Maureen und Roy mit ihrem Wahlmotto
26. Oktober 2024
Ich bin früh unterwegs. Der Abschied von meinen Gastgebern war kurz. Fast hätte ich geweint. Aber die Unruhe treibt mich, meine Reise fortzusetzen.
Schon am ersten Berg, ich bin noch nicht raus aus der Stadt, macht sich mein Rücken unangenehm bemerkbar. Also reduziere ich meine körperliche Belastung und fahre die Berge im ersten oder zweiten Gang hinauf. Das ist zwar langsamer. Aber auch kräfte- und rückenschonender.
Die Vororte San Franciscos ziehen sich ein paar Meilen hin. Es geht bergauf und bergab. Gott sei dank sind die Straßen in den Wohnvierteln längst nicht so überlastet wie in San Francisco selbst. Und so komme ich trotz langsamerer Fahrweise doch ganz gut voran.
Manch Pumpkin hat mittlerweile seinen Weg vom Pumpkin Patch in den Vorgarten gefunden. Sehr zur Freude vorbeikommender Kinder und Erwachsener.
Auf meiner Reise durch die USA sind mir wiederholt lange Schlangen besonders vor Kirchengebäuden aufgefallen. Hier stehen die Menschen an, deren Geld für Essen und Dinge des täglichen Bedarfs nicht reicht.
Es sind in der Regel von den Supermarktketten gespendete Lebensmittel, deren Verfallsdatum fasst erreicht ist. Manches Lebensmittel, dass sich schlicht nicht gut verkaufen lässt, landet ebenfalls auf diesen Gabentischen. Shampoo, Seife, Wäsche und Kleidung. Oftmals reicht es nicht für alle.
Was mich bei alledem jedoch wundert, ist die Tatsache, dass viele der Wartenden nach dem Verlassen der Kirchengebäude mit gefüllten Taschen zu ihren Autos eilen.
Ich kenne die Gründe für die Not nicht, welche die Menschen zu diesen Ausgabestellen treibt. Und ich habe auch den Eindruck, dass es sich nicht um die große Gruppe der wirklich Obdachlosen handelt, die dort anstehen. Sie sind im Erscheinungsbild fast aller Städte sichtbar und bereiten vielen Städten auch große Sorgen.
Oftmals tragen sie wirklich das letzte Hemd am Leib. In der Schlange auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdecke ich keinen dieser Obdachlosen. Und ich bin dankbar, dass diesen Menschen geholfen wird.
Über den Lake Merced Boulevard verlasse ich endgültig San Francisco …
… und erreiche über den Skyline Drive Dale City an der Pazifikküste.
Eine kurze Strecke geht es den Berg hinab bis auf Meeresniveau. Und gleich darauf wieder hinauf über den ersten höheren Berg, hinter dem Pazifica im Talkessel liegt.
Noch einmal möchte ich bei Laura und Greg vorbeischauen und mich für die liebevolle Aufnahme, die schon ein paar Tage zurückliegt, bedanken. Außerdem wollte ich mitteilen, dass ich ihre Tochter Ayla im Fahrradgeschäft nicht angetroffen habe.
Da ich mich nicht angemeldet habe, muss ich hinnehmen, dass niemand zuhause ist. Ich hinterlasse eine kleine Sprachnachricht und verabschiede mich dann endgültig aus Pacifica.
Hier wird an geliebte Menschen erinnert, die an einer Überdosis gestorben sind. Der 31. August ist der International Overdose Awareness Day (IOAD), eine globale Kampagne zur Beendigung der Überdosierung.
Hinter Pacifica gelange ich auf den Quarry Running Trail, einen ausgewiesenen Fahrradweg, der entlang der Küste verläuft.
Fentanyl ist ein ganz großes Problem in Californien, das der Staat bisher nicht in den Griff bekommen konnte. Die Folgen sieht man hier, entlang des Quarry Running Trails.
Fentanyl ist ein synthetisches Opioid und wird in der Anästhesie und der Intensivmedizin verwendet. Es hat ein hohes Suchtpotenzial und der Missbrauch endet häufig tödlich.
Entlang dieses Weges sind auf einer Strecke von gut 200 Metern kleine Beete angelegt, die ein wenig an Grabstellen erinnern. Es sind kleine Gedenkstätten, die an verstorbene Menschen erinnern.
Das Besondere dieser kleinen Parzellen besteht für mich darin, das hier überwiegend jenen gedacht wird, die an den Folgen ihrer Drogensucht gestorben sind. Auf mehreren Parzellen entdecke ich den Hinweis auf Fentanyl.
Wenig später enden diese kleinen Gedenkstätten und es geht weiter durch die Hügelkette entlang der Küste.
Immer wieder nähert sich der Trail der Küste, sodass ich die Aussicht auf den Pazifik wirklich genießen kann.
An einer Stelle windet sich der Fahrradweg in kleinen Serpetinen den Berg hinauf.
Schließlich mündet der Trail In den alten Highway 1. Dieser Streckenabschnitt ist heute für den Autoverkehr gesperrt. So lässt es sich angenehm fahren. Wenn nicht die 9 %ige Steigung wäre.
Ich hatte Glück, denn ich muss nur hinunter fahren. Aber mir geht nicht aus dem Kopf, wie ich vorher den Berg erklommen habe. Ein Warnschild war jedenfalls nicht vorhanden.
An einer langgezogenen Steigung schließe ich auf zu einem Ehepaar, das ebenfalls auf dem Weg in den Süden ist. Ich hänge mich hinten dran und kann das Tempo der Beiden locker mithalten.
Während die Frau sich mehr und mehr von uns absetzt, werden wir beiden Männer immer langsamer. Bis schließlich mein Vordermann in einer kleinen Nische hält und mich vorbeilässt mit der Bitte, ruhig weiter zu fahren. Er brauche erst einmal eine Verschnaufpause.
Circa 1 Meile weiter hole ich seine Frau ein. Im Gespräch erfahre ich, das ihr Mann Im vergangenen Jahr eine Herzerkrankung hatte, die heute sein Leistungsvermögen einschränkt.
Während sie auf ihren Ehemann wartet, setze ich meine Reise fort. Wir werden uns später auf dem Campingplatz wiedersehen.
Die Landschaft wechselt sich zwar ab, aber ändert sich kaum. Es bleibt eine Küstenlandschaft mit vielen kleinen Buchten und kleinen Felsnasen, die aus der Küstenlinie ins Meer hinausragen.
Manche dieser Buchten sind zum Surfen und Kayaken gut geeignet. Mitunter tummeln sich Dutzende von Surfern in der Brandungszone.
Selten sieht man alternative Häuser wie dieses Ocean Studio.
Eine Besonderheit, über die ich mich immer wieder wundere, sind die direkt an den Strand gebauten Häuser.
Nicht weit von diesem Haus entfernt sind Schilder entlang der Straßen für Tsunami-Fluchtrouten aufgestellt. Das ist für mich ein großer Widerspruch.
Eine Allianz aus Künstlern und Schriftstellern, die gemeinsam daran arbeiten, tieferes Mitgefühl und Verständnis für die Natur zu entwickeln.
Auf dem weißen Schild steht: Eine einmalige Gelegenheit für einen abenteuerlustigen, zielstrebigen Filmemacher oder anderen Medienprofi, an diesem wunderschönen, geodätischen Studio mit Meerblick teilzuhaben (kein Wohnbereich).
Ich brauche also gar nicht erst anzuklopfen. So ziehe ich weiter.
Wenige Minuten weiter grüßt ein Wahlplakat. Bisher hatte ich nur Donald Trump in marzialischer Haltung mit gestähltem Körper, ein Maschinengewehr in der Hand, gesehen. Leider hab ich das Poster nicht fotografiert. Es würde als Gegenstück gut zu diesem Poster passen.
Beide Poster drücken für mich keinen demokratischen Diskurs sondern eher einen echten Kampf aus, bei dem es einen Gewinner und einen klaren Verlierer gibt.
Die Waffen in der Hand eines jeden sagen zusätzlich viel über das Schicksal des Verlierers aus.
Es ist Pumpkinsaison. Diese Saison ist an den Herbst angelehnt, reicht von Anfang Oktober bis zum Ende November, wobei Halloween den Höhepunkt dieser saisonalen, sich jährlich wiederholenden Veranstaltung bildet.
Am späten Nachmittag erreiche ich Half Moon Bay. Und auch hier werden auf einem Pumpkin Patch Kürbisse in den unterschiedlichsten Größen angeboten.
Schließlich erreiche ich mein heutiges Ziel, den Francis Beach State Park, wo ich für 7 Dollar einen Platz nebst kostenloser Dusche finde. Gleich hinter den Dünen und nur 100 Meter vom Meer entfernt.
Ein ruhiges Plätzchen im Abendschatten uralter Zypressen. Morgen früh wird die Sonne das Zelt wärmen. Ich freu mich drauf.
Mein letzter Besuch führt mich an diesem Tag an den Strand hinter den Dünen. Während ich dem einsetzenden Sonnenuntergang zuschaue, ziehen Pelikane über mich hinweg.
An der vordersten Schaumfront der auf dem Sandstrand auslaufenden Wellen tummeln sich Meeresstrandläufer und weichen geschickt jeder flach eintreffenden Wellenfront aus.
Im Hintergrund färbt sich der Himmel nach und nach tiefrot und gießt einen Teil seiner Farbe in den Ozean. Ein faszinierender Moment, der schon wenige Minuten später seine Strahlkraft verloren hat.
Langsam durchdringt die abendliche Kühle meine Kleidung und noch bevor es dunkel ist, ziehe ich mich frierend in mein kleines Zuhause zurück. Ich breite den Schlafsack über meinem Körper aus und bereits nach wenigen Minuten muss ich eingeschlafen sein.
Hi there
It’s Esther and Gyula who met you in Pacifica and were with you in Half Moon Bay when you lost your credit card.
Where are you now?
We just arrived in LA. Staying at a house in Venice tonight.
Hope you are well.
Esther and Gyula
Dear Esther, dear Gyula,
It was very nice to meet you on the way and I thank you for the lovely conversations. At the moment I am still in Goleta, where I am recovering with wonderful hosts. My back needed rest and the bike also had to be repaired because the gears were damaged. I will probably stay in Goleta until the middle of next week. Then I will continue my journey towards San Diego. I wish you both a good trip and hope that you reach your dream destinations.
All the best,
Jo