Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Crookston, Minnesota nach Devils Lake, North Dakota

16. August.2024

Heute Morgen bin ich um 6 Uhr aufgestanden. Um 7 Uhr gab es Frühstück, das mir Phil bereitet hatte. Er brachte mir in die Veranda erstmal einen großen Becher unglaublich leckeren Kaffee. Ich weiß nicht, wie er den Kaffee zubereitet hat, aber die Crema war extrem aromatisch. Das weckte ein bisschen die Lebensgeister. Ich bin dann wenige Minuten später zu ihm in die Küche gegangen, nachdem ich mich im Bad frisch gemacht und angezogen hatte.

Gefragt, was ich zum Frühstück haben möchte, einigten wir uns auf 3 Eier, die er in der Bratpfanne zubereitete und Toastbrote. Als Reiseproviant gab es Laugenbrötchen, die ich mit Peanut Butter bestrich, weil das am Gehaltvollsten ist. Und ich habe mir eine Handvoll Backpflaumen nehmen können. Phil erzählte mir, auf seinen Touren ernähre er sich immer von Backpflaumen, Cranberrys und Rosinen als wundervolle Energiespender.

Wir haben uns heute Morgen noch ein wenig über das Kajak fahren unterhalten. Phil ist leidenschaftlicher Kajakfahrer und in seinem Eigentum befinden sich, wie gestern schon erwähnt, wohl ein Dutzend Kajaks.

Da sind hochmoderne faltbare Kajaks genauso wie Klassiker. Er hat sie zum Teil selber gebaut aus Sperrholz oder sogar aus Eichenholz, bespannt mit einer Tierhaut und sie zusätzlich mit einem wasserdichten Lack abgedichtet. Das Ganze sieht wunderschön und sehr professionell aus. Als Vorlage nimmt er Inuit Kajaks, so wie die Inuit sie bauen.

Er weiß zu jedem Kajak zu berichten, was das Besondere an dem Kajak ist und aus welcher Region es stammt. Er hat ein Kajak, welches von den Inuit auf der Westseite Grönlands verwendet wird. Er hat einen speziellen Typ Kajak, welches auf der Ostseite Grönlands von den Inuit verwendet wird.

Er hat aber auch Wildwasser-Kajaks aus dem Wettbewerbsbereich, wie sie bei den Olympischen Spielen eingesetzt werden. Und dann gibt noch ganz normale Kajaks, die wir eben auch benutzen könnten. Diese speziellen, selbstgebauten Kajaks zu sehen ist für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Ich sehe eine ganz ausgeprägte handwerkliche Kunstfertigkeit und auch ganz viel Wissen, was dort hineinfließt.

Nachdem ich mein Fahrrad gepackt hatte, haben Phil und ich uns um 7.45 Uhr voneinander verabschiedet. Vicky habe ich am Morgen nicht mehr gesehen. Sie hatte uns am Abend das Essen bereitet, wir hatten auch gemeinsam gegessen und während ich mich mit Phil unterhielt, hatte sie alleine an einem Puzzle gearbeitet.

Das finde ich ganz witzig:  Vicky kauft ein Puzzle bei Freunden für symbolische 2 Dollar und puzzelt in aller Ruhe. Wenn sie fertig ist, vermerkt sie es im Deckel des Puzzles und das Puzzle geht weiter auf die Reise. So erfüllen diese Puzzle auf Dauer ihren Zweck und erfreuen viel mehr als nur einen einzigen Menschen.

Ich fuhr also von Crookston los. Das Wetter war bescheiden und grau verhangen und wusste nicht, ob es regnen sollte oder nicht. Es hat dann nicht geregnet. Etwa ein oder anderthalb Stunden war es diesig, nieselig und danach splitterte es nur noch ein wenig. Ab 13 Uhr lockerte sich dann die Bewölkung auf und blieb so über den ganzen Nachmittag. Erst gegen 18 Uhr kam von Norden eine dunkle Regenwand herein, die einen kurzen Gewitterguss versprach.

Ich bin heute gen Westen gefahren, der Wind kam aus nördlicher Richtung, so dass ich den ganzen Tag Seitenwind hatte. Er mäanderte über die weiten Felder und über die Äcker und erwischte mich leicht von vorn. Trotzdem habe ich heute einen guten Schnitt gemacht von 30 Kilometern pro Stunde.

Die Landschaft erstreckte sich relativ gleichmäßig, weite Felder unterbrochen von leichtem Gebüsch und kleinen Baumgruppen … An wenigen Stellen gab es sogar mal ein Relief in der Landschaft mit kleinen Tälerchen.

Doch im Großen und Ganzen ist es eine weite, ganz leicht gewellte Landschaft, durch die ich heute geradelt bin. Sie hat sich über den ganzen Tag kaum geändert. Die Vegetation zum einen landwirtschaftliche Nutzflächen, insbesondere Getreideanbau. Ich habe keine Milchwirtschaft gesehen. Und dann gab es wieder riesengroße Wetlandflächen voller Schilfbestände aber ohne große Baumgruppen.

Flattened animals

Eine Besonderheit zu der Straßensituation möchte ich doch noch erwähnen. Ich habe auf der bisherigen Reise in den USA und in Kanada schon viele Wildtiere am Straßenrand gesehen. Es handelt sich immer um „flattend animals“. Das, was Straßenverkehr plattggemacht hat und was an der Straße so liegen bleibt, bekommt man als Radwanderer präsentiert.

Nicht wenige Eichhörnchen, rotfarbene oder auch fast schwarzfarbene. Da sind Murmeltiere dabei und Stinktiere. Einen Fuchs habe ich überfahren gesehen und auch Waschbären. Jede Menge Vögel, von denen ich noch nicht mal weiß, um welche Arten es sich dabei handelt.

Aber heute habe ich etwas gesehen, was ich mir nicht erklären kann. Zwischen Grand Fork und meinem heutigen Zielpunkt Devils Lake habe ich so viele Frösche einer bestimmten Art, die ich nicht kenne, gesehen. Es waren Tausende, die hier verendet sind. Ein Teil ist sicherlich angefahren oder überfahren worden. Doch auch so lagen jede Menge Frösche rum, bäuchlings, auf dem Rücken liegend oder wie auch immer, auf jeden Fall vollkommen intakt und trotzdem leblos.

Und das hat mich dann doch traurig gemacht und mir den Unterschied deutlich gezeigt zwischen einem Autofahrer, der die schöne Landschaft und auch die Tierwelt genießen kann, weil sie heil ist. Er sieht ja gar nicht, was sein Fahrzeug anrichtet und was er am Wegesrand zurücklässt. Und auf der anderen Seite bin ich als Radfahrer unterwegs und erlebe hautnah den ganzen Friedhof der Wildtiere.

Ab in die Koje

Um 19.15 Uhr habe ich dann angefangen nach einem Platz für die Übernachtung zu suchen. Zuerst habe ich ein Rastplatz Areal gesehen. Doch sie hatten es genau zwischen die Fahrbahnen gelegt, die in die jeweilige Richtung fahren, sodass ich das Gefühl hatte, wenn ich mich da irgendwo mit dem Zelt hinsetze, fährt in der Nacht permanent der Autoverkehr durch mein Zelt. Das wollte ich mir nicht antun.

So bin ich ein Stückchen weitergefahren und nach rechts in einen kleinen Weg abgebogen, an dessen Ende ich eine große Scheune sah. Umgeben von einer gemähten Wiese. Hier habe ich mein Zelt aufgeschlagen und mein Fahrrad angekettet an ein schweres Eisenstück. Ich denke, so ist es sicher. Hier werde ich jetzt die Nacht verbringen und von hier aus werde ich morgen wieder starten.

Es ist jetzt genau zwanzig Uhr. Ich liege im Zelt. Ich habe schon ein wenig gegessen und bin erschöpft. Im Laufe dieses Tages bin ich 107 Meilen mit dem Fahrrad gefahren. Mein Hintern tut ordentlich weh vom Druck des Sattels auf die Gesäßknochen. Aber ich bin zufrieden. Ich freue mich über diesen Tag, so wie er gelaufen ist.

Monsterzüge

Und während ich im Zelt liege und dieses schreibe, rauscht im Hintergrund eine Eisenbahn vorbei. Ich hatte am späten Nachmittag die Gelegenheit, einen dieser Monsterzüge zu sehen. Es sind vier Lokomotiven vorgespannt und die Wagons, die angehängt sind in ihrer Länge, so lange Züge habe ich in Deutschland seit Ewigkeiten nicht gesehen, wenn überhaupt jemals. Und anders als in Deutschland, wo an jeder Straße, wo der Zug quert, eine Schranke angebracht ist, vermisst man diese Schranken hier in den USA. Das Horn der Eisenbahn ist über einen längeren Zeitraum zu hören, welches warnt, wenn die Eisenbahnen sich den Bahnübergängen nähern.

Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, dass es ein so wunderschöner Tag wurde. Vicky und ihrem Mann Phil möchte ich ganz besonders auch dafür danken, dass sie mich gestern Abend vor dem Abendessen in ihr Gebet eingeschlossen haben. Für sie war das alles eine Selbstverständlichkeit, im christlichen Sinne zu handeln heißt für sie eben auch, anderen Menschen Hilfe anzubieten, wenn Sie Hilfe brauchen und ganz ohne zu zögern für den anderen da zu sein.

Euch danke ich, dass ihr mich begleitet und bin überwältigt und dankbar über eure Großzügigkeit, mir den ein oder anderen Kaffee zu spendieren.

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