Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Jackson, Wyoming nach Wayan, Idaho

8. September 2024

Heute morgen lasse ich es ganz langsam angehen. Die Nacht war ruhig. Gegen 7.00 Uhr sind es noch 5° C. Schon eine Stunde später ist die Temperatur um einige Grade gestiegen. Bis auf das Zelt packe ich alle Sachen zusammen. Da ich das Zelt im Schatten eines Apfelbaumes aufgebaut habe, dauert es mit dem Trocknen etwas länger.

Ich habe mit Geneva vereinbart, dass ich gegen 9.00 Uhr zum Frühstücken ins Haus komme. Dort herrscht bereits reger Betrieb. Wie schon in den vergangenen Tagen brauche ich auch heute morgen nicht mitzuhelfen. Ich darf mich ganz als Gast fühlen.

Im Gespräch mit Geneva komme ich noch einmal auf die häufig gebrauchte Redewendung „Help yourself“ zu sprechen und meine Schwierigkeiten, diese Worte richtig zu deuten.

Nicht jeder Gastgeber mag es, wenn man in seiner Küche herumwirtschaftet. Nicht jeder Gastgeber möchte, dass ich als Gast das Bett abziehe. Und wie die Dusche behandelt werden sollte (ich möchte immer alles tip top hinterlassen), darüber gehen die Meinungen auch weit auseinander. Es gibt keine universelle Anwendbarkeit.

Also ist es jedes Mal eine neue Aufgabe herauszufinden, was mir der Gastgeber mit diesen Worten sagen will. Jeder hat sein eigenes System. Mal passt mein Verhalten in dieses System wunderbar hinein. Ein andermal liege ich daneben. Meine Zurückhaltung hilft mir, solche Situationen besser einzuschätzen.

Zum Abschied überreicht mir Geneva noch ein Lunch-Paket. Schnell ist das mittlerweile trockene Zelt eingepackt und verstaut. Noch ein Abschiedsfoto und eine warmherzige Umarmung. Und dann bin ich auch schon wieder auf der Straße.

Dank Genevas genauer Ortsbeschreibung finde ich mich in Jackson super zurecht. Ich komme an den empfohlenen Märkten vorbei, wo ich noch ein wenig einkaufe. Und um zwölf Uhr verlasse ich dann endgültig die Stadt. Auf einem ausgebauten Fahrradweg, der sich neben dem Highway durch die Landschaft windet, komme ich gut voran.

Der Fahrradweg windet sich durch das Tal des Snake-Rivers. Da ich in Fließrichtung des Flusses fahre, geht es die nächsten 40 Kilometer bergab. Ich bin so gut ausgeruht, das ich den Abschied von Jackson in vollen Zügen genießen kann. Ich habe nicht einmal große Lust zum Fotografieren. Ich genieße einfach nur die Landschaft für mich.

Und immer wieder kommen mir Gedanken zu meiner letzten Gastgeberin. Ihre Fürsorge und Gastfreundschaft waren für mich beispiellos. Und der Weg, den ich gehe, die Art und Weise, zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, dass ich als Reisender, als Fremder, als Unbekannter auf meine Gastgeber zugehe und ihnen zeige, wer ich bin und was ich tue. Ich kann nicht erwarten, dass die Gastgeber von sich aus auf mich zukommen wohlwissend, was ich jetzt gerade brauche.

So fliegen die Stunden dahin. Stumm zieht die Landschaft an mir vorbei.

Am späten Nachmittag treiben mich Regenwolken voran. Kommen näher. Aber erreichen mich nicht. Ich komme durch kleine, verlassene Ortschaften, Alpine, Etna, und lande bei Sonnenuntergang in dem kleinsten aller Orte an diesem Tag, in Wayan.

Etwa 200 Meter von der Straße entfernt fahre ich in die Einfahrt einer Farm. Der Hausbesitzer steht auf dem Hof und wir kommen ins Gespräch. Nachdem ich mich vorgestellt habe, schlägt er mir einen Platz vor, wo ich mein Zelt aufschlagen kann. Ich bin so froh, denn die Sonne verschwindet schon hinter dem Horizont und bald wird es Dunkel sein.

Mein Gastgeber heißt Bryce. Wie ich erfahre, ist er in der Verwaltung der Stadt Soda Springs tätig. Ich darf bei ihm die Dusche benutzen, was jedes Mal ein Highlight für mich ist. Bryce stellt mich zuerst seiner Ehefrau Shawney vor, die noch an den Folgen einer Knieoperation laboriert. Den Abend verbringen wir gemeinsam in ihrem Wohnzimmer.

Ich erzähle von meinen Reisen. Aber auch davon, wie viel Hilfe es mir bedeutet, wenn meine Hosts sich mit mir hinsetzen und für die nächsten Tage den weiteren Verlauf meiner Reise mit mir gestalten.

Und in dieser Hinsicht ist Bryce unschlagbar. Er füttert mich fortwährend mit Informationen, macht Vorschläge über die nächsten zwei Tage hinaus und liefert mir eine Fülle neuer Ideen, die bis zum Copper Canyon in Mexiko reichen. Was für eine Bereicherung! Was für ein Geschenk für mich, das Bryce mir da bereitet. Und das Schöne daran ist, dass er all diese Orte selbst bereist hat.

Im Wohnzimmer entdecke ich in einem Bilderrahmen eine kleine Kollektion von Pfeilspitzen aus Obsidian indianischer Herkunft, die mich begeistern. So schöne Objekte hatte ich bisher nie gesehen. Alle Pfeilspitzen in einem tadellosen Zustand und in liebevoller Anordnung wunderbar in Szene gesetzt.

Bryce erzählt mir, dass sein Großvater von Kindertagen an eine Leidenschaft für diese Artefakte entwickelt hat, die bis zu seinem Ableben anhielt. Und dann erzählt er mir, das sich in dem Nachlass seines Großvaters über 6.000 komplette, unbeschädigte Pfeispitzen, Messerklingen, Speerspitzen Bohrer, Ahlen und andere Gerätschaften aus Stein befinden.

Obwohl diese Sammlung dass Interesse der Smithsonian Institution und weiterer namhafter Forschungseinrichtungen erweckte, war es der Wunsch des Großvaters, diese Sammlung lokal zu erhalten. Sie befindet sich heute im Courthouse in Soda Springs und ist öffentlich zugänglich. Somit steht mein Entschluss für den folgenden Tag fest: ich werde das Courthouse in Soda Springs aufsuchen. Mit diesem Geschenk hatte ich nicht gerechnet.

Nun habe ich die ganze Zeit von Bryce berichtet. Aber an den Planungen war auch seine Ehefrau Shawney beteiligt. Und so bedanke ich mich bei Beiden für diese wunderbare Gastfreundschaft und den tollen Abend.

Mein Dank geht aber auch an Euch. Für Euch schreibe ich diesen Blog. Ich freue mich über Eure Begleitung. Wie viele Menschen lesen mittlerweile diesen Blog, von denen ich gar nichts weiß. Lasst mir doch einen Kommentar da. Es ist mein Wunsch, dass Ihr Freude daran habt. Und immer erfreuen mich Eure Kaffees. Vielen Dank! Ich radle derweil weiter.

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