24. August 2024
In der Nacht hat es ordentlich gestürmt und gekracht. Ich habe diesen Gewittersturm ohne irgendwelche Schäden überstanden. Das Einzige, was am Morgen an diesen Sturm erinnert, ist die nasse Zelthülle. Selbst das Gras ist bereits trocken, als ich um 7.30 Uhr aufstehe. Mit Waschzeug und Handtuch geht es hinüber zu den sanitären Anlagen.
Anschließend unternehme ich einen erneuten Versuch, das Fahrrad zu flicken. Dabei bemerke ich einmal mehr, das eine der beiden Hutmuttern, welche die Hinterradachse halten, kein Gewinde mehr hat. Die Luft im Schlauch scheint diesmal zu halten. Der alte Mantel kommt wieder zum Einsatz. Das große Loch im Mantel hinterlege ich mehrfach mit Gummistücken, die ich aus einem anderen, häufig geflickten und nun unbrauchbar gewordenen Schlauch, herausgeschnitten habe.
Da sich bis jetzt der Polizist nicht mehr gemeldet hat, fahre ich los. Der Wind hat sich gedreht und weht mir ins Gesicht. So komme ich an diesem kühlen Morgen nur langsam mit einer Geschwindigkeit von fünf bis acht Meilen pro Stunde voran. Das stört nicht weiter, da ich wegen der nur einseitig befestigten Achse
ohnehin sehr vorsichtig fahre.
Ich hatte noch überlegt, ob ich die intakte Hutmutter von der linken Seite, wo die Bremse liegt auf die rechte Seite mit dem Antrieb verlagere. Da mir in dieser Situation eine intakte Bremse wichtiger ist als ein sehr gut funktionierender Antrieb, bleibt die Hutmutter, wo sie ist.
Die Sicht an diesem Morgen ist getrübt. Ein leichter Dunstschleier liegt über dem Land. In Kanada scheinen die Waldbrände immer noch zu wüten und der Rauch legt sich wie ein weicher Schleier über das Land. Dadurch wirkt die helle Landschaft noch verzauberter, noch entrückter.
Über mir strahlt der blaue Himmel und in den Tälern und Senken wabern die weißgräulich leuchtenden Rauchschwaden aus Kanada.
Immer wieder kommen mir an diesem Morgen Schwertransporte mit Überbreite entgegen oder überholen mich. Manchmal fahren sie in Kolonnen. Manchmal ohne Begleitfahrzeug. Und fast immer nehmen sie die Schultern der Straße in Anspruch. Wie das ausschaut, wenn sich zwei Over Size Fahrzeuge begegnen, habe ich bisher nicht mitbekommen. Nur so viel ist klar: für mich ist dann kein Platz mehr auf der Straße …
Ich überquere den Milk River, der mit seinen grün leuchtenden Ufern einen lebhaften Kontrast zu goldgelben Prärie bildet. In zahllosen Schleifen windet er sich neben der Route 2 durch das Land und ist verantwortlich für das verstärkte Aufkommen von Moskitos.
In Dodson suche ich eine Tankstelle. Was so aussieht, grüßt mit dem Schild: ‚No Trespassing‘. Also kein Frühstück. Für die 21 Kilometer habe ich knapp drei Stunden gebraucht. Kurz hinter Dodson, MT ist dann endgültig Schluss. Der Reifen und ich sind platt. Mein Gastgeber in Zurich hat sich noch immer nicht gemeldet. Und so gehe ich davon aus, dass er möglicherweise selber im Urlaub ist. Nun heißt es schieben. Und wann immer ein Auto vorbeikommt: Daumen raus!
Die ersten anderthalb Meilen tut sich nichts.
Dann hält ein Fahrzeug an. Sie konnten mich nicht mitnehmen, aber nachdem ich dem Fahrer geschildert hatte, was am Fahrrad kaputt ist, hat er mit einem Draht die ungesicherte Seite der Hinterradachse zusätzlich gesichert. Das sollte für eine vorsichtige Weiterfahrt bis Havre ausreichen. Zusätzlich füllten sie meine Wasservorräte auf, wohlwissend, das es für mehrere Stunden dazu keine Gelegenheit geben wird.
Dann habe ich großes Glück. Arlene hält mit ihrem Pickup-Truck an und steigt mit einem strahlenden Lachen aus dem Wagen. Sie bietet mir an, mich bis Harlem, das in ca 24 Kilometern liegt, mitzunehmen. Erfreut, nehme ich das Angebot an. Da muss ich halt von Harlem, Montana schauen, wie ich nach Havre komme.
Schon wenige Minuten nachdem wir losgefahren sind, wird Arlene aktiv und telefoniert mit ihrem Ehemann. Sie schildert ihm meine Situation und vereinbart mit ihm einen Treffpunkt, an dem ich in seinen Pickup-Truck umsteige. Zum Abschied umarmt sie mich herzlich und wünscht mir eine sichere Reise.
Jetzt geht die Fahrt weiter mit Kenneth, der mich auf meinen Wunsch nach Havre bringt. Unterwegs hatten wir Zeit, uns zu unterhalten. Ich konnte ihm beschreiben, was alles am Fahrrad repariert werden muss. Für Kenneth Grund genug, mich in Havre zu verschiedenen Geschäften zu fahren, in denen ich meine erforderlichen Ersatzteile kaufen kann.
In dieser Zeit erreicht mich von dem Gastgeber in Zurich, den ich angeschrieben hatte, die Nachricht, dass ich willkommen sei. Ach ist das ärgerlich. Hätte ich die Nachricht 2 Stunden früher erhalten, so wäre ich mit Sicherheit zu meiner Gastgeberin Tammy in Zurich gefahren. Kenneth bietet mir an, mich auch nach Zurich zu fahren. Das würde heißen 40 Meilen zurück.
Ich rufe bei Tammy an. Wir sprechen über diese ärgerliche Situation und kommen schließlich überein, dass ich in Havre bleibe, da sie das Haus bereits voller Gäste hat. Außerdem würde das für mich heißen, insgesamt 80 Meilen zu fahren, um da zu sein wo ich bereits bin.
Kenneth schlägt mir 2 öffentliche Parks vor, in denen ich mein Zelt aufschlagen kann. Der erste Park Ist sehr beliebt und voller Menschen und ist daher nicht geeignet. Der 2. Park ist kleiner, aber dort ist es fast menschenleer und sehr ruhig. Hier laden wir meine Sachen ab. In diesem Park werde ich mein Zelt auf schlagen, das Fahrrad reparieren, und die Nacht verbringen.
Bis zuletzt ist mir Kenneth in jeder Hinsicht behilflich. Und selbst für die Weiterfahrt Richtung Yellowstone hat er noch einige gute Anregungen, die ich gut gebrauchen kann. Kenneth und Arlene sind beide noch als Lehrer im Schuldienst tätig und laden immer wieder Austauschschüler aus europäischen Ländern ein. Ich bin ganz beeindruckt von ihrer Großzügigkeit und der Selbstverständlichkeit, mit der sie mir in meiner Situation weitergeholfen haben.
Glücklich diese Menschen getroffen zu haben, hatte ich Arlene bereits meine Visitenkarte überreicht. So können mir Beide in Zukunft In meinem Blog folgen. Und ich freue mich schon jetzt auf ein Wiedersehen.
So endet dieser Tag und erfüllt mich zutiefst mit Dank für all die Hilfen und Geschenke, die man mir heute bereit hat.
Jo, it was a pleasure to meet you at the Buffalo jump! I wish I new you needed bike repairs! I could’ve helped!
Here’s to an adventurous and beautiful journey!
And remember, it’s not an adventure until you feel all your emotions!
Hi Aaron,
you can be sure that I feel all my emotions… Even though we had only a few minutes to talk, to me it is unforgetable.
was Du über die moskitoschwärme berichtest, liest dich für mich einfach nur furchtbar. bei mir schwillt jeder einzelne stich gross an und ich muss mich total absichern. Insofern kann ich Dir nur meinen Respekt zollen, dass Du Dich diesen quälgeistern aussetzt und Deine gute Grundstimmung bewahrst. Du musst bei den Stoikern in die Lehre gegangen sein. Anders ist das nicht zu erklären.
vielleicht wird es in den nächsten Tagen besser. Das wünsche ich Dir! Rena
Liebe Rena,
die vergangenen Wochen bin ich immer in der Nähe des Missouri durch die Landschaft geradelt. Das ist natürlich ein Eldorado der Mücken. Aber ich habe es gut überstanden. Ich freu mich auf die 9 Monate, die noch vor mir liegen.
Alles Liebe
Jo