Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von San Lucas nach San Luis Obispo, California

30. Oktober 2024

Die Nacht war kurz und laut. Den ganzen Abend bis nach Mitternacht bellten die Hunde im Dorf. Erst dann erlahmte deren Eifer und wir alle konnten endlich einschlafen.

Irgendwann zwischen drei und vier Uhr morgens startete der erste Hahn mit seinem Krähen, zwanzig Meter hinter dem Bretterzaun neben meinem Zelt.

Der Nachbar hat auch Hühner und einen prächtigen Hahn, der sofort antwortet. Ein dritter Hahn meldet sich. Dann ein Vierter, ein Fünfter. Zuletzt sind es so viele, dass ich das Zählen aufgebe. Währenddessen krähen die Hähne munter weiter.

Das Konzert erlischt erst, nachdem der Tag angebrochen ist. Das Hahnengeschrei ist so laut, dass ich bis zum Morgengrauen keinen Schlaf mehr finde. Immerhin die Hunde sind an diesem Morgen ruhig.

Ich stehe auf und fange an, meine Sachen zu packen. Noch während ich meine Packtaschen an den Gepäckträgern aufhänge, taucht ein erster großer Hund auf. Nachdem er mich entdeckt hat, fängt er lautstark an zu bellen. Ich blicke mich um und ergreife den neben mir liegenden Stock, den mir Maria gestern Abend mit den Worten: „Du wirst ihn brauchen können“, gegeben hat.

Und tatsächlich, mit dem Stock in der Hand verhält sich das Tier plötzlich anders. Abrupt bleibt der Hund, immer noch laut bellend, wenige Meter vor mir stehen. Ich tue so, als wenn ich ihn ignoriere, lehne den Stock griffbereit ans Fahrrad und packe weiter.

Nach einigen Minuten ist es dem Hund offensichtlich zu viel und er trollt sich davon. Es bleibt der einzige Hund an diesem Morgen, den ich höre und störe.

Kurz bevor ich aufbreche, besuchen mich drei Hängebauchschweine. Zufrieden schnüffelnd streifen sie an meinem Lagerplatz umher.

Während es ihnen offensichtlich nichts ausmacht, an diesem Morgen bei 3°C draußen herumzulaufen, ist mir immer noch kalt. Den Körper kann ich schützen. Die Hände bleiben ungeschützt.

Mir fehlen ein paar Handschuhe. Daran hatte ich nicht gedacht. So klammere ich mich an den Fahrradlenker und trete erst einmal ordentlich in die Pedalen, um mich aufzuwärmen.

In der nächsten Morgenstunde steigen die Temperaturen von anfangs 3°C auf 9°C, was meinen Fahrcomfort erheblich steigert. Und schon bald werden es 16°C sein und ich kann meine wattierte Jacke ablegen.

Auf dem ersten Teil der heutigen Etappe geht es wieder durch Farmland. Das Bild zeigt die Wassersprenger, die jeweils am Ende eines ca. 6 Meter langen Rohres aufgesetzt sind.

Hier, auf dieser staubigen Freifläche neben der Straße, stehen 6 Hänger. Jeder dieser Anhänger ist beladen mit circa 150 Segmenten. Hier wird mir noch einmal deutlich, wie wenig Wasser vom Himmel fällt. Und wie wichtig die Wasserversorgung für das Gedeihen der Feldfrüchte und der Weinstöcke ist.

Schon gestern hatte ich Dutzende dieser mit Rohrleitungen beladenen Hänger entlang meines Weges an den Feldrändern gesehen. So schön dieses sonnige, trockene Wetter für mich auch ist, die Landwirte bringt es in Not.

Etwas weiter schreckt mich plötzlich Vogelgeschrei. Das klingt nach Raubvögeln und ich fange an, den Himmel abzusuchen. Ich kann jedoch keine am blauen, wolkenlosen Himmel entdecken.

Stattdessen fällt mir wenig später ein Gestell am Feldrand neben der Straße auf, aus dessen Richtung das markante Vogelgeschrei kommt. Und dann erkenne ich die installierten Lautsprecher an diesem Gestell. Das Ganze wird solar betrieben und ist mobil.

Offensichtlich hat ein Bewegungsmelder angeschlagen, als ich mich dieser Konstruktion näherte und das Vogelgeschrei ausgelöst. Ob es hilft, hungrige Vögel vom Feld fern zu halten, vermag ich nicht zu sagen. Ich jedenfalls fahre weiter.

Nach insgesamt ca. 16 Meilen, die ich bereits geradelt bin, ändert sich abrupt das Landsaftsbild. Ich erreiche das San Ardo-Ölfeld. Es ist ein großes Ölfeld im Monterey County, California. Es liegt im Salinas Valley, das ich seit gestern durchfahre, ca. 8 km südlich der Kleinstadt San Ardo.

Es ist das achtgrößte, produzierende Ölfeld in Kalifornien und von den 20 größten Ölfeldern Kaliforniens das jüngste, das 1947 entdeckt wurde.

Das Hauptfördergebiet liegt am Ostufer des Salinas River und in den angrenzenden Hügeln der Coast Ranges. Es ist ca. 8 km lang und 6 km breit.

Im zentralen Bereich der aktiven Ölförderung wurde ein Großteil der Vegetation entfernt. Hier stehen die Förderpumpen so dicht, dass sich die einzelnen freien Sicherheitsbereiche, die um jede Pumpe herum angelegt sind, überschneiden.

Zu den Rändern hin reicht das Ölfeld bis ans Ufergebiet in unmittelbarer Nähe des Salinas Rivers bis hin zu Grasland, Chaparral und Eichenwäldern in den Hügeln und Hochebenen.

Mein Weg führt direkt zwischen den Förderanlagen hindurch. Das gib mir eine bessere Vorstellung von der Größe jeder einzelnen Pumpe.

Am linken Bildrand, entlang der Straße, sieht man einen kleinen Betonwall, der verhindern soll, dass im Falle eines Öllecks auslaufendes Öl in den hier ganz nahe vorbeifließenden Salinas River gelangt.

Kurz nach dem Passieren dieser Ölpumpen verlasse ich das Ölfeld und wechsle auf die Westseite des Salina Rivers. Bis Paso de las Robles sind es noch 31 Meilen. Ich fühle mich nicht gut. Zu wenig Schlaf. Und der Rücken fängt wieder an, sich unangenehm bemerkbar zu machen.

Eigentlich möchte ich San Luis Obispo erreichen. Aber das scheint mir angesichts der fortgeschrittenen Zeit, meiner Müdigkeit und weiterer 36 Meilen nicht realistisch.

So trete ich erst einmal in die Pedalen, um soweit wie möglich zu kommen. Gott sei Dank ist die Wegstrecke weitestgehend flach. Die Berge erheben sich nur rechts der Straße.

Links der Straße zieht die Landschaft in ganz flachen Wellen an mir vorbei und wird in der Ferne von einem nach Süden auslaufenden Bergzug begrenzt.

Die Bewaldung der Hänge rechts des Weges lockert immer mehr auf.

Irgendwo am Wegesrand hockt ein Truthahngeier auf einem Telegrafenmast und wärmt mit ausgebreiteten Flügeln sein Gefieder.

Ich passiere einen kleinen Bambushain. Bambus ist in Kalifornien nicht heimisch. Gelegentlich wird er zur Zierde gepflanzt. In Fällen mangelhafter Pflege kann er sich selbstständig machen und sich invasiv über größere Flächen ausbreiten. Hier am Wegesrand ist er auf alle Fälle ein Hingucker.

Ihm gegenüber hat eine Baumschule, die diese Pflanzensorten vertreibt, eine witzige Werbeidee umgesetzt …

Am späten Nachmittag gegen 16.00 Uhr erreiche ich Paso de las Robles. Um San Luis Obispo heute noch zu erreichen, ist es zu spät. Meine heutigen Gastgeber wohnen jedoch dort. Müde, abgespannt, unaufmerksam und mit Rückenschmerzen entscheide ich mich, den Bus zu nehmen.

Die Bushaltestelle ist schnell gefunden. Da ich aber erst zur Bank muss, um Bargeld abzuheben, verpasse ich den Bus um kurz nach 5.00 Uhr. Die Busfahrer nehmen nur Bargeld und können keinen Wechselgeld herausgeben. Der Bankautomat spuckt nur eine 50 Dollarnote aus, die ich dann in der Bank bei einem freundlichen Schalterbeamten gegen Kleingeld eintausche.

Um kurz nach 6.00 Uhr kommt mein Bus. Selbstständig lade ich mein Gepäck in den Bus und das Fahrrad vorne vor dem Bus in den montierten Fahrradständer. Ich entrichte das Fahrgeld und werde gebeten, meine Packtaschen nicht an der dafür vorgesehenen Ablagestelle zu verstauen, sondern unter dem Sitz. Nachdem ich das erledigt habe, fährt der Bus los.

Knapp 1½ Stunden später erreiche ich San Luis Obispo. Mit den neuen Vorderradtaschen geht das Ab- und Anbringen meines Gepäcks am Fahrrad schnell und einfach. Für mich einen Grund mehr, mich über die vor Tagen gekauften Farradtaschen zu freuen.

Gegen 20.00 Uhr, es ist schon lange pickeduster, erreiche ich das Haus meiner heutigen Gastgeber Kathryn und Myles. Sie warten schon mit dem Abendessen auf mich.

Myles entpuppt sich als leidenschaftlicher Mountainbikefahrer. Und auch Kathryn ist mit von der Partie. In ihrer Garage hängen über 12 Fahrräder für unterschiedlich sportliche Aktivitäten. Und da sie auf ihren Fahrten erlebt haben, was man am nötigsten braucht, wenn man längere Zeit mit dem Fahrrad auf der Straße unterwegs ist, haben sie sich entschlossen, etwas von dem an die Radfahrgemeinschaft zurückzugeben, was sie selber vorher so genossen haben.

Und so komme ich heute Abend in den Genuss einer leckeren, warmen Mahlzeit. Einer warmen Dusche und eines kuscheligen, warmen Bettes. Außerdem führen wir noch ein wirklich herzliches Gespräch.

Was mich an den Beiden besonders beeindruckt, ist ihr noch sehr junges Alter. Soweit ich zurückblicken kann, sind sie meine bisher jüngsten Gastgeber. Und obwohl sie sicherlich nicht so viel haben, sind sie großzügig mit allem.

Da ich sichtbar mit Schmerzen im Rücken ankomme, erlauben sie mir, einen Tag bei ihnen auszuruhen. Im abendlichen Gespräch machen beide mir wunderbare Vorschläge für den kommenden Tag: Mission, Botanischer Garten, das etwas weiter entfernt an der Küste liegene Moro Bay und den El Moro Elfin Park. Ich werde sehen, was ich davon morgen bewältigen kann.

Im Augenblick bin ich einfach nur froh, zu Ruhen. Mein heutiges Bett ist eine geräumige Couch. Schnell ist mein Schlafplatz hergerichtet. Und schon bald gehen im ganzen Haus die Lichter aus. Dankbar über den schönen Tag, schlafe ich zufrieden ein.

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