Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Monterey nach San Lucas, California

29. Oktober 2024

Früh am Morgen wache ich auf. Auf dem Campingplatz ist es noch ruhig. Die Temperaturen außerhalb des Zeltes liegen um die drei Grad. Die Kälte zwickt an den Händen. Ich versuche, mich zu bewegen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen.

Als ich 30 Minuten später mein Zelt abgebaut und auf dem Fahrrad verzurrt habe, ist mein Körper warm. Ich verlasse den Campground. Der Eingang ist offen aber unbesetzt.

Und so verlasse ich fast unbemerkt diesen kleinen, stillen Park mit seinem hübschen Hiker/Biker Campsite.

Auf dem Weg hinunter zum Strand stehen gleich neben der Straße zwei Maultierhirschkühe. Sie beobachten mich zwar, zeigen aber keine größere Scheu.

Erinnerungen an das niederländische Zandfort werden wach – da haben die Rehe auch ihre Scheu verloren und wagen sich zwischen Häuser, parkende Autos und Menschen.

Kurz darauf verlasse ich über die ansteigende Dune Crest Avenue Monterey. Für die nächsten 6 – 7 Meilen geht es auf dem Weg aus der Stadt, auf dem ich gestern Abend hereingekommen bin. War ich gestern Abend müde und unaufmerksam, so bin ich heute morgen hellwach und nehme die Landschaft viel intensiver wahr.

Der Monterey Bay Costal Trail führt durch eine schmale, sich an der Küste entlang erstreckende Dünenlandschaft. Eingezwängt zwischen dem Pazifik und dem Highway und nur wenige 100 m breit, erstreckt sie sich über mehr als 20 Meilen entlang der Monterey Bay in Richtung Nord-Nordost.

Es gibt zahlreiche Verwehungen auf dem Radweg, die das Weiterfahren mitunter deutlich erschweren.

An einigen Stellen muss von Zeit zu Zeit der Radweg vom Flugsand befreit werden.

Das Betreten der Dünen entlang der gesamten Fahrradstrecke ist verboten. Das gibt den Pflanzen in den Dünen die Möglichkeit, sich nach und nach anzusiedeln und ganze Matten zu bilden.

An einigen exponierten Stellen haben sich Wanderdünen gebildet, die den Radweg auf einem längeren Abschnitt gefährden. Auch hier muss immer wieder für Abhilfe gesorgt werden.

Kurz vor Erreichen des Fort Ord Dunes Stateparks erreicht diese Pflanzenart eine flächendeckende Ausdehnung und gibt der Landschaft mit ihren vereinzelt stehenden, tiefwurzelnden Zypressen ein reizvolles Aussehen.

Im Gegenlicht wird der Leuchteffekt noch deutlicher.

Über weite Strecken verwandelt sich die Dünenlandschaft in dieser Jahreszeit in ein in unzähligen Rottönen leuchtendes Pflanzenmmeer.

Kurz hinter dem Fort Ord Dunes Statepark finde ich einen Elektronikladen, wo ich mir zwei neue Powerbanks kaufe. Jetzt muss ich nur noch eine Gelegenheit finden, sie aufzuladen.

Nach ca 7 Meilen verlasse ich den Dünensaum und es geht ins Landesinnere ab. Auch hier finde ich wieder Pumpkin Patches. Es erstaunt mich immer wieder, wie tief verwurzelt diese Tradition in der amerikanischen Gesellschaft ist.

Mein Weg führt mich heute durch ein langgezogenes, von Nord-Nordwest nach Süd-Südost verlaufendes, brettebenes Tal, das an beiden Seiten von niedrigen Bergzügen begrenzt wird.

Die Talebene wird landwirtschaftlich genutzt. Hier wird all das angebaut, was man im Obst- und Gemüseladen um die Ecke findet. Außerdem reifen auf vielen Flächen die Rebsorten für den kalifornischen Wein.

Folgt man auf der Straße dem River Road Wine Trail, so gelangt man zu unzähligen Weingütern, die teilweise sehr gute Weine herstellen.

Dabei erstreckt sich das Weinanbaugebiet auf beiden Seiten des Salinas Rivers bis an den Fuß der Bergketten, zwischen denen das langgezogene Tal liegt.

Neben Wein werden z. B. auch Kohl, Karotten und Petersilie angebaut, um nur einige, wenige Gemüsesorten zu nennen.

Während das Bestellen der Felder maschinell erfolgt, wird auf vielen Feldern manuell geerntet …

… und wie schon die Tage zuvor, gibt es Tätigkeiten, die von Farmarbeitern und Erntehelfern verrichtet werden. Was diese Männer auf dem Feld tun, vermag ich nur zu vermuten. Ein Gespräch war mit keinem von ihnen möglich.

Toilettenwagen am Feldrand

Feldarbeiter bei der Arbeit

Petersilie und weitere Gewürzpflanzen entlang der Straße, die durch die Felder führt.

Schließlich erreiche ich die Mission Nuestra Senora de la Soledad. Ich freu mich schon auf einen Besuch dieser im Jahre 1791 gegründeten Mission. Aber ich habe Pech. Die Mission ist geschlossen und weit und breit keine Menschenseele zu sehen.

Zwar kann ich mich draußen ein wenig umsehen, aber begeistert bin ich nicht. Der riesige, staubige Parkplatz gleich neben dem kleinen Blumengarten der Mission erschlägt alles. Ein wenig enttäuscht setze ich meine Fahrt fort.

Es ist bereits spät am Nachmittag, als auf den Feldern die Bewässerung einsetzt. Als sich die Sonne anschickt, hinter der zerklüfteten Santa Lucia Range im Westen zu versinken, erreiche ich King City.

Viel ist hier nicht los. Ein Quartier habe ich noch nicht gefunden. Es wird wohl eine wilde Nacht. So entscheide ich mich, noch ein Stündchen zu fahren. Was ich dabei ganz vergesse ist die Tatsache, dass ich bereits über 60 Meilen hinter mir habe. Und als ich schließlich den nächsten Ort San Lucas erreiche, ist es bereits dunkel.

Ein kleiner Laden neben der Straße hat noch geöffnet. Ich frage den Verkäufer, ob er eine Idee hat, wo ich mein Zelt aufschlagen kann. Eine wirkliche Idee hat nicht, aber er meint, dass alle Bürger dieses Dorfes freundlich sind und bereit währen, mir zu helfen. Also fahre ich ins Dorf San Lucas hinein und klopfe an der erstbesten Haustür.

In der Tür öffnet sich ein Fenster, das mit einer Lochplatte nach außen geschützt ist. Ich kann zwar niemanden erkennen, aber zumindest die Frauenstimme deutlich hören. Kurz darauf kommt eine Männerstimme hinzu. Ich trage mein Anliegen vor.

Leider kann man mir nicht helfen. Ich soll ein Haus weiter gehen. Dort wohnt die Bibliothekarin des Dorfes. Die kann besser Englisch und sie kenne sich im Dorfe besser aus.

So versuche ich mein Glück an ihrer Tür. Die Dame kommt heraus. Und nachdem ich mein Anliegen vorgetragen habe, bittet sie mich, einen Augenblick zu warten und verschwindet wieder im Haus. Kurze Zeit später kommt sie wieder heraus.

Es ist bereits 18.40 Uhr. Um 19.00 Uhr hat sie einen Bibelkreis in der kleinen Kirche des Dorfes. Sie weiß, dass es hinter der Kirche eine kleine Grünfläche gibt, die sich zum Zelten eignet. Vor der Kirche treffen wir Maria, eine weitere Teilnehmerin des gemeinsamen Bibelkreises. Maria ist gleichzeitig für die Kirche zuständig und erlaubt mir, mein Zelt hinter der Kirche aufzuschlagen.

Erleichtert atme ich auf und fange sofort an, mein Zelt im Schein meiner Stirnlampe aufzubauen. Maria und die Bibliothekarin unterhalten sich noch ein paar Minuten mit mir.

Die Bibliotekharin, die übrigens Amparo (Schutz) heißt, legt mir noch einen Stock zu meinen Füßen. Sie meint, dass es gut sein könne, dass Hunde vorbeikommen. Zum Fernhalten der Hunde sei ein ordentlicher Stock ganz gut geeignet. Dann ziehen sich Beide in die Kirche zurück und ich bin allein.

Sie haben mich noch gewarnt, dass es in dieser Nacht sehr kalt werden soll. Und so krieche ich in meinen Schlafsack und versuche, zur Ruhe zu kommen. Bis nach Mitternacht gelingt mir das nicht.

Im Dorfe hat wohl jeder einen Hund. Und diese Hunde sind nachts außerhalb des Wohnbereichs im Hof eingesperrt. Schlägt der erste Hund lautstark an, geht sofort darauf ein bellendes Lauffeuer durch das ganze Dorf.

Dieses laute Hundegegebell hält bis nach Mitternacht an. Irgendwann muss ich dann eingeschlafen sein.

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