Jo's DreamA bike. A tent. A year.

Von Venice Beach nach Huntington Beach, California

16. November 2024

Ich bin sehr früh aufgestanden. Die Zimmernachbarn schlafen noch. Die Dusche ist frei. So lasse ich das warme Wasser ein paar Minuten länger über meine Haut rollen.

Um 7.30 Uhr gibt es ein sparsames Frühstück. Leider kein Frühstücksei, keine Wurst und auch keinen Käse. Es gibt zwei Sorten Haferflocken, die man selber mit heißem Wasser zubereiten kann. Dazu Toastbrot, etwas Butter und Streichkäse. Das ist alles. Trotzdem lange ich zu und fülle meinen Magen.

Der Fahrradladen hat bereits geöffnet und ich bekomme mein Fahrrad ausgehändigt. Auch ohne Nachweis, dass ich der rechtmäßige Eigentümer bin. Neben Fahrrädern werden auch Skateboards, Inline- und Rollerskates verliehen. 15 Minuten später bin ich schon wieder am Strand unterwegs.

Eine bemerkenswerte Konstruktion stellt das Waschbecken im WC des Hostels dar. So etwas kannte ich bisher noch nicht …

Nach dem Betätigen der Wasserspülung startet automatisch der Zulauf zum Wasserhahn, so dass ich meine Hände waschen kann. Das verwendete Wasser fließt direkt in den Spülkasten, wo es für die nächste Spülung verwendet werden kann. Ist der Spülkasten voll, stoppt auch der Zulauf über den Wasserhahn.

Etliche Verkaufsstände sind noch geschlossen …

… und erste Bodybuilder starten unter den Augen vorbeischlendernder Touristen ihr Übungsprogramm.

Die kleinen Imbissbuden sind noch nicht von Menschentrauben belagert.

Viel ist noch nicht los auf der Promenade, die gleichzeitig Multiuse-Path ist und direkt am Hosteleingang vorbeiführt. Die meisten Nutzer so früh am Morgen sind die zahlreichen Jogger. Dazwischen normale Touristen und vereinzelt Skate Boarder, wenige Radfahrer und sogar ein Roller Skater.

Eine Gedenktafel erinnert an den „Godfather of Bodybuilding“ Joe Weider, der seit über 65 Jahren einen gesunden Bodybuilding- und Fitness-Lifestile promoted hat. Seine Leidenschaft und Vision wurden zu einer Kraft, die das Leben und den Körper von Millionen Männern und Frauen weltweit verändert hat.

Nach und nach finden sich etliche Surfer ein. Sie kommen mit Auto und Fahrrad. Darunter ein Radfahrer, der offensichtlich seinen Neoprenanzug zuhause angezogen hat.

Und während die Eltern im Wasser die Welle reiten, rodeln die Kinder am Strand den Sandwall hinab. So hat jeder seinen Spaß.

Auf dem Marvin Braude Biketrail fahre ich weiter über den breiten, kilometerlangen Sandstrand …

… der um diese Zeit noch fast leer ist.

Helikopter schwirren in unregelmäßigen Abständen lärmend den Strand entlang

Nach und nach finden sich erste Besucher ein.

Etwas später, im nächsten Strandabschnitt, fällt mir eine größere Menschenansammlung auf. Die meisten stehen in einer langen Warteschlange vor einem am Sandstrand aufgebauten, offenen Pavillon. Neugierig nähere ich mich dem Auflauf. Neben dem Pavillon stehen in in Reih und Glied Dutzende Plastikeimer.

In jedem Eimer ein paar Arbeitshandschuhe.

Und dahinter am Strand unzählige Menschen, die sich eifrig daranmachen, den Strand zu säubern nach dem Motto: Heal the Bay. Eine lokale Aktion der hiesigen Gemeinde.

Weiter windet sich der Betonpfad durch den Sand. Dabei ständig von Verwehungen bedroht.

Langsam kommt auch auf den zahllosen Volleyballfeldern Leben auf.

Es erstaunt mich immer wieder, wie vielfältig das Strandleben hier ist. Selbst für den Zuschauer kommt keine Langeweile auf. Dafür gibt es hier viel zu viel Abwechslung …

In Hermosa Beach führt der Radweg direkt durch die Wohnanlagen und behindert den freien Blick aufs Meer.

Direkt am Sandstrand von Hermosa, neben dem Radweg, wurde diese kleine Bronzestatue errichtet und erinnert an die wichtigste Sportart entlang der kalifornischen Küste

Ich erreiche Long Beach. Hier ändert sich mein visueller Eindruck schlagartig.

Alles ist ein bisschen größer …

… höher …

… und wirkt großstädtischer.

Hier reichen die Hochhäuser bis an den Strand.

Damit das nicht so auffällt, hat man ein paar Palmen direkt vor das Hochhaus gepflanzt. Auf mich wirkt diese Komposition nicht wirklich gelungen. Und so fahre ich unbeeindruckt weiter.

Die Badesaison ist vorüber und überall werden die kleinen Rettungsstationen von den sich die Küste entlang ziehenden Stränden abgezogen und in kleinen Gruppen über den Winter eingemottet.

Am Bolsa Chica Beach wird ausgiebig mit lauter Live-Musik gefeiert.

Über dem Pazifik schickt sich die Sonne an, im Meer zu versinken.

Um diese Zeit eilen viele Menschen auf die weit ins Meer ragende Pier, um dem Sonnenuntergang zuzuschauen. Das ist jeden Tag ein ganz besonderes Spektakel.

Und auch für mich wird es zu einem Spektakel, ein Quartier zu suchen. Von den 7 Möglichkeiten über die Warmshower-App hat nur ein angeschriebener Gastgeber mit Absage geantwortet. Ansonsten blieb mein Briefkasten über den Tag leer.

Noch während ich überlege, nähert sich ein Rennradfahrer und spricht mich freundlich an. Sein Name: Gil. Woher? Wohin? Allein? Seit wann? … usw.

Ich falle ihm auf, weil ich Ersatzreifen auf meinem Gepäck verzurrt habe. Und diese Reifen sprechen für sich: Da ist einer, der bestimmt seit längerem unterwegs ist und/oder noch einen weiten Weg vor sich hat.

Und dann ändert sich alles: Gil hat vor Jahren über die Warmshower-App vorbeiziehenden Radfahrern Quartier angeboten. Und so läd er mich spontan zu sich ein. Ich bin zutiefst berührt.

Gemeinsam machen wir uns vom Strand weg auf den Weg zu seinem Haus, wo wir nach wenigen Meilen ankommen. Sein Sohn Charlie begrüßt mich herzlich und später wird Marin, Gils Ehefrau, noch hinzukommen.

Zuerst gibt es als Erfrischung und zum Auffüllen der verbrauchten E’lyte einen leckeren Durstlöscher. Gleich darauf beziehe ich mein Zimmer. Im Bad zeigt mir Gil, wo Handtücher, etc. zu finden sind.

Nachdem ich ein paar Minuten ausgeruht habe, bietet mir Gil an, im Whirlpool Platz zu nehmen. Meinem wieder schmerzenden Rücken tut die Wärme sooo gut.

Marin ist inzwischen heimgekommen. Und während ich einen kleinen, leckeren Happen zu mir nehme, übt Marin Gesang mit Klavierbegleitung. Eine wunderbare, glasklare Stimme schallt aus dem Wohnbereich zu mir in die Küche herüber.

Wenig später bemerke ich, dass Gil bereits Pläne für den kommenden Tag schmiedet. Ich hatte erwähnt, das ist ursprünglich zwei Museen in Los Angeles besuchen wollte. Da ich jedoch keinen Gastgeber gefunden hatte und ein Hotel für mich wegen der sehr hohen Kosten keine Lösung ist, habe ich auf den Besuch verzichtet.

Gil ist sehr aufmerksam und bucht noch heute Abend die Eintrittskarten für das La Brea Tar Pits and Museum und das Academy Museum of Motion Pictures. All das läuft für mich wie im Film ab.

Dann fährt Gil mit mir zum REI-Store, der wahrscheinlich größte Outdoor Ausrüster der USA, damit ich mir neue Schuhe kaufen kann. Nach 6 Monaten und 13.000 km ist im rechten Schuh die Sohle gebrochen. Das Obermaterial war schon länger hinfällig.

Die Beratung ist super. Der Verkäufer kommt mit 2 Modellen, weil er sofort meine Fußform analysiert hat und weiß, was ich brauche. Der eine Schuh ist eine halbe Nummer zu groß. Der andere passt super.

Gil versucht, mit seiner REI-Mitgliedskarte den Preis für mich zu rabattieren, was leider nicht akzeptiert wird. So zahle ich den vollen Preis. Dafür bekomme ich allerdings gleichzeitig den Mitgliedsausweis, der sonst 30 Dollar gekostet hätte. Für die Zukunft wird ein Einkauf bei REI für mich billiger.

Zurück Zuhause stehen wir ständig im gedanklichen Austausch. Der Abend vergeht so schnell und für mich unglaublich unkompliziert und komfortabel, dass ich keine Ressourcen mehr frei habe für meinen Tagesbericht.

Glücklich über alles, was ich heute erlebt habe, ziehe ich mich müde auf mein Zimmer zurück. Noch ein paar liebe Gedanken an Biggi, die noch gar nicht weiß, was mir widerfahren ist. Dann überwältigt mich der Schlaf und auch mein Rücken kommt ein wenig zur Ruh.

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