Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Minot nach White Earth

19. August 2024

Was für ein wunderbarer Tag.

Die Nacht ist unruhig verlaufen. Ich hatte gestern Abend wohl den falschem Platz ausgesucht. Und im Laufe der Nacht stellte sich heraus, warum: Das Picknickareal liegt genau zwischen zwei stark befahrenen Gleisen. Und besonders in der Nacht fahren hier die Güterzüge.

So rumpelten, polterten und lärmten hunderte Meter lange Kolonnen von Güterwagen, gezogen von munter bimmelnden und immer wieder das ohrenbetäubende Horn verwendenden, dröhnenden Lokomotiven durch mein Zelt.

Um sechs Uhr morgens ist meine Nacht zu Ende. Neben meinem Zelt herrscht reges Treiben. Mark ist bereits da und baut sein Freilichtwohnzimmer wieder auf. Er ist gut ausgestattet mit seinem Fernseher, seinem Radio, seinem Kaffeekocher und allem, was er so für den Tag braucht. Der überdachte Pavillon ist tagsüber sein Zuhause, während er die Nacht in einem alten Truck verbringt.

Als ich aus meinem Zelt krieche, ruft er mir fröhlich zu, dass der Kaffee bereits fertig ist. Kaffeecreamer und Zucker inklusive. So setze ich mich ein paar Minuten gemeinsam mit ihm hin, teile Obst und Gemüse mit ihm und er erzählt aus seinem Leben. Er erzählt von seiner Freiheit. Von seiner Zeit im Gefängnis. Und wie er zum Glauben gekommen ist.

Er sieht heute seine Aufgabe darin, andere Menschen zu beschenken. Sich selbst bezeichnet er als Outlaw. Er braucht kein festes zu Hause, hat keine Verwandten und ist mit seinem Leben, so wie es ist, sehr zufrieden.

Dann wird es Zeit, alle Sachen zu packen und sich aufs Fahrrad zu schwingen. Mark hatte sich bereits gestern angeboten, mich zu Val’s Cyclery zu bringen. Und so leitet er munter voran und führt mich um die kleinen Hügel herum, auf ebenem Weg zum Fahrradladen.

Sofort kommt ein Mitarbeiter, schaut sich den Schaden an, bittet um meine Telefonnummer und gibt mir als Empfehlung die Adresse eines kleinen Cafés, in dem ich frühstücken kann. Ich hoffe inständig, dass er den Schaden an meiner Gangschaltung beheben kann.

Heute ist Montag und das empfohlene Café hat geschlossen. Eine zufällig anwesende Mitarbeiterin schickt mich 50 Meter weiter über die Straße.

Ich lande im Parker Center Coffee Shop. Er ist einem Altenheim angegliedert. Und nachdem ich ein Formular ausgefüllt habe, erhalte ich ein reichhaltiges, leckeres Frühstück für vier Dollar. Der Kaffee wird gratis nachgeschenkt.

Da ich neu bin, zeigen Mitarbeiter wie auch Altenheimbewohner ihr reges Interesse. Und so berichte ich von meiner Reise. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Ich hätte noch lange bleiben können, doch nach knapp einer Stunde erhalte ich einen Telefonanruf vom Fahrradladen, dass das Fahrrad repariert sei.

Und so eile ich zurück. Anstatt dass, wie ich vermutete, die Alfine Gangschaltung kaputt war, welche 600 – 700 Euro kostet, war in dem Schlammloch, in das ich gestern geraten bin, Schmutz ins Innere der Schaltung eingedrungen. Der Mechaniker musste sie zerlegen und reinigen. Das war’s. Mehr nicht.

Dieser Fahrradladen hat sogar den Mantel, den ich so lange vergebens gesucht hatte. Mein Mantel am Hinterrad hat fast kein Profil mehr. Die ganze Reparatur inklusive neuem Mantel kostet mich am Ende 83 Dollar.

Erleichtert über die schnelle und preiswerte Reparatur und erfreut, dass ich nun wieder die kleinen Gänge und vor allem den Leerlauf nutzen kann, packe ich das Fahrrad und bin schon 10 Minuten später wieder unterwegs.

Bevor ich die Stadt verlasse, mache ich noch einen kleinen Abstecher zur hiesigen skandinavischen Stabkirche. Es gibt in dieser Stadt eine kleine, skandinavische Community, die den kleinen Park mit Kirche und angrenzenden Gebäuden pflegt.

Dann verlasse ich die Stadt und es geht hinaus aufs Land.

Die Landschaft ist lieblich kleinhügelig. Von Wetlands keine Spur. Inmitten der landwirtschaftlich genutzten Flächen entdecke ich immer wieder kleine Inseln, in denen die Ölpumpen das ‚Schwarze Gold‘ ans Tageslicht befördern.

Ich befinde mich hier in einem zentralen Gebiet der Erdölförderung der USA. Hier wird das Öl in der klassischen Art und Weiße gefördert. Teilweise mit Pumpen. Und wo die Pumpen fehlen, sprudelt es auch arthesisch aus der Erde.

Das Öl wird direkt in große Tanks, die wie Getreidesilos aussehen, gepumpt und per Truck in die Raffinerien zur Weiterverarbeitung befördert. Viele der Förderstellen verraten sich in der Landschaft durch brennende, fauchende und laut zischende Gasfackeln.

Gelegentlich sieht man auf den Feldern große Rinderherden und vereinzelt kleine Pferdetrupps.

In den Senken entlang der Straße haben sich wieder kleine Teiche gebildet, die für die Wassertiere ein El Dorado darstellen.

Da fällt der Wasserturm im Weizenfeld fast futuristisch aus

Mittlerweile ist es Abend geworden. Ich mache mich wieder auf die Suche nach einem Quartier und lande bei einer Familie Heinle. Im Sonnenuntergang genieße ich als erstes eine Dose Bier. Und anschließend eine leckere Fischspeise.

Ich hatte bereits mein Zelt aufgebaut, da kommt der Sohn der Familie vorbei und bietet mir an, in seinem Trailer zu übernachten. Gerne nehme ich das Angebot an, packe das Zelt wieder ein und ziehe in den voll klimatisierten Wohnwagen.

Hier im Kingsize Bett versuche ich noch ein paar Zeilen meines Blogs zu bearbeiten. Leider gelingt mir das nicht, da ich einfach zu müde bin und mir das Handy wiederholt aus der Hand rutscht. So lasse ich es gut sein und beende den Tag mit einem Dank an alle, die dazu beigetragen haben, dass es mir so gut geht.

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