Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Iron River nach Duluth

11. Und 12. August 2024

Von Iron River nach Marenisco.

Margret hatte mich am Abend zuvor sehr gut auf die Route vorbereitet. Sie hatte für mich einen Plan ausgearbeitet und alles auf einem Stück Papier niedergeschrieben, das sie mir gab. Am nächsten Morgen habe ich also alles zusammengepackt und war schon auf der Strecke, als ich bereits im ersten Teilstück bemerkte, dass ich den Notizzettel von Margret habe liegen lassen.

Erst habe ich überlegt, umzukehren. Doch sie hatte mir so gut erklärt, wo die Hauptstationen sind, die ich erreichen muss und wo ich nach links oder rechts abbiegen muss. Das habe ich mir im Kopf aufbewahrt gehabt.

Und so bin ich an diesem Tag in den Regen hineingeradelt. Es regnete so stark, dass es keinen Sinn machte, dass Handy offen am Lenker montiert zu haben, da es bei Nässe fälschliche Angaben macht, beziehungsweise sich ganz ausschaltet. Also habe ich das Gerät in meine kleine Lenkertasche gepackt und habe mich den ganzen Tag zwar nicht blind, aber doch ohne Navigation, über die Piste bewegt.

Die Route führte mich nach Conover und weiter zum Star Lake und von nach da ging es dann schräg rüber nach Boulder Junction. Über Presque Isle bin ich zurück zur Route 2 geradelt bis nach Marenisco. Dort entdeckte ich einen kleinen Verkaufsstand, wo ich an die Tür geklopft habe.

So lernte ich Britney und McKabe Memmel kennen, auf deren Land ich in meinem Zelt übernachten kann. Ihre Gastfreundschaft ist für mich überwältigend. Schnell wird eine Pizza bereitet und eisgekühlte Getränke bereitgestellt.

Zwischen den Erwachsenen spielen die Kinder. Britney kümmert sich um Kinder und Farm. Ihr Ehemann McKabe betreibt zusätzlich eine Autoreparatur-Werkstatt. Und so bewundere ich, mit wie viel Hoffnung, Ausdauer und Freude sie an ihren Träumen hart arbeiten.

Der nächste Tag beginnt, wie der vorige geendet hat. Mit andauerndem Regen. Britney hat mich zum Frühstück um 8 Uhr eingeladen und so klopfe ich an die verschlossene Tür. Sie öffnet, schaut mich verschlafen an und wir stellen gemeinsam fest, dass mein Smartphone hier an der Zeitgrenze die falsche Zeit anzeigt. Das ist mir so peinlich, ich habe sie um 7 aus dem Bett geholt.

Während ich im Smartphone die korrekte Zeitfunktion aktiviere, ist Britney verschwunden, um mein Frühstück zu bereiten. Eier, Toastbrot und leckeren Kaffee. In einem Augenblick nachlassenden Regens, packe ich meine Sachen Als ich starte, setzt erneut der Regen ein.

Ich bin ein wenig frustriert wegen des schlechten Wetters, aber das gehört nun einmal dazu und so lasse ich mich letztendlich von diesem Unbill nicht aus der Ruhe bringen.

Der erste Ort, den ich erreiche an diesem Morgen ist Bessemer. Sie haben eine riesengroße Skulptur aufgestellt. Sie weist darauf hin, das es sich beim Big Powderhorn um einen Ski-Ressort handelt. Im Winter muss hier also ziemlich viel leben sein. Nicht so einsam wie an diesem regnerischen Tag.

Es hat etwas aufgehört zu regnen, aber es ist immer noch stark grau verhangen. Ich weiß nicht, wie es wird, doch ich selber fahre weiter und so ändert sich ganz, ganz langsam auch das Wetter.

Einige Zeit später erreiche ich den Ort Ashland. Eingangs ein großes Haus mit einer Blockhauskonstruktion und einer großen Leuchtreklame vor der Haustür, die darauf hinweist, dass sich gerade das Bad River Indien Casino passiere. Ich bewege mich hier teilweise durch Indianerreservate. Die First Nations verdienen mit dem Casino ihr Geld. Ich habe schon schönere, glanzvollere Kasinos gesehen.

Was beeindruckend ist, ist dass es sich bei diesem größeren Komplex komplett um ein Blockhaus handelt in der traditionellen Bauweise des 19. Jahrhunderts, aus massiven Balken gebaut. Von außen ist es dunkelrot angestrichen. Das alles ist ziemlich verwittert und wirkt dadurch heruntergekommen.

Unter einem Kasino hätte ich mir etwas anderes vorgestellt. Aber ich bin nicht drin gewesen und kann deswegen nicht sagen, wie es innen ausschaut. Häufig ist es ja so bei alten Häusern, dass sie innen durchaus gut renoviert und restauriert sind und in Glanz und Gloria erstrahlen.

Weiter geht es auf der Straße an Ashland vorbei. Ich komme an der an der Küstenlinie vorbei, Ashland liegt an einem großen See. An diesem Sandstrand befindet sich eine kleine Konstruktion, eine kleine überdachte Stelle mit einem Brunnen, bei dem es sich um einen arthesischen Brunnen handelt.

Ich bin noch nicht ganz aus Ashland raus, da bemerke ich, dass es Zeit ist, mir einen Platz für die Nacht zu suchen. Also frage ich bei einem Farmer nach, ob ich mein Zelt bei ihm auf dem Grund aufschlagen kann, doch er verneint. Es macht ihm keine guten Gefühle, wenn ein Fremder auf seinem Grundstück verweilt, vor allen Dingen in der Nähe und Reichweite seines Hauses.

Ich akzeptiere es, fahre zurück auf die Straße, und fahre auf seinen Rat hin etwa tausend Meter weiter. Dort blicke ich auf die andere Straßenseite und sehe im Hintergrund ein Picknick-Areal, von dem ich nicht weiß, ob es privat betrieben wird, weil davor an der Straße eine kleine Bar ist. Es sieht so aus, als ob diese die Anlage betreibt.

Ich gehe also in die Bar hinein, warte bis der Barkeeper mich anspricht, ein Hühne von einem Mann mit einem ganz freundlichen Gesicht. Es ist die Pagac’s Bar. Sie ist erstaunlich gut besucht. In der spärlichen Beleuchtung entdecke ich einen ganzen Haufen von Gästen an der Theke und den Tischen hinter mir.

Nachdem ich ihm vorgetragen habe, was ich möchte, willigte er selbstverständlich ein und freut sich, dass ich ihn gefragt habe. Und ich freue mich, dass ich einen Platz habe, an dem ich Abendessen und mein Zelt aufschlagen kann.

Es ist bereits sehr spät, der Himmel leuchtet in der untergehenden Sonne noch einmal auf und mittlerweile hat sich an einer großen Werbereklame das Licht eingeschaltet und beleuchtet ein wenig meinen Campingplatz.

Ich bin früh wach, die Sonne erscheint am Horizont. Ich warte die ab, bis mein Zelt getrocknet ist und kann ein trockenes Zelt einpacken. Dann begebe ich mich rüber zu der Bar und klopfe an die Tür. Die Bar ist bereits geöffnet und ich treffe auf den Barkeeper von gestern Abend. Er stellt mich seiner Mutter vor, die die Bar immer noch managed. Er selbt ist wohl der Barkeeper.

Ich danke ihm für die Möglichkeit, hinter der Bar übernachtet zu haben. Er freut sich und gibt mir noch einen Kugelschreiber und zwei klitzekleine LED-Taschenlampen mit auf dem Weg, die ich dankend annehme.

Dann verabschiede ich mich auch schon und bin wieder auf der Straße. Ich werde heute wenig fotografieren, weil ich schnell vorankommen will. Ich möchte endlich Duluth erreichen.

Von Ashland nach Duluth

Ich habe jetzt den letzten Streckenabschnitt nach Duluth vor mir. Vorbei geht es an typischen amerikanischen Kleinstädten, die sich alle nicht großartig voneinander unterscheiden.

Am Wegesrand entdecke ich einen Verkaufsstand mit jeder Menge geschnitzten Tieren aus der Natur in Überlebensgröße. Als ich mich dieser Anlage nähere und mich umschaue und die Kamera zücke, um Fotos zu machen, kommt auch schon einer der Handwerker zu mir und spricht mich an. Er heißt Justin Howland.

Wir unterhalten uns eine Weile und er erzählt mir, dass der dunkle Bär, von dem ich ein Foto gemacht habe, der Originalgröße entspricht. Er erzählt, dass er seit über 25 Jahren diese Tiere entstehen lässt. Und dass der Bär in drei Tagen Arbeit von ihm hergestellt worden ist und ihm einen Verkaufserlös von zweieinhalb Tausend Dollar bringen soll.

Ich bin beeindruckt davon, wie er das alles mit diesen groben Maschinen hinbekommt und wie naturgetreu die Tiere dargestellt sind.

Ich passiere Marquette. Dort fällt mir eine gewaltige Konstruktion auf, das Iron Ore Dock, eine Verladestation für die Pellets, die in den Erzfabriken hier hergestellt werden und aus denen dann später alle möglichen Dinge aus Eisen hergestellt werden.

Diese Konstruktion ist mehrere hundert Meter lang, an die dreißig Meter hoch und auch zwanzig Meter breit. Bei diesen Verladestationen handelt es sich im Grunde genommen um eine Bahnstrecke, auf der die Eisenbahn bis an das Ende durchfährt. Dann können die Waggons einer nach dem anderen oder auch zeitgleich geöffnet werden und der Inhalt der Waggons fällt durch die Gleise in die darunterliegenden Schütten, die über schiefe Ebenen das Erz seitwärts auswerfen können.

Dort werden die Schotten geöffnet und das Erz kann dann der Schwerkraft folgend in das Schiff, das seitwärts an das Dock angelegt hat, runterfallen. Dabei muss lediglich darauf geachtet werden, dass es zu einer gleichmäßigen Beladung des Schiffes kommt, damit das Schiff nicht in eine gefährliche Schieflage gerät.

Natürlich bin ich beeindruckt über diese Konstruktion und wie gut das alles durchdacht ist. Die Beladung eines ganzen Schiffes mit 40 – 50.000 Bruttoregistertonnen ist in 3 – 4 Stunden abgeschlossen. Dann kann das Schiff schon wieder ablegen mit dieser Last und zu den großen eisenverarbeitenden Fabriken in St. Sault Marie rüberfahren.

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass ich über diese Konstruktion bereits einmal berichtet habe. Diese Verwechslung entstand zum einen dadurch, dass es den Ortsnamen Iron River zweimal gibt. Zum anderen dadurch, dass ich mit dem Schreiben des Blogs in Rückstand war. Freut Euch an den Bildern. Ich werde diesen Fauxpas nicht auflösen, ihr möget mir verzeihen.

Auf dem Osaugie Trail, der am Ufer des Lake Superior entlang führt, passiere ich Superior. Jetzt geht es noch über die Richard I. Bong Memorial Bridge hinein nach Duluth.

Von der Brücke hat man einen wunderbaren Blick auf den Saint Louis River und die Grassy Point Swing Bridge, eine Eisenbahnbrücke, die beide Seiten des gewaltigen Flusses miteinander verbindet. Eine Stunde später habe ich mein Ziel erreicht. Sara und Shaun erwarten mich schon zum Dinner.

Ihre ganze Familie ist eingeladen und so lerne ich neben Sara und ihrem Mann Shaun auch noch die Kinder kennen. Da ist zum einen Connor, das ist wohl der älteste Sohn. Dann ist da noch Mercedes, sie ist die jüngste Tochter. Und es gibt noch eine weitere Tochter, ich glaube, sie heißt Margit, die mit einem Daniel zusammen ist. Alle sind da und es entsteht eine lebhafte Unterhaltung bei dem gemeinsamen Dinner draußen im Garten.

Natürlich sind sie interessiert daran, woher ich komme, wo ich langgeradelt bin und sie wollen wissen, wie es zu meiner Reise gekommen ist. Und natürlich, wie es weitergehen soll. So wird es zu keinem Zeitpunkt langweilig.

Sara und Shaun sind ganz liebenswerte Gastgeber. Sie haben mir in ihrem Haus unten im Souterrain einen Raum angeboten, wo es ganz still ist und wo ich die Nacht verbringen kann. Und sie sind auch so freundlich gewesen und haben mir einen weiteren Tag gewehrt, an dem ich bei ihnen im Haus bleiben kann. Ich möchte an meinem Blog weiterschreiben. Das ist von unterwegs aus immer etwas schwierig.

Shaun hatte mir noch für den nächsten Abend angeboten, mit Ihnen eine gemeinsame Kanutour zu unternehmen, auf der wir unter anderem dann auch Forellen angeln können. Schweren Herzens habe ich diesen Vorschlag abgelehnt, weil ich mir vorgenommen hatte, am Tag darauf an meinem Blog zu arbeiten und ihn upzudaten.

So ist dieser Teil der Reise von mir anders verplant gewesen, als Shaun es mir vorgeschlagen hat. Einerseits bedauerlich aber andererseit bin ich froh, dass ich die Zeit nutzen kann, um den Blog voranzutreiben. Meine Gastgeber sind während zeitweise nicht zu Hause und ich hatte wirklich in absoluter Ruhe Zeit.

Auch hier, wie so oft, die außerordentlich großzügige Gastfreundschaft, die ich genieße. Die mich jeden Tag aufs Neue begeistert. Auch wenn es mich ein wenig ratlos zurücklässt, weil ich nicht weiß, was ich dieser Gastfreundschaft gegensetzen kann.

Und dann denke ich: Jochen, Du musst dem gar nichts entgegensetzen. Es ist ihre Freundlichkeit und Großzügigkeit, die sie Dir zeigen und Du darfst sie annehmen. Und ich nehme sie an und ich bin glücklich, dass ich immer wieder, jeden Tag, diese Erlebnisse habe.

Und so danke ich jedem Gastgeber. Und heute danke ich Shaun und Sara dafür, dass sie mich aufgenommen, dass sie mir zwei Tage ein Quartier angeboten, dass sie mir Lebensmittel zur Verfügung gestellt und das Leben mit mir geteilt haben. Schöner kann es eigentlich auf eine Reise gar nicht laufen.

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