbeiten nicht abgeschlossen werden.

Schließlich erreiche ich San Diego. Auf ausgebautem Radweg geht es in die Stadt. An einigen Stellen ist die Beschilderung der Radwege sehr gut. Oftmals jedoch vermisse ich eine ausreichende Beschilderung.

Als achtgrößte Stadt ist das Verkehrsaufkommen in San Diego enorm. Und so bin ich jedes Mal froh, wenn ich irgendwo auch nur eine kleine Strecke auf einem Radweg fahren kann. Nach meinem Gefühl sind hier andere Städte schon viel weiter.

Es geht weiter auf einem Radweg die Küste entlang. Vorbei an Halbinseln, die mit ihrem Palmenbestand fast wie eine künstliche Landschaft wirken.

Vorbei an Lagunen, die von allen Seiten über einen breiten weißen Sandstrand zugänglich sind.

Viele Badegäste sind es nicht, die sich um diese Jahreszeit am weiten Strand aufhalten. Ich treffe eher auf Spaziergänger, Rollschuhfahrer, Inlineskater, Skateboardfahrer und natürlich auch Radfahrer.

Ich habe noch etwas Zeit vor dem Sonnenuntergang und so lasse ich mich treiben und genieße einfach die Zeit unten am Strand. Einzig und allein meine Leiste macht mir große Sorgen. Ich werde einen Arzt konsultieren und sehen was dabei herauskommt.

Zuerst geht es zu meinen Gastgebern Victoria und Judd, die mich herzlich empfangen. In ihrem kleinen, sichtgeschützten Garten darf ich auf künstlichem Rasen mein Zelt auf- und sogar Heringe in den Boden einschlagen.

Judd führt mich im Garten herum und zeigt mir, wo die Küchenutensilien und die Dusche sind. Ein kleiner unscheinbarer Schrank entpuppt sich als meine kleine Küche.

Hier haben meine Gastgeber neben Geschirr und Heißwasserkocher auch Bohnenkaffee, Teebeutel und Haferflocken bereitgestellt. Eine pfiffige Idee …

Die Freiluftdusche mit fließend Warm- und Kaltwasser ausgestattet befindet sich in einem anderen Teil des Gartens.

Neben Victoria und Judd gibt es noch weitere Mitbewohner. Da ist einmal Theodor, ein recht großer, 12 kg schwerer Kater. Dann gibt es einen freundlichen Hund namens Oliver. Und neben drei Hühnern und zwei Bienenvölkern tummeln sich in einem kleinen Teich etliche große Kois. Ich bin also nicht allein.

Das ist Theodor.

Victoria hat Leckeres gekocht, und ich bin zum Dinner eingeladen. Schon bald nach dem Abendessen ziehe ich mich in mein Zelt zurück. Morgen werde ich einen Arzt aufsuchen. Und dann werde ich sehen, wie es weitergeht.

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