22 August 2024
Der kühle Morgen tut gut. Und obwohl der Wind von vorne weht, komme ich gut voran. Ich habe Zeit, mir die Landschaft anzuschauen.
Dazwischen liegen kleine Ortschaften und große Indianerreservate. Dieser Begriff hat sich bis heute gehalten. Ich soll nicht mehr von Indianern sprechen, sondern von Natives oder Indigenen oder auch First Nations. Aber diese Menschen leben immer noch in Reservaten. Das macht mich schon nachdenklich.
Parallel zur Straße führt die Eisenbahnlinie entlang. Einmal am Tag fährt ein Personenzug durch – in jede Richtung. Und tagsüber im 30-Minuten-Takt bringen Güterzüge pro Zug bis zu 140 Waggons randvoll gefüllt mit Getreide oder dem schwarzen Gold, Öl, in die Verarbeitungszentren.
Straße und Schiene folgen dem historischen Lewis und Clark Trail. Dieser erinnert an die Expedition im Jahre 1804, als Meriwether Lewis und William Clark aufbrachen, um die Pazifikküste des amerikanischen Kontinents zu erreichen.
Ich folge der Straße gen Westen und genieße einfach diese gewaltige, großartige, grenzenlose Weite in Montana.
Nur gelegentlich findet man in der Landschaft kleine Baumgruppen oder auch vereinzelt stehende Bäume. Aber nie ganze Wälder.
Hier haben sich die Amerikaner die Erde wahrlich untertan gemacht. Wo einst Prärie war, durch die gewaltige Büffelherden zogen, wächst heute Weizen, Hafer oder Roggen. Und ich frage mich, ob es in dieser Landschaft, die ich durchfahre, überhaupt noch ein ursprüngliches Stück Prärie gibt.
Dieses Bild einer unberührten Landschaft ist vergangen. Am Straßenrand, an den Bahngleisen und in der Ferne im Land: überall sieht man die Getreidesilos, die die reichen Ernten aufnehmen.
Und Im Halbstundentakt wird dieses Gold außer Landes gebracht.
Ich erreiche Glasgow, Montana. Darauf hatte ich lange hingefiebert. Doch ich glaube, ich muss etwas ausholen: Mein Sohn Moril und Florian, den ich auch schon seit Kindertagen kenne, haben mir als Reisegeschenk ein Fahrradnavi geschickt.
Doch dank Verzögerungen kam es genau 1 Tag nach meinem Abflug in die USA zuhause in Ostfriesland an. Seitdem versuchte Biggi, es mir nachzusenden. Das erwies sich als kompliziert, da ich nie lange an einem Ort verweile. Und postlagernd funktionierte nicht.
Nun hat sie einfach einen Fahrradladen ausfindig gemacht, der auf meiner Route, aber noch 1.000 Meilen entfert lag. Sie rief Nick, den Inhaber, an und fand seine großzügige Unterstützung. Ihm sandte sie das Päckchen.
Als ich endlich das lang ersehnte Geschenk in Empfang nehmen kann, bin ich glückselig. Ich denke, dass dieses kleine Wunderwerk mir das Leben leichter machen wird.
Ein ganz großes Dankeschön also an Nick Knight vom Cherry Creek Gear Shop in Glasgow dafür, dass er meiner Frau und mir auf völlig unbürokratische Art und Weise geholfen hat. Am Ende hat er noch die Halterung montiert und ein nettes Gespräch war auch noch drin. Nick tut, was er kann, um Long Distance Cyclern – und heute mir – zu helfen. Welch ein Geschenk.
Und mein Herz und mein Dank an euch Zwei, Moril und Florian. Damit habt ihr mir eine riesige Freude bereitet.
Und für die, die es immer noch nicht verstanden haben, wird auch noch eine Landkarte gezeigt.
Warum in Glasgow dieses Flugzeug ausgestellt ist, habe ich nicht recherchiert. Es wird schon seine Gründe haben. Und wer will, darf gerne googeln.
Westlich der Stadt auf einer kleinen Hügelkette am Wegesrand haben einfallsreiche Bürger sehr effektvoll einen kleinen Dinosaurierpark angelegt.
Kleiner Exkurs ins BUFFALO Land.
Die Great Plains im Osten Montanas waren die Heimat riesiger Büffelherden, bevor sie Anfang der 1880er Jahre von euroamerikanischen Jägern beinahe ausgerottet wurden. Die Tiere spielten eine zentrale Rolle im Leben der Natives. In der ‚Hundezeit‘ trieben Jäger Büffel in einen Pferch, wo sie sie töteten. Sie trieben die zotteligen Tiere auch über Klippen, sogenannte Pishkuns.
Mit der Ankunft des Pferdes im 17. Jahrhundert begannen sich die Jagdmethoden zu ändern. Die Büffeljagd wurde zu einem Sport. Für die indigene Bevölkerung war sie jedoch eine Notwendigkeit.
Dabei war die Jagd mit Pfeil und Bogen zu Pferd gefährlich und aufregend. Fettes Büffelfleisch war das Fleisch der Wahl. Frauen konservierten das Fleisch, indem sie Dörrfleisch und Pemmikan zubereiteten. Sie stellten Pemmikan aus getrocknetem und pulverisiertem Fleisch her, vermischt mit Mark, Knochenfett und Öl. Waldbeeren gaben ihm Geschmack; Die Ascorbinsäure in den Früchten wirkte als Konservierungsmittel. Pemmikan, verpackt in Hautbeuteln war praktisch unbegrenzt haltbar.
Vom Nährwert her entsprach ein Pfund Pemmikan zehn Pfund frischem Fleisch. Dieses Grundnahrungsmittel versorgte die Stämme über viele lange Winter hinweg, in denen kein frisches Fleisch verfügbar war.
Natives verwendeten gegerbte Gewänder und Rohleder für Kleidung, Tipis, Bettwäsche, Werkzeuge und Utensilien. Büffel spielten in religiösen Praktiken eine herausragende Rolle und Streitigkeiten über erstklassige Jagdgründe führten häufig zu Konflikten zwischen den Stämmen.
Insgesamt ist die Landschaft flach. Von kleineren Geländestufen und den Erosionsrinnen einmal abgesehen
Ob es zu Zeiten der Büffelherden große Wälder oder wenigstens vereinzelte, kleinere Baumbestände gab, vermag ich nicht zu beantworten. Fast alle Baumgruppen, die ich hier bisher gesehen habe, wurden von Menschen gepflanzt. Lediglich entlang der Flussufer und Creeks scheint es natürliche Waldbestände zu geben. Ansonsten alles Plains …
Weiter geht die Fahrt auf der Route 2, auch als Hi-Line bekannt, gen Westen.
Während sich die Sonne im Westen dem Horizont neigt, wirft sie ihre Strahlen über das Land. Die Schatten werden länger. Die Korn- und Stoppelfelder leuchten im Abendlicht.
Am Horizont steigen die Badlands aus den Dunstschleiern des Tages. Sie bilden heute den südlichen Rand des Urstromtales des Missouri und des Milkriver. Beide Flüsse fließen mir parallel der Straße in unendlich vielen Windungen entgegen.
Mit der untergehenden Sonne erreiche ich Hinsdale, Montana. Ein Traktor kommt mir entgegen und biegt hinter mir von der Straße in die Hofeinfahrt. Sofort mache ich kehrt und folge dem Traktor.
Auf dem Hof spreche ich den Fahrer freundlich an. Und er hat nichts dagegen, dass ich neben dem Hof auf der Wiese übernachte. Noch ein Handschlag und jeder von uns Beiden geht seines Weges, tut, was jetzt noch getan werden muss.
Schnell ist das Zelt aufgebaut, die Sachen im Zelt verstaut und ich auf dem Weg zum kleinen Supermarkt. Ich hatte tagsüber kaum Gelegenheit, preiswert Lebensmittel einzukaufen. Mit einer Tüte des Notwendigsten komme ich zurück. Preiswert war das nicht… Egal, ich bin für heute versorgt.
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