14. Oktober 2024
Ich wache erst nach Sonnenaufgang auf. Die Nacht verlief sehr ruhig und ich konnte mich gut erholen. An der Tankstelle herrscht bereits reger Betrieb. Und so bin ich froh, als ich nach einer halben Stunde wieder auf meinem Rad sitze und in den Tag starte.
Bis Ludlow ändert sich das Antlitz der Mojave Wüste nicht. Niedriges, teils stacheliges, dorniges, staubgrünes Buschwerk auf trockenem, gelbfarbenem, steinigem Grund bestimmt das Landschaftsbild.
Am Horizont die Silhouette eines Bergzuges, der langsam an mir vorbeizieht. Kein Vogelgezwitscher mehr. Auch sonst kann ich keine Tiere entdecken. Diese Stille wird gelegentlich von dem Motorengeräusch vorbeifahrender Autos unterbrochen. Ansonsten dringt nur der Fahrtwind an mein Ohr.
Meine Haut ist trocken. Eigentlich müsste sie klatschnass sein. Aber der heiße Wüstenwind trägt meinen Schweiß sofort mit sich fort. Lediglich Salz lagert sich im Gewebe meiner Kleidung ab und bildet unansehnliche, weiße Ränder, die niemanden stören.
Was mir schwerfällt in dieser Landschaft, ist das Abschätzen der Entfernungen. Wiederholte Male habe ich mich ordentlich verschätzt. Glaubte ich in einem Fall, der anvisierte Punkt sei noch 2-3 Meilen entfernt, musste ich feststellen, dass er tatsächlich 15 Meilen entfernt war.
So nehme ich die Entfernungen wahr, ohne daraus für mich abzuleiten, wie lange es noch dauern mag, bis ich das anvisierte Ziel erreicht habe.
Gelegentlich zieht ein Güterzug scheinbar gemächlich an mir vorbei. Ich habe mir noch einmal die Mühe gemacht und durchgezählt, was da an mir vorbeizieht:
Vorne vorweg 6 Lokomotiven, die 163 Güterwagen hinter sich herziehen. Und am Ende verleihen zwei weitere riesige Lokomotiven genügend Schub, damit der ganze Stahlwurm auch über den Berg kommt.
Dabei fällt auf, dass bei Waggons, die Standard-Container transportieren können, zwei 40 Fuß-Container übereinander gestapelt werden. Güterverkehr auf Schienen hat in den USA offensichtlich eine große Bedeutung.
Am oberen Ende der Abfahrtsrampe zur Anschlussstelle 50 der Interstate 40 liegt das Ludlow Café, ein A-förmiges, modern anmutendes Gebäude mit einigen kleinen Loren vor der Tür, die früher in Minen eingesetzt wurden.
Hier scheint es gut zu florieren. Aber irgendwie ist mir dieser Ort zu übervölkert. Und so setze ich meinen Weg fort, ohne dort einen Kaffee getrunken oder einen kleinen Snack eingenommen zu haben.
Einige Zeit später erreiche ich das Bagdad Café an der Route 66. Hier wurde 1987 der Film Bagdad Café (Out of Rosenheim) gedreht.
Nach einer Filmbeschreibung war es 1987 ein heruntergekommenes Motel am National Trails Highway in Newberry Springs, in dem sich Jasmin Münchgstettner (gespielt von Marianne Sägebrecht) nach einem handfesten Streit mit ihrem Ehemann einquartiert …
In den letzten Jahrzehnten haben Besucher alles hinterlassen, was man sich vorstellen kann. Dollarnoten, Euros, Länderflaggen, Banner von Fußballmannschaften, Polizeiabzeichen usw.
All das und vieles mehr kann man bei einem Rundgang durch das Café bestaunen.
Ich hatte das Glück, Andrea Preutt anzutreffen, die dieses Café, das ursprünglich Sidewinder Café hieß, seit Jahrzehnten betreibt. Eine reizende, unglaublich freundliche und geduldige Dame, die jetzt anfängt, deutlich vergesslich zu werden.
An ihrer Seite ein Mann, dessen Outfit mehr an die Hippie Zeit erinnert und der sich liebevoll für die Fortführung des Bagdad Cafe’s einsetzt: Freundlich, aufmerksam und geschäftlich sehr bemüht.
Die große Zeit ist wohl vorüber. Und die Zahl der Gäste verringert sich seit Jahren. Trotzdem harren die beiden an diesem Ort aus und leben weiter ihren Traum …
Neben dem Bagdad Café auf der geschotterten Freifläche stehen zwei dekorierte Wohnwagen, die irgendwie an verloren gegangene Zeiten erinnern oder eine heile Welt vorgaukeln, die es hier nicht mehr gibt.
Goldfarben leuchtet das trockene Gras im Tal …
… und am Horizont verschwinden die Berge im Abenddunst. Es ist ein friedvoller Abend.
Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist ein geeignetes Quartier. Auf der Suche gelange ich schließlich auf das Gelände des Barstow-Dagget Airports.
Ein großes, offenes Tor. Die durchführende Straße in einem ungepflegten Zustand. Linkerhand eine eingezäunte, dem Verfall überlassene Wohnanlage. Alles überragt von einem dahinvegetierenden Wasserturm.
Ein paar Kurven weiter ein langgezogenes Gebäude, dessen Funktion sich mir nicht erschließt. An der Südseite schließt sich ein kleines Bürogebäude an. Daneben ein Gebäude für das Piloten-Briefing.
An der Tür des Bürogebäudes ist eine Telefonnummer vermerkt, die ich nun anrufe. Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine männliche Stimme. Ich erkläre meine Situation und man gestattet mir, mein Zelt außerhalb des umzäunten Geländes aufbauen zu dürfen. Außerdem gibt man mir den Code mit dem ich Zugang zu dem Briefing Raum erhalte, um die dortige sanitäre Anlage nutzen zu können.
Schnell ist mein Zelt hinter dem Gebäude aufgebaut. Die Nutzung der sanitären Anlage stellt für mich eine enorme Erleichterung dar. Außerdem habe ich jetzt die Möglichkeit, meine Batterien im Smartphone, Wahoo-Navi und die Powerbank aufzuladen.
Nach dem Abendessen ziehe ich mich in mein Zelt zurück und lege mich zur Ruh. An einem sicheren und wohlbeschützten Ort.
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